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Beschäftigungsquote insgesamt

Flexicurity - ein politisches Konzept erobert Europa

Hintergrund

Bereits seit Jahren wird ein neues Gleichgewicht von Flexibilität und Sicherheit für die europäischen Arbeitsmärkte diskutiert. Nun bekommt die Debatte konkrete politische Züge.

Vorweg: Es gibt nicht das Konzept von Flexicurity im Sinne einer Einheitslösung für alle Arbeitsmärkte. Vielmehr wird ein Gleichgewicht von Sicherheit und Flexibilität von den jeweiligen Voraussetzungen der (nationalen) Arbeitsmärkte, den wirtschaftlichen Strukturen sowie nicht zuletzt der Stärke des sozialen Dialogs in einem Mitgliedsstaat abhängen. Dennoch versucht die Kommission in ihrer Mitteilung1 auch inhaltliche Vorgaben herauszuarbeiten, die bei der Gestaltung der nationalen Politik zukünftig berücksichtigt werden sollen. Und genau hier liegen auch aus Sicht der ArbeitnehmerInnen Herausforderungen und Gefahren des Konzepts: Denn in welcher Weise soll »Flexicurity« nun verstanden werden - als umfassende Strategie, die den Aspekt sozialer Sicherheit gleichberechtigt beinhaltet, oder doch nur als ein weiteres neoliberales Deregulierungsinstrument?

Die politische Debatte wurde maßgebend von den Reformen in Dänemark und den Niederlanden in den 1990er Jahren stimuliert. In den Niederlanden bedeutete Flexicurity vor allem die Förderung atypischer und flexibler Beschäftigungsformen. Gleichzeitig wurden diese flexiblen Arbeitsformen jedoch konventionellen Arbeitsverhältnissen rechtlich weitgehend gleichgestellt, sowohl hinsichtlich der Arbeitsbedingungen als auch der sozialen Sicherungssysteme. Tatsächlich führten die Reformen in den Niederlanden seit Mitte der 1990er Jahre zu einem deutlichen Rückgang der Arbeitslosigkeit und zu einer Steigerung der Beschäftigungsquoten (siehe Grafik: »Beschäftigungsquote insgesamt«). Dennoch relativieren sich die angeblichen Erfolge der Flexibilisierung bei genauerem Hinsehen ganz erheblich: Sie basieren in den Niederlanden hauptsächlich auf einer Ausweitung der Teilzeitbeschäftigung, die gegenwärtig fast 50 Prozent der gesamten Arbeitsverhältnisse ausmacht. Rechnet man die Beschäftigungsquoten in Vollzeitäquivalente um, sind die Ergebnisse verblüffend gegensätzlich: Dann liegen die Beschäftigungsquoten der Niederlande gleichauf mit jenen Deutschlands.2

Das heißt: Das angebliche Flexicurity-Wunderland hat insgesamt keine bessere Beschäftigungsperformance als der angeblich verkrustete und unflexible deutsche Arbeitsmarkt! Bei einer Umrechnung in Vollzeitstellen werden die niederländischen Beschäftigungsquoten von Ländern wie Spanien, Frankreich oder Griechenland sogar noch übertroffen.

In Dänemark basiert der Flexicurity-Ansatz eher auf flexiblen Standardarbeitsverhältnissen mit geringem Kündigungsschutz, hohen Sozialleistungen bei Arbeitslosigkeit sowie einer aktiven Arbeitsmarktpolitik im Sinne eines »Förderns und Forderns«. So genießen dänische ArbeitnehmerInnen eine hohe Einkommenssicherheit im Falle eines -Arbeitsplatzverlustes (bis zu 90 Prozent Nettoersatzrate, die allerdings betragsmäßig begrenzt ist). Intensive Weiterbildungsmaßnahmen einerseits, und strikte Vorgaben für Arbeitslose zur raschen Reintegration in den regulären Arbeitsmarkt andererseits sind ebenfalls charakteristisch für das dänische Modell. Dennoch werden die dänischen Reformen von ArbeitgeberInnenverbänden häufig verkürzt dargestellt: Es handelt sich eben nicht um ein schlichtes Deregulierungsprogramm.

