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Günter Chaloupek Günter Chaloupek Dr., Leiter der wirtschaftswissenschaftlichen Abteilung
Georg Kovarik Georg Kovarik Mag., Leiter der Abteilung Volkswirtschaft des ÖGB

Faktor Arbeit entlasten

Meinung

Geht es um die Finanzierung unseres Sozialsystems, wird gerne die Wertschöpfungsabgabe als mögliche Lösung in Betracht gezogen.

Was ist die Wertschöpfungsabgabe? Die Wertschöpfungsabgabe leitet ihre Bezeichnung davon ab, dass die Brutto-Wertschöpfung alternativ zur Lohn- und Gehaltssumme als Beitragsbasis für Sozialleistungen dienen soll. Das Anknüpfen an die gesamte Wertschöpfung soll die Bemessungsgrundlage breiter und »strukturneutraler« machen. Die Leistungsfähigkeit des Unternehmens soll zum Gradmesser werden, nicht allein die Lohnsumme.
Komponenten der Wertschöpfung
Die Wertschöpfung eines Unternehmens enthält als nach wie vor größte Komponente die Lohnsumme, dazu kommen Abschreibungen, Gewinne, Fremdkapitalzinsen, Mieten und Pachten. Durch die Einbeziehung dieser zusätzlichen Komponenten kann die Bemessungsgrundlage für Abgaben, aus denen essenzielle Sozialleistungen finanziert werden, erheblich verbreitert werden.

Im Vergleich zur Lohnsumme (80,8 Milliarden Euro), von der derzeit nicht nur die Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung der ArbeiterInnen und Angestellten erhoben werden, sondern auch die Beiträge zum Familienlastenausgleich, der Wohnbauförderungsbeitrag sowie die Kommunalabgabe, würde sich bei Einbeziehung der anderen Wertschöpfungskomponenten (Gewinne bis Abschreibungen) die Bemessungsgrundlage um fast 70 Prozent bzw. 56,2 Mrd. Euro erhöhen. Bei gleichem Beitragssatz bedeutet dies eine deutliche Erhöhung des Aufkommens bzw. kann bei gleichem Aufkommen ein entsprechend niedrigerer Beitragssatz angewendet werden.
Warum Wertschöpfungsabgabe?
Die Wertschöpfungsabgabe soll einen Beitrag zur Finanzierung des Sozialsystems leisten. Die Ausgaben für den »sozialen Schutz« (nach EU-Definition) machen in Österreich knapp unter 30 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) aus. Rund zwei Drittel dieser Ausgaben werden aus Sozialversicherungsbeiträgen finanziert, das restliche Drittel aus allgemeinen Steuermitteln. Diese Finanzierungsanteile haben sich in den letzten zwei Jahrzehnten kaum verändert. Deutlich verändert hat sich hingegen die Zusammensetzung der Steuereinnahmen des Staates. Ein immer größerer Teil der Steuereinnahmen entfällt auf die Lohnsteuer, während die Unternehmenssteuern im Vergleich im Aufkommenswachstum zurückbleiben. Die Unternehmungen - die Kapitalgesellschaften und die Selbstständigen - tragen also verhältnismäßig immer weniger zur Staatsfinanzierung und damit auch zur Finanzierung der Sozialausgaben bei, während die ArbeitnehmerInnen dafür zunehmend stärker belastet werden. Dieser Tendenz der Verschiebung der Finanzierung des Sozialstaats zu ungunsten der ArbeitnehmerInnen kann durch die Wertschöpfungsabgabe entgegengewirkt werden.

Als weiterer Beweggrund kommt der Umstand hinzu, dass aus den lohnbezogenen Beiträgen zum Familienlastenausgleich immer mehr auch Leistungen an Selbstständige (Bauern und Gewerbebetreibende) finanziert werden, die keine Beiträge in den Familienlastenausgleichsfonds (FLAF) einzahlen.
Kapital mehr besteuern!
Die »Entlastung des Faktors Arbeit« wird nicht zuletzt oft auch deswegen gefordert, weil die zunehmende Steuer- und Sozialabgabenbelastung der Lohnsumme bei gleichzeitiger Abnahme der Steuerbelastung des Produktionsfaktors Kapital den Prozess der technischen Rationalisierung beschleunigt. Die hohe Besteuerung des Faktors Arbeit im Verhältnis zur Besteuerung des Faktors Kapital vermindert den Einsatz von Arbeit in der Produktion bzw. führt zu seiner Ersetzung durch Maschinen. Besonders bei schwacher Gesamtnachfrage wirkt sich dies negativ auf die Beschäftigung aus. Eine Rückverschiebung der Steuerlast soll hier gegensteuern. Die beschäftigungsfördernde Wirkung der Wertschöpfungsabgabe sollte aber keinesfalls überschätzt werden. Produktivitätssteigerung und Rationalisierung wird primär vom technischen Fortschritt angetrieben und führt dazu, dass der Arbeitseinsatz pro Produkteinheit vor allem in der Sachgütererzeugung laufend sinkt. Die Verschiebung der relativen Preise von Arbeit und Kapital durch eine Wertschöpfungsabgabe ändert diese Entwicklung nicht nennenswert.

