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Erwerb und Erhaltung von Zusatzpensionen

HINTERGRUND

Mit der Portabilitätsrichtlinie will die Europäische Union Mobilitätshindernisse ausräumen und bei Arbeitsplatzwechsel die Wahrung erworbener Ansprüche sicherstellen.

Die Ausgestaltung vieler betrieblicher Zusatzpensionssysteme hemmt die Mobilität von Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen. Die EU-Kommission hat daher eine Richtlinie erarbeitet, die den Erwerb von Zusatzpensionsansprüchen erleichtern soll. Gleichzeitig soll bei einem Arbeitsplatzwechsel die Wahrung erworbener Ansprüche sichergestellt und die Übertragung in ein neues Zusatzpensionssystem ermöglicht werden.

Drei Säulen

In Österreich sind rund zehn Prozent der Beschäftigten in einen betrieblichen Zusatzpensionsplan eingebunden. Sie erwerben ergänzend zu ihrer öffentlichen Pension (»erste Säule der Altersvorsorge«) Ansprüche auf eine Pension, die in Zusammenhang mit ihrer jeweiligen Beschäftigung steht (»zweite Säule«). Voraussetzung dafür ist, dass sich der Dienstgeber bereit erklärt, eine solche Zusatzpension zu finanzieren oder - beispielsweise über Kollektivvertrag - dazu verpflichtet wird.

Teilweise wird die Zusatzpension direkt vom Arbeitgeber garantiert (»Direktzusage«), fallweise wird sie über Gruppenlebensversicherungen abgewickelt. Die in Österreich meist verbreitete Form ist die Durchführung über externe Finanzdienstleister (»Pensionskassen«), die die Pensionsgelder treuhändisch veranlagen und verwalten. Das hat den Vorteil, dass die Betriebspension vom wirtschaftlichen Schicksal des Arbeitgebers abgekoppelt ist.

Mobilitätshemmnis

Die Ausgestaltung der betrieblichen Pensionssysteme hemmt die Mobilität der Arbeitnehmerschaft, da mit einem Arbeitsplatzwechsel oft enorme Einbußen bei der Betriebspension, bis hin zum Totalverlust der betrieblichen Altersvorsorgeansprüche, verbunden sind. So kann in Österreich bei Direktzusagen (direkte Pensionsversprechen durch den Arbeitgeber) vereinbart werden, dass bei Selbstkündigung alle Ansprüche verfallen.

Bei einem neuen Dienstgeber dauert es oft lange, bis man erneut Ansprüche aufbauen kann. Bei Pensionskassenmodellen dürfen beispielsweise ab Beginn des Dienstverhältnisses bis zu fünf Jahre verstreichen, bis Beschäftigte aufgrund der so genannten Wartefrist in das Modell einbezogen werden müssen.

Ab Beginn der Beitragsleistung durch den Arbeitgeber kann eine weitere Frist, die so genannte Unverfallbarkeitsfrist, vereinbart werden. Erst mit deren Ende ist ein Anspruch erworben. Scheidet man zuvor aus dem Unternehmen aus, steht man mit leeren Händen da, selbst bei Kündigung durch den Dienstgeber. Auch die Unverfallbarkeitsfrist darf in österreichischen Pensionskassenmodellen bis zu fünf Jahre dauern. Mit der Kombination von jeweils fünf Jahren Warte- und Unverfallbarkeitsfrist kann man Beschäftigte bis zu zehn Jahre lang vom Erwerb von Betriebspensionsansprüchen ausschließen. In anderen Ländern der EU sind die Regelungen ähnlich, wobei teilweise noch längere Fristen zulässig sind.

Flexibilisierungsdiskussion

Arbeitgeber verfolgen mit ihrer Pensionszusage unter anderem den Zweck, Personal an das Unternehmen zu binden. Dies ist eine Personalpolitik im Stil der 1960er-Jahre, die nicht mit den Anforderungen eines modernen Arbeitsmarktes vereinbar ist. Dienstgeber fordern gerne die Abschaffung von gesetzlichen Barrieren zur Mobilität von Arbeitnehmern - Stichwort »Flexibilisierung der Arbeitsmärkte«. Auf der anderen Seite bauen sie selbst jedoch im Unternehmen starke Mobilitätshemmnisse auf, indem sie mobilen Arbeitskräften den Erwerb betrieblicher Pensionsansprüche erschweren oder verunmöglichen. Betriebspensionszusagen haben Entgeltcharakter und sind keine Treueprämie.

Der geschilderten Problematik hat sich nun auch die EU angenommen. Die Kommission hat einen Vorschlag für eine »Richtlinie zur Verbesserung der Portabilität der Zusatzrentenansprüche« veröffentlicht, die mit 1. 7. 2008 in Kraft treten soll. Vor dem Hintergrund des Lissabon-Aktionsplans und auch des »Europäischen Jahres der Mobilität der Arbeitnehmer/innen 2006« will die Kommission die erwähnten Mobilitätshindernisse ausräumen. Die Regelungen von Zusatzpensionssystemen dürfen es mobilen Arbeitskräften nicht erschweren, bis zum Ende ihres Erwerbslebens ausreichende Pensionsanwartschaften anzusammeln.

