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Der Beschäftigungswandel und die wachsenden Anforderungen an die Arbeitskräfte verlangen Änderungen im Bereich der Berufsbildung.

Österreich verfügt über ein hoch differenziertes System der Berufsbildung im Bereich der Angebote nach dem Pflichtschulabschluss. In der Oberstufe überwiegen ganz eindeutig die berufsbildenden Varianten.
Über drei Viertel aller Jugendlichen sind hier in berufsbildenden oder berufsvorbereitenden Ausbildungen (Polytechnische Schule, berufsbildende mittlere oder höhere Schule oder Lehre) und nur etwas über ein Fünftel besucht eine allgemeinbildende (AHS) Ausbildung. Im OECD-Schnitt halten sich allgemein- und berufsbildende Angebote in der Oberstufe die Waage.
Der Großteil der Jugendlichen in einer weiterführenden Ausbildung - angehende Fachkräfte - wird in berufsbildenden mittleren und höheren Schulen ausgebildet, dazu kommen die Jugendlichen in den Schulen für den Gesundheits- und Sozialbereich (siehe Tabelle: Jugendliche in Ausbildung - Schuljahr 06/07).
In der neunten Schulstufe finden
wir fast ein Viertel der SchülerInnen in der AHS, ein Fünftel in der Polytechnischen Schule und über die Hälfte in berufsbildenden Schulen. In der 10. Schulstufe (= 6. Kl. AHS, 2. Kl. BMHS, 1. Kl. BS, hier besteht keine Schulpflicht mehr) besuchen ein Fünftel die AHS, fast 38 Prozent die berufsbildende Pflichtschule (Lehre) und 42 Prozent eine BMHS.
Dieser hohe Anteil an Jugendlichen in der Berufsausbildung verlangt eine genaue Beschäftigung mit der Zukunftsfähigkeit dieser Angebote. Das System der Berufsbildung hat in der Vergangenheit sehr wesentlich zur Basis der gut ausgebildeten Facharbeitskräfte und damit eines starken Wirtschaftsstandortes beigetragen.
Der Beschäftigungswandel in Richtung hochqualifizierte Berufe und die stets wachsenden Anforderungen an die Arbeitskräfte verlangen jedoch Änderungen auch im Bereich der Berufsbildung. Denn bei einer Analyse unseres aktuellen Erstausbildungssystems stellt sich heraus, dass sehr viele Jugendliche nur ungenügend auf ihr Arbeitsleben vorbereitet und ohne hinreichende Qualifikationen vom Ausbildungsbereich in die Arbeitswelt entlassen werden.
Bildungsstand in Österreich
Nach den zuletzt verfügbaren Mikrozensuszahlen (2004 und 2005, Auswertung IHS) haben fast zehn Prozent der 15- bis 24-Jährigen (insgesamt 1,028.703 im Jahr 2007) keine Ausbildung, die über die Pflichtschule hinausgeht, und befinden sich nicht mehr in Ausbildung. Das waren im Jahr 2007 fast 97.000 Jugendliche.
Gut 100.000 Jugendliche mit 15 Jahren haben mit Ende des Schuljahres 2006/07 ihre Schulpflicht erfüllt. 6.000 von ihnen haben im Herbst keine weiterführende Ausbildung mehr aufgenommen. Und immerhin 4.000 von diesen 100.000 Jugendlichen haben ihre Schulpflicht nicht mit positivem Abschluss beendet, ein Defizit, das den meisten von ihnen noch große Schwierigkeiten im Berufsleben bringen wird.
Aber von den Jugendlichen, die im Herbst eine weiterführende Ausbildung begonnen haben (Lehre, berufsbildende oder allgemeinbildende Schule), werden zusätzlich gut 38.000 bis zu ihrem 19. Lebensjahr aus dieser Ausbildung herausfallen und somit keine weiterführende Ausbildung positiv abschließen.
