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Das Konstrukt Frau

Gesellschaftspolitik

Am 9. Jänner wäre die Schriftstellerin, Philosophin und Feministin Simone de Beauvoir 100 Jahre alt.

Für Generationen von Frauen war Simone de Beauvoir Vorbild und sie war eine der bedeutendsten Wegbereiterinnen der Frauenbewegung. In ihrem Hauptwerk »Das andere Geschlecht« (1949) stellt sie die Grundsatzfrage, wie es dazu kam, dass Frauen als »das andere« Geschlecht betrachtet und ihre Identität von der des Mannes abgeleitet wurde. »Man kommt nicht als Frau zur Welt, man wird es«, lautet der berühmteste Satz ihres »Schlüsselwerkes«.
Gutes Elternhaus
Als Simone Lucie-Ernestine-Marie-Bertrand de Beauvoir wurde sie am 9. Jänner 1908 in Paris in eine streng katholische Familie hineingeboren. Ihr Elternhaus gehörte zum französischen Bürgertum, mit hohem Stellenwert für kulturelle Werte. Sie ging in einem Privatinstitut zur Schule und »lernt wie besessen, büffelt während des Essens Vokabeln und stellt detaillierte Zeitpläne auf, um keine Minute ungenutzt verstreichen zu lassen«, heißt es in der umfangreichen Sekundärliteratur. Sie gehörte, im Gegensatz zu ihren Vorläuferinnen, wie George Sand, George Eliot und Virginia Woolf, der ersten Generation europäischer Frauen an, deren Ausbildung jener der Männer entsprach. 1929 bestand sie als neunte Frau in Frankreich den prestigeträchtigen Hochschulabschluss in Philosophie. Als »Zweitbeste« nach Jean-Paul Sartre, der allerdings zuvor einmal durchgefallen war. Als eine der ersten Philosophielehrerinnen Frankreichs konnte Simone de Beauvoir - eine Seltenheit damals - finanziell unabhängig ein selbstständiges Leben führen.
Im »Erkennen und Schreiben« sah sie ihr Lebensprojekt und begann ihre schriftstellerische Tätigkeit bereits zu Beginn des Zweiten Weltkrieges. Den literarischen Durchbruch schaffte Simone de Beauvoir mit ihren beiden existenzialistischen Romanen »Sie kam und blieb« (1943) und »Das Blut der anderen« (1945). Bereits in den frühen Werken steht das Thema der gesellschaftlichen Anerkennung im Zentrum ihrer Auseinandersetzung.
Ihr Welterfolg »Das andere Geschlecht« gilt als »Grundstein« des modernen Feminismus. Das Buch machte sie zur Vorzeigeintellektuellen Frankreichs. Sie wurde von Regierungen eingeladen und reiste in ganz Europa, Nord-, Mittel- und Südamerika, im Nahen und Fernen Osten, in die UdSSR und nach China. Über ihre Reiseerfahrungen schrieb sie in Reportagen und Tagebüchern. 1954 erhielt sie den renommierten Prix Goncourt für ihren Roman »Die Mandarine von Paris«.
In ihren Memoiren »In den besten Jahren« beschreibt sie selbstkritisch ihre Entwicklung. Ihre Jugend sei durch den uneingeschränkten Glauben an die Macht ihres Willens geprägt gewesen. »Ich wollte nicht wahrhaben, dass auch andere genau wie ich Subjekt, Bewusstsein sein könnten.« Die Besetzung Frankreichs durch die Deutschen hatte eine Zäsur in ihrem Leben gebracht. »Ich verzichtete auf meinen Individualismus, ich erlernte die Solidarität«, erinnert sie sich. »In Wahrheit bin in die Gesellschaft hineingeboren; in ihr und in Verbindung mit ihr entscheide ich über mich.«
Freie Beziehung
Während ihres Studiums an der Sorbonne lernte sie 1929 ihren Lebensgefährten, den existenzialistischen Philosophen Jean-Paul Sartre kennen. Wie weit die beiden einander in ihrem philosophischen Schaffen beeinflusst haben, bleibt bis heute unklar. Beide lebten sie im Quartier Montparnasse, jedoch in getrennten Wohnungen und führten zeitlebens eine offene Beziehung. Ihre zahlreichen Affären und Liebschaften bildeten keinen Widerspruch zu ihrer intellektuell geprägten Beziehung. So genossen sie - nach eigenen Aussagen - »die Vorteile des Lebens zu zweit und keine seiner Unannehmlichkeiten«.
Die deutsche Feministin Alice Schwarzer, die mit Simone de Beauvoir zwischen 1971 und 1982 zahlreiche Interviews geführt hatte, machte sie auch in Deutschland besser bekannt. Anfang der 70er Jahre wurde sie von einer Generation junger Frauen, die nach einem Begriff von Anerkennung und Gleichheit und Befreiung von Diskriminierung suchten, zum Idol erhoben und wieder gestürzt.
Widersprüchlichkeit ist konstitutiv für das Leben und Werk. Sie forderte ein Recht auf »Ambiguitität«, auf Zweideutigkeit, und verwahrte sich gegen die Reduktion auf ein einziges Bild. Mit ihren Werken hat sie das Leben von Millionen Frauen beeinflusst.
Gabriele Müller

INFO&NEWS
Festveranstaltung zum 100. Geburtstag von Simone de Beauvoir
DAS ANDERE GESCHLECHT -
IMMER NOCH ANDERS?

Termin: Dienstag, 8. Jänner 2008, 17 bis 20.30 Uhr
Ort: Renner-Institut, Europasaal
Eingang: Gartenhotel Altmannsdorf,
Hotel 2, Oswaldgasse 69, 1120 Wien
(erreichbar mit U6, »Am Schöpfwerk«)
Schriftliche Anmeldung:
Fax: 01-804 08 74
kuehbauer@renner-institut.at
www.renner-institut.at

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