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5. Februar 2008: Öffentliche Betriebsversammlung von Puls4.

Betriebsrat in Gefahr

Schwerpunkt

Oft wird innerbetriebliche Demokratie mit einem ausgewogenen Interessenausgleich zwischen ArbeitgeberInnen und ArbeitnehmerInnen verhindert.

Gewerkschaften können nicht: höhere Löhne, bessere Zusatzleistungen, Beschäftigung oder die Dauer der Arbeitszeit garantieren, sie können nicht Kündigungen verhindern, Arbeitsplatzstandards setzen.« So klingt organisierte Gewerkschaftsfeindlichkeit im Managerhandbuch der US-amerikanischen Supermarktkette Wal-Mart. Wie kein anderes Unternehmen weltweit hat Wal-Mart das sogenannte Union-Busting, sprich das gezielte Verhindern von betrieblicher Interessenvertretung, professionalisiert. Mit Argumenten und notfalls mit der eisernen Faust erstickt der größte Arbeitgeber der Welt jeden Versuch gewerkschaftlicher Organisierung im Keim und nimmt dabei bewusst Gesetzesübertretungen und Verwaltungsstrafen in Kauf. Der Erfolg: Kein einziger Wal-Mart-Markt in Nordamerika ist gewerkschaftlich organisiert. Die Beschäftigten verdienen im Schnitt 20 bis 30 Prozent weniger als andere Supermarktangestellte in den USA.

Sabotierte Wahl bei KiK

Schauplatzwechsel: Österreich. Im Februar 2007 sabotiert die Textilhandelskette KiK Betriebsratswahlen mit Mitteln, die dem Union-Busting von Wal-Mart Konkurrenz machen. Betriebsratskandidat Andreas Fillei soll zunächst mit Geld dazu gebracht werden, das Unternehmen zu verlassen. Als er daran kein Interesse zeigt, wird er ohne Angabe von Gründen fristlos entlassen. Natürlich gesetzeswidrig. Gleichzeitig werden die zum Teil unzumutbaren Arbeitsbedingungen der MitarbeiterInnen bei KiK bekannt: Angestellte leisten unbezahlte Mehrstunden, müssen die Kasse nach Dienstschluss mit nach Hause nehmen und einzelnen Filialen fehlt sogar die Toilette. Mit Unterstützung der GPA-DJP geht der Fall vor Gericht und Fillei muss wieder eingestellt werden. Die Öffentlichkeit solidarisiert sich mit Andreas Fillei und den KiK-MitarbeiterInnen. Doch die Auseinandersetzung mit der Geschäftsleitung ist damit noch lange nicht am Ende. Filleis Liste wird kurzerhand von der Wahl ausgeschlossen. Zur Wahl steht ausschließlich eine Liste mit dem Assistenten des Geschäftsführers als Spitzenkandidat. Wieder bleibt nur der Schritt vor das Arbeits- und Sozialgericht und die Anfechtung der Wahl. Erst Monate später ist der Kampf vorläufig ausgestanden. Bei einer neuerlichen Wahl können die MitarbeiterInnen schließlich zwischen beiden Listen wählen und Filleis Liste erreicht am Ende 4 von 14 Mandaten.

KiK ist kein Einzelfall

Wenige Monate später: Andere Branche, gleiches Spiel. Das Competence Callcenter (CCC) kündigt justament jene MitarbeiterInnen, die für den Betriebsrat kandidieren wollten. Schon in den Monaten davor hatte das CCC Negativ-Schlagzeilen gemacht, weil MitarbeiterInnen in großem Stil ihre rechtlichen Ansprüche wie Sonderzahlungen, Überstunden und Krankenentgelt nicht ausbezahlt wurden. Wieder bleibt der GPA-DJP nur der Schritt vor Gericht und in die Öffentlichkeit. Unterdessen kommentiert Geschäftsführer Thomas Kloibhofer die Causa per Presseaussendung: »Nicht alle unserer Mitarbeiter befürworten die Installierung eines Betriebsrates.« Die Vorwürfe der GPA-DJP, er behindere die Wahl, bezeichnet er als gegenstandslos. Unerwähnt bleiben in der Aussendung leider die gekündigten BetriebsratskandidatInnen.

Fast zeitgleich mit der verhinderten Betriebsratswahl im CCC werden beim Fernsehsender Puls4 zwei Betriebsräte gekündigt. Lakonischer Kommentar des Geschäftsführers dazu im Standard-Interview: Die gekündigten Mitarbeiter wären eigentlich gar keine Betriebsräte gewesen. Und auf Nachfrage, warum er dann jahrelang mit ihnen verhandelt hätte: »Wir haben das damals nicht gewusst.« Bereits vor dem Eklat hatte es bei Puls4 monatelange ergebnislose Streitereien über die Einhaltung der gültigen Kollektivverträge gegeben.