Neben hohen Sozialleistungen basieren sie auf einer starken Stellung der Kollektivvertragspartner, die traditionell einen Großteil der sozialpolitischen Regelungen über Tarifverträge gestalten. Mit anderen Worten: Das häufige Fehlen gesetzlicher Mindeststandards in Dänemark bedeutet nicht, dass diese gar nicht existieren. Schließlich darf nicht verschwiegen werden, dass die Besteuerung in Dänemark relativ hoch ist, sodass auch die Einkommensunterschiede (nach Steuern) vergleichsweise gering ausfallen, wie auch die Differenz zwischen Löhnen und Arbeitslosengeld. Die gerühmte dänische Beschäftigungssicherheit, also das relativ einfache und rasche Finden eines neuen Arbeitsplatzes, ist ebenfalls kein reines Ergebnis der Flexicurity-Politik, sondern wird maßgeblich von wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen beeinflusst. Am Rande sei bemerkt, dass Dänemark als Musterbeispiel für funktionierende Flexicurity mit über 50 Prozent eine der höchsten Staatsquoten in der EU aufweist. Diese Aspekte müssen bei einer fairen Gesamtbeurteilung verschiedener nationaler Systeme stets mitberücksichtigt werden, andernfalls droht eine Verkürzung der Sichtweise auf reine Deregulierungsmaßnahmen wie den Abbau des Kündigungsschutzes zulasten der Beschäftigten.

Flexicurity als Kernelement

Vor allem unter der österreichischen Präsidentschaft im ersten Halbjahr 2006 wurde die Debatte um Flexicurity intensiviert. Die Arbeits- und SozialministerInnen der EU berieten im Jänner 2006 dieses Thema ausführlich bei ihrem informellen Rat in Villach. Schon damals wurde Einvernehmen über die Grundthese hergestellt, dass eine entsprechende soziale Sicherung eine wesentliche Grundvoraussetzung für Flexibilität auf den Arbeitsmärkten darstellt. Minister Martin Bartenstein ließ bereits vor über zwei Jahren im Vorfeld des österreichischen EU-Ratsvorsitzes verlauten, er wolle Flexicurity zu einer EU-Priorität machen.3 Angesichts der Erfahrungen mit der Sozialpolitik der damaligen Bundesregierung musste diese Ankündigung von den ArbeitnehmerInnen eher als Drohung aufgefasst werden.

Nach einer Reihe von Veranstaltungen, Debatten und dem Bericht einer Expertengruppe brachte die Kommission nun die Mitteilung zu Flexicurity heraus. Sie analysiert zunächst die Veränderungen durch Globalisierung und Wandel für die europäischen BürgerInnen. Ähnlich wie im Grünbuch Arbeitsrecht im November 2006 wird die zunehmende »Segmentierung« der Arbeitsmärkte in vielen Ländern beklagt, in denen sowohl »verhältnismäßig geschützte« als auch ungeschützte Beschäftigte koexistieren (sogenannte »Insider« und Outsider«). Gemeint ist damit die Zunahme der atypischen Beschäftigungsformen und damit zusammenhängend der rasante Anstieg prekärer Arbeitsverhältnisse in vielen Mitgliedsstaaten. Hingegen wird es immer schwieriger, einen unbefristeten regulären »Standardarbeitsvertrag« zu erhalten. Erklärtes Ziel der Kommission ist der Abbau »segmentierter Arbeitsmärkte und unsicherer Arbeitsplätze« - doch die von der Kommission vorgeschlagenen Wege sind durchaus nicht unproblematisch.

In der Mitteilung wird die Wichtigkeit erfolgreicher »Übergänge« in allen Lebensabschnitten betont - von der Schule ins Arbeitsleben, von einem Arbeitsplatz zum nächsten oder von der Arbeitslosigkeit in Beschäftigung. Die Kommission geht von der These aus, dass durch Flexicurity ein hohes Maß an Beschäftigungssicherheit für die ArbeitnehmerInnen in der EU gewährleistet werden kann: Statt eines sicheren Arbeitsplatzes wird der problemlose Wechsel von einem Beschäftigungsverhältnis in das nächste propagiert. Umgekehrt wird deutliche Kritik an angeblich zu »strengen Beschäftigungsschutzvorschriften« geübt: Gemeint ist damit der Kündigungsschutz, wie er in einer Vielzahl der EU-Mitgliedsstaaten besteht. Dieser Kündigungsschutz erschwert nach Ansicht der Kommission insbesondere für Arbeitslose den Eintritt in den Arbeitsmarkt, da Unternehmen aus Angst vor hohen Kosten einer möglichen Kündigung vor einer Neueinstellung zurückschreckten. Dieses Argument der Kommission ist weder neu noch wirklich richtig: Tatsächlich haben viele Länder die Probezeiten für ArbeitnehmerInnen verlängert, großzügige Möglichkeiten für befristete Arbeitsverhältnisse geschaffen oder den Schwellenwert der Beschäftigten erhöht, ab dem der Kündigungsschutz überhaupt greift.4 Dazu kommt z. B. in Österreich eine Wartefrist von sechs Monaten, bevor der allgemeine Kündigungsschutz überhaupt Anwendung findet.

