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Wendelin Schmidt-Dengler, Germanist und Wissenschafter des Jahres, Univ.-Prof. Dr. Wendelin Schmidt-Dengler

Die Reichen sind privilegiert

Interview

Wendelin Schmidt-Dengler, Germanist und Wissenschafter des Jahres, über Managergehälter, die Steuerreform, den Bologna-Prozess und das Verhältnis von Universitäten und Gewerkschaften.

ZUR PERSON
UNIV.-PROF. DR. WENDELIN SCHMIDT-DENGLER
Der Germanist und Literaturwissenschafter ist Österreichs »Wissenschafter des Jahres 2007«.
Geboren: 20. Mai 1942 in Zagreb.
Er studierte klassische Philologie und Germanistik an der Universität Wien.
1965 promovierte er. 1974 folgte seine Habilitation. Seit 1980 ist er Professor am Institut für Germanistik.
1968: Theodor-Körner-Preis.
1978: Förderungspreis der Gemeinde Wien.
1994: Österreichischer Staatspreis für Literaturkritik.
1997: Preis für Sozial- und Geisteswissenschaften der Stadt Wien.

Arbeit&Wirtschaft: Ist es noch gerecht, wenn ein Manager das 42-fache eines Arbeiters verdient, wenn die Managergehälter um 14 Prozent steigen und die der ArbeitnehmerInnen um drei Prozent?

Wendelin Schmidt-Dengler: Ich habe nichts dagegen, dass die Manager ordentlich verdienen, aber es sollte nicht sein, dass sich die Gehälter in schandbaren Höhen bewegen. Die Verantwortung muss bezahlt werden bei einem Manager. Aber wenn ich das richtig sehe, gehen die Manager oft unbescholten von dannen, auch wenn die Betriebe nicht erfolgreich sind. Mir kommt es auch immer sehr verdächtig vor, wenn man Gehälter unproportional erhöht. Andererseits halte ich es für falsch, die Manager zu Buhmännern der Nation zu machen. Da setzt dann nur eine Neidpolitik ein und das sollte man vermeiden. Man sollte die Verantwortung der Manager sehr wohl ernst nehmen.
Im Augenblick ist es so, dass wir gerade das große »Managersterben« haben - der Fall Elsner ist ja ein typischer Fall, wo jemand von der Rache ereilt wird. Das trifft symbolisch ganz wenige immer wieder. Mir ist das zum ersten Mal beim AKH-Skandal aufgefallen, wo ein Name für eine Clique stand, der Name Winter. Aber damit einer so etwas tun kann, muss ein System dahinter stehen - das ist bei den Managern auch der Fall. Momentan ist es so, dass man die unteren Einkommen stärker anheben müsste. Ich würde mal ganz radikal aus meiner Sphäre dafür plädieren, dass die Universitätsprofessoren in eine geringere Steigerung kommen als der Mittelbau und die Assistenten oder die Studienbeiträge. Man müsste der sozialen Gerechtigkeit Genüge tun.

Vermögen ist in Österreich sehr niedrig besteuert, Arbeit ist hingegen sehr stark belastet. Was würden Sie sich von einer Steuerreform erwarten?

Man kann schon sagen: Die Reichen sind eminent privilegiert, die Schere geht auch in Österreich stark auseinander. In den USA ist es ja längst so. Ich habe dort unterrichtet und gesehen, wie eklatant es dort ist - viele haben nicht mal eine Krankenversicherung, in England ebenso. In Österreich ist zum Glück noch ein stärkeres soziales Bewusstsein vorhanden. Die Erbschaftssteuer war ja eine ganz vernünftige Steuer. Man muss allerdings dafür sorgen, dass Erben nicht durch diese Steuer so belastet sind, dass sie immobil sind. Das betrifft vor allem Bauern. Andererseits müsste Vermögen sehr wohl höher besteuert werden. Wenn aber die KESt angehoben wird, entsteht immer ein Raunen im Volk, weil auch der Groschen des kleinen Mannes besteuert wird und das ist natürlich die Ungerechtigkeit dabei. Man müsste den Grenzsteuersatz anheben. Es ist ja ein großer Unterschied, ob ich von 40.000 Euro die Hälfte Steuern zahle oder von 200.000 Euro. Ich wäre außerdem dafür, bei den wirklich großen Einkommen die Spendenfreudigkeit zu forcieren - damit Geld für Kunst ausgegeben wird, für Wissenschaftsförderung, auch für die Geisteswissenschaft. Das müsste steuerlich besser absetzbar sein, damit mehr Geld für die Kunst und die Wissenschaft frei wird und ruhig etwas weniger für den Sport. Es ist ja wirklich verrückt, was da im Fußball Geld draufgeht - mit dem Geld, das ein Fußballertransfer kostet, muss ich das österreichische Literaturarchiv drei Jahre lang führen. Die Fußballer sollen ihr Geld bekommen, aber dann müsste mindestens eine adäquate Summe für die Förderung von Wissenschaft zur Verfügung stehen.