Die Verbesserung des Bildungsniveaus stagniert in Österreich. Nach der Volkszählung 2001 hatten von den 25- bis 29-Jährigen 17,5 Prozent nur einen Pflichtschulabschluss, unter den 20- bis 24-Jährigen waren es mit 17,4 Prozent fast gleich viele. Frauen liegen dabei mit 19 Prozent deutlich schlechter als die Männer mit 15,9 Prozent. Bei der Arbeitslosigkeit der 15- bis 24-Jährigen nach Bildungsstand (2006; Angaben IHS nach Eurostat) schneiden diejenigen ohne weiterführenden Schulabschluss mit 14 Prozent schlechter ab als die Jugendlichen mit weiterführendem Schulabschluss mit sechs Prozent (Gesamtarbeitslosenquote neun Prozent).
Die Gruppe mit niedriger Ausbildung hat ein besonders hohes Arbeitslosigkeitsrisiko. Im Jahr 2006 hatten 46,6 Prozent der Arbeitslosen lediglich die Pflichtschule und 35,4 Prozent eine Lehre abgeschlossen. Bei einer Gesamtarbeitslosenquote von 6,8 Prozent (2006) beträgt diese bei PflichtschulabsolventInnen 16,7 Prozent, bei LehrabsolventInnen 6,0 Prozent, bei AbsolventInnen einer mittleren Schule 2,9 Prozent, einer höheren Schule 3,5 Prozent sowie einer Hochschule 2,1 Prozent (Daten lt. AMS).
Abweisungen und überfüllte Klassen
Österreichweit haben rund 5.000 Jugendliche im Schuljahr 2006/2007 keinen Platz an einer berufsbildenden Schule bekommen. Tausende junge Menschen sind nach der Pflichtschule gezwungen, entweder nicht die gewünschte oder im schlimmsten Fall gar keine Ausbildung zu machen. Überdies sind die berufsbildenden Schulen voll gestopft bis an den Rand, wodurch bereits im ersten Schuljahr 10.000 AnfängerInnen wieder rausfliegen.
Rund 50.000 Mädchen und Burschen starten an einer berufsbildenden mittleren oder höheren Schule. Doch 20.000 von ihnen - also 40 Prozent - werden diese begonnene Ausbildung nicht abschließen. Die Arbeiterkammer hat das IHS beauftragt, anhand der aktuellsten Schulstatistik (Schuljahr 2002/2003) die Verlustraten vom Beginn der Ausbildung bis zur Abschlussklasse darzustellen. Der Gesamtverlust liegt in allen untersuchten Schularten um die 40 Prozent. Die Handelsakademien verlieren 37 Prozent ihrer SchülerInnen, die höheren technischen und gewerblichen Lehranstalten über 42 Prozent, die dreijährigen Handelsschulen verlieren 38 Prozent und die vierjährigen gewerblich-technischen Fachschulen verlieren 41 Prozent.
20 Prozent SchulabbrecherInnen
Die IHS-Auswertung unterscheidet noch, wie viele Jugendliche nach der ersten Klasse, und wie viele Jugendliche bis zum Ausbildungsende ausscheiden. Berufsbildende mittlere und höhere Schulen verlieren von der 9. auf die 10. Schulstufe über 21 Prozent. Das heißt, dass jeder/jede fünfte SchülerIn nach der ersten Klasse die betreffende Schule abbricht - das sind rund 10.000 Jugendliche pro Jahr. Im Vergleich brechen die Burschen etwas öfter die berufsbildenden Schulen nach der ersten Klasse ab als die Mädchen. Differenziert nach den Schulformen haben die Handelakademien mit 19 Prozent die niedrigste Verlustrate, gefolgt von den höheren technisch-gewerblichen Lehranstalten. Höher ist der Verlust bei den Handelsschulen und
den gewerblich-technischen-Fachschulen mit jeweils um die 27 Prozent von der 1. auf die 2. Klasse.
