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Um Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen, müssen viele Frauen weniger qualifizierte Arbeitsplätze annehmen.

Stolperstein Karenz

Schwerpunkt

Viele WiedereinsteigerInnen wollen nach der Karenz in den Job zurückkehren und wünschen sich bessere Rahmenbedingungen für berufliche Weiterbildung.

Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist eines der wichtigsten Anliegen von AK und ÖGB. Statistiken zeigen, dass es sich weiterhin vorwiegend um ein Frauenthema handelt. Österreichweit liegt der Anteil der Väter in Elternkarenz bei zwei Prozent (in Wien bei fünf Prozent). Vereinbarkeit von Beruf und Familie hat viele Facetten. Es geht um geeignete Kinderbetreuungsmöglichkeiten, eine familienfreundliche Arbeitszeitgestaltung und um eine Stärkung des gesellschaftlichen Bewusstseins, dass Kinderbetreuung und Erziehungsaufgaben nicht ausschließlich »Mütter-Aufgaben« sind.
Ein zentrales politisches Thema ist es aber auch, die Karriereverläufe von Müttern nach der Babypause und in ihrem weiteren Erwerbsleben nachhaltig zu verbessern. Es darf nicht übersehen werden, dass Berufsunterbrechungen, Teilzeitbeschäftigung und Tätigkeiten, die sich in erster Linie an den familiären Verpflichtungen der Mütter orientieren, mit Folgewirkungen verbunden sind, die Frauen ihr gesamtes weiteres Leben begleiten. Dequalifizierung, geringes Einkommen, Benachteiligung in den beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten und letztendlich niedrige Eigenpensionen sind die Folgen.
Teilzeit nach Elternkarenz
Nach der Elternkarenz ist die überwiegende Mehrheit der Frauen teilzeitbeschäftigt. Nur 16 Prozent der Wiedereinsteigerinnen arbeiten über 31 Wochenstunden. Vor der Geburt ihrer Kinder sind 90 Prozent der Frauen vollzeitbeschäftigt (Quelle: ÖIF).
Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen, bedeutet für viele Frauen, weniger qualifizierte Arbeitsplätze annehmen zu müssen. So sinkt der Frauenanteil in höher qualifizierten Berufen von 26 Prozent vor der Karenz auf 21 Prozent nach der Karenz.
Auch der Anteil von Frauen in angelernten oder Hilfstätigkeiten steigt von 19 Prozent gleich um zehn Prozent auf 29 Prozent nach der Babypause (Quelle: L&R).
Probleme beim Wiedereinstieg
Viele Wiedereinsteigerinnen haben überhaupt ein Problem, nach der Karenz beruflich Fuß zu fassen. Laut AMS-Karenzmonitoring 2006 sind vor der Karenz 67 Prozent der Frauen beschäftigt und zehn Prozent arbeitsuchend gemeldet. Nach der Karenz sind um 20 Prozent weniger beschäftigt (46 Prozent) und der Anteil der Arbeitsuchenden steigt auf 17 Prozent. Gar keiner oder einer geringfügigen Beschäftigung gehen nur 23 Prozent der Frauen vor der Karenz, aber 37 Prozent der Frauen nach der Elternkarenz nach. Ein besonderes Problem haben WiedereinsteigerInnen ohne abgeschlossene Berufsausbildung. Hier zeigt die AMS-Statistik, dass über 50 Prozent der arbeitsuchenden WiedereinsteigerInnen maximal über einen Pflichtschulabschluss verfügen.
Diese Entwicklungstendenzen waren und sind für die AK Wien Anlass genug, sich mit WiedereinsteigerInnen auch bildungspolitisch stärker zu befassen, um arbeitsmarktbezogene Nachteile zumindest teilweise durch einen geeigneten Zugang zu Aus- und Weiterbildung abzubauen.