Wie sehen Sie die Studiengebühren an den Universitäten in Hinblick auf Umverteilung und soziale Gerechtigkeit?

Ich glaube, dass die Studiengebühren fallen sollten. Ich meine aber nicht, dass die Studiengebühren der Krebsschaden der derzeitigen Universitätsverfassung sind, sondern sie sind ein Symptom. Man müsste eher bei jenen das Geld anzapfen, die auch die Profiteure der Ausbildungen sind, die hier vermittelt werden - die Industrie, der wir die Fachleute in den verschiedensten Bereichen zuliefern; das Bildungssystem, das von den Universitäten mit LehrerInnen beliefert wird; die Medien, die erfahrene und gewandte MitarbeiterInnen von uns bekommen.

Stichwort Bakkalaureatsstudium - finden Bachelors Arbeitsplätze?

Der Bologna-Prozess ist so wenig durchdacht worden, dass es ein Skandal ist. Mit dem Bachelor erzeugt man einen Schein, man schafft eine Gruppe von Akademikern, die nach drei Jahren fertig sind und in Wirklichkeit ist ein Bachelor in der gegenwärtigen Situation nichts. Es handelt sich um eine Art bessere Matura und er kann den Titel führen. Wenn sie oder ihn das befriedigt, so soll es mich freuen, aber de facto bringt es nichts. Das ist überhastet und ohne Reflexion gemacht worden. Ein Germanistik-Bachelor ist meiner Meinung nach nur ein abgezwickter Magister. Der Betreffende hat am Arbeitsmarkt damit keine größeren Chancen. Die Allgemeinbildung könnte aber mit dem Bakkalaureat sehr wohl gefördert werden, das wäre eine sinnvolle Perspektive. Man könnte z. B. mit dem Fachstudium erst später anfangen und zuerst seine Allgemeinbildung vertiefen. Hier könnte man auch die Fremdsprachenkenntnisse entschieden verbessern, in einem gemeinsamen Europa, in dem die meisten Studierenden zwar englisch können, aber dann keine zweite oder dritte lebende Fremdsprache.
Wie viele Leute können heute noch einen französischen Text lesen? Wann lernt man schon eine unserer Nachbarsprachen -  Slowenisch, Ungarisch, Tschechisch, Slowakisch, Polnisch - und wer lernt heute noch freiwillig Finnisch? Um Europa zu repräsentieren, müsste man mindestens zwei der großen Sprachen beherrschen und eine oder zwei kleinere. Das Bakkalaureat halte ich für eine Täuschung auf dem Arbeitsmarkt.Wir wurden gezwungen, das Projekt durchzupeitschen - die Ebene ist eine technokratische und keine bildungspolitische. Insofern bin ich ein großer Gegner des Bakkalaureats. Es wurde bei unseren Fächern die Lehramtsausbildung auch nicht mitreflektiert. Wenn ich der Bürgermeister von Bologna wäre, würde ich die EU klagen, weil das Wort in Misskredit gebracht wurde!

Was erwartet man an der Uni von den Gewerkschaften?

Ich könnte mir vorstellen, dass gerade die Gewerkschaften diejenigen sein könnten, die die undemokratischen Linien des UG 2002 beseitigen könnten, denn dieses Gesetz ist tatsächlich gegen Gewerkschaften konstruiert und gegen Mitbestimmung und Mitsprache. Beim UG 2002 habe ich leider keine Solidarität unter den Gewerkschaften gemerkt - man interessiert sich nicht dafür, was ein paar Assistenten und Studenten an der Universität machen, weil das ist ja nur eine Minderheit. So wie man überhaupt feststellen muss, dass die Öffentlichkeit die Universitäten selten wahrnimmt, weil das eine kleine schreiende Minderheit ist. Ich kann mich noch gut erinnern, als wir im Jahr 2002 auf der Ringstraße protestiert haben, sind die Leute in der Straßenbahn vorbeigefahren und haben auf den Kopf gezeigt. Wir haben leider eine schlechte und mangelnde Presse an den Universitäten. Wenn man versucht, Mitsprache zu beschneiden, dann beginnt man an den Universitäten - man sagt dann, da muss durchgegriffen werden. Man hat die Universitäten schlecht gemacht, man hat gesagt, die können nichts und sitzen nur endlos in Gremien. Viele Professoren haben mitgeheult, weil sie glaubten, sie kriegen ihre alten Rechte von vor 1968 zurück; aber reflektiert, was wirklich ein demokratisches System sein könnte, wurde nicht. Ich glaube, da bestünde noch dringender Gesprächsbedarf zwischen Universitäten, Gewerkschaften und Öffentlichkeit. Auch wenn Akademien anders strukturiert sind als Betriebe, bedarf es hier einer demokratischen Basis, ohne diese Basis wird es nicht gehen.

Wir danken für das Gespräch

Das Interview führte Barbara Lavaud für Arbeit&Wirtschaft
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Mehr Infos unter:
www.de.wikipedia.org/wiki/Wendelin_Schmidt-Dengler

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