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Unzumutbare Bedingungen | Keine Zeit für mich

GESELLSCHAFTSPOLITIK

Seit Einführung des Kindergeldes ist die Arbeitslosigkeit unter den Wiedereinsteigerinnen gestiegen. Und jene, die Arbeit haben, schaffen es nur schwer, Beruf und Familie zu vereinbaren.

Als Mutter ist man Nummer fünf am Arbeitsmarkt.« Claudia W., 34, weiß wovon sie spricht. Die Niederösterreicherin hatte neun Jahre lang für eine große Textilkette gearbeitet, erst in der Innenstadt, später, nach der Geburt ihres Sohnes Richard vor sechs Jahren, in der Shopping City Süd. Vor drei Jahren kam die kleine Katharina zur Welt. 2004 kehrte sie nach der Babypause an ihren Arbeitsplatz zurück. »Dann im April der Schock: Katharina bekam plötzlich hohes Fieber, im Krankenhaus stellten sie dann eine bakterielle Lungenentzündung fest«, erinnert sich Claudia mit Schaudern: »Ich hab sofort in der Firma angerufen und erklärt, dass ich nicht kommen kann.« Das bedeutete auch gleich die Kündigung für die junge Mutter. Nur mit Unterstützung der Arbeiterkammer konnte sie schließlich ihre Ansprüche durchsetzen. Was blieb, ist Enttäuschung. Auf ihrer Arbeitssuche hat sie dann immer wieder einen Satz zu hören bekommen: »Wenn die Kinder krank sind …«

Kranke Kinder

Wenn die Kinder krank sind, brauchen sie vor allem ihre Mutter. Das weiß auch Martha A. Sie hat vor drei Jahren wieder halbtags zu arbeiten begonnen. Die Alleinerzieherin hat zwei Kinder im Alter von sieben und fünf Jahren. »Ich habe zehn Arbeitstage Pflegeurlaub im Jahr. Bei zwei Kindern - die ja nicht immer zugleich krank sind - ist das schnell aufgebraucht.« Da muss dann schon manchmal Erholungs-Urlaubszeit dafür herhalten. Martha ist sehr froh, dass sie für Romana eine Ganztagesvolksschule gefunden hat. Dort kann die Kleine, wenn es einmal sein muss, sogar bis halb sechs Uhr abends bleiben.

Die Life-Style-Journalistin Tanja A. war 2002 am Ziel ihrer Wünsche angelangt, als sich die kleine Olivia ankündigte. Sie war Chefredakteurin eines Mädchenmagazins, das sie mit aufgebaut hatte. Und jetzt kam auch noch ein echtes Baby zum Zeitungsbaby. »Ich schupf‘ das schon, hab ich mir gedacht«, erinnert sie sich lachend: »So ganz Journalistin und Power-Frau.« Während dem Mutterschutz hat sie alles telefonisch mit ihrer Stellvertreterin gemanagt. Zurück am Arbeitsplatz musste sie feststellen, dass ihre Stellvertreterin an der Aufgabe gewachsen war. Zu Hause teilten sich Tanjas Partner und ihre Mutter die Arbeit mit Olivia. »Mir ist sehr wohl bewusst, dass es mir da so viel besser geht als vielen, vielen Frauen,« erklärt die 36-Jährige: »Ich wusste mein Kind in der Familie gut aufgehoben.« Aber sie selbst blieb auf der Strecke - zerrissen zwischen Kind und Job. Und die Arbeit wurde nicht weniger, also zog Tanja die Notbremse und kündigte den Job als Chefredakteurin.

Fulltime-Job

Die Notbremse zu ziehen, kann sich Claudia nicht leisten. Die kleine Familie hat ein Haus gebaut, braucht das Geld. Die Kinderbetreuung muss sie nahezu allein meistern. Ihr Mann arbeitet im Außendienst, ihre Mutter ist vor fünf Jahren gestorben, ihr Vater hatte einen Schlaganfall.

