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Einkommensschere
Anteil der Bruttobezuege
Kurz gefasst

Die Schere schließen

Schwerpunkt

Wie in der kommenden Steuerreform geschlechtsspezifische Einkommensungleichheiten verringert werden können.

Steuerpolitik wird in der allgemeinen Diskussion weithin als »geschlechtsneutral« aufgefasst. Diese Behauptung wurde vor einigen Monaten von zwei international tätigen Universitätsprofessoren (Alesina/Ichino) in Frage gestellt, als sie vorschlugen, von Frauen weniger Steuern einzuheben, damit deren Benachteiligung im Arbeitsleben etwas ausgeglichen werde und sie einen höheren Anreiz hätten, arbeiten zu gehen. Diese Vorschläge wurden von den wenigsten SteuerexpertInnen als wirklich umsetzbar erachtet. Was bleibt, ist jedoch die interessante Fragestellung, wie die geplante steuerliche Steuerreform gestaltet werden soll, damit sie »frauenfreundliche« Züge trägt.

Zahlreiche Analysen belegen, dass die Bruttoeinkommen von Männern und Frauen erheblich differieren und Frauen in den unteren Einkommensbereichen überwiegen. Die Lohnsteuerstatistik für das Jahr 2006 weist sechs Mio. ArbeitnehmerInnen und PensionistInnen als lohnsteuerpflichtige Personen aus. Von allen Steuerpflichtigen sind 49,2 Prozent Frauen und 50,8 Prozent Männer. Davon sind 3,8 Mio. Personen ArbeitnehmerInnen und davon wiederum 46 Prozent Frauen und 54 Prozent Männer.

Bei Betrachtung der verschiedenen Einkommensstufen ist das Übergewicht der Männer in den oberen Einkommensbereichen ganz klar erkennbar. Bereits ab einem Einkommen von 20.000 bis 40.000 Euro pro Jahr beträgt ihr Anteil knapp zwei Drittel. Dieser Trend verstärkt sich bei Einkommen bis 200.000 Euro, wo der Anteil der männlichen Beschäftigten bei 94,4 Prozent liegt. Umgekehrt sind bis 20.000 Euro Bruttojahreseinkommen die Frauen mit mehr als zwei Drittel vertreten. Frauen haben, obwohl sie 46 Prozent der unselbstständig Beschäftigten stellen, insgesamt nur ein Drittel der bezahlten Löhne und Gehälter erhalten, währenddessen Männer mit ihrer Erwerbstätigkeit den wesentlich größeren Anteil an Bezahlung bekommen. Siehe Grafik: »Anteil an Bruttobezügen gesamt«.

Eine Ursache dafür ist, dass in Österreich 43 Prozent aller Frauen Teilzeit beschäftigt sind. 98 Prozent der Teilzeit beschäftigten Frauen hatten 2006 ein Bruttoeinkommen unter 40.000 Euro. Betrachtet man in der Statistik ausschließlich Vollzeit beschäftigte Frauen, hatten 43 Prozent ein Bruttoeinkommen, unter 20.000 Euro im Jahr (entspricht brutto monatlich bis 1.428 bzw. netto 1.070 Euro). 85 Prozent hatten ein Einkommen unter 40.000 Euro, bei den männlichen Beschäftigten waren dies lediglich 73 Prozent.
Je höher das Erwerbseinkommen desto deutlicher kommen also die geschlechtsspezifischen Unterschiede zum Ausdruck. Das Argument der schlechteren Qualifikation von Frauen relativiert sich, denn bereits bei den Lehrlingen gibt es deutliche Einkommensunterschiede. Mädchen bzw. Frauen verdienen auch hier deutlich weniger.
Ausgleich oder Verstärkung
Die zentrale Frage ist nun, ob das Steuersystem diese Ungleichheiten ausgleichen oder abschwächen kann beziehungsweise ob das Steuersystem sogar zur Verstärkung von Einkommensunterschieden beiträgt. Grundsätzlich wird durch das progressive System der Einkommensteuer (Lohnsteuer) eine positive Verteilungswirkung erzielt. Von insgesamt 3,8 Mio. ArbeitnehmerInnen hatten 1,1 Mio. fast ein Drittel so niedrige Bezüge, dass sie keine Lohnsteuer leisten mussten (dies entspricht im Jahr 2006 einem Jahresbruttoeinkommen bis 15.778 Euro). Das betraf zu rund drei Viertel Frauen und zu einem Viertel Männer.

