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Erich Foglar, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft Metall-Textil-Nahrung (GMTN), und Karl Proyer, stv. Bundesgeschäftsführer der Gewerkschaft der Privatangestellten, Druck, Journalismus, Papier (GPA-DJP) Erich Foglar, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft Metall-Textil-Nahrung (GMTN), und Karl Proyer, stv. Bundesgeschäftsführer der Gewerkschaft der Privatangestellten, Druck, Journalismus, Papier (GPA-DJP)

Ein gutes Gesamtpaket, das man nicht verstecken muss

Interview

Erich Foglar und Karl Proyer haben in drei Verhandlungsrunden 3,6 Prozent mehr Mindestlohn und -gehalt für die Beschäftigten in Metallindustrie und Bergbau herausgeholt. Keine leichte Übung, wie sie im Arbeit&Wirtschaft-Interview berichten.

Arbeit&Wirtschaft: Die Ausgangslage für die Lohn-/Gehaltsverhandlungen war heuer denkbar gut: Die Konjunktur läuft, die Wirtschaft wächst, die Gewinne sprudeln - nur der Konsum hinkt hinterher. Das waren doch ausgezeichnete Argumente für deutliche Erhöhungen.

Erich Foglar: Das war auch unsere Auffassung. Um die Konjunktur längerfristig auf stabil hohem Niveau zu halten, brauchte unserer Ansicht nach die Kaufkraft einen massiven Schub - auch viele Experten bestätigten das immer wieder. Das geht eben nur über die Löhne und Gehälter, denn eine Steuerreform, die den Menschen mehr im Börsl lässt, wird noch auf sich warten lassen.
Karl Proyer: Man kann das ja den Menschen auch nicht erklären: Die Gewinne steigen, die Managergehälter steigen, überall wird die gute wirtschaftliche Lage bejubelt - aber angemessene Gehaltserhöhungen sollen sich da nicht ausgehen. Wir hören schon die Stimmen, die sagen, zu üppige Erhöhungen gefährden den Standort - Beweise dafür kenne ich aber keine. Im Übrigen gefährdet ja wohl auch sinkende Kaufkraft die gute Entwicklung einer Volkswirtschaft.

Trotz der relativ klaren Ausgangslage waren die Verhandlungen kein »Spaziergang« …

Karl Proyer: Stimmt, die Unternehmer haben die gute Lage relativiert: Sie haben behauptet, nur wenige große Unternehmen würden die guten Gewinne machen, von denen im Vorfeld die Rede war, die Mehrheit der Betriebe hätte sich aber schwach entwickelt, und die wenigen großen würden die Realität verfälschen. Der Wunsch war, dass wir uns bei den Verhandlungen nach den »schwächeren« Betrieben richten.
Erich Foglar: Das ist aus ArbeitgeberInnensicht legitim, aus unserer Sicht ist es aber auch legitim zu sagen, wir richten uns sicher nicht nach den schwächsten Unternehmen einer Branche - schon gar nicht in dem hervorragenden wirtschaftlichen Umfeld des Herbstes 2007.

Im Verhandlungsverlauf war ein Knackpunkt nachhaltige Erhöhungen versus Einmaligkeit - wie habt ihr das gelöst?

Erich Foglar: Für uns stand außer Frage, dass wir uns nur die Inflation nachhaltig abgelten lassen und der Rest über Einmalzahlungen passiert. Wir hatten natürlich auch die weiterhin bestehenden Einkommensunterschiede zwischen Frauen und Männern im Auge, und gegen die kann man mit Inflationsabgeltung plus Einmalzahlung wirklich nicht vorgehen.
Karl Proyer: Im Verhandlungsverlauf sind die ArbeitgeberInnen lange bei ihren Forderungen nach niedrigeren Abschlüssen und einmaligen Extras geblieben. Das ist aber bei der guten wirtschaftlichen Lage mit nichts zu rechtfertigen. Wir sind  daher hart an unserer Forderung nach Nachhaltigkeit geblieben, und waren damit letztendlich auch erfolgreich.

Im Vorfeld der Verhandlungen waren Gewinnbeteiligungen als Teil der Lohn-/Gehaltserhöhungen immer wieder Thema - für die Gewerkschaften ein Tabu?

Karl Proyer: Nein, kein Tabu, wenn ein Unternehmen zusätzlich Geld zu verteilen hat, soll es uns recht sein. Aber MitarbeiterInnenbeteiligungen können niemals ein Ersatz für nachhaltig wirkende Lohn- und Gehaltserhöhungen für alle ArbeitnehmerInnengruppen sein. Sie erreichen nur einen geringen Prozentsatz der Beschäftigten und entsprechen nicht dem, was wir unter solidarischer Lohn- und Gehaltspolitik verstehen. Wir wollen anständige Erhöhungen, die langfristig wirken und für alle gelten.
Erich Foglar: Außerdem wälzen individuelle Unternehmensbeteiligungen auf Sicht das unternehmerische Risiko auf die Beschäftigten ab, das lehnen wir klar ab. Es klingt in guten Zeiten verlockend, am Unternehmen oder an seinem Gewinn beteiligt zu sein. Wenn aber die Gewinne ausbleiben und die Lohn- und Gehaltserhöhungen plötzlich nur noch in Höhe der Inflation liegen, erweistdas der Volkswirtschaft keinen guten Dienst. Die Folge wäre nämlich ein massiver Kaufkraftverlust, gar nicht zu reden vom sinkenden Lebensstandard der Beschäftigten.

Vor Beginn der Verhandlungen stand auch die Forderung nach vier Prozent Erhöhung im Raum - war das hilfreich oder schädlich?

Erich Foglar: In der Öffentlichkeit genannte Zahlen sind niemals hilfreich. Auch wenn eine Zahl noch so große Berechtigung hat, schon allein aus verhandlungstaktischen Gründen ist es dann irrsinnig schwierig, sie zu erreichen bzw. »herzugeben« - für beide Seiten. Es ist ja auch im Nachhinein schwierig, zu rechtfertigen, warum man diese Zahl nicht erreicht, unter- oder überschritten hat, wie auch immer. Hilfreich war das sicher nicht, aber gar nicht so sehr, weil die Zahl nicht realistisch gewesen wäre, sondern weil das eine ganz neue Art der Einmischung war. Wir sind es gewohnt, dass Wochen vor den Verhandlungen diverse gute Ratschläge kommen - aber so konkret war das neu. Wir haben seit Jahren eine Verhandlungskultur, in der wir uns in einer kleinen Runde unsere Vorstellungen nennen und dann darüber verhandeln.
Karl Proyer: Dass es den Unternehmen in der Metallindustrie hervorragend geht, haben wir übrigens auch ohne die Zurufe gewusst …

Mit 3,6 Prozent bei den Mindestlöhnen sind die Gewerkschaften dem »Vierer« ja schon sehr nahe gekommen.

Karl Proyer: Wir haben mit dem Plus von 3,6 Prozent bei den Mindestlöhnen  und -gehältern vor allem die Nachhaltigkeit erreicht, die uns aufgrund der guten wirtschaftlichen Lage und des trotzdem nachhinkenden privaten Konsums heuer besonders wichtig war. Diese Nachhaltigkeit ist auch angesichts der Diskussionen über Beteiligungs- oder Prämienmodelle anstelle nachhaltiger Erhöhungen im Vorfeld der Verhandlungen ein wirklich guter Erfolg.
Erich Foglar: Wir sehen den Abschluss und alle seine Bestandteile als Gesamtpaket. Da sind zum einen die Mindesterhöhungen, auf der anderen Seite die - wie das Wifo nach dem Abschluss gesagt hat - höchste Ist-Lohnerhöhung seit 1995 mit dem Detail 3,2 Prozent fix und 0,3 Prozent variabel, das Ganze aber verpflichtend. In die Gesamtbetrachtungen gehört auch die Einmalzahlung von 200 bzw. 150 Euro, die nur unter bestimmten Kriterien und strikter Kontrolle geringer sein oder entfallen kann. Das ist alles in allem ein sehr gutes Paket, das wir trotz schwieriger und im Verhandlungsverlauf manchmal sogar dramatischer Gespräche erreicht haben.

GPA-DJP und GMTN verhandeln in der Metallindustrie seit 15 Jahren gemeinsam - wie fällt die Bilanz aus?

Karl Proyer: Die Verhandlungsgemeinschaft war und ist zweifellos gut für die Beschäftigten - ArbeiterInnen und Angestellte. Es ist aber auch für das Verhandlungsteam eine wichtige Erfahrung, zu sehen, wo die Probleme der jeweils anderen Gruppen liegen. Die Angestellten haben zum Beispiel schon lange ein System von Vorrückungen - die ArbeiterInnen haben das bis vor zwei Jahren nicht gehabt, sie sind irgendwann am Ende der Lohngruppe angestanden ohne Aussicht auf Weiterentwicklung. Mit dieser Sicht der Dinge war es für uns selbstverständlich, uns mit der damaligen GMT für ein gemeinsames Entgeltsystem für alle einzusetzen.
Erich Foglar: Dieses Beispiel ist ein Höhepunkt in der langjährigen Zusammenarbeit. Gemeinsam zu verhandeln lohnt sich in jedem Fall. Erstens ist man natürlich stärker, wenn man geeint auftritt und es nicht die geringste Möglichkeit gibt, einen Keil zwischen ArbeiterInnen und Angestellte zu treiben.Zweitens bin ich davon überzeugt, dass wir gerade in der Frage der Angleichung der Bestimmungen der ArbeiterInnen an die der Angestellten - und auch umgekehrt - allein nicht so rasch so weit gekommen wären.

Wir danken für das Gespräch.
Nani Kauer, Martin Panholzer


KURZ GEFASST
Der Abschluss
Erhöhung der kollektivvertraglichen Mindestlöhne/-gehälter um 3,6 Prozent.
Der neue Mindestlohn/das neue Mindestgehalt liegt dadurch bei 1.402,31 EUR Erhöhung der Ist-Löhne/-gehälter fix um 3,2 Prozent, zusätzlich um 0,3 Prozent variabel (mit Betriebsvereinbarung).
Erhöhung der Lehrlingsentschädigungen, Zulagen und Aufwandsentschädigungen um 3,6 Prozent.

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Mehr Infos unter:
www.gpa-djp.at
www.gmtn.at

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