Streitpunkt Kündigungsschutz

Die Kommission muss selbst einräumen, dass der Kündigungsschutz insgesamt nur eine begrenzte Auswirkung auf die Gesamtarbeitslosigkeit hat. Schließlich hatte die OECD in einer viel beachteten Studie bereits 1999 festgestellt, dass es keinen Zusammenhang zwischen einer starken Regulierung der Arbeitsmärkte und der Höhe der Arbeitslosigkeit gibt. Dennoch fordert die Kommission nachdrücklich die Einschränkung des Kündigungsschutzes! Sie argumentiert, dass benachteiligte Gruppen am Arbeitsmarkt - wie Frauen, jüngere Menschen, Langzeitarbeitslose oder ältere ArbeitnehmerInnen - bei schwächerem Kündigungsschutz bessere Chancen auf eine Anstellung haben. Das heißt aber: Die Kommission fordert einen Abbau des Kündigungsschutzes, also eine Absenkung des sozialen Schutzniveaus für alle ArbeitnehmerInnen, obwohl sie zugibt, dass damit insgesamt keine nennenswerte Verringerung der Gesamtarbeitslosigkeit erreicht werden kann. Diese Position kann aus gewerkschaftlicher Sicht nur als starr und ideologisch bezeichnet werden. Die Probleme am Arbeitsmarkt sind mit einer derartigen Strategie sicher nicht zu lösen. Schon im Vorfeld gab es heftige Auseinandersetzungen zwischen der Kommission und einigen Mitgliedsstaaten über die Relevanz des Kündigungsschutzes. Als ein Entgegenkommen an ihre Kritiker nahm die Kommission deshalb auch einen Satz über die positiven Auswirkungen stabiler Beschäftigungsverhältnisse auf: Sie fördern die Loyalität und die Produktivität der Beschäftigten und regen Unternehmen stärker dazu an, in Aus- und Weiterbildung ihrer MitarbeiterInnen zu investieren.

Vier Flexicurity-Komponenten

Allerdings umfasst das Flexicurity-Konzept der Kommission deutlich mehr Aspekte als den Kündigungsschutz. In der Mitteilung werden vier Bestandteile genannt:

• Flexible vertragliche Vereinbarungen durch Gesetze,
  Kollektivverträge und die Arbeitsorganisation.
• Umfassende Strategien des lebenslangen Lernens, um die
  Anpassungsfähigkeit der ArbeitnehmerInnen zu gewährleisten.
• Aktive und wirksame Arbeitsmarktpolitik, um Arbeitslosigkeit zu
  verkürzen und Übergänge in neue Arbeitsverhältnisse zu erleichtern.
• Moderne Systeme der sozialen Sicherheit, die eine »angemessene
  Einkommenssicherung« bieten, Beschäftigung fördern und Mobilität
  erleichtern.

Ein wichtiges Element fehlt in dieser Aufzählung: der soziale Dialog. Zwar wird eingeräumt, dass sich integrierte Flexicurity-Strategien häufig in Ländern mit ausgeprägter Sozialpartnerschaft finden (siehe Dänemark), dennoch ist sie für die Kommission kein Kernbestandteil von Flexicurity. Hier setzt ein weiterer Kritikpunkt der Gewerkschaften an: Starke Sozialpartner und deren Einbeziehung in Entscheidungsprozesse sind Voraussetzung für ausgewogene und innovative Lösungen zur Förderung von Flexibilität und Sicherheit auf dem Arbeitsmarkt. Es ist kein Zufall, dass die Regelung der »Abfertigung neu«, die maßgeblich von den österreichischen Sozialpartnern ausgearbeitet wurde, in der Mitteilung als ein gelungenes Beispiel für Flexicurity gelobt wird. Ähnliches gilt für die kürzlich erfolgte Einigung zwischen ÖGB und WKÖ im Arbeitszeitbereich. Diese Beispiele zeigen: Die Kommission muss in die Verantwortung genommen werden, um auch in jenen Ländern einen starken sozialen Dialog zu fördern, in denen sozialpartnerschaftliche Strukturen (noch) unterentwickelt sind.