AK-Befragung von Wiener Eltern
Unter dem Motto »Niemand weiß es besser als die Betroffenen« hat die AK Wien in den Jahren 2005 und 2007 eine Befragung von Eltern in Karenz zu Aus- und Weiterbildung durchgeführt. Die Ergebnisse der beiden Befragungen unterscheiden sich nur geringfügig, weshalb auf die Ergebnisse der aktuellen Befragung 2007 eingegangen wird.
Basis für die Befragung war eine Vollerhebung unter den AK-Mitgliedern in Wien, die sich im April 2007 in Elternkarenz befanden. Die schriftliche Befragung richtete sich an 18.136 Personen. Der Fragebogen wurde mit der Einladung zur AK-Messe »Beruf - Baby - Bildung« versendet. Über 8,5 Prozent retournierten den ausgefüllten Fragebogen. Dies ist für eine schriftliche Befragung eine relativ hohe Rücklaufquote.
Die personenbezogene Datenstruktur der Antwortenden weicht etwas von jener der Befragten ab: so sind Männer mit 1,4 Prozent sowie Personen mit maximal Pflichtschulabschluss unterrepräsentiert. Elternkarenzierte mit Universitäts- oder Hochschulabschluss sind überrepräsentiert. Eine nach Geschlecht getrennte Auswertung war daher nicht möglich. Aussagen nach Ausbildungs- oder Berufsstatus können aufgrund der Stichprobengröße als zuverlässig gewertet werden.
Drei von vier Frauen wollen sofort nach der Karenz zurück in den Beruf oder sind bereits berufstätig. Frauen nach der Elternkarenz wünschen sich bessere Rahmenbedingungen für ihre berufliche Weiterbildung. 55 Prozent der befragten ArbeitnehmerInnen geben an, dass sie ihre Rückkehr zum alten Arbeitgeber bereits vereinbart haben. Beachtliche 22,5 Prozent wissen bereits, dass sie einen neuen Arbeitgeber suchen werden. Die Befragung zeigt auch, dass die Rückkehr zum gleichen Arbeitgeber umso sicherer ist je kürzer die Karenzzeit dauert.
85 Prozent jener, die nur bis zu einem Jahr in Karenz bleiben, haben ihre Rückkehr fixiert. Das Bildungsniveau hat großen Einfluss auf die Arbeitsplatzsicherheit. Die Befragung zeigt, je höher das Ausbildungsniveau desto sicherer ist die Rückkehr zum früheren Arbeitsplatz. 50 Prozent der Karenzierten mit maximal Pflichtschulabschluss müssen sich nach der Babypause einen neuen Arbeitsplatz suchen.
Mit einer Rückkehr zu ihrem alten Arbeitgeber können jene mit einem Lehrabschluss zu 54 Prozent, mit einer Matura zu 56 Prozent und mit Universitätsabschluss zu 60 Prozent rechnen.
Weiterbildung unabdingbar
So unterschiedlich die Bildungs- und Unterstützungswünsche der Eltern in Karenz auch sind, in einem Punkt sind sich fast alle einig: Weiterbildung ist für den Wiedereinstieg wichtig. Dieser Meinung sind 96 Prozent der Befragten. 21 Prozent der Eltern meinen, dass eine komplett neue Ausbildung für ihren beruflichen Wiedereinstieg wichtig wäre. In der Gruppe der Elternkarenzierten mit maximal Pflichtschulabschluss ist dies weit über ein Drittel (36 Prozent).
