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Dänemark im Wandel

SCHWERPUNKT

Ulla Sorensen, Sozialpolitikexpertin beim größten der drei Gewerkschaftsbünde, der Landsorganisationen i Danmark (LO), im Gespräch mit Martin Bolkovac über die aktuellen sozialpolitischen Entwicklungen.

Arbeit&Wirtschaft: Schwächen die aktuellen Entwicklungen die Macht der dänischen Gewerkschaftsbewegung?
Ulla Sorensen:
Wir möchten keine unzufriedenen Mitglieder und wir müssen akzeptieren, dass sich manche Mitglieder anders entscheiden. Ich schätze diese Entwicklung nicht als Schwächung der Gewerkschaft ein. Dabei muss man aber bedenken, dass die Gewerkschaften in Dänemark eine sehr starke Tradition haben.

Das heißt, die Veränderungen im System der freiwilligen Arbeitslosenversicherung sind positiv zu beurteilen?
Hier passiert eine ganz natürliche Entwicklung. Ich glaube, diese Entwicklung zeigt, dass unsere Mitglieder - und die dänische Bevölkerung im Allgemeinen - sehr viel Wert auf die Verbindung von Qualität, Service und Preis legen.

Die dänische Sozialpolitik, insbesondere die Grundsicherung im Alter und die universalen Gesundheitsleistungen, werden von österreichischen Sozialexperten zunehmend als »Best practice«Beispiele wahrgenommen. Stehen solche Ansätze nicht in scharfem Kontrast zur Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik?
In Dänemark haben wir keinen strengen Kündigungsschutz der Arbeitnehmer. Ein wichtiger Grund dafür ist die »Flexicurity-Organisation« des Arbeitsmarktes.

»Flexicurity« ist eine besondere, typisch dänische Kombination aus hoher Mobilität der Beschäftigten und einer niedrigen Arbeitsplatzsicherheit, einer relativ hohen Arbeitslosenunterstützung und einer öffentlich finanzierten Beschäftigungs- und Bildungspolitik, auf die alle Bereiche des Arbeitsmarktes großen Einfluss haben. Dieses Modell kann auch als kontrolliert und flexibel bezeichnet werden. Die drei Elemente des »Flexicurity«-Modells stehen in enger Verbindung zueinander und können nicht getrennt werden.

Welche Auswirkungen hat der neuerliche Wahlsieg der bürgerlichen Regierungskoalition auf die dänische Sozialpolitik?
Unsere Regierung sagt einerseits, dass sie die Wohlfahrtsgesellschaft schützen und weiterentwickeln möchte, andererseits bringt sie aber immer mehr Gesetzesentwürfe ein, die unseren Wohlfahrtsstaat schrittweise zu einer freien Marktwirtschaft machen. Zum Beispiel durch die Möglichkeit, private Krankenversicherungen von der Steuer abzusetzen.

Die Regierung schwächt den Einfluss der Gewerkschaften durch die schrittweise Einführung neuer Gesetze. Dabei können wir beobachten, dass Einschnitte gemacht werden, von denen kleinere Gruppen betroffen sind, die Regierung aber sehr vorsichtig ist, wenn die Gefahr besteht, es sich mit einflussreicheren politischen Gruppen zu verscherzen.

Viele europäische Politiker wollen von Dänemark lernen, sei es im Bereich Bildung, sei es Steuer- und Sozialpolitik. Können dänische Politiker auch von anderen europäischen Ländern lernen?
Wir haben engen Kontakt zu Gewerkschaften in Skandinavien und Europa und es kommt dabei zu regem Ideenaustausch. In meinem eigenen Fachbereich, der unter anderem Sozialpolitik umfasst, möchte ich Norwegen hervorheben, von dem wir viel über Politik für ältere Menschen und den Schutz älterer Arbeitnehmer lernen können. In Norwegen hat man sehr gute Erfahrungen damit gemacht, mittels Ansporn und positiven Anreizen ältere Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt zu halten.

Kollegin Sorensen, wir danken für das Gespräch.

I N F O R M A T I O N

Das dänische Gewerkschaftssystem

In Dänemark gibt es drei Gewerkschaftsbünde: Der größte davon, die LO (Landsorganisationen i Danmark), vertritt 1,5 Millionen Mitglieder. Weitere Bünde sind der FTF (Zentralverband der Angestellten und Beamten) und die AC (Organisation der Akademiker). Alle drei Gewerkschaftsbünde gehören dem Europäischen Gewerkschaftsbund an.

Die meisten arbeitnehmerrelevanten Fragen werden in Dänemark nicht gesetzlich, sondern über zentrale Tarifvereinbarungen geregelt. Diese sind allerdings zeitlich begrenzt und werden alle zwei bis drei Jahre neu verhandelt. Die jeweiligen Branchengewerkschaften können über sektorenspezifische Fragen weiterverhandeln. In der Regel gelten dann die für die jeweilige Branche ausgehandelten Verträge für alle Regionen. Kommt es zu einer Einigung, müssen die Mitglieder über den Vorschlag abstimmen. Kommt es zu keiner Einigung oder wird das Verhandlungsergebnis von den Mitgliedern abgelehnt, können die Gewerkschaften zum Streik aufrufen bzw. die Arbeitgeber aussperren

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