Das wirklich Neue an der vorliegenden Mitteilung ist die Herausarbeitung von Prinzipien, die die Kommission zur Richtschnur für die Politik aller EU-Mitgliedsstaaten machen möchte. Neben dem Abbau der Segmentierung des Arbeitsmarktes in In- und Outsider gehört dazu auch die Förderung sowohl der internen Flexibilität (innerhalb des Unternehmens) als auch der externen Flexibilität (bei einem Wechsel zwischen zwei Unternehmen). Erfreulicherweise wird die Gleichstellung der Geschlechter auf dem Arbeitsmarkt sowie die bessere Vereinbarkeit von Berufs- und Familienleben zu einem expliziten Ziel von Flexicurity gemacht.

Gemeinsame Grundsätze

Doch wie sollen diese Grundsätze eines neuen Gleichgewichts von Flexibilität und Sicherheit in der Praxis in den Mitgliedsstaaten umgesetzt werden? Die Kommission schlägt vier sogenannte »Optionen« vor, in denen »typische« Maßnahmenbündel für eine Flexicurity-Politik genannt werden, und die von den Mitgliedsstaaten ausgewählt werden können. So wird zur Bekämpfung der Segmentierung der Arbeitsmärkte ein »sowohl als auch« angeregt: Einerseits die Verbesserung der Situation atypisch Beschäftigter, wie z.B. befristet Beschäftigter, LeiharbeitnehmerInnen, Arbeit auf Abruf etc. Andererseits wird die »Neugestaltung« (!) unbefristeter Arbeitsverträge empfohlen, um deren Attraktivität auch für die Unternehmen zu erhöhen. In der Mitteilung wird konkret von einem »Grundniveau« des Arbeitsschutzes gesprochen, das sich mit zunehmender Dauer des Beschäftigungsverhältnisses verstärkt, bis schließlich irgendwann ein »vollständiger« Schutz erreicht wird. Mit anderen Worten: Die Kommission fordert Verbesserungen für atypisch Beschäftigte, aber gleichzeitig ein Absenken des Schutzniveaus für Standardarbeitsverhältnisse. Im Übrigen soll bei Kündigungen aus betriebsbedingten Gründen »übertriebener Verwaltungsaufwand« für die Unternehmen in Zukunft vermieden werden …

Optionen als Richtschnur

Weiters werden lebenslanges Lernen, aktive Arbeitsmarktpolitik, moderne Sozialversicherungssysteme, die auch den Interessen der »Atypischen« besser gerecht werden, als Elemente dieser Option genannt. Ein weiteres vorgeschlagenes Muster für Flexicurity ist die Förderung von Arbeitsmobilität, sowohl innerhalb des Unternehmens als auch im Falle des Arbeitsplatzverlustes infolge von Umstrukturierungen. Dies betrifft insbesondere (vertragliche) vorbeugende Konzepte zu Aus- und Weiterbildung und die Verhinderung von Langzeitarbeitslosigkeit durch bessere und frühzeitige Interventionen aller Betroffenen wie ArbeitgeberInnen und -nehmerInnen, Sozialpartner, Arbeitsmarktservice, Zeitarbeitsfirmen). In der dritten Option werden Maßnahmen zur Verbesserung der Qualifizierung der Beschäftigten genannt und wiederum die Bekämpfung der Segmentierung der Arbeitsmärkte durch aktive Arbeitsmarktpolitik, bessere Weiterbildung, aber auch »Arbeitsverträge light« empfohlen. Weniger Qualifizierten würde somit ein Einstieg in ein (später) stabiles Arbeitsverhältnis ermöglicht, so die Hoffnung der Kommission. Die vierte und letzte Option betrifft Strategien für eine bessere (Re-)Integration von Sozialleistungsempfängern und illegal Beschäftigten in den regulären Arbeitsmarkt.

Konkrete Auswirkungen

Schon bis Jahresende soll der Europäische Rat gemeinsame Flexicurity-Grundsätze beschließen, die dann in die sogenannten integrierten Leitlinien für Wachstum und Beschäftigung einfließen sollen. Mit diesen Leitlinien werden den Mitgliedsstaaten konkrete Maßnahmen im Bereich ihrer Beschäftigungspolitik »empfohlen«, die durch die jeweiligen nationalen Reformprogramme umgesetzt werden sollen. Die Kommission kündigt an, die jeweiligen nationalen Flexicurity-Strategien zu bewerten und darüber zu berichten. Mit anderen Worten: Trotz formell fehlender Kompetenzen der EU wird Flexicurity zu einem Kernbestandteil der EU-Politik und die nationale Beschäftigungspolitik immer stärker beeinflussen. Auch die europäischen Sozialpartner werden aufgefordert, den Dialog über die künftigen gemeinsamen Flexicurity-Grundsätze aufzunehmen.