Der Titel »Portabilitätsrichtlinie« ist insofern ein wenig unscharf, als es in zentralen Teilen der Richtlinie nicht um die Mitnahme von Pensionsansprüchen (»portare« = lateinisch für »tragen«) geht, sondern vor allem um den Erwerb und die Erhaltung derselben.

Erleichterter Erwerb

Mit der Richtlinie sollen Barrieren für den Zugang zu betrieblichen Zusatzpensionssystemen abgebaut werden. Wenn es eine betriebliche Zusatzpension gibt, dann sollen in Hinkunft mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter davon profitieren. Speziell mobile Arbeitskräfte sollen rascher Ansprüche erwerben können.

Die Kommission will, dass die Wartefrist maximal ein Jahr, die Unverfallbarkeitsfrist maximal zwei Jahre dauern dürfen. Sofern es ein Mindestalter für die Aufnahme in das System der betrieblichen Altersvorsorge gibt, darf dieses nicht höher als 21 Jahre sein.

Die Forderung nach kurzen Warte- und Unverfallbarkeitsfristen gibt es auf Arbeitnehmerseite bereits seit langem. Die in der Richtlinie geplante maximal einjährige Wartefrist deckt sich mit der Dauer der derzeit üblichen Befristung vieler neuer Dienstverhältnisse und erscheint deshalb praktikabel.

Problem Kurzzeitarbeitsvertrag

Durch die Zunahme der befristeten Arbeitsverträge bleibt jedoch ein immer größer werdendes Segment der Beschäftigten auch unter den erleichterten Zugangsvoraussetzungen der Richtlinie (maximal ein Jahr Wartefrist, maximal zwei Jahre Unverfallbarkeitsfrist) von betrieblichen Altersvorsorgesystemen ausgeschlossen. Das stellt für die Alterssicherung ein massives Problem dar. Betroffen sind in erster Linie jüngere Personen und Frauen. Für die Absenkung der Unverfallbarkeitsfrist auf zwei Jahre können die Mitgliedsstaaten gegebenenfalls eine Zusatzfrist von fünf Jahren in Anspruch nehmen, also bis 1. 7. 2013. Diese Zusatzfrist ist vor allem angesichts der bereits lange laufenden Diskussion um erleichterten Zugang zu betrieblichen Vorsorgemodellen zu lang.

Anpassung ruhender Ansprüche

Ruhende Betriebspensionsansprüche, das sind Ansprüche von aus dem Unternehmen ausgeschiedenen ArbeitnehmerInnen, müssen »fair angepasst« werden. Damit soll vermieden werden, dass ausgeschiedene ArbeitnehmerInnen benachteiligt werden, indem der reale Wert ihrer Ansprüche im Laufe der Zeit vermindert wird. »Faire Anpassung« bedeutet beispielsweise ein Anwachsen der ruhenden Ansprüche im Verhältnis zur allgemeinen Lohnentwicklung oder zur Inflationsrate. Ein nominelles Gleichbleiben über viele Jahre wäre nicht zulässig. Die Formulierung, wie diese Anpassung zu erfolgen hat, ist allerdings extrem vage. Die Umsetzung wird sehr stark von der nationalstaatlichen Praxis abhängen.

Übertragbarkeit der Ansprüche

Aus einem Unternehmen ausscheidende Beschäftigte sollen die Möglichkeit haben, ihre erworbenen Ansprüche innerhalb desselben Landes oder auch in einen anderen Mitgliedsstaat übertragen zu können. Die Übertragung muss innerhalb von 18 Monaten erfolgen. Voraussetzung für die Übertragung ist, dass es ein aufnehmendes Zusatzpensionssystem gibt. Gibt es beispielsweise in einem Land kein aufnehmendes System, so können ausscheidende Beschäftigte trotz des grundsätzlichen Anrechts keine Übertragung durchführen.

Der nationale Gesetzgeber sollte bei der Umsetzung der Richtlinie sicherstellen, dass das Geld bei einer Übertragung in der zweiten Säule bleibt und nicht zweckentfremdet verwendet werden kann. Insofern ist darauf zu achten, welche Voraussetzungen ein Zusatzpensionssystem erfüllen muss, damit eine Übertragung dorthin zulässig ist.

Wert der übertragenen Ansprüche

Wenn versicherungsmathematische Annahmen über den Wert der zu bestimmenden Anwartschaft zur Anwendung kommen, dürfen diese dem ausscheidenden ArbeitnehmerInnen nicht zum Nachteil gereichen. Diese Bestimmung ist grundsätzlich sinnvoll. Allerdings ist auch hier die Formulierung äußerst vage, womit der konkrete Nutzen für die Arbeitnehmerschaft offen bleibt und sehr vom nationalen Gesetzgeber abhängt.

