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Die Hälfte der Welt

Standpunkt

So eine Emanze wollte ich nie sein, damals als junges Mädchen im heimatlichen Tirol. Sicher, auch ich ging grundsätzlich davon aus, dass uns Frauen die Hälfte der Welt zustünde, aber deswegen muss man doch nicht gleich radikal sein.

Und Emanze - schon das Wort klang radikal. Nach biestig sein und verbrannten Büstenhaltern, nach solchen, die das notwendig hatten, nach ausgefahrenen Krallen. Ich wollte alles, aber eben alles »mit den Waffen einer Frau« erreichen - das hieß in meiner Fantasie mit Büstenhaltern, ohne es notwendig zu haben, zur Not auch mit lackierten Krallen. Die Männer würden mir die Hälfte der Welt schon zu Füßen legen, wenn ich es nur richtig anstellte. Abgesehen davon, waren meine besten Freunde Burschen, ich besuchte eine gute Schule, ich hatte alle Möglichkeiten.

Hatte ich auch und so brach ich irgendwann mein Studium ab und ging zum Radio. Gerade der Journalismus erschien mir als eine Branche, in der das Geschlecht egal war. Da kam es auf Fleiß und Arbeitseinsatz an, auf Intelligenz und Gespür. Bis ich dann die Morgensendung nicht mehr moderieren sollte, keine von uns Mädels, weil Männer und Frauen nachgewiesen keine weiblichen Stimmen wollen in der Früh, höchstens in den Nachrichten, zur Verkehrsinformation. Nun gut, wenn das der Wunsch des Publikums war. Schade bloß, dass die Frühmoderatoren die Bekanntesten waren und daher eher für Moderationen gebucht wurden und leichter ein Zubrot verdienen konnten. Und war es auch Wunsch des Publikums, dass alle Schlüsselpositionen des kleinen Senders mit Männern besetzt waren? Wahrscheinlich nicht, aber es hatte sich eben so ergeben.

Je älter ich wurde, desto öfter beobachtete ich, dass es sich halt so ergab. Zu den olympischen Winterspielen konnte man ja keine Frau schicken, zu der Schulung hätte ich nicht gewollt und wenn ich schon da war, konnte ich doch auch Kaffee kochen. Schließlich musste ich irgendwann - mittlerweile schon jenseits der 30 - feststellen, dass ein männlicher Kollege um ein Viertel mehr verdiente als ich - bei exakt gleicher Tätigkeit. »Soll ich jemand anderem etwas wegnehmen?«, war die Frage des Chefredakteurs, bei dem ich mich beschwerte.
Geschlecht ist nicht egal
Und langsam dämmerte mir, dass das Geschlecht nicht egal war. Auf Pressekonferenzen traf ich fast nur weibliche Kolleginnen, in Führungspositionen saßen fast nur Männer. Männer, die mir auch immer wieder erklärten, dass man sich nicht darauf verlassen könne, dass so eine Frau nicht doch noch schwanger würde. Männer, die durchaus bereit waren, mir die Hälfte der Welt zu Füßen zu legen, so lange es ihnen nicht die Hälfte ihres Einkommens kosten würde. So lange ich ihnen nichts wegnehmen wollte. Und ich bemerkte die vielen Frauen, die wie ich glaubten, dass Fleiß und Arbeitseinsatz, Intelligenz und Gespür ausreichten.

Langsam dämmerte mir, dass »Frauenarbeit« nicht gleich bewertet wurde, ganz egal, ob es um die PR-Frau geht oder die Heimhilfe. Ich sah, dass in Supermärkten eher Männer zu Filialleitern wurden und sah die Karrieren meiner Freundinnen nach der Babypause knicken. Aber auch ohne Kinder ist der kleine Unterschied im Berufsleben, im Alltag immer noch gewaltig. Erst nach und nach wurde mir klar, dass diese Welt noch immer vor allem von Männern für Männer gemacht ist. Arbeitszeiten sind nach ihren Bedürfnissen abgestimmt. Sie sitzen in Aufsichtsräten und machen Karrieren und fördern wiederum andere Männer bei deren Karriere. Steuer- und Pensionsreformen kommen ihnen zugute.

Nur die Armut ist weiblich! Jüngsten Auswertungen zufolge leben in Österreich 571.000 Frauen mit einem Einkommen unter 785 Euro monatlich. Das heißt, dass 100.000 Frauen mehr als Männer mit Einkommen unter der Armutsgefährdungsschwelle auskommen. Ein Grund dafür ist, dass weniger Frauen als Männer erwerbstätig sind; aber mehr erwerbstätige Frauen als Männer arbeitslos sind. Frauen sind häufiger in atypischen Beschäfti-gungsformen tätig sowie in schlecht entlohnten Branchen. Dazu kommt, dass hierzulande nach wie vor nicht gleich viel für gleiche Arbeit bezahlt wird: Frauen verdienen - arbeitszeitbereinigt - um 17 Prozent weniger als Männer. Geringe Einkommen führen zu geringen Sozialversicherungsleistungen.

Und so bin ich schließlich zur Emanze geworden. Bereit, mir die Hälfte der Welt zu nehmen und mich dafür einzusetzen, dass andere Frauen auch ihren Anteil daran bekommen. Denn wie sagte schon Oberemanze Alice Schwarzer: »Frauen begnügen sich nicht mehr mit der Hälfte des Himmels, sie wollen die Hälfte der Welt.«

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