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Cornelia Staritz, Mag.a Ökonomin Cornelia Staritz, Mag.a Ökonomin, sie arbeitet zurzeit an ihrer Dissertation an der New School for Social Research in New York

Kommentar | Tobinsteuer

Meinung

Die Besteuerung der Devisentransaktionen könnte »Sand ins Getriebe« der Finanzmärkte streuen und Einnahmen für Entwicklung bringen.

Die Finanzkrisen der Neunziger- und Zweitausenderjahre lenkten über die Fachwelt hinaus die Aufmerksamkeit auf das internationale Finanzsystem. NGOs wie Attac beschäftigen sich seither verstärkt mit Problemen und möglichen politischen Regulierungen der internationalen Finanzmärkte. Eine Forderung, die weltweit von einer wachsenden Zahl von zivilgesellschaftlichen Gruppen, Ökonomen/Ökonominnen und nationalen Parlamenten erhoben wird, ist die Tobinsteuer.
Veränderungen im Finanzsystem
Unter dem Eindruck der Weltwirtschaftskrise von 1929 hat sich die internationale Staatengemeinschaft auf der Konferenz von Bretton Woods (1944) die Stabilisierung des Währungs- und Finanzsystems zum Ziel gesetzt. Zentraler Kern des Abkommens war ein System fixer Wechselkurse mit dem Dollar als Leitwährung und Kapitalverkehrskontrollen. Anfang der Siebzigerjahre brach das System zusammen und wurde durch ein System flexibler Wechselkurse zwischen den Leitwährungen abgelöst. Zusätzlich wurden auf politischer Ebene weitreichende Deregulierungen und Liberalisierungen beschlossen, die zu starken Veränderungen im internationalen Finanzsystem führten.
Die Zahl der Finanztransaktionen ist in der Folge enorm angestiegen. 2004 erreichte das Tagesvolumen auf den Devisenmärkten 1,9 Billionen Dollar. Auch die Struktur der Transaktionen hat sich verändert. Rund 80 Prozent der Transaktionen haben einen Zeithorizont von weniger als sieben Tagen, 40 Prozent einen von weniger als zwei Tagen. Der Welthandel zuzüglich aller ausländischen Direktinvestitionen entspricht nicht einmal drei Prozent des Devisenumsatzes. Auch wenn Absicherungsgeschäfte gegen Kursschwankungen hinzugerechnet werden, sind diese Volumina bei weitem nicht durch realwirtschaftliche Tätigkeiten zu erklären.
Teure Absicherungsgeschäfte
Da sich die Devisentransaktionen von realwirtschaftlichen Grundlagen abgelöst haben, werden Wechselkurse immer weniger von ökonomischen Basisdaten bestimmt, sondern von kurzfristigen Renditeerwartungen privater Finanzmarktakteure. Auf den Devisenmärkten wird aber nicht irgendein Preis bestimmt, sondern der Preis für Währungen, der wesentliche Auswirkungen auf die Realwirtschaft hat. Am deutlichsten ist dies anhand der Finanzkrisen der Neunziger- und Zweitausenderjahre zu sehen. Aber auch ohne krisenhafte Entwicklung bildet hohe Volatilität und Instabilität ein ungünstiges Umfeld für den produktiven Sektor. Sie erschweren die Planung und erhöhen die Unsicherheit, was teure Absicherungsgeschäfte nötig macht.
Wirkt wie ein Filter
Der Wirtschaftsnobelpreisträger James Tobin schlug im Jahre 1972 die Besteuerung von Devisentransaktionen vor, mit dem Ziel »Sand ins Getriebe« der Finanzmärkte zu streuen. Wechselkursschwankungen sollen reduziert und fundamentale Daten wieder stärker zur Geltung gebracht werden, indem kurzfristige Devisentransaktionen verteuert und somit reduziert werden. Heute wird über einen Steuersatz zwischen 0,001 und 0,5 Prozent diskutiert. Die Wirkungsweise der Tobinsteuer lässt sich am besten anhand eines Filters beschreiben: Durch die Steuer werden zwar alle Devisentransaktionen teurer, die Effekte sind aber aufgrund der unterschiedlichen Laufzeit sehr unterschiedlich. Kurzfristige Anlagen, die auf geringe Kursdifferenzen spekulieren, wären unrentabel, da erstens die Gewinnspannen sehr gering sind und da die Steuer zweitens bei jeder Transaktion anfällt und die Wirkung um so größer ist je öfter die Währung gewechselt wird. Aufs Jahr gerechnet entspräche ein Steuersatz von 0,25 Prozent bei einem Portfolio, das einmal täglich verschoben wird, einen Zins von 183 Prozent. Bei einem wöchentlichen Währungswechsel wären es 26 Prozent und bei einem monatlichen Umtausch sechs Prozent Jahreszins. Handelsgeschäfte werden einmal bezahlt und mit der Tobinsteuer belegt. Eine Steuer von 0,25 Prozent wird ein Handelsgeschäft nicht unrentabel machen, vor allem, wenn man diese Steuer mit einer Umsatzsteuer von 20 Prozent vergleicht. Bei langfristigen Investitionen mit einem Zeithorizont von z. B. zehn Jahren reduziert sich der Steuersatz auf 0,025 Prozent.