Jährlich bleiben insgesamt rund 35.000 SchülerInnen sitzen. Sie müssen ein ganzes Schuljahr wiederholen, obwohl ihr Schulerfolg nur in einem bestimmten Fach - oder einigen wenigen Fächern - nicht ausreicht. Österreich leistet sich damit ein Auslaufmodell: In Europa lassen nur noch acht von 28 Länder ihre Kinder eine ganze Klasse wiederholen. Die Kosten des Sitzenbleibens sind enorm: Den Staat kostet dieses System zusätzlich etwa 300 Mio. Euro für den Schulplatz, Familienbeihilfe, Schulbücher und SchülerInnenfreifahrt. Dazu kommen die Kosten für die Familien: die zusätzlichen Unterhaltskosten und der Verdienstentgang. In Summe: 500 bis 600 Mio. Euro jährlich. Außerdem ist die Klassenwiederholung kein Garant für Erfolg. Vielfach scheitern die Jugendlichen im Jahr der Wiederholung an einem Gegenstand, den sie beim ersten Mal erfolgreich abgeschlossen haben.
Wunsch und Wirklichkeit
20 bis 30 Prozent der Jugendlichen in den ersten Klassen der berufsbildenden mittleren und höheren Schulen bzw. der Lehrlinge geben an, dass sie nicht in ihrer Wunschausbildung sind. An den besonders nachgefragten Schultypen kommt es alljährlich zu Tausenden Abweisungen. Vom Schuljahr 2000/2001 bis zum Schuljahr 2004/2005 sind die mittleren landwirtschaftlichen Schulen um über 20 Prozent gewachsen, die mittleren technischen und gewerblichen Schulen jedoch nur um 12,6 Prozent.
Der Anpassungsprozess zwischen den Ausbildungsangeboten und den Anforderungen von Wirtschaft und Arbeitsmarkt ist in Österreich ungenügend entwickelt. Wenig flexible Schulstrukturen konservieren Ausbildungen im landwirtschaftlichen Bereich, in Textil- und Modeschulen oder im Produktionssektor. Die Ausbildungen im Gesundheits- und Sozialbereich ressortieren zu den Ländern oder zum Gesundheitsministerium, es besteht keine durchlässige Verbindung zu den schulischen Erstausbildungen. Außerdem mangelt es den Jugendlichen in Österreich durch einen demotivierenden Mathematik- und Naturwissenschaftsunterricht am Interesse an einer höheren Ausbildung in diesem Bereich.
Zu wenig Ausbildungsplätze
Der beste Prozess der Berufs- und Bildungswegorientierung kann nicht das ungenügende Angebot an Ausbildungsplätzen wettmachen. Im Bereich der berufsbildenden mittleren und höheren Schulen ist in den letzten Jahren der Trend bei der Schülernachfrage bzw. den angebotenen Plätzen anstelle der am Arbeitsmarkt gefragten Ausbildungen in Technik und Naturwissenschaft sowie Gesundheitsbereich mehr in Richtung Tourismus, wirtschaftliche Berufe oder Landwirtschaft gegangen. Ein Grund dafür sind die hohen Abweisungen besonders an den EDV-Schulen, aber auch in den Ausbildungen für Kranken- und Gesundheitspflege. Die sehr hohe und früh einsetzende Spezialisierung an diesen Schulen macht ein Umdisponieren der Jugendlichen sehr schwer, Folge sind die hohen Abbrecherquoten. Aufgrund der unzureichenden Auswahl an Ausbildungsplätzen im Bereich der Lehre sind die mittleren schulischen Ausbildungen bei den Jugendlichen sehr nachgefragt. Oft klaffen jedoch die schulische Leistungsfähigkeit und die Anforderungen in den mittleren Schulen auseinander. Auch hier werden die Jugendlichen abgewiesen und meist in die Polytechnische Schule geschickt, anstatt dass die mittleren schulischen Ausbildungen soweit adaptiert werden, dass sie für diese Gruppe eine zielgruppenspezifische Berufsqualifizierung anbieten.
Verbesserungsvorschläge
Mit einer besseren Berufs- und Bildungswegorientierung in der Mittelstufe wird der Grundstein gelegt, dass die Jugendlichen gut vorbereitet und motiviert in ihre weiterführende Ausbildung gehen. Hier kann der Abbau der frühen und hohen Spezialisierungen in den berufsbildenden Schulen und die Einführung einer Orientierungsstufe zu Beginn der Ausbildung dazu beitragen, falsche Entscheidungen zu minimieren.