Analysiert man den Berufsstatus, so wollen un- und angelernte Arbeiterinnen sogar zu 64 Prozent eine neue Ausbildung absolvieren. Das bedeutet, dass speziell gering Qualifizierte oder Arbeitnehmerinnen mit niedrigem Berufsstatus die Karenzzeit zur Neuorientierung bzw. zur beruflichen Veränderung nützen wollen. Dies bestätigt die AK-Erfahrungen mit elternkarenzierten Frauen in niedrig qualifizierten Berufen. Diese Tätigkeiten sind oft nicht mehr mit Kinderbetreuung vereinbar oder so gering bezahlt, dass der Verdienst nicht ausreicht. AMS-Statistiken bestätigen, dass bei ungelernten Tätigkeiten stabile Arbeitsverhältnisse seltener und Phasen der Arbeitslosigkeit häufiger sind. Leider zeigt die Befragung auch, dass es gerade der Gruppe der gering Qualfizierten am wenigsten gelingt, den Wunsch nach einer Ausbildung oder einen Bildungsabschluss umzusetzen. Hier bedarf es zielgruppenorientierter Beratung, Förderung und Unterstützung. An der Motivation der Betroffenen würde es nicht fehlen, wären geeignete Bedingungen vorhanden.
Je höher der Ausbildungs- und Berufsstatus, desto häufiger wünschen sich die Befragten eher eine Weiterbildung als eine neue Ausbildung. Durchschnittlich 63 Prozent sind der Meinung, dass Weiterbildung oder die Auffrischung von Kenntnissen für ihren Wiedereinstieg wichtig wäre.
Viele wollen sich weiterbilden
Obwohl Aus- und Weiterbildung von den befragten Personen hoch bewertet wird, sind nur 20 Prozent sicher, dass sie an einer Aus- oder Weiterbildung teilnehmen werden. Wunsch und Wirklichkeit klaffen offenbar weit auseinander. Als Gründe, nicht an Aus- oder Weiterbildung teilnehmen zu können, werden von den Betroffenen folgende Faktoren genannt: Mehr als ein Viertel kann mangels geeigneter Kinderbetreuung keine Aus- oder Weiterbildung besuchen. Zu wenig Zeit oder kein zeitlich passendes Angebot sind für 37 Prozent ein Hinderungsgrund. Jeweils zwischen 15 Prozent und 17 Prozent sehen die Ursache in den hohen Kosten oder den fehlenden Informationsmöglichkeiten. Weitere acht Prozent finden für ihre gewünschte Aus- oder Weiterbildung kein passendes Angebot (siehe Grafik). Wie die Befragung weiters zeigt, gibt es nur sehr wenig Unterstützung durch die Betriebe. Bei nur zwölf Prozent der Befragten übernimmt der Betrieb die Bildungskosten. Fast 60 Prozent der Karenzierten finanzieren sich ihre Aus- oder Weiterbildung zur Gänze selbst.
Kurzkarenzierte/Hochqualifizierte
An innerbetrieblicher Weiterbildung können in erster Linie höher Qualifizierte während der Karenz teilnehmen. So sagen 36,4 Prozent der Karenzierten mit Universitätsabschluss, aber nur knapp 20 Prozent der Personen mit maximal Pflichtschulabschluss, dass ihnen diese Möglichkeit offensteht. Wie sehr Betriebe ihre MitarbeiterInnen in Elternkarenz in interne Schulungen einbeziehen, hängt auch sehr von der Karenzdauer ab: Jene, deren Karenzdauer weniger als ein Jahr beträgt, sind mit fast 47 Prozent wesentlich häufiger in die betriebliche Weiterbildung eingebunden. Geringer Qualifizierte haben deutlich häufiger den Wunsch, eine neue Ausbildung zu absolvieren, aber es fehlt an finanzieller Unterstützung, an der Existenzsicherung während der Ausbildung sowie an Beratung und Information. Auch bei der betrieblichen Förderung sind weniger Qualifizierte deutlich benachteiligt.
Speziell auf »lernende Eltern« zugeschnittene Kinderbetreuungsmöglichkeiten gibt es nur unzureichend. Auch beim Aus- und Weiterbildungsangebot haben Elternkarenzierte große Probleme, zeitlich, regional und inhaltlich passende Angebote zu finden und diese zu finanzieren.