Zwei-Stufen-Steuer
»Gegen« die Tobinsteuer wird gerne argumentiert, dass sie nicht bei spekulativen Attacken gegen eine Währung hilft, bei denen es in kurzer Zeit zu Abwertungen von bis zu 40 Prozent (Thailand) oder 60 Prozent (Indonesien) kommt. Doch die Tobinsteuer ist ursprünglich gar nicht dafür gedacht. Sie bezieht sich auf Zeiten des »normalen« Funktionierens der Finanzmärkte und kann Krisen bestenfalls im Vorfeld stoppen.
Allerdings hat der Ökonom Paul Bernd Spahn das Konzept zu einer Zwei-Stufen-Steuer weiterentwickelt, die auch gegen spekulative Attacken wirkt: Solange sich der Wechselkurs innerhalb eines Wechselkurskorridors bewegt, fällt nur die normale Tobinsteuer an. Kommt es jedoch zu starken Wechselkursschwankungen, weil z. B. spekuliert wird, springt die hohe Zusatzsteuer von bis zu 100 Prozent an, was Transaktionen unrentabel macht und unterbindet. Langsame Änderungen der Wechselkurse sind möglich - spekulative Attacken nicht. Diese Zusatzsteuer wäre ein Instrument, um sich gegen massive Währungsspekulationen zu wehren, und es wäre vor allem für Entwicklungs- und Schwellenländer ein wirkungsvolles, sich selbst einschaltendes und im Alleingang realisierbares Instrument.
Die Tobinsteuer würde neben ihrem Hauptziel der Stabilisierung der Devisenmärkte eine Reihe weiterer Vorteile mit sich bringen: Erstens würde die Tobinsteuer ein Stück Handlungsspielraum für die nationalstaatliche Wirtschaftspolitik zurückgewinnen. Geld- und Wechselkurspolitik könnte wieder mehr als Instrument makroökonomischer Steuerung eingesetzt werden, ohne dass es unmittelbar zu Kapitalabzug käme. Ein weiterer Vorteil wären die Einnahmen der Steuer, die vor allem in Bezug auf immer größer werdende globale Probleme wie Armut und Umweltzerstörung bedeutender werden. Weiters würde der Faktor Kapital besteuert, dessen Beitrag in den letzten Jahrzehnten drastisch zurückgegangen ist. Die Einführung der Tobinsteuer hätte auch politische Bedeutung. Zum einen wäre sie der längst überfällige Einstieg in die internationale Besteuerung. Zum anderen wäre sie ein Anstoß, über andere Instrumente der Finanzmarktregulierung nachzudenken.
Geringfügige Änderungen genügen
An der technischen und institutionellen Machbarkeit der Tobinsteuer besteht kaum mehr Zweifel. Bereits heute werden Devisentransaktionen erfasst und dokumentiert. Hier würde eine geringfügige Änderung im Computerprogramm genügen. Die Steuer müßte auch nicht weltweit eingehoben werden, was zurzeit politisch unrealistisch ist. 82 Prozent der Devisentransaktionen werden in nur acht Staaten durchgeführt. Aber auch die EU alleine stellt für viele Ökonomen/Ökonominnen - unter anderem Nobelpreisträger Joseph Stiglitz - eine kritische Masse für einen Steuerraum dar. Sobald die EU den Anfang macht, wird es für weitere Staaten einfacher, nachzuziehen.
Instrument zur Regulierung
Der größte Knackpunkt ist der politische Wille. Aber auch im Bereich der politischen Umsetzbarkeit hat sich einiges getan.
Das Interesse der Entwicklungsländer, die bisher am schwersten von instabilen Finanzmärkten betroffen sind, steigt. Innerhalb der Industrieländer plädieren das kanadische, französische und seit 2006 das österreichische Parlament und die schwedische, belgische, norwegische, spanische, italienische und die (vorhergehende) finnische Regierung für die Einführung der Tobinsteuer.
Die Tobinsteuer ist kein Allheilmittel, sie ist aber - neben anderen Instrumenten - ein wichtiges Instrument zur Regulierung der internationalen Finanzmärkte. Die Debatten um die ökonomische Sinnhaftigkeit und die technische Umsetzbarkeit der Tobinsteuer sind gewonnen. Nun ist es einzig eine Frage des politischen Willens. Vor allem der EU, aber auch Österreich, das sich in einem Vier-Parteien-Beschluss dazu verpflichtet hat, sich für die Einführung der Tobinsteuer auf EU-Ebene einzusetzen, kommt hierbei eine wichtige Rolle zu.
Cornelia Staritz


BUCHTIPP
Cornelia Staritz,
Leonhard Plank:
Tobinsteuer -
»Sand ins Getriebe« der Finanzmärkte und Einnahmen für Entwicklung,
ISBN 978-3-7035-1290-2
Attac/ÖGB-Verlag, Wien 2007, Euro 21,-

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Mehr Infos zur Tobinsteuer
www.attac.at/tobinsteuer.html

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