Im Sinne der Ausbildungsgarantie bis 18 brauchen wir bis zu 4.000 zusätzliche Plätze an den berufsbildenden Schulen, insbesondere in den praxisorientierten Fachschulausbildungen. Mit der Einführung eines Kurssystems in der Oberstufe und dem Aufsteigen mit Nicht Genügend kann gegen das sinnlose Sitzenbleiben angegangen werden. Ein ergänzendes individuelles Förderkonzept soll helfen, Defizite aufzuholen und an den Stärken zu arbeiten. Auch eine Senkung der Klassenschülerhöchstzahl in den berufsbildenden Schulen wird zu einer Erhöhung der Behaltequoten beitragen.
Die Durchlässigkeit zwischen den verschiedenen Formen der beruflichen Bildung darf nicht nur ein Schlagwort bleiben. Ein einfacherer Wechsel zwischen den einzelnen berufsbildenden Schulen und zwischen Schule und Lehre sowie umgekehrt (z. B. Möglichkeit der Fortsetzung der Lehre bei Verlust der Lehrstelle in einer Schule) soll die Anzahl an Jugendlichen erhöhen, die eine weiterführende Ausbildung abgeschlossen haben.
Mehr Wege zur Matura
Derzeit sind Maßnahmen im Gespräch, um mehr Lehrlingen und AbsolventInnen von mittleren Schulen eine Höherqualifizierung zu ermöglichen. Dabei soll die Vorbereitung auf und die Ablegung der Berufsreifeprüfung erleichtert werden. Auf diese Weise kann für eine große Gruppe Höherqualifizierung im Beruf und Zugang zum weiterführenden Lernen erreicht werden.
Für AbsolventInnen dieser Ausbildungen gibt es seit 1997 die Möglichkeit mit einer Berufsreifeprüfung die Berechtigungen einer Matura zu erwerben. Rund 11.000 Personen haben davon österreichweit schon Gebrauch gemacht. Allerdings sind Vorbereitung und Ablegung der Prüfung kostenpflichtig, für viele eine große finanzielle Belastung, oft eine unüberwindliche Hürde. Für SchülerInnen und Lehrlinge muss es im schulischen Bereich gebührenfreie Angebote geben, Kenntnisse und Fähigkeiten zu erwerben, um die Teilprüfungen der Berufsreifeprüfung abzulegen. Diese Angebote sollen für alle offenstehen und für Lehrlinge nicht an die Zustimmung von ausbildenden Unternehmen gebunden sein. Um sich ausreichend vorbereiten zu können, muss für die Angebote ein realistisches Zeitausmaß eingeplant werden. Diese Maßnahmen sollen im Jahr 2008 starten und werden ein Teilelement jenes Prozesses sein, der die österreichische Berufsausbildung zu einer guten Startposition für die Jugendlichen werden lässt.

WEBLINKS:
Institut für Höhere Studien
www.ihs.ac.at

Jugendplattform des AMS
www.arbeitszimmer.cc

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susanne.schoeberl@akwien.at
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aw@oegb.at

KURZ GEFASST:
Gründe für unzureichende Ausbildung
Zu wenig Plätze, eine frühe Festlegung auf hoch spezialisierte Ausbildungen ohne die nötigen Grundlagen einer guten Berufs- und Bildungswegorientierung, unzureichende Ausrichtung des Angebots an zukunftsweisenden Berufen, kein Platz in der Wunschausbildung, überfüllte Klassen, Orientierungs- und Lernschwierigkeiten vor allem für die SchülerInnen aus der Hauptschule, kaum Anrechnungen beim Wechsel zwischen den berufsbildenden Schulen bzw. von der Lehre in eine Schule oder umgekehrt: Die Gründe für die hohen Drop-out-Raten und damit für nur unzureichend ausgebildete Jugendliche sind vielfältig.

 

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