topimage
Arbeit&Wirtschaft
Arbeit & Wirtschaft
Arbeit&Wirtschaft - das magazin!
Blog
Facebook
Twitter
Suche
Abonnement
http://www.arbeiterkammer.at/
http://www.oegb.at/

Standpunkt | Fairness und Zusammenhalt

MEINUNG

Haben Sie einen Arbeitsplatz?Hunderttausende in unserem Land und Millionen in unserem Europa haben keinen.

Haben Sie einen Arbeitsplatz?Hunderttausende in unserem Land und Millionen in unserem Europa haben keinen. Diese industrielle Reservearmee von Arbeitslosen ist Politikverantwortlichen offensichtlich gerade recht, um die Löhne derjenigen zu drücken, die noch einen Arbeitsplatz haben. Längere Arbeitszeiten ohne Lohnausgleich, Überstunden zum Normaltarif, Abbau des Kündigungsschutzes, Kürzung des Arbeitslosengeldes, Streichung von Feiertagen, Aufhebung des Berufsschutzes - neoliberal zusammengefasst heißt das »Flexibilisierung des Arbeitsmarktes«.

Der dreißigjährige Feldzug gegen den Sozialstaat1), den wissenschaftliche Eliten, Wirtschaftsjournalisten und unternehmerische Führungskräfte betreiben, hat unter anderem bewirkt, dass viele der direkt und hart Betroffenen eine Art Gehirnwäsche erlitten haben und jetzt wirklich glauben, sie müssten diese schweren Opfer bringen, weil es der Wirtschaft so schlecht gehe oder weil die Staatsverschuldung so hoch sei.

Eine andere Art von Verwirrung führt zur Meinung, Lohnverzicht oder so genannte Null-Lohnrunden führten zur Schaffung von neuen Arbeitsplätzen oder auch nur zur Sicherung bestehender.

Also ich erzähle Ihnen jetzt einen Witz und Sie entscheiden, ob sie darüber lachen können: »Wir müssen den Gürtel enger schnallen, wir sitzen alle in einem Boot.« Was, Sie lachen nicht. Sie meinen, es gibt einzelne Betriebe, die wirkliche Schwierigkeiten haben, denen es wirklich schlecht geht und wo Entlassungen und Lohnsenkungen der einzige Weg sind, um diese Firma zu retten. Da mögen Sie recht haben - aber: Wenn alle Löhne senken und Leute entlassen, so kann das nur verheerende Folgen haben, in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht. Bei einem generellen Wettlauf um niedrige Löhne sind letzten Endes alle Verlierer, auch jene Unternehmer, die sich durch Lohnkürzungen Kostenvorteile verschaffen wollen.

Dazu ein Zitat aus Oskar Lafontaines neuestem Buch »Politik für alle«:

»Als Paradebeispiel gilt die Situation der Zuschauer im Theater. Der einzelne Besucher kann seine Sicht verbessern, indem er aufsteht. Weil ihnen die Sicht genommen wird, erheben sich dann auch die Zuschauer, die hinter ihm sitzen. Am Ende steht der ganze Saal. Keiner sieht mehr als vorher. Das Bestreben des Einzelnen, seine Lage zu verbessern führt dazu, dass es am Ende allen schlechter geht.

… Einer muss dafür sorgen, dass im Theater der Wirtschaft nicht jemand aufsteht, um seine eigene Sicht zu verbessern, weil es ihm dann alle nachmachen - und es am Ende allen schlechter geht. Dieser eine ist der Staat, im Falle der Lohnfindung sind es die Tarifvertragsparteien.

Leider haben die neoliberalen Heilsbringer diesen Zusammenhang bislang nicht verstanden. Sie sind gegen Ladenschlussgesetze, gegen Tarifverträge und gegen Umweltauflagen, weil sie sich die Freiheit bewahren wollen, sich wie der Theaterbesucher zu verhalten, der aufstehen will, um besser zu sehen …«

Es ist eine ziemlich unsinnige Vorstellung: Wenn soziale Leistungen und Löhne gekürzt werden, dann schaffen die Unternehmer Arbeitsplätze: Nicht einmal die meist durch Erpressung durchgesetzten Beschäftigungsgarantien oder Standortsicherungsverträge sind sicher oder ein Ersatz für fehlende positive Lohnabschlüsse, heißt es, die allemal noch die besten Beschäftigungssicherungsverträge darstellen.

Die Arbeitslosigkeit, der Verlust des Arbeitsplatzes wird zum Popanz, mit dem ein immer weiteres Zurückweichen bei Fragen des Lohnes und der sozialen Sicherheit erzwungen wird. Von Gerechtigkeit als Fairness bei dieser Art von sozialen Beziehungen ist wenig zu spüren. Im Gegenteil wird jedes Aufbegehren, wird Widerstand in dieser Hinsicht als Störung des sozialen Friedens gebrandmarkt.

Mit dem altbewährten Ruf »Haltet den Dieb« gelingt es immer wieder, von den eigenen Taten abzulenken.

Worum es letzten Endes geht und wofür wir uns auch einsetzen sollten, ist der Zusammenhalt in unserer Gesellschaft. Arbeitslosigkeit ist kein Naturereignis, und bei etwas mehr Fairness gegenüber der Mehrheit des Volkes, den lohnabhängig arbeitenden Menschen, müsste es auch leicht sein, wirksame Maßnahmen für mehr Beschäftigung zu setzen. Zur Menschenwürde gehört auch ein Arbeitsplatz für alle.

Siegfried Sorz

1) Nachzulesen bei Friedhelm Hengsbach: »Das Reformspektakel. Warum der menschliche Faktor mehr Respekt verdient« Herder Verlag 2004, Seite 21

Teilen |

(C) AK und ÖGB

Impressum