Die gelernte Schneidermeisterin macht jetzt von zu Hause aus Näharbeiten für Boutiquen: »Ich bin froh, dass ich das habe. Aber früher habe ich doppelt so viel verdient.«

Oft bis spät in die Nacht sitzt sie an der Nähmaschine und meist mit schlechtem Gewissen. Um 5 Uhr früh läutet dann wieder der Wecker. Putzen. Kinder wecken, waschen, anziehen. Frühstück machen. Um 7.30 Uhr Kinder in Schule und bei der Tagesmutter abliefern. Putzen. Nähen. Kinder abholen. Spielen. Nähen. Kochen. Nähen. Waschen. Bügeln.

»Das ist mehr als ein Fulltime-Job«, stöhnt Claudia und räumt dann
ein: »Aber wenn sie einen dann so anstrahlen …«

Keine Zeit für sich selbst

Auch Martha möchte keine Minute missen, die sei mit ihren Kindern verbringt. Ihr ist klar, dass die Zeitaufteilung zwischen Beruf und Job auch in Zukunft nicht einfacher wird: »Sicher, irgendwann werden sie schon selbständiger. Aber zuvor muss man einmal die richtige Schule aussuchen und dort einen Platz bekommen. Das ist in Wien gar nicht so einfach.« Zeit für sich selbst hat sie eher selten.

Die kleine Halbschwester

Tanja macht eine Ausbildung zum Kinder- und Jugendcoach. Hin und wieder schreibt sie noch für ihre Zeitung. Anfangs hat sie die Karriere und das eigene Geld, das damit verbunden war, ein wenig vermisst.

Jetzt ist sie glücklich mit der neuen Berufung. Olivia ist jetzt drei und geht seit einem Jahr in den Kindergarten. Um 14.30 Uhr sperrt der zu und Tanja holt ihre Kleine ab:

»Dazu kommt unsere Patchworkfamilie. Die größeren Töchter meines Mannes passen auch einmal die Woche auf ihre kleine Halbschwester auf, dann habe ich ganz frei.«

Von einem Tag ganz für sie allein kann Claudia derzeit nur träumen. Sie ist schon froh, dass sie eine so nette Tagesmutti gefunden hat.

Ein wenig ungerecht findet sie es schon, dass es ihr so schwer gemacht wird, Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen.

Rahmenbedingungen gefordert

»Was wirklich Mut zum Kind macht, sind entsprechende Rahmenbedingungen: Vereinbarkeit von Beruf und Familie und endlich gleiche Chancen für Frauen auf dem Arbeitsmarkt«, erklärt auch ÖGB-Frauenvorsitzende Renate Csörgits: »Die derzeitigen Bedingungen für Frauen mit Kindern sind unzumutbar.«

Bereits im März 2004 haben AK und ÖGB eine Wifo-Studie präsentiert, die klar belegt, dass die Arbeitslosigkeit unter den Wiedereinsteigerinnen seit Einführung des Kindergeldes massiv angestiegen ist. »Kindergeld gibt es um ein Jahr länger als das frühere Karenzgeld.

Die meisten Frauen bleiben deshalb um ein Jahr länger zu Hause, denn durch die Zuverdienstgrenze beim Kindergeld wird ihnen ein rascher Wiedereinstieg erschwert.

Was viele Frauen nicht wissen: Wer bis zum Ende des Kindergeldbezuges zuhause bleibt, ohne eine entsprechende Sonderregelung mit dem Arbeitgeber vereinbart zu haben, riskiert seinen Arbeitsplatz«, so Csörgits.

Die ÖGB-Frauen fordern eine Reform des Kindergeldes: Eltern sollen wählen können, ob sie das Kindergeld in der bisherigen Höhe und für die bisherige Dauer beziehen wollen oder ob sie eine höhere Geldleistung für einen kürzeren Zeitraum in Anspruch nehmen, fordern die ÖGB-Frauen.

Auch das bestehende Kinderbetreuungsangebot entspreche nicht dem, was man sich von einem der wohlhabendsten Industrieländer erwarte, so Csörgits: »Nur für neun Prozent der unter Dreijährigen gibt es ein Betreuungsangebot. Viele der Kindergärten für die Größeren sperren nach wie vor über Mittag zu. Der Bund muss endlich Geld für den Ausbau der Betreuungseinrichtungen locker machen.

Katharina Klee

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(C) AK und ÖGB

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