Für die Gesamtbeschäftigung ist vielmehr entscheidend, dass der Verlust an Arbeitsplätzen durch Rationalisierung durch neue Beschäftigungsmöglichkeiten, die im Dienstleistungssektor entstehen, kompensiert wird. Dies setzt voraus, dass die Einkommen langfristig annähernd der Produktivität entsprechend zunehmen und damit neue Nachfrage nach Dienstleistungen entsteht. Der internationale Wettbewerb setzt einer stärkeren Besteuerung von Kapital bzw. der Besteuerung des Einsatzes von Energie und Rohstoffen, welche ebenfalls als Ersatz für eine Senkung der Belastung auf den Faktor Arbeit in Frage kommt, Grenzen. Größere Schritte in dieser Richtung erfordern eine einheitliche Vorgangsweise zumindest auf europäischer (EU-)Ebene. Für eine kleine, offene Volkswirtschaft wie Österreich ist der Spielraum enger - etwa im Ausmaß der Umbasierung der Beiträge zum Familienlastenausgleich.
Umbasierung
Die Einführung einer Wertschöpfungsabgabe zur Finanzierung von Sozialleistungen bzw. der Sozialversicherung, oft bezeichnet auch als »Umbasierung«, kann aufkommensneutral erfolgen. In diesem Fall kann der Beitragssatz gesenkt werden, da er auf einer breiteren Bemessungsgrundlage angewendet wird; oder sie wird mit der Absicht eingeführt, das Beitragsaufkommen zu erhöhen. In seiner Studie zur Finanzierung des öffentlichen Gesundheitswesens warnt das Wifo davor, die  einzelnen Wertschöpfungskomponenten zur Gänze für die Schätzung des Aufkommens einer Wertschöpfungsabgabe heranzuziehen, sondern nur etwa 70 bis 80 Prozent davon.

Wendet man den Beitragssatz des Familienlastenausgleichsfonds (4,5 Prozent, ohne Höchstbeitragsgrundlage) auf die Komponenten der Wertschöpfung im Unternehmenssektor an, so könnten damit zusätzliche zirka zwei Milliarden Euro (unter Berücksichtigung des vom Wifo empfohlenen Abschlages) an Einnahmen erzielt werden. Bei einer aufkommensneutralen Umstellung wäre eine Absenkung des Beitragssatzes auf weniger als drei Prozent möglich. Jedenfalls ist die Größe des Aufkommens aus  der Ausweitung der Bemessungsgrundlage zunächst mit erheblicher Unsicherheit belastet, die tatsächliche Ergiebigkeit kann erst nach Einführung genau beurteilt werden.

Weitere Möglichkeiten einer verhältnismäßig einfachen Umbasierung von lohnbasierten Arbeitgeberabgaben bieten sich beim Wohnbauförderungsbeitrag (0,5 Prozent) und der Kommunalabgabe (drei Prozent). Ein größeres Potenzial steckt in den Arbeitgeberbeiträgen zur Sozialversicherung - allerdings sind hier bei der Definition der Beitragsgrundlage für eine Wertschöpfungsabgabe je nach Versicherungsart unterschiedliche erschwerende Aspekte zu berücksichtigen.

Wenn die Lohnquote wie in den letzten zwanzig Jahren eine sinkende Tendenz hat, so hätte eine im Zeitpunkt der Umstellung aufkommensneutrale Einführung der Wertschöpfungsabgabe mittel- und längerfristig auch eine Steigerung des Beitragsaufkommens zur Folge, da die erweiterte Bemessungsgrundlage rascher zunimmt als die Lohnsumme. Da der Anteil des Lohnes an der Wertschöpfung zwischen Unternehmungen und Branchen erhebliche Unterschiede aufweist, kommt es bei einer aufkommensneutralen Umbasierung sowohl zu Entlastungen als auch zu Mehrbelastungen. Mehr Beiträge hätten kapitalintensive Branchen wie z. B. Papierindustrie, der Mineralölhandel, Nachrichtenübermittlung, Wohnungswirtschaft, Banken und Versicherungen zu leisten. Mehr belastet würden Branchen (bzw. Betriebe) mit hohem Selbstständigenanteil und wenig ArbeitnehmerInnen wie Landwirtschaft, Gastgewerbe, freie Berufe. Entlastet würden Industrie und Gewerbe insgesamt sowie der Handel.
Argument Lohnverzicht
Die Forderung nach einer Wertschöpfungsabgabe bedeutet keine stillschweigende Zustimmung zur Behauptung, dass durch eine Senkung der Löhne mehr Beschäftigung geschaffen werden könnte. Eine Lohnsenkung führt zwar zu einer Senkung der Arbeitskosten, aber bei dieser Argumentation bleibt die Nachfrageseite unberücksichtigt. Die beschäftigungserhöhende Wirkung der billiger gewordenen Arbeit würde nicht eintreten, da gleichzeitig die Lohnempfänger ihre Nachfrage vermindern würden.
Das Hauptziel einer Wertschöpfungsabgabe ist, dass der Produktionsfaktor Kapital bzw. die Unternehmer mit dieser Abgabe wieder einen größeren Beitrag zur Finanzierung des Sozialstaats erbringen.
 

WEBTIPPS
Ergänzende Informationen und Grafiken finden Sie auch auf:
www.arbeit-wirtschaft.at
Steuerinitiative im ÖGB:
www.steuerini.at/wertschoepfungsabgabe.htm
Internet-Enzyklopädie Wikipedia:
http://de.wikipedia.org/wiki/Wertschoepfungsabgabe

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