WEBLINKS:
Der Gesamtbericht »Beruf - Baby - Bildung - AK-Befragung
von Wiener Eltern in Karenz zu
Weiterbildung und Wiedereinstieg«
ist im September 2007 erschienen
und kann in der Arbeiterkammer Wien unter der E-Mail-Adresse
emanuela.prock@akwien.at
kostenlos angefordert werden.

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an die Autorin
eva.braun@akwien.at
oder die Redaktion
aw@oegb.at


INFO&NEWS
Reformschritte aus Sicht der AK Wien

Mehr öffentliche Unterstützung für Weiterbildung und Beratung von Eltern in Karenz wäre dringend notwendig.

Eltern in Karenz sind in Bezug auf ihren Aus- und Weiterbildungsbedarf (inhaltlich, regional und zeitlich) eine inhomogene Gruppe. Dies erschwert ein maßgeschneidertes, zielgruppenorientiertes Angebot. Dennoch bedarf es flächendeckender und gut erreichbarer Beratungsstellen für Karenzierte und WiedereinsteigerInnen. Eine Idee wäre, Beratungsstellen zu regionalen Drehscheiben zu entwickeln, die den Weiterbildungs- und Kinderbetreuungsbedarf der Karenzierten besser mit den Angeboten abstimmen. Eine Kooperation zwischen Bund, Ländern und Arbeitsmarktservice - unter der Federführung des Familienministeriums - wäre hier sinnvoll.

Damit Eltern in Karenz rechtzeitig und lückenlos über das Angebot an Beratung, Weiterbildung und Kinderbetreuung informiert werden, sollte das Familienministerium zum ersten Geburtstag des Kindes ein »Rückkehrinformationspaket« an Eltern in Karenz übermitteln.

Gemäß § 15g des Mutterschutzgesetzes besteht ein Recht auf betriebliche Information in wichtigen Angelegenheiten während der Zeit der Karenz. Hier wird besonders auf Informationen bezüglich betrieblicher Weiterbildung hingewiesen. Diese Informationspflicht muss ArbeitgeberInnen deutlich stärker nähergebracht werden und Elternkarenzierte müssen verstärkt auf ihr Recht hingewiesen werden. Die Wirtschaftskammer als gesetzliche Interessenvertretung der ArbeitgeberInnen sowie das Familienministerium sind hier gefordert. Dies würde in weiterer Konsequenz auch eine verstärkte Einbindung von Elternkarenzierten in betriebliche Weiterbildung bedeuten.

Beratungsgespräche mit Vorgesetzten und BetriebsrätInnen vor dem Wiedereinstieg und Finanzierung von Kursen und Weiterbildungen durch den Betrieb als Vorbereitung für die Rückkehr sollten die Regel und nicht die Ausnahme darstellen. Dies wäre sowohl für den Betrieb als auch für die WiedereinsteigerIn eine Win-win-Situation: Es würde die Bindung der Elternkarenzierten an den Betrieb erhöhen und für den Betrieb WiedereinsteigerInnen mit aktuellen Qualifikationen sicherstellen.

Eltern mit geringer oder keiner Berufsqualifikation sollten die Möglichkeit haben, vor ihrem Wiedereinstieg eine abgebrochene Ausbildung beenden zu können oder eine neue Ausbildung zu absolvieren. Dafür bedarf es existenzsichernder Maßnahmen. Die AK fordert ein staatliches Qualifizierungsstipendium für öffentlich anerkannte Bildungsabschlüsse in Anlehnung an das staatliche Stipendium, das nur für Universitäts- und Hochschulstudien gewährt wird. Auch ein Kündigungsschutz bei der Bildungskarenz im Anschluss an die Elternkarenz würde es erleichtern, eine neue Ausbildung zu absolvieren oder eine abgebrochene Ausbildung zu beenden. Die Höhe der Existenzsicherung müsste sich als Minimum an der Höhe des Ausgleichszulagenrichtsatzes für Einzelpersonen in der Pensionsversicherung (2007: EUR 726,- 14 mal im Jahr) orientieren.

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(C) AK und ÖGB

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