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Wolfgang Greif, Mitglied des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses (EWSA) und Internationaler Sekretär der GPA-DJP

EBR-Richtlinie in Arbeit

Internationales

Nach jahrelanger Untätigkeit plant die Europäische Kommission nun endlich die längst fällige Revision der Richtlinie über die Einsetzung eines Europäischen Betriebsrats.

Vor vierzehn Jahren verabschiedete die EU-Kommission eine Richtlinie zur Gründung Europäischer Betriebsräte. Sie regelt die Informations- und Anhörungsrechte der Belegschaft. Die Verbesserung dieser Richtlinie durch die EU-Kommission steht seit Jahren aus. Zwei formelle Konsultationen der Sozialpartner 2004 und 2005 blieben völlig unverbindlich und führten zu keinen konkreten Ergebnissen. Nun scheint in der Kommission endlich ein politisches Umdenken stattgefunden zu haben. Kommissionspräsident Barroso hat der Revision zugestimmt und dies im EU-Parlament auch bekräftigt.
Mehr Mitbestimmungsrechte
Gewerkschaften und Betriebsräte vieler Unternehmen kämpfen seit Jahren für mehr Mitbestimmungs- und Vertretungsrechte von ArbeitnehmerInnen auf europäischem Niveau. Im Zentrum der Forderungen steht dabei die Revision der Richtlinie für Europäische Betriebsräte.
Es scheint, dass die Kommission sich der Thematik nun endlich annimmt, nicht zuletzt um der Kritik am fehlenden sozialen Engagement der EU entgegenzuwirken - und wohl auch, um sich die Unterstützung des Parlaments im Hinblick auf die Neubestellung der Kommission 2009 zu sichern.
Allerdings wird das enge Zeitfenster eines der Hauptprobleme bei der Revision der Richtlinie sein: Die Überarbeitung müsste bis Ende 2008 unter französischer Präsidentschaft fertig werden. In der ersten Hälfte 2009 wird Tschechien den
EU-Ratsvorsitz übernehmen - ein Land, dem man wenig Interesse an einer EBR-Überarbeitung zutraut. Im Juni 2009 wird dann das EU-Parlament neu gewählt und danach eine neue Kommission durch das Parlament bestellt. Eine erfolgreiche Verbesserung der EBR-Richtlinie müsste also noch dieses Jahr über die Bühne gehen.
Die nach wie vor gültige EBR-Richtlinie stammt aus dem Jahr 1994 und sah damals eine Überprüfung bereits nach fünf Jahren, also für 1999, vor. Für die Gewerkschaften hatte diese Frage eine hohe Priorität: Der Europäische Gewerkschaftsbund (EGB) legte bereits Ende 1999 seine Änderungsvorschläge für den Richtlinientext vor.
Um der Forderung nach einer Revision Nachdruck zu verleihen, organisierte der EGB 2002 in Århus (Dänemark) eine großangelegte EBR-Konferenz »Towards more influence«. Mehrere hundert Mitglieder von EBRs und GewerkschafterInnen aus ganz Europa diskutierten dort die Rolle Europäischer Betriebsräte bei Umstrukturierungen und über die Verbesserung der Informations- und Konsultationsverfahren.
Auf eben dieser Konferenz kündigte die Europäische Kommission eine Überprüfung der EBR-Richtlinie an. Allerdings wollte sie zuerst noch eine Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses (EWSA) über die praktische Anwendung der bisherigen EBR-Richtlinie abwarten. (Anm.: Der EWSA ist ein Konsultativorgan der EU, das sich aus Vertretern der ArbeitgeberInnen, der ArbeitnehmerInnen und sonstiger Gruppen zusammensetzt.)
Arbeitgeber lehnen Überarbeitung ab
Der Europäische Gewerkschaftsbund präzisierte im Februar 2004 seine Forderungen zur Revision der Richtlinie in einem 26 Punkte umfassenden Strategiepapier. Doch während die Gewerkschaften eine Erweiterung der Informations- und Konsultationsrechte verlangten, blockierten die ArbeitgeberInnen jegliche Änderung.
Im Frühjahr 2004 forderte die Europäische Kommission die europäischen Sozialpartner offiziell zu einer Stellungnahme auf und startete damit das Gesetzgebungsverfahren zur Revision der Richtlinie.
Diese Revision wurde damals auch vom EU-Kommissar für Beschäftigung und Soziales, Vladimír Špidla, bei einer Anhörung im Europäischen Parlament befürwortet.
Nachdem außerdem der EGB Špidla schriftlich gebeten hatte, das Gesetzgebungsverfahren zu beschleunigen, legte die Kommission 2005 ein Papier zum Thema »Umstrukturierung und Beschäftigung« vor.
Im Sommer 2005 nahmen die Sozialpartner dazu Stellung: Der europäische Dachverband der Arbeitgeberverbände UNICE vertrat die Auffassung, das Gesetzgebungsverfahren sei weder wünschenswert noch notwendig, der EGB hingegen wollte natürlich so rasch wie möglich zur Verabschiedung einer verbesserten Richtlinie kommen.
Anfang 2006 schaltete sich schließlich das Europäische Parlament in die Debatte ein und forderte die Kommission auf, eine regelrechte zweite Phase der Anhörung einzuleiten, die den Sozialpartnern die Möglichkeit zu Verhandlungen bietet.
Rasche Revision
Im September 2006 beschloss der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) eine von Gewerkschaftsseite initiierte Stellungnahme, die die Forderung nach einer Verbesserung der EBR-Richtlinie beinhaltet.
Nicht nur Gewerkschaften in ganz Europa, auch zahlreiche EBR-Mitglieder fordern seit Jahren dringend die Revision der Richtlinie. Während neuere EBR-Vereinbarungen oft über die gesetzlichen Mindestvorschriften hinausgehen, gibt es zugleich immer noch viele Unternehmen, die gerade mal die bis 1996 getroffenen sogenannten »freiwilligen« Regelungen befolgen und nicht mehr.
Die ArbeitgeberInnen haben sich bislang immer entschieden gegen die Revision ausgesprochen und haben diese Position auch nun wieder gegenüber der Kommission bekräftigt.
Die aktuellen Forderungen des EGB an eine Revision der Richtlinie betreffen vor allem folgende Punkte:

