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Walter Nöstlinger, Prof., Leitender Sekretär in der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Oberösterreich Walter Nöstlinger, Prof., Leitender Sekretär in der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Oberösterreich

Kommentar | Beseitigung der Sonntagsruhe käme teuer

Meinung

Die meisten ArbeitnehmervertreterInnen sind der Ansicht, dass ein weitgehend arbeitsfreier Sonntag für die Menschen dieses Landes und für die Mitglieder von AK und ÖGB wichtig ist.

Österreich ist ein reiches Land, ein Fremdenverkehrsland, ein Land, in dem kulturelle und sportliche Aktivitäten einen hohen Stellenwert einnehmen. Sechs Tage in der Woche wird gearbeitet, wenn auch zu den unterschiedlichsten Zeiten. Nur an einem Tag stehen die meisten »Räder« wirklich still. Der Sonntag, seit Jahrhunderten über die Ländergrenzen als Ruhetag bekannt, ermöglicht uns, die Früchte unserer Arbeit zu genießen, die religiösen und kulturellen Feste zu feiern und unsere Kräfte durch individuelle Freizeitaktivitäten so weit als möglich zu regenerieren.
Tag der Gesellschaft
Die Bedeutung des Sonntags als »Tag der Gesellschaft« ist insbesondere in seinen vielfältigen immateriellen Werten zu sehen. Diese können genauso wenig ökonomisch beziffert werden wie die Werte Gesundheit, Arbeitsklima oder Erholung. Familiäre und gesellschaftliche Aktivitäten sind als soziale Bindeglieder für das Funktionieren einer Gemeinschaft unabdingbar.
Geld, das am Sonntag ausgegeben wird, steht bekanntlich am Montag nicht mehr zur Verfügung. Kaufkraft und Konsum können nur zeitlich und/oder örtlich verlagert werden. Durch Sonntagsarbeit würden daher zumindest im Handel insgesamt keine zusätzlichen Arbeitsplätze gesichert werden. Wahrscheinlicher wäre schon der Verlust von Arbeitsplätzen, da insbesondere in Großkaufhäusern (Einkaufszentren) nicht mit einer zusätzlichen Einstellung von Personal im gleichen Verhältnis, wie sich die Öffnungszeiten verlängern würden, zu rechnen ist. Zu befürchten wäre hingegen, dass kleinere Geschäfte, meist auch NahversorgerInnen, ihre Läden schließen müssten.
Die Beseitigung der Sonntagsruhe im Handel würde erhebliche volkswirtschaftliche Kosten verursachen, die die Verursacher, nämlich jene Betriebe, die sich für die Durchbrechung der Sonntagsruhe stark machen, weil sie mehr Umsatz erwarten, selbst wenn sie wollten, nicht finanzieren könnten.
Derzeit ist das Angebot an öffentlichen Verkehrsmitteln an Sonntagen stark eingeschränkt, weil es sich für die meisten ArbeitnehmerInnen um einen arbeitsfreien Tag handelt. Würde der Sonntag scheibchenweise immer mehr zu einem normalen Werktag umfunktioniert, müssten letztlich (verstärkt) auch öffentliche Verkehrsmittel, Kindergärten, Ämter und Behörden etc. in Betrieb genommen werden. Über die Frage, wer diese Kosten finanziert, wird wohlweislich deswegen nicht gesprochen, weil die möglichen VerursacherInnen mit derartigen Fragen nichts zu tun haben wollen. In diesem Fall müssten wiederum die Gemeinden, das Land und der Bund, also die Öffentlichkeit bzw. wir SteuerzahlerInnen diese erheblichen Mehrbelastungen übernehmen.
Frauen besonders betroffen
Für KonsumentInnen ist die langfristige Sicherung eines breiten Angebotes zu einem günstigen Preis wichtig. Nicht mobile z. B. ältere Menschen sind darüber hinaus darauf angewiesen, dass Verkaufsstellen in ihrer Nähe sind. Gelingt es einigen wenigen großen AnbieterInnen, durch Öffnung ihrer Betriebe am Sonntag, kleine und mittlere Unternehmen weiter vom Markt zu verdrängen, ist nicht mehr, sondern weniger Wettbewerb, ein Anstieg der Preise und eine Reduzierung der Warenvielfalt zu erwarten.
Im Handel überwiegen die weiblichen Arbeitskräfte. Faktum ist, dass Frauen in Österreich auch im 21. Jahrhundert noch immer in mehrfacher Hinsicht benachteiligt sind. Sie verdienen im Durchschnitt weniger, übernehmen aber in der Familie zumeist den größeren Teil der Sorgepflichten. Sonntagsarbeit würde zu einer zusätzlichen Verschlechterung der Arbeitsbedingungen im Bereich der Arbeitszeiten führen und daher Frauen - und Kinder - besonders benachteiligen.
Familiäre Kontakte leihen
Menschen, die schon derzeit aufgrund öffentlichen Interesses am Sonntag arbeiten, wissen oft darüber zu berichten, dass der familiäre und soziale Kontakt in dieser ohnedies schon sehr hektischen Zeit unter wechselnden Arbeitszeiten und Sonntagsarbeit zusätzlich leidet.