Es sind jedoch auch die Sozialversicherungsbeiträge zu berücksichtigen, die im unteren Bereich proportional, im oberen Bereich regressiv wirken. Das heißt, die oberen Einkommen zahlen im Verhältnis zu den unteren Einkommen weniger Beiträge. Grund dafür ist die Höchstbeitragsgrundlage in der Sozialversicherung. Diese Deckelung bewirkt eine gegenläufige Entwicklung zur Einkommensteuer. In einer geschlechtsspezifischen Analyse der Steuern und Beiträge durch das Finanzministerium werden diese gegenläufigen Wirkungen untersucht und insgesamt nur ein geringer Ausgleich der Einkommen durch das Abgabensystem festgestellt. Demnach bleiben Arbeitnehmerinnen nach Abzug der Abgaben um 4,4 Prozentpunkte ihres Bruttoeinkommens mehr als ihren männlichen Kollegen. Dadurch wird lediglich ein Zehntel des durchschnittlichen Einkommensunterschiedes zwischen Männern und Frauen ausgeglichen. Dies zeigt, dass das Steuersystem derzeit nicht in der Lage ist, die massiven Ungleichgewichte zu kompensieren.
Spitzensteuersatz nicht absenken
Eine Absenkung des Spitzensteuersatzes, wie derzeit in der Öffentlichkeit diskutiert wird, wäre demnach nicht Ziel führend. Sie würde die Progression des Steuersystems weiter aushöhlen, und die derzeit geringe Umverteilungswirkung des Steuersystems zwischen den Geschlechtern noch weiter kürzen. Zudem würde eine Herabsetzung des Spitzensteuersatzes von 50 auf 43 Prozent, wie etwa gefordert wurde, rund 800 Mio. Euro kosten. Eine ähnliche Wirkung entfaltet eine Anhebung der Grenze für den Spitzensteuersatz von 50 Prozent. Würde diese Grenze von derzeit 51.000 Euro auf 70.000 Euro Jahreseinkommen angehoben, käme die Steuerersparnis zu 85 Prozent den männlichen Steuerpflichtigen zugute.
Kleine Einkommen entlasten
Empfehlenswert sind hingegen Maßnahmen, die kleine und mittlere Einkommen entlasten. Die Steuerreform sollte also ihren Schwerpunkt auf Jahreseinkommen bis 40.000 Euro legen. Das betrifft 82 Prozent der ArbeitnehmerInnen. Von den weiblichen Beschäftigten sogar 91 Prozent. Eine solche Steuerreform wäre also besonders »frauenfreundlich«. Es müssten Maßnahmen überlegt werden, die es ermöglichen, dass auch Arbeitnehmerinnen, die derzeit keine Steuern zahlen, von der Steuerreform profitieren. Immerhin sind es wieder die Frauen, die vom Phänomen der »Working Poor« stärker betroffen sind. Dazu sind mehrere steuertechnische Varianten denkbar. Wichtig ist, dass Personen, die keine Steuern zahlen, Teile ihrer Sozialversicherung rückvergütet bekommen. So sinkt die Abgabenbelastung bei den unteren Einkommensgruppen, die Beschäftigten haben aber trotzdem vollen Versicherungsschutz.
Indirekte Benachteiligung
Zudem bietet eine Steuerreform einen guten Anlass, steuerrechtliche Vorschriften hinsichtlich Bestimmungen zu durchleuchten, die Frauen indirekt benachteiligen. Das Einkommensteuerrecht ist zwar geschlechtsneutral, weil keine geschlechtsspezifischen Sonderregelungen bestehen. Steuerbegünstigungen wie Zulagen und Zuschläge, Abfertigungen oder Pendlerpauschale sind für alle Steuerpflichtigen im gleichen Ausmaß vorgesehen. Den wesentlichen Unterschied dabei stellen jedoch deren unterschiedliche Auswirkungen je nach Einkommenshöhe dar. Wie oben ausgeführt wurde, haben Frauen vorwiegend niedrige Einkommen. Viele steuerrechtliche Begünstigungen reduzieren die Steuerbemessungsgrundlage und haben dadurch für niedrige Einkommen einen geringeren Vorteil als für hohe Einkommen. Der steuerliche Vorteil von Steuerbegünstigungen erhöht sich nämlich mit steigendem Einkommen - Frauen profitieren seltener davon.
Absetzbeträge kürzen hingegen direkt die Steuer.