Kein beschränkter Ansatz

Die Gewerkschaften müssen nun sowohl auf nationaler als auch auf EU-Ebene darauf drängen, das Konzept möglichst ausgewogen und arbeitnehmerInnenfreundlich zu gestalten. Vor dem Europäischen Rat und der folgenden Drei-Jahres-Periode für die integrierten Leitlinien muss die Zeit genutzt werden, für ein unideologisches Flexicurity-Konzept zu werben, das ArbeitnehmerInnenrechte nicht vernachlässigt. Das heißt insbesondere, dass es keinen beschränkten Flexicurity-Ansatz geben darf, der einseitig auf Deregulierung und Abbau des Beschäftigungsschutzes gerichtet ist. Vielmehr muss die zunehmende Spaltung in reguläre und atypische Arbeitsverhältnisse, die in der Mitteilung zum Teil durchaus treffend beschrieben wird, durch eine weitgehende rechtliche Gleichstellung aktiv bekämpft werden. Aus gewerkschaftlicher Sicht muss der Schwerpunkt auf die Verstärkung aktiver arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen, die ständige Aus- und Weiterbildung von ArbeitnehmerInnen sowie eine faire Beteiligung der Unternehmen an den Kosten dieser Flexicurity-Maßnahmen gelegt werden. Die von der Kommission versprochene, bessere soziale Sicherheit für alle wird es jedoch nicht geben, wenn verschiedene Gruppen von Beschäftigten gegeneinander ausgespielt und bestehende Schutzniveaus abgesenkt werden sollen. Die bereits in vielen Mitgliedsstaaten vorgenommenen Flexibilisierungsmaßnahmen auf den Arbeitsmärkten werden in der Mitteilung weitgehend ignoriert. Stattdessen wird der Kündigungsschutz völlig irrational zu dem Haupthindernis dynamischer Arbeitsmärkte erklärt.

EGB übt Kritik

Aus gewerkschaftlicher Sicht ist davor zu warnen, angeblich »überholte« Kündigungsschutzregelungen einfach abzuschaffen. Zum einen ist der Kündigungsschutz in Österreich ohnehin eher schwach ausgeprägt, wie die Kommission selbst einräumt. Zum anderen würde damit eine grundlegende Änderung unserer Arbeitswelt herbeigeführt werden, die derzeit von Mitbestimmung und der ständigen Suche nach Kompromisslösungen im betrieblichen Alltag beherrscht wird. Ein Übergang in eine hire-and-fire-Mentalität würde das selbstbewusste Auftreten von ArbeitnehmerInnen und die Einforderung ihrer Rechte deutlich schwächen. Moderner Kündigungsschutz ignoriert zwar nicht betriebliche Notwendigkeiten, muss aber die Willkür von Unternehmen in der für ArbeitnehmerInnen existenziellen Frage des Arbeitsplatzverlustes unterbinden. In diesem Sinne besteht in Österreich beim Kündigungsschutz sicher kein Bedarf nach weiteren »Flexibilisierungen«. Auch der Europäische Gewerkschaftsbund (EGB) setzt sich in einer ersten Stellungnahme für eine andere Prioritätensetzung ein. So könne die von der Kommission in Aussicht gestellte »Beschäftigungssicherheit« nicht allein durch Flexicurity erreicht werden. Eine beschäftigungswirksame Wirtschaftspolitik ist dafür ebenso notwendig wie ein makroökonomischer Ansatz auf europäischer Ebene. Die endgültige EGB-Position wird Anfang Oktober festgelegt werden, aber, so der EGB, »dies wird nicht das Ende, sondern erst der Anfang unserer Überzeugungsarbeit gegenüber den europäischen EntscheidungsträgerInnen sein«.

1 Mitteilung der Kommission vom 4. Juli 2007: Gemeinsame Grundsätze für den Flexicurity-Ansatz herausarbeiten: Mehr und bessere Arbeitsplätze durch Flexibilität und Sicherheit, KOM(2007) 359 endgültig.
2 Vergleiche Maarten Keune/Maria Jepsen, Not balanced and hardly new: the European Commission´s quest for flexicurity, Brüssel 2007.
3 APA-Meldung vom 21. August 2005.
4 So haben in Deutschland ab dem 1.1.2004 neu eingestellte ArbeitnehmerInnen in Betrieben bis zehn MitarbeiterInnen keinen Kündigungsschutz mehr.

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