Es gibt daher viele Gründe, die zeigen, dass es nicht egal ist, ob an Sonntagen gearbeitet wird oder nicht, und es ist klar festzustellen, dass ein leichtfertiger Umgang mit Sonntagsarbeit einer Gesellschaft schadet. ArbeitnehmerInnen und ihre Interessenvertretungen, Vertreter der Kirchen, RepräsentantInnen von politischen Parteien u. a. lehnen daher Sonntagsarbeit ebenso ab, wie Personen und Einrichtungen, die ihre Wünsche und Überlegungen auch an gesellschaftlichen Bedürfnissen orientieren.
Für den größten Teil der Betriebe (Industrie- und Gewerbebetriebe etc.) wird die Frage, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen am Sonntag gearbeitet werden darf, im Sonn- und Feiertagsbetriebszeitengesetz in Verbindung mit weiteren Bestimmungen (Arbeitsruhegesetz etc.) geregelt. Für Läden und sonstige Verkaufsstellen gilt aber das Öffnungszeitengesetz 2003 (ÖZG 2003). In Verbindung mit der im betreffenden Bundesland geltenden Öffnungszeitenverordnung und allfälligen Ausnahmeregelungen für Fremdenverkehrsgebiete etc. gibt es in koordinierenderweise den zeitlichen Rahmen vor, innerhalb dem Handelsbetriebe offen halten dürfen. Die Frage, ob ArbeitnehmerInnen von Betrieben, die dem Öffnungszeitengesetz unterstehen, am Sonntag oder Feiertag beschäftigt werden dürfen, hängt bereits im Vorfeld eng mit der Frage zusammen, ob und zu welchen Zeiten der betreffende Betrieb sein Geschäft überhaupt offen halten darf. Wenn die Öffnung zulässig ist, bedeutet dies aber noch nicht zwangsläufig, dass eine Arbeitsleistung immer verpflichtend ist. Vielmehr muss festgestellt werden, ob und in welchem zeitlichen Ausmaß die Beschäftigung aufgrund des konkreten Arbeitsvertrages und der einschlägigen arbeitsrechtlichen Vorschriften (z. B. AZG, ARG, KJBG, KollV) zulässig ist.
Wie rasch die Befürworter längerer Öffnungszeiten neuerlich Veränderungen durchsetzen konnten, zeigt das Öffnungszeitengesetz, welches mit 1. August 2003 in Kraft getreten ist. Die Offenhaltezeit der Verkaufsstellen wurde damals mit 66 Stunden begrenzt. Allerdings wurden die Landeshauptleute ermächtigt, unter Berücksichtigung der Einkaufsbedürfnisse der Bevölkerung und der Touristen sowie besonderer regionaler und örtlicher Gegebenheiten eine wöchentliche Gesamtoffenhaltezeit bis zu 72 Stunden durch VO festzulegen. Im Bereich der allgemeinen Offenhaltezeiten hat allerdings davon kein Landeshauptmann Gebrauch gemacht.
Es hat nur bis zum Jahre 2007 gedauert und das ÖZG wurde mit größtmöglicher Unterstützung des BM für Wirtschaft und Arbeit neuerlich gravierend verändert (vgl. BGBl I 62/2007). Besonders bedeutsam ist, dass es durch die Novelle mit 1.1.2008 zu einer generellen österreichweiten Anhebung der Gesamtoffenhaltezeit auf 72 Stunden kommt. Der jeweilige Landeshauptmann kann ab diesem Datum nur noch über 72 Wochenstunden hinausgehende Offenhaltezeiten festlegen, wenn es dafür bestimmte regionale Gründe (Weltmeisterschaften etc.) gibt (vgl. § 4a ÖZG 2003).
In jenen Betrieben, die von der Verlängerung der Offenhaltezeiten Gebrauch machen, kann dies für Handelsangestellte neuerlich mit (nachteiligen) Veränderungen der Arbeitszeit verbunden sein. Letztlich führen solche Maßnahmen aber auch zu einer weiteren Zunahme der Arbeitsbelastungen, die im Handel ohnedies schon sehr hoch sind. Diese beziehen sich u. a. auf psychische Belastungen durch Arbeitsdruck in Verbindung mit häufiger Unterbesetzung, Lärm insbesondere in der Vorweihnachtszeit (nervende Musik, Lautsprecherdurchsagen etc.), Lasthandhabungen in teils ungünstiger Körperhaltung an den Kassen und wenige zusammenhängende längere Freizeitblöcke, wie es z. B. in handwerklichen Berufen oft der Fall ist. Die Arbeitsruhe an Sonntagen musste von den ArbeitnehmerInnen, so wie alle anderen arbeits- und sozialrechtlichen Errungenschaften, z. B. die Arbeitszeitverkürzung, der fünfwöchige Mindesturlaub und sonstige arbeits- oder sozialrechtliche »Standards«, über Jahrzehnte erkämpft werden.
Solidarität ist gefragt
Der arbeitsfreie Sonntag und Öffnungszeiten, die auch auf die Freizeitbedürfnisse der Beschäftigten Rücksicht nehmen, werden von den meisten ArbeitnehmerInnen als Qualitätsmerkmal der Arbeits- und Lebensbedingungen und als wesentlicher Teil der Kultur des gesellschaftlichen und familiären Zusammenlebens angesehen. Der Sonntag muss daher ebenso wie die Feiertage arbeitsfrei bleiben und es lohnt sich für eine Gesellschaft, dafür einzutreten. Seinen Beitrag kann jeder Einzelne im Sinne einer Solidarität mit den Handelsangestellten leisten und Einkäufe so erledigen, dass sie längere Öffnungszeiten unrentabel machen. Letztlich ist das auch die beste Vorsorge dafür, dass sich Sonntagsarbeit nicht auch auf andere Branchen bzw. direkt oder indirekt auf eigene Familienmitglieder ausdehnt.



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