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Das Jahr der Jubiläen Säule mit dem Artikel über ArbeitnehmerInnenrechte der Menschenrechtserklärung der UNO von 1948 in verschiedenen Sprachen, gestaltet vom israelischen Bildhauer Dani Karavan
Das Jahr der Jubiläen Reportage über eine Republikfeier in den 1920er Jahren. Die Erinnerung an die Ausrufung der Republik gehörte zu den großen Festtagen der sozialdemokratischen ArbeiterInnenbewegung, auch der Freien Gewerkschaften.

Das Jahr der Jubiläen

Schwerpunkt

Dass die Gewerkschaft mit an der Wiege der österreichischen Demokratie stand machen einige Termine im Gedenkjahr 2008 besonders bewusst.

Die Gewerkschaftsbewegung entstand auch in Österreich als Demokratiebewegung. Im Revolutionsjahr 1848 gelang es erstmals, so etwas wie Kollektivverträge durchzusetzen. Und immerhin durften männliche Arbeiter wählen, wenn man ihnen auch Sitz und Stimme im ersten Parlament Österreichs, dem revolutionären Reichstag, vorenthielt. Damit fehlte die Möglichkeit, politisch gegenzusteuern als die Revolutionsregierung Lohnkürzungen und die Zurücknahme der ersten sozialen Errungenschaften befahl. Nach dieser schmerzhaften Grunderfahrung stellten die politische und die gewerkschaftliche Arbeiterbewegung das allgemeine, gleiche und direkte Wahlrecht ins Zentrum ihrer Programme, sobald es nach dem blutigen Ende der Revolution wieder geduldet wurde, Forderungen auszusprechen.

1868: ArbeiterInnen gründen Vereine

Die Liberalisierung begann nach etlichen außenpolitischen Niederlagen der Kaiserdiktatur. 1867 bekamen die Ungarn ihren eigenen Teilstaat, der Rest des Riesenreichs erhielt eine Verfassung und ein Parlament, den Reichsrat. Dieser Teil der Doppelmonarchie Österreich-Ungarn hieß offiziell »Die im Reichsrat vertretenen Königreiche und Länder«. Aber der Kaiser stand bis 1918 über der Verfassung, den Gesetzen und dem Parlament, die Regierung war nur ihm verantwortlich. Der Reichsrat bestand aus dem »Abgeordnetenhaus« mit gewählten oder delegierten Mandataren und dem »Herrenhaus«, dessen Mitglieder vom Kaiser ernannt wurden. Auch das Abgeordnetenhaus war noch lange keine demokratische Institution. Die Männer des »gemeinen Volks« durften weder wählen noch kandidieren, Frauen hatten sich ohnehin von Politik fernzuhalten. Das Wahlrecht galt nur ab einer bestimmten Steuerleistung, auch wenn man diesen »Zensus« nach und nach lockerte. Als kurz vor 1900 wenigstens Teile des »gemeinen Volks« Abgeordnete in eine »Allgemeine Kurie« entsenden durften, stellte diese nur wenige Mandate als Vertretung von Millionen Menschen bereit.

Mit dem Grundrecht auf Vereins- und Versammlungsfreiheit von 1867 war es ebenfalls nicht weit her. Glücklich über die neue Freiheit, gründeten 1868 ArbeiterInnen viele Fach-, Bildungs- und Unterstützungsvereine. Ein Jahr später wurden die meisten von ihnen polizeilich aufgelöst, - wegen staatsfeindlicher, das heißt »sozialdemokratischer« Tendenzen, aber auch, weil sie Streiks organisierten und bessere Löhne forderten. Mit Verfolgung aus politischen Gründungen mussten sozialdemokratische GewerkschafterInnen bis nach 1900 immer rechnen, die Strafdrohung wegen Streiks oder Gewerkschaftsgründung wurde unter dem Druck einer Großdemonstration in Wien mit dem Koalitionsgesetz von 1870 abgeschafft. Damit war die Zeit der eigentlichen Gewerkschaftsbewegung gekommen. Sie entwickelte sich bis 1893 so weit, dass sie eine gemeinsame Dachorganisation aufbauen konnte, die Reichskommission der Freien Gewerkschaften Österreichs.