  • Eine Verbesserung der Standards von Unterrichtung und Anhörung.
  • Die Eliminierung oder zumindest Reduzierung der Schwellenwerte auf 500 ArbeitnehmerInnen bzw. 100 ArbeitnehmerInnen in zwei Mitgliedsstaaten.
  • Eine klare Verbesserungen bei Training und Experten, verbindlich zwei jährliche EBR-Meetings, Vorschriften für außerordentliche EBR-Treffen.
  • Eine bessere Einbeziehung der Gewerkschaften: Das Recht auf volle Teilnahme zumindest eines/r Gewerkschaftsvertreters/-in bei jedem EBR-Meeting.

INFO&NEWS
»Die Europäische Kommission hat kürzlich die Initiative zur Nachbesserung der EBR-Richtlinie ergriffen und in ihr Arbeitsprogramm für 2008 aufgenommen. Als Gewerkschaften begrüßen wir diesen Schritt außerordentlich.
Die Beschäftigten in den Unternehmen haben fast zehn Jahre darauf gewartet. Es geht darum, bessere gewerkschaftliche Möglichkeiten in die Hand zu bekommen, damit etwa bei Umstrukturierungen mit teilweise gravierenden Auswirkungen auf die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen nicht - wie so oft in der Vergangenheit - in einer fernen Konzernzentrale völlig über die Köpfe der Betroffenen hinweg entschieden wird.
Hier braucht es effektive Informations- und Anhörungsrechte über Grenzen hinweg, die diesen Namen auch verdienen. Hier braucht es auch Mittel zur Durchsetzung von Beteiligungsrechten der Belegschaften im Konzern. Hier ist die bestehende Rechtslage derzeit einfach viel zu schwach.
Jetzt sind aus meiner Sicht alle jene gefordert, für die eine Weiterentwicklung eines sozialen Europas keine bloße Rhetorik bleiben soll, an einem Strang zu ziehen, damit das europäische Grundrecht auf zeitgerechte ArbeitnehmerInnen-Information und Anhörung auch Wirklichkeit wird.«

INFO&NEWS
Neu: Info-Folder »vida-fakten« zum Europäischen Betriebsrat
Das Internationale Referat der vida hat einen neuen Info-Folder zum Europäischen Betriebsrat herausgebracht, der sich mit der grenzüberschreitenden ArbeitnehmerInnenvertretung befasst und auch konkrete Beispiele aus dem Zuständigkeitsbereich der vida bringt.
Den Folder bestellen:
eva.mueller@vida.at
 

INFO&NEWS
EBR-Newsletter von ver.di und GPA-DJP
Mit diesem Newsletter sollen alle Interessierten regelmäßig über die aktuellen Entwicklungen der EBR-Arbeit bei ver.di und der GPA-DJP auf dem Laufenden gehalten werden. Der Newsletter erscheint viermal jährlich. Den EBR-Newsletter bestellen:
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