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Abgabenquoten 2000 bis 2006

Reformen im Pensionskassenrecht

HINTERGRUND

Geplatzte Blasen, neue Hoffnungen, mehr Risiko: Rund 370.000 Menschen verfügen über eine betriebliche Altersvorsorge. Durch drastische Kürzungen der öffentlichen Pensionen werden sie immer wichtiger. Durch die Kapitalmarktkrise sind auch die Betriebspensionen bereits in negative Schlagzeilen gekommen. Wir informieren über die weit reichenden Änderungen im Betriebspensionsrecht, die Handlungsbedarf für viele BetriebsrätInnen nach sich ziehen.

Die Pensionsreformen der Jahre 2003 und 2004 führen in Zukunft zu deutlich geringeren Pensionen aus der öffentlichen Pensionsversicherung. Um den Lebensstandard im Alter aufrecht erhalten zu können, wird eine zusätzliche Altersvorsorge in Hinkunft notwendig sein. Das von der Regierung viel gepriesene »Dreisäulenmodell« hat aber mehrere Nachteile: Einer der gravierendsten ist die geringe Verbreitung der so genannten zweiten Säule, der betrieblichen Altersvorsorge. Nur etwa jeder zehnte Arbeitnehmer kann bisher auf eine Pensionsvorsorge durch den Betrieb verweisen.

Nur jeder Zehnte

Die Gewerkschaften sind nach den Pensionskürzungen des Jahres 2003 dazu übergegangen, das Thema Alterssicherung auch in den Kollektivvertragsverhandlungen zu platzieren, wodurch mehr ArbeitnehmerInnen in den Genuss einer betrieblichen Vorsorge kommen sollen. Ein Beispiel ist ein verpflichtendes Pensionskassenmodell für die Beschäftigten der Papierindustrie. Gegenüber den öffentlichen Pensionen bestehen zahlreiche Nachteile, die man im Auge behalten muss: Atypisch Beschäftigte wie z. B. freie DienstnehmerInnen sind in betriebliche Altersvorsorge nicht eingebunden. Auch Personen mit häufigem Arbeitsplatzwechsel sind schlechter gestellt. Zum einen gibt es oft Fristen bis zu fünf Jahren, ab denen der Arbeitgeber Beiträge zahlen muss.

Zum anderen werden Beiträge erst ab längstens fünf Jahren unverfallbar. Viele Arbeitgeber haben keine Pensionskasse, sodass ein permanentes Aufbauen des Pensionsanspruchs oft nicht möglich ist. In Zeiten der Arbeitslosigkeit werden keine Beiträge geleistet.

Aktiengesellschaften

Die ab 1990 gegründeten Pensionskassen sind derzeit die wichtigste Art der Durchführung betrieblicher Altersvorsorge. Es handelt sich dabei um privatwirtschaftlich geführte Aktiengesellschaften, die Pensionsbeiträge hereinnehmen, verwalten, veranlagen, und lebenslange Renten auszahlen.

Während betriebliche Pensionskassen nur die Betriebspensionen eines Unternehmens verwalten, sind überbetriebliche Kassen für alle Pensionszusagen durch Arbeitgeber offen. Die Eigentümer der überbetrieblichen Pensionskassen sind große österreichische Banken und Versicherungen, bei den betrieblichen Pensionskassen sowie bei einer überbetrieblichen Kasse sind es Industrieunternehmen.

Vorteile

Pensionsansprüche, die an Pensionskassen ausgelagert sind, sind vom wirtschaftlichen Schicksal des eigenen Arbeitgebers abgekoppelt. Unternehmen können sich durch Anbieten einer Pensionskassenlösung positiv am Stellenmarkt positionieren und damit Personal an das Unternehmen binden. Das ist vor allem interessant, seit mit der Abfertigung neu die Bindungswirkung der Abfertigung verloren gegangen ist. In Zeiten hoher Erwerbslosigkeit hält sich dieser Anreiz für Arbeitgeber aber in Grenzen. Die meisten Pensionsanwartschaften in Pensionskassen sind aber nicht auf neue Abschlüsse zurückzuführen, sondern auf Auslagerungen alter direkter Betriebspensionszusagen.

Die meisten neuen Pensionskassenlösungen sind beitragsorientiert aufgebaut. Das bedeutet, der Dienstgeber leistet laufend Beiträge, die von den Pensionskassen veranlagt werden. Die Höhe der Pension ergibt sich im Wesentlichen aus dem Veranlagungserfolg und der Höhe der Beitragszahlung.