Bis zum Durchbruch der Wahlrechtskampagne der sozialdemokratischen ArbeiterInnenbewegung dauerte es Jahrzehnte. 1907 trat dann wenigstens für Männer, und noch immer mit einigen diskriminierenden Bestimmungen für WanderarbeiterInnen, das allgemeine, gleiche und direkte Wahlrecht in Geltung. Die Kampagne war entscheidend von den Freien Gewerkschaften mitgetragen und organisiert, der Erfolg in erster Linie ihr Verdienst. Die später einsetzende katholische ArbeiterInnenbewegung forderte ebenfalls demokratische Wahlen, beteiligte sich aber aufgrund ihrer Nähe zur Christlichsozialen Partei nicht an den von der Sozialdemokratie organisierten Aktionen.

Zu Kaisers Zeiten wurde nach 1907 nur noch 1911 eine Reichsratswahl abgehalten. Die Kriegsdiktatur berief den Reichsrat ab 1914 nicht mehr ein, und als er 1917 wieder tagen durfte, wurde dadurch der Zerfall Österreich-Ungarns und das Ende der Monarchie auch nicht mehr aufgehalten. Aber es waren die 1911 gewählten Abgeordneten, unter ihnen führende Gewerkschafter, die die »provisorische Nationalversammlung« bildeten und die Beschlüsse zur Ausrufung der Republik am 12. November 1918 fassten. Die »provisorische Nationalversammlung« bereitete die ersten wirklich demokratischen Wahlen in Österreich vor und gab die Initialzündung für die Sozialoffensive der Republikgründungsjahre.

Mit der Sozialgesetzgebung von 1918 bis 1920 wurde die Basis für den modernen österreichischen Sozialstaat und die Mitbestimmungsrechte der ArbeitnehmerInnen geschaffen. Unter Nutzung von Reformentwürfen aus den letzten Jahren der Monarchie, die von Gewerkschaftern mitgestaltet worden waren, kamen innerhalb dieser zwei Jahre 18 große Gesetze zustande. Dieser Reformmarathon ist untrennbar mit dem Namen Ferdinand Hanusch verbunden: Er bereitete als Sozialstaatssekretär mit seinem Team die Gesetzesentwürfe vor und trieb die Beschlussfassung und die Umsetzung der Beschlüsse voran. Das Kind einer bitterarmen schlesischen Weberfamilie war Pionier der Gewerkschaft der TextilarbeiterInnen, dann deren Zentralsekretär und während der schwierigen Zeit des Ersten Weltkriegs Vorsitzender der Reichskommission der Freien Gewerkschaften. Durch Selbststudium hoch gebildet, faszinierte er auch viele politische Gegner. Als Vizekanzler begleitete er das Werden der österreichischen Bundesverfassung, nach dem Ausscheiden der Sozialdemokratie aus der Regierung leitete er den Sozialausschuss des Nationalrats und baute die Organisation der Arbeiterkammer in Wien auf, deren Gründungsdirektor er war. In seinem Todesjahr 1923 ermordeten erstmals in Österreich Nationalsozialisten einen Gewerkschafter. Das Opfer, Franz Birnecker, war Betriebsrat und freigewerkschaftlicher Vertrauensmann bei Semperit in Wien.

1938: Nationalsozialismus

Seit dem Tod Hanuschs und dem Mord an Birnecker sind 85 Jahre vergangen und 75 Jahre, seit das Parlament ausgeschaltet, das Standrecht mit Todesstrafe wieder eingeführt und die oppositionelle Presse einschließlich der freigewerkschaftlichen Medien unter Zensur gestellt wurde, - nur ein Vierteljahrhundert, nachdem diese »Markenzeichen« der Kriegsdiktatur abgeschafft worden waren.

Manchmal wird behauptet, Österreichs Demokratie sei noch zu jung gewesen, um sich angesichts der wirtschaftlichen und sozialen Turbulenzen jener Zeit gegen die aufkommenden faschistischen und »autoritären« Strömungen erfolgreich zu wehren. Das ist natürlich blanker Unsinn, wie allein die Entwicklung in der benachbarten Tschechoslowakei zeigte, deren Demokratie auch nicht älter war als die österreichische. Vielmehr saßen ab 1920 etliche Politiker an den Hebeln der Macht, die der Errichtung der Republik nur aus Angst vor einer kommunistischen Revolution zugestimmt hatten, mit der parlamentarischen Demokratie und dem »Parteienstaat« wenig anfangen konnten und das auch offen aussprachen. Politiker, die die parlamentarische Demokratie verachteten, trieben Österreich in die Ständestaat-Diktatur, die de facto bereits ab 1933 bestand, offiziell ab 1934 herrschte, ab 1935 - zuerst verdeckt, dann immer offizieller - von »Nationalbetonten« gesteuert wurde und 1938 den Machtansprüchen des nationalsozialistischen Deutschen Reichs hilflos ausgeliefert war.