Vergleich Österreich - USA

Nun ist der Vergleich mit Wal-Mart und den USA vielleicht ein wenig überzeichnet: Gewerkschaftliche Arbeit in den USA funktioniert anders als bei uns. Unternehmen dort haben es leichter, die gewerkschaftliche Organisierung zu verhindern: Die Gewerkschaft darf erst in einem Unternehmen aktiv werden, wenn die MitarbeiterInnen dafür gestimmt haben. Verglichen damit, stellt das Arbeitsverfassungsgesetz in Österreich eine starke rechtliche Rückendeckung für betriebsrätliche und gewerkschaftliche Arbeit dar. »In Betrieben mit mehr als fünf Beschäftigten ist ein Betriebsrat zu wählen«, heißt es klar im Gesetzestext. Es spielt keine Rolle, ob eine Mehrheit der MitarbeiterInnen für eine Betriebsratswahl ist. Trotzdem wird dieses Argument von ArbeitgeberInnen immer wieder bemüht, wenn eine Betriebsratsgründung verhindert werden soll.

Akzeptanz von Betriebsräten

In Österreich gibt es sowohl in der Öffentlichkeit als auch in der Mehrzahl der Unternehmen durchaus das Bewusstsein, dass betriebliche Vertretung von ArbeitnehmerInneninteressen ein wichtiger Bestandteil unserer demokratischen Kultur ist. In einer Befragung des Meinungsforschungsinstituts FORBA in 300 österreichischen Unternehmen im Jahr 2005 gaben fast 90 Prozent der befragten ManagerInnen an, dass sie BetriebsrätInnen trotz gelegentlicher Konflikte als wichtige PartnerInnen für die Erreichung gemeinsamer Unternehmensziele sehen. 76 Prozent der UnternehmerInnen empfanden die Gründung eines Betriebsrats als positiv. Rund 70 Prozent empfahlen vergleichbaren Unternehmen sogar, diese in ihrem Betrieb zu unterstützen. Zwei von drei UnternehmerInnen meinten, ihr Betriebsrat sei ein wichtiger Faktor zur Regulierung von Konflikten. Ähnlich wie die österreichischen UnternehmerInnen halten auch sonst viele ÖsterreicherInnen Betriebsräte prinzipiell für wichtig und nützlich.

Vergleichbar mit dem Beispiel Wal-Mart ist allerdings die tief verwurzelte Gewerkschaftsfeindlichkeit mancher Unternehmen. Es gibt eine Reihe Unternehmen, die seit Jahren alle Versuche einer gewerkschaftlichen Organisierung mit mehr oder weniger sanftem Druck auf die MitarbeiterInnen verhindern. BetriebsrätInnen und noch viel mehr Gewerkschaften werden nicht als VerhandlungspartnerInnen gesehen, sondern als Störenfriede. Dabei nehmen die Unternehmen Gesetzesübertretungen und Rechtsstreitigkeiten in Kauf und riskieren, auch in der Öffentlichkeit angeprangert zu werden.

Konfliktbereite Gewerkschaften

Für die österreichischen Gewerkschaften bedeutet das, dass sie ähnlich wie ihre KollegInnen in den USA auf Konfliktsituationen vorbereitet sein müssen. Jederzeit bereit zu öffentlichkeitswirksamen Kampagnen und Aktionen auf der Straße. Zwar haben in letzter Zeit einige Unternehmen angesichts drohender Konflikte mit der Gewerkschaft eingelenkt, versucht Wogen zu glätten und Imageschäden abzuwenden. Innerbetriebliche Demokratie mit einem ausgewogenen Interessenausgleich zwischen ArbeitgeberInnen und ArbeitnehmerInnen in österreichischer sozialpartnerschaftlicher Tradition ist unter diesen Umständen jedoch nicht möglich. Dazu kommt, dass diese Konflikte häufig in Unternehmen stattfinden, in denen der gewerkschaftliche Organisationsgrad niedrig ist und die Beschäftigten oft unter prekären Bedingungen arbeiten. Die Kampagne AnKiK zeigte, wo und wie Gewerkschaftsarbeit in Zukunft stattfinden könnte: Mehr und mehr dort, wo die Menschen arbeiten. Erste erfolgreiche Versuche mit arbeitsrechtlichen Beratungen in Einkaufszentren gehen in diese Richtung.

Neue Wege

Da Aktionen in der Öffentlichkeit und Kampagnen personalintensiv sind, wird es in Zukunft immer wichtiger werden, auch ehrenamtliche FunktionärInnen von Anfang bis Ende in Kampagnen und Projekte einzubinden. Gerade bei Themen, die viele Menschen bewegen, bietet es sich an, neue AkteurInnengruppen einzubeziehen - wie Kunden/Kundinnen, soziale Netzwerke und die lokale Bevölkerung. Die AnKiK-Kampagne hat gezeigt, dass Kampagnen selbst dort anwendbar sind, wo traditionelle Formen der Interessenwahrnehmung nicht ausreichen. Über Kampagnen Druck machen, funktioniert auch, wenn der Organisationsgrad sehr niedrig ist. Zudem wird es immer wichtiger betriebs- und branchenübergreifend zu arbeiten. Gemeinsame Konflikte bringen mehrere Standorte eines Unternehmens oder sogar unterschiedliche Branchen zusammen. Und schließlich können auch internationale Kooperationen bei Konflikten mit internationalen Konzernen wichtige Unterstützung bieten. 

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