Kapitalmarktkrise

Mit der Krise der Kapitalmärkte in den Jahren 2000-2002 kamen auch die Pensionskassen negativ in die Schlagzeilen. Vielen PensionsbezieherInnen werden die Leistungen teils dramatisch gekürzt, Einbußen bis zu einem Viertel sind keine Seltenheit. Anwartschaftsberechtigte müssen auf der jährlichen Kontonachricht feststellen, dass die Ihnen in Aussicht gestellten Pensionen deutlich geringer ausfallen werden.

Die massive Vernichtung von Finanzvermögen an den Kapitalmärkten hinterlässt somit teilweise katastrophale Einbußen bei den Betriebspensionen.

Risiko der Kapitaldeckung

Diese Risiken kapitalgedeckter Altersvorsorge werden von den Gewerkschaften schon lange thematisiert und kritisiert.

Im Pensionskassengesetz (PKG) wurde daher bei der Beschlussfassung 1990 eine Mindestgarantie verankert, um extreme Entwertungen der Pensionen zu verhindern.

Die Garantie sieht vor, dass innerhalb eines Zeitraumes von fünf Jahren eine jährliche Mindestverzinsung von derzeit etwa 1,5% bis 2% garantiert wird. Die Mindestverzinsung verhindert zwar nicht, dass Pensionen bei schlechter Performance gekürzt werden. Sie verhindert aber sehr wohl das Ausmaß dieser Kürzungen.

Wert gesetzlicher Garantien

Die Mindestertragsregelung sah bis 2003 vor, dass im Falle eines Fehlbetrags des Deckungskapitals dieser von den Pensionskassen einzubringen ist. Mit der anhaltenden Kapitalmarktkrise hätten die Pensionskassen bzw. deren Eigentümer große Kapitalmengen zur Erfüllung der Garantie einschießen müssen.

Nach intensivem Lobbying der Pensionskassen und ihrer Eigentümer wurde dann aber im Jahr 2003 die Regelung der Mindestverzinsung per Gesetz auf Kosten der Anwartschafts- und Leistungsberechtigten geändert. Die Folge sind deutlich krassere Pensionskürzungen und ein viel geringerer Wert der Garantie.

Man muss sich vor diesem Hintergrund aber fragen, welchen Wert gesetzliche Garantien wirklich haben, wenn sie genau so lange gelten, bis sie einmal eingelöst werden müssen. Dasselbe kann auch bei der viel umworbenen »Prämienbegünstigten Zukunftsvorsorge« mit Kapitalgarantie oder bei der Abfertigung neu eintreten, wo einbezahlte Beiträge »garantiert« sind.

Neue Mindestertragsregelung

Die Mindestertragsregelung wirkt sich seit 2003 unmittelbar nur mehr auf PensionistInnen aus. Anwartschaftsberechtigte erhalten bis zum Pensionsantritt keine Zahlungen aus dem Titel Mindestertrag.

Nach der alten Regelung hätte die Pensionskasse aus ihren Eigenmitteln eine Gutschrift auf das individuelle Pensionskonto durchführen müssen, und zwar gleichermaßen für Anwartschaftsberechtigte und PensionsbezieherInnen. Das hätte langfristig positive Effekte für die PensionsbezieherInnen und Anwartschaftsberechtigten gehabt, denn das zugeschossene Kapital auf dem individuellen Pensionskonto hätte sich in Folge wieder weiter verzinst.

Jetzt gibt es nur vorübergehende monatliche Zuschüsse zur Pension, aber keine Zuschüsse auf das Kapital am Pensionskonto.

I N F O R M A T I O N

Nachlesen

Die Grundlagenabteilung der GPA hat eine umfassende Unterlage zur Frage des Opting Out erstellt. Diese können Gewerkschaftsmitglieder unter grundlagen@gpa.atbzw. unter der Telefonnummer 01/313 93-558 bestellen.

Des Weiteren ist eine umfangreiche Publikation in Arbeit, die auf alle zu beachtende Faktoren beim Abschluss einer Betriebsvereinbarung und eines Pensionskassenvertrages detailliert eingeht.