Die finanzielle Auswirkung ist daher nicht einkommensabhängig, wie bei den oben beschriebenen Freibeträgen. Trotzdem profitieren bei Absetzbeträgen wie dem Alleinverdiener- und dem Alleinerzieherabsetzbetrag immer noch wesentlich mehr Männer. 18,4 Prozent der Männer, aber nur 8,6 Prozent der Frauen erhalten diese Absetzbeträge, wobei bei den Männern der Alleinverdiener- und bei den Frauen der Alleinerzieherabsetzbetrag überwiegt. Die Daten der Lohnsteuerstatistik belegen also die unterschiedlichen Auswirkungen von Steuerbegünstigungen bei verschieden hohen Einkommen aufgrund der Ausgestaltung des Abgabensystems. Die steuerbegünstigten Einkommensteile kommen mit nur wenigen Ausnahmen vorwiegend Männern zugute. Diese Verzerrungen sollten im Rahmen der Steuerreform korrigiert werden.

Neben Korrekturen bei der Lohn- und Einkommensteuer stellt sich auch die Frage, ob nicht auch andere Steuerarten ungleich wirken. Als zentralen Punkt können hier die vermögensbezogenen Steuern genannt werden. Obwohl es für Österreich keine Zahlen für die Verteilung des Vermögens nach dem Geschlecht gibt, zeigt ja die Lohn- und Einkommensteuerstatistik, dass Frauen nur selten hohe Einkommen haben und daher auch beim Vermögensaufbau benachteiligt sind. Zudem hat Österreich eine international gesehen extrem niedrige Vermögensbesteuerung. Der EU-15-Durchschnitt lag 2005 bei 2,1 Prozent (Anteil am BIP), Österreich lag mit 0,6 Prozent des BIP am unteren Ende, nur vor Tschechien, der Slowakei und Mexiko1. Eine Entlastung der Arbeitseinkommen und eine höhere Vermögensbesteuerung, wie vielfach gefordert wird, haben auch einen geschlechtsspezifisch positiven Umverteilungseffekt.
Die Chance ergreifen
Für die nächste Steuerreform gibt es also eine einfache Forderung an die Politik, wie die Einkommensungleichheiten zwischen Männern und Frauen vermindert werden können. Wenn die kleinen und mittleren Einkommen bis 40.000 Euro deutlich profitieren und die vermögensbezogenen Steuern angehoben werden, dann bewegt sich das Pendel in die richtige Richtung. Die Realeinkommen von über 91 Prozent Frauen werden erhöht und verbessern damit deren Lebenssituation. Dies ist angesichts der gestiegenen Lebenshaltungskosten dringend notwendig. Und durch eine verstärkte vermögensbezogene Besteuerung wird an den oberen Rändern der Verteilung etwas korrigiert. Es bedarf also keiner unterschiedlichen Steuersätze für Männer und Frauen. Selten genug gibt es so unkomplizierte Lösungsvorschläge in der Politik. Diese Chance sollte doch ergriffen werden!

WEBLINKS
Das Steuerkonzept von Andrea Ichino, Professor in Bologna, und
Harvard-Ökonom Alberto Alesina.
www.zeit.de/2007/23/
Gleichberechtigung
Gender based taxation/Alesina&Ichino zum Download
www.carloalberto.org/files/alesina.pdf


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