Bei nicht kapitalgedeckten Modellen gibt es keine Übertragbarkeit: Von der Verpflichtung zur Übertragung können die nationalen Gesetzgeber jene Systeme ausnehmen, die nach dem Umlageverfahren funktionieren oder bei denen Pensionsrückstellungen in der Bilanz gebildet werden (wie bei vielen klassischen Direktzusagen in Österreich). Die Ausklammerung dieser nicht kapitalgedeckten Systeme entstand insbesondere auf Druck Deutschlands und kann nach dem Wortlaut der Richtlinie theoretisch auf unbestimmte Zeit erfolgen. Die Mitgliedsstaaten müssen die Kommission lediglich über die Gründe für die Ausnahme informieren und angeben, welche Maßnahmen geplant sind, um die Übertragbarkeit der Ansprüche aus diesen Systemen zu verbessern.

Somit hat eine große Anzahl mobiler Beschäftigter nicht die Möglichkeit der Übertragbarkeit. Wichtiger ist aus Sicht der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen jedoch, dass die Ansprüche gewahrt bleiben und nicht mit der Zeit entwertet werden. Die Möglichkeit der Übertragung erscheint eher zweitrangig. Speziell nicht kapitalgedeckte Systeme könnten durch abfließendes Kapital tatsächlich vor Probleme gestellt werden.

Arbeitsplatzverlust

Für Irritation sorgt der Umstand, dass die Kommission im Richtlinienentwurf in den Punkten der Wahrung ruhender Ansprüche und der Übertragbarkeit nur jene ausscheidenden ArbeitnehmerInnen einbezieht, die das Arbeitsverhältnis von sich aus beenden. Die Schlechterstellung von Personen, die unfreiwillig ihren Arbeitsplatz verlieren, erscheint aus gewerkschaftlicher Sicht nicht akzeptabel. Die Kommission hat in den Sitzungen der Ratsarbeitsgruppe bereits angekündigt, dies zu überdenken.

Die Einrichtungen der betrieblichen Altersvorsorge müssen die ArbeitnehmerInnen auf deren Verlangen darüber aufklären, welche Folgen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Hinblick auf ihre Zusatzpensionsansprüche hat. Ein Mindestkatalog an verpflichtenden Auskünften ist in der Richtlinie angeführt. Dieser verbesserte Informationsfluss ist absolut notwendig. Durch die Komplexität der Zusatzpensionssysteme können viele Personen nicht abschätzen, welche Konsequenzen ein Wechsel des Arbeitsplatzes für die Zusatzpensionsansprüche hat. Darüber hinaus ist es wichtig, eine fundierte Entscheidung darüber treffen zu können, die Ansprüche im alten System zu belassen oder gegebenenfalls zu übertragen.

Lange Diskussion erwartet

Der Richtlinienvorschlag wird im Rat der EU und im Europäischen Parlament diskutiert und soll ab 1. 7. 2008 gelten. In einzelnen Mitgliedsstaaten gibt es Vorbehalte gegen Teile der Richtlinie. So sind insbesondere ArbeitgeberInnen gegen die Absenkung der Unverfallbarkeitsfrist auf zwei Jahre. Einige Länder befürchten auch, dass durch die Übertragbarkeit Geld aus ihren (teilweise sozialpartnerschaftlich verwalteten) Systemen abfließt. Dieses könnte beispielsweise bei Lebensversicherern in der »dritten Säule« landen und dann zweckentfremdet, also nicht für Pensionszahlungen, verwendet werden. Es ist somit nicht damit zu rechnen, dass die Richtlinie bald als Rechtsakt verabschiedet wird. Auch die von Rat und Parlament geforderten Änderungen sind noch nicht in Sicht.

Anwendung

Bis spätestens 1. 7. 2008 sollen alle nationalen gesetzlichen Regelungen richtlinienkonform ausgestaltet sein und angewendet werden. Insofern sind von der Richtlinie auch all jene betrieblichen Pensionszusagen betroffen, die vor dem 1. 7. 2008 abgeschlossen wurden und die zum Umsetzungszeitpunkt (= Zeitpunkt des Inkrafttretens des nationalen Rechts) noch bestehen. Sie werden adaptiert werden müssen, denn ab dann gelten die verkürzten Warte- und Unverfallbarkeitsfristen, die Informationsrechte, die Wahrung ruhender Ansprüche und eventuell auch die Übertragbarkeit.

Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass aufgrund des mit der Richtlinie erleichterten Anspruchserwerbs von Zusatzpensionsrechten tatsächlich einige ArbeitgeberInnen keine betrieblichen Vorsorgeleistungen mehr anbieten, weil sie als Instrument der Personalbindung nicht mehr die gewünschten Wirkungen erzielen.

Solange jedoch steuerliche Förderungen für betriebliche Vorsorgemodelle bestehen, werden die Arbeitgeber diese auch weiterhin in Anspruch nehmen. Denn es ist für das Unternehmen wegen Steuer- und Abgabenvorteilen kostenmäßig günstiger, eine betriebliche Pensionszusage zu erteilen als ein höheres Gehalt zu zahlen (bei gleicher Anreizwirkung für die ArbeitnehmerInnen).

Aus Sicht der Arbeitnehmerschaft kann das Vorhaben der Kommission als sehr positiv eingestuft werden. Vor allem aufgrund seiner sozialpolitischen Komponente des erleichterten Zugangs zu betrieblichen Pensionsleistungen.

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(C) AK und ÖGB

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