Höhe der Zuschüsse

Es wird die Differenz zwischen der aktuellen Rente und jener fiktiven Rente gezahlt, die sich ergeben hätte, wenn die Kapitalien zu Beginn des Durchrechnungszeitraums jährlich mit der Mindestverzinsung verzinst worden wären.

Sobald im Durchrechnungszeitraum wieder die Mindestverzinsung erreicht wird, enden die Zuschüsse.

Für Anwartschaftsberechtigte gibt es überhaupt keine Zuschüsse.

Mindestertragsrücklage (MERL)

Die kontroversielle MERL ist eine Notwendigkeit durch die EU-Pensionsfondsrichtlinie. Gemäß dieser haben alle Anbieter, die Garantien (egal, welcher Art!) stellen, bis 2010 aufsichtsrechtliche Eigenmittel von 4% aufzuweisen.

Da die Pensionskassen schon bisher laut PKG über Eigenmittel von 1% der Deckungsrückstellung verfügen müssen, müssen sie bis 2010 zusätzlich weitere 3% aufbringen.

Das Pensionskassengesetz bzw. die EU-Richtlinie sehen grundsätzlich nicht vor, dass diese Mindestertragsreserve von den Anwartschafts- und Leistungsberechtigten zu finanzieren ist. Die Pensionskassen haben aber in der Regel ihre Vermögensverwaltungskosten in jenem Ausmaß erhöht, sodass die Kosten voll auf die Anwartschafts- und Leistungsberechtigten überwälzt wurden. Obwohl die Aufbringung der Eigenmittel grundsätzlich durch die Eigentümer zu erfolgen hätte, geschah dies mit der Ausnahme einer Kasse nicht.

Jedenfalls hat die Kostenübertragung noch ein rechtliches Nachspiel. Die GPA führt diesbezüglich zwei Musterverfahren.

Da die Zuführung von Geldern zu Rücklagen aus dem Gewinn körperschaftsteuerpflichtig ist, berechnen die Pensionskassen den Anwartschaftsberechtigten pikanterweise auch die abzuführende KöSt.

Verzicht auf den Mindestertrag

Die PKG-Novelle bietet ab 2005 die Möglichkeit, auf den Mindestertrag zu verzichten. Damit muss auch keine Mindestertragsreserve geführt werden. Ein eventueller Verzicht auf den Mindestertrag muss in der Betriebsvereinbarung bzw. im Kollektivvertrag und dem Pensionskassenvertrag vereinbart werden und wirkt auf alle von dieser Vereinbarung erfassten ArbeitnehmerInnen (Anwartschaftsberechtigte).

Eine Entscheidung über einen Verzicht muss wohl überlegt sein! Wir empfehlen jeder Betriebsratskörperschaft jedenfalls, eine Informationsveranstaltung mit den MitarbeiterInnen zu organisieren und über Vor- und Nachteile des Verzichts auf den Mindestertrag zu informieren. Es existieren unterschiedliche Interessen innerhalb der Gruppe der Anwartschaftsberechtigten. Es sollte hier ein möglichst breiter Konsens gefunden werden.

Für Leistungsberechtigte (PensionsbezieherInnen) hat der Betriebsrat keine Regelungskompetenz. Wird den Leistungsberechtigen ein Opting Out von der Pensionskasse angeboten, so können sie dieses je nach individueller Interessenlage annehmen.

Vor- und Nachteile

Es fallen keine Kosten mehr für die Dotation der Mindestertragsrücklage an, was sich auf die Höhe der zukünftigen Pension in der Regel positiv auswirkt.

Die gesetzliche Regelung der Mindestverzinsung wurde 2003 dermaßen verschlechtert, dass allfällige Zuschüsse aus der MERL im Durchschnitt geringer sind als die Reduktion der Pension durch die Dotation der MERL. Vereinfacht gesprochen: Die Mindestertragsgarantie ist im Verhältnis zu ihrem möglichen Nutzen sehr teuer! Außerdem muss die MERL immer wieder aufgebaut werden, wenn sie unter ihren Sollwert von 3% fällt. Wenn man also Zuschüsse erhält, muss man diese in den Folgejahren durch Dotationen der MERL letztlich wieder »zurück« zahlen.

Das Veranlagungsrisiko wird bei einem Verzicht auf den Mindestertrag voll und ganz von den Anwartschafts- und Leistungsberechtigten getragen, weil es dann weder eine garantierte Verzinsung noch eine Garantie auf die eingezