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MitarbeiterInnenbeteiligung
Fazit

MitarbeiterInnenbeteiligung - zu hohe Erwartungen

Hintergrund

Die Nettolohnentwicklung ist in den letzten Jahren deutlich hinter den Zuwächsen der Unternehmensgewinne zurückgeblieben. Gründe dafür waren Druck durch steigende Arbeitslosigkeit, ständige Drohungen mit Produktionsverlagerungen und steigende Steuern und Abgaben auf Löhne und Gehälter.

Die Schieflage bei der Lohnentwicklung kann nur durch Steuerentlastungen für kleine und mittlere Lohn- und Gehaltseinkommen und eine produktivitätsorientierte Lohnpolitik ausgeglichen werden. MitarbeiterInnen- und Gewinnbeteiligungen sind dazu nicht geeignet.
Was ist MitarbeiterInnenbeteiligung?
MitarbeiterInnenbeteiligung ist im Allgemeinen eine Beteiligung der ArbeitnehmerInnen am Eigenkapital ihres ArbeitgeberInnenunternehmens. Daraus kann in der Folge eine Beteiligung am Gewinn resultieren, wenn z. B. Dividenden an MitarbeiterInnen-AktionärInnen ausgeschüttet werden. Beschäftigten-Kapitalbeteiligungsmodelle können auch als indirekte Modelle über Stiftungen oder Vereine angelegt sein.
Sie resultieren meist aus einer verbilligten Abgabe von Aktien an die Belegschaft im Zuge eines Börseganges oder einer Kapitalerhöhung (z. B. Telekom, Post, Wienerberger, RHI etc.). Die Motivation für die verbilligte Abgabe von Aktien seitens der Unternehmen besteht einerseits im Ausnützen von Steuerbegünstigung für solche Modelle. Andererseits sollte die Unterstützung der Belegschaft für Börsengänge sichergestellt werden.
Überzogene Motive und Erwartungen
Zusätzliche Mitbestimmung bzw. strategisches Eigentum durch Bündelung der Stimmrechte werden dadurch nur selten ermöglicht (voestalpine, Flughafen Wien, AMAG, Salinen).
Die Motive, die Beschäftigten am Unternehmen zu beteiligen, sind vielschichtig. Von Unternehmensseite wird gerne mit einer Motivationssteigerung der Beteiligten argumentiert. Es gibt jedoch nur selten einen erkennbaren Zusammenhang zwischen Unternehmenswert und Arbeitsmotivation. Auch mit einer höheren Bindung der MitarbeiterInnen an das Unternehmen wird argumentiert. Hier sei jedoch angemerkt, dass man mit der Abfertigung Neu die enge Bindung der ArbeitnehmerInnen an ein Unternehmen lockern wollte, um eine erhöhte Flexibilität zu erreichen.
Bleibt also, dass MitarbeiterInnenbeteiligung das Unternehmerdenken in den Köpfen der Beschäftigten verankern und zu einer höheren Produktivität sowie einem verstärkten Kostenbewusstsein führen soll. Letztendlich geht es der Unternehmensseite vor allem um eine Flexibilisierung der Lohn- und Gehaltskosten. Das Unternehmensrisiko soll teilweise auf die Beschäftigten abgewälzt werden.
Die ArbeitnehmerInnen wollen an Unternehmenswertsteigerungen teilhaben, womit jedoch auch die Beteiligung an sinkenden Unternehmenswerten verbunden ist. Zu einer Sicherung von Arbeitsplätzen kommt es nur, wenn die Beteiligung der ArbeitnehmerInnen hoch genug ist, um einen strategischen Einfluss auf das Unternehmen auszuüben. Oft bleibt den beteiligten MitarbeiterInnen nur die zweifelhafte Freude am steigenden Aktienkurs auf Kosten von »wegrationalisierten« und »ausgegliederten« KollegInnen.
Die Erwartungen sind in den meisten Fällen überzogen, die Wirkung von MitarbeiterInnenbeteiligung wird oft überschätzt.
Nur wenige profitieren
Derzeit sind nur rund 160.000 ArbeitnehmerInnern bzw. sechs Prozent der unselbstständig Beschäftigten an ihren Unternehmen beteiligt. Der Großteil davon ist an großen börsenotierten Aktiengesellschaften wie voestalpine, RHI, Verbund, Erste Bank, Telekom, Post, Wienerberger und Flughafen Wien beteiligt. Generell sind MitarbeiterInnenbeteiligungsmodelle auch nur in börsenotierten Aktiengesellschaften - cirka 100 Unternehmen in Österreich - leicht realisierbar, weil diese im Gegensatz zu allen anderen Unternehmen einen jederzeit feststellbaren Marktpreis (Börsekurs) haben, was beim Ein- und Ausstieg von MitarbeiterInnen besonders wichtig ist.
Nur zwölf Prozent aller unselbstständig Beschäftigten arbeiten in Aktiengesellschaften!
Direkte Beteiligungen an GmbHs sind mangels einer laufenden Bewertung sowie der Notwendigkeit eines Notariatsaktes bei Gesellschafterwechsel - jedes Mal, wenn eine Mitarbeiterin, ein Mitarbeiter aussteigen möchte bzw. muss - kaum möglich. Auch MitarbeiterInnen von Personengesellschaften und Einzelunternehmen sind ausgeschlossen.
Frauen öfter ohne Zugang
Darüber hinaus sind Arbeitskräfte in ausgegliederten oder »outgesourcten« Unternehmen (Reinigung, Wäschereien, Kantinen, Informationstechnologie oder Instandhaltung) und Leiharbeitskräfte (cirka 60.000) in der Praxis ausgeschlossen, weil sie bei einem Unternehmen formal beschäftigt sind, aber faktisch für ein anderes arbeiten. Atypisch Beschäftigte, neue Selbstständige, freie DienstnehmerInnen, Saisonarbeitskräfte und nicht jahresdurchgängig Beschäftigte (cirka 30 Prozent der Beschäftigten) werden ebenfalls kaum je beteiligt. Der große nicht gewinnorientierte Sektor - LehrerInnen, (Kranken-)Pflegepersonal und Ärzte/Ärztinnen, BehindertenbetreuerInnen und die zahlreichen MitarbeiterInnen von NGOs - bleiben sowohl bei MitarbeiterInnen- als auch bei Gewinnbeteiligungen unberücksichtigt. Frauen sind in diesem ausgeschlossenen Sektor mit 27 Prozent im Vergleich zu 16 Prozent der Männer deutlich überrepräsentiert.
Risiken und prinzipielle Problematik
MitarbeiterInnenbeteiligung birgt ein doppeltes Risiko für die Beschäftigten durch die Verknüpfung von Arbeitsplatz- und Vermögensrisiko. Unternehmensanteile wie Aktien können selbstverständlich auch an Wert verlieren. Wird das Arbeitgeberunternehmen insolvent, so verlieren die Beteiligten unter Umständen nicht nur ihren Arbeitsplatz, sondern auch ihr Vermögen. So wurden im bekannten Enron-Fall die Aktien von cirka 21.000 Beschäftigten wertlos. Im Gegensatz zu offenen Lohnforderungen ersetzt der Insolvenzausfallgeldfonds Verluste aus Beteiligungen nicht. Die geringe Risikostreuung ist für weniger gut Verdienende zusätzlich problematisch. Kein vernünftiger Investor würde ›alles auf ein Pferd setzen‹. Zusätzlich wird die Verfügbarkeit über das Einkommen durch Sperrfristen eingeschränkt. In den meisten Fällen bevorzugen ArbeitnehmerInnen, ihre Leistungen direkt und ohne Beschränkungen in Geld zu erhalten. Sollten sie eine Beteiligung wollen, können sie diese ja freiwillig nach der Auszahlung kaufen.
Überbetriebliche Fonds
Um die hohe Risikokonzentration zu vermeiden, wird oft vorgeschlagen, einen überbetrieblichen Fonds einzurichten, an dem die ArbeitnehmerInnen beteiligt werden. Dieser Fonds soll Beteiligungen an mehreren Unternehmen halten.
Dazu kann man aber nur festhalten, dass diese Form von Beteiligung nichts mit MitarbeiterInnenbeteiligung zu tun hat. Bereits heute kann sich jeder Arbeitnehmer und jede Arbeitnehmerin, sofern er oder sie das Geld und den Willen haben, einen Fonds kaufen, der in verschiedene Unternehmen investiert.
Die bereits beschriebenen meist überschätzten Vorteile einer MitarbeiterInnenbeteiligung fallen dann vollkommen weg. Warum sollte die Bindung an ein Unternehmen steigen, wenn man an anderen Unternehmen beteiligt ist? Warum sollte die Information im eigenen Unternehmen besser werden, nur weil sich ein Fonds an anderen Unternehmen beteiligt? Und warum sollte die Mitbestimmung im eigenen Unternehmen dadurch besser werden? Die ArbeitnehmerInnen haben in Summe meist nur eine geringe Beteiligung von unter drei Prozent und dadurch kaum Einfluss.
MitarbeiterInnenbeteiligung basiert auf dem Konzept von stabilen Unternehmenseinheiten, was sich jedoch in vielen Fällen als Illusion herausstellt. Langgediente Beschäftigte und BetriebsrätInnen sind in oft der einzig stabile Faktor, während sich der Umfang eines Unternehmens durch diverse Umstrukturierungen und Aus- und Umgliederungen, die Rechtsform und EigentümerInnenstruktur häufig ändert.
Steuerbenachteiligung
In der politischen Diskussion ist das Thema MitarbeiterInnenbeteiligung unmittelbar mit dem Thema Steuerbenachteiligung von regulären Einkünften verbunden. So formulierten Finanzminister Wilhelm Molterer und Wirtschaftsminister Martin Bartenstein das Ziel, einen wesentlichen Teil der steuerlichen Entlastung von ArbeitnehmerInnen für die Begünstigung einer Minderheit zu verwenden, die aufgrund ihres Einkommens in der Lage sind, sich an ihren Unternehmen zu beteiligen.
Die derzeit für Kapitalbeteiligungen an Unternehmen bestehende Steuer- und Sozialversicherungsbefreiung von 1.460 Euro jährlich soll verdoppelt und auf weitere Beteiligungsformen ausgeweitet werden. Damit wollen sie den derzeiti-gen Anteil von sechs Prozent beteilig-
ten MitarbeiterInnen auf zwölf Prozent steigern.
Diese schönen Worte heißen im Klartext, dass man zwölf Prozent der unselbstständig Beschäftigten cirka 1.500 Euro im Jahr an Abgaben schenken will, wenn sie 3.000 Euro im Jahr in Firmenbeteiligungen investieren. 3.000 Euro entsprechen dem dreifachen Mindestlohn. 3.000 Euro sind mehr als das Doppelte des mittleren Einkommens von Frauen in Österreich.
Man muss kein Prophet sein, um zu erkennen, dass hier unter dem Deckmantel der Entlastung der ArbeitnehmerInnen ein fettes Steuergeschenk für gut bezahlte Männer in höheren Etagen von Großbetrieben geschnürt wird. Eine Förderung von MitarbeiterInnenbeteiligung ist ein Minderheitenprogramm.

AutorInnen: Maga. Ruth Naderer, Mag. Sepp Zuckerstätter
Expertin in der Abteilung Betriebswirtschaft.Wissenschaftl. Mitarbeiter Abteilung Wirt-schaftswissenschaft, Statistik. Beide AK Wien.


Info&News
Gewinnbeteiligung
Beschäftigte erhalten neben ihrem festen Lohn bzw. Gehalt zusätzliche Einkommenselemente, die vom Gewinn bzw. Erfolg des Unternehmens abhängig sind. Die UnternehmerInnen wollen die Beschäftigten an den wirtschaftlichen Erfolgen ›teilhaben lassen‹. Gewinnprämien werden jedoch nur in guten Jahren ausgeschüttet und stellen keine nachhaltigen Lohn- und Gehaltsbestandteile, vielmehr kommt es zu einer Flexibilisierung von Löhnen und Gehältern auf Kosten der ArbeitnehmerInnen. Auch hier gilt, dass viele Beschäftigtengruppen wie z. B. der Nonprofit- und öffentliche Bereich und atypisch Beschäftigte ausgeschlossen sind.


Info&News
MitarbeiterInnenbeteiligungs-Verlustfalle
Eine Binsenweisheit der Wertpapierveranlagung lautet, man soll zu niedrigen Kursen kaufen und zu hohen verkaufen. Der Zeitpunkt einer MitarbeiterInnenbeteiligung ist daher für die daraus resultierenden Erträge von zentraler Bedeutung.
Ein kritischer Fall tritt immer dann auf, wenn MitarbeiterInnen in sehr erfolgreichen Jahren Unternehmensanteile als Erfolgsprämien erhalten.
In diesen erfolgreichen Jahren ist in aller Regel der Kurs der jeweiligen Aktie sehr hoch, und die Aktie hat, um im Börsenjargon zu bleiben, kaum mehr Potenzial nach oben. Werden Unternehmensbeteiligungen dagegen in einer schweren Krise, also zu Zeiten niedriger Börsenkurse ausgegeben, so besteht viel Potenzial für Steigerungen, allerdings auch für Konkurse. Die finanziell auffallend erfolgreichen Beteiligungen sind daher auch solche, die in Sanierungen entstanden sind wie bei der AMAG.
Unternehmensanteile in guten Jahren zu erhalten ist also vor allem, wenn sie mit Behaltefristen versehen sind, eine riskante Angelegenheit. In so einem Fall wird nämlich systematisch zu hohen oder Höchstkursen gekauft.                                                
Thomas Zotter
 

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