Ab 1934 waren alle Parteien und alle Gewerkschaften verboten, mit Ausnahme der »Vaterländischen Front« des Regimes und des per Verordnung eingesetzten Staatsgewerkschaftsbunds. An dessen Spitze standen immerhin auch einige Persönlichkeiten aus der christlichen Gewerkschaftsbewegung, die den Nationalsozialismus ehrlich ablehnten und - wenn auch sehr spät - versuchten, einen Schulterschluss zwischen dem Regime und der verbotenen demokratischen Opposition zu erreichen. Der im Untergrund gebildete Bund der Freien Gewerkschaften behielt sein aus der legalen Zeit stammendes Netzwerk in die Betriebe hinein. Als der Einmarsch der Deutschen Wehrmacht unmittelbar bevorstand, kam es zu einem letzten Versuch, mit Hilfe dieses Netzwerks eine Abwehrfront aufzubauen. Die Beschlüsse dazu wurden bei der ersten geduldeten Zusammenkunft der Opposition im Arbeiterheim des Wiener Bezirks Floridsdorf am 7. März 1938 gefasst. Doch die Regimespitze verweigerte auch jetzt noch jede Kooperation.

Wie es weiterging, ist bekannt: nationalsozialistische Terrorherrschaft, Zweiter Weltkrieg, Konzentrationslager, rassistische Verfolgung und Holocaust. Es sei an dieser Stelle an die Opfer aus den Reihen der österreichischen Gewerkschaftsbewegung erinnert:
An die SpitzenrepräsentantInnen der Untergrundorganisation und der Staatsgewerkschaft, die sofort verhaftet wurden, in Konzentrationslagern verschwanden und nicht oder nur mit schwersten Gesundheitsschäden überlebten. An die jüdischen GewerkschafterInnen, die als Opfer des Holocaust starben.

An die in- und ausländischen Zwangsarbeiterinnen, die durch brutale Ausbeutung ihrer Arbeitskraft gequält und oft getötet wurden.

An die ArbeiterInnen, Angestellten und öffentlich Bediensteten, die in ihren Betrieben und Dienststellen Widerstand organisierten. Hunderte fielen der Geheimen Staatspolizei in die Hände und wurden im Wiener Landesgericht oder in einem Konzentrationslager ermordet.

1948: Menschenrecht auf Arbeit

Das Wissen um die Demokratie gefährdenden Folgen sozialer Ausgrenzung, um die Verfolgung jeder staatsunabhängigen Gewerkschaftsbewegung durch den Faschismus und um den Missbrauch der Arbeit als Terror- und Tötungsinstrument unter der nationalsozialistischen Herrschaft war der Hintergrund, vor dem die Vollversammlung der Vereinten Nationen Ende 1948 im Artikel 23 ihrer Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte auch grundlegende ArbeitnehmerInnenrechte aufnahm: Das Recht auf Arbeit unter »gerechten und befriedigenden« Bedingungen, auf Schutz vor Arbeitslosigkeit, auf »gerechte und befriedigende Entlohnung«, die »eine der menschlichen Würde entsprechende Existenz sichert«, aber auch auf die Organisation von Gewerkschaften und den Beitritt zu ihnen. Das Recht auf Gewerkschaften wurde in einer noch klareren Form durch die Europäische Menschenrechtskonvention ausgesprochen und mit dieser Teil der österreichischen Verfassung. Der Versuch, den UN-Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, der die anderen ArbeitnehmerInnenrechte umfassender formuliert, in das österreichische Verfassungsrecht aufzunehmen, scheiterte aber bisher. Demokratie ist eben ein Prozess, der nie abgeschlossen sein kann.

WEBLINKS
Allgemeine Erklärung der Menschenrechte
www.unhchr.ch/udhr/lang/ger.htm
Arbeiterkammer - AK- & ÖGB-Geschichte
www.geschichte.arbeiterkammer.at
Demokratiezentrum Wien
www.demokratiezentrum.org/www.parlament.gv.at
(Pfad: Parlamentarismus in Österreich)
Verband Österreichischer Gewerkschaftlicher Bildung
www.voegb.at
Pfad: Bildungsangebote Fernlehrskripten - Gewerkschaftskunde - GK 2; GK-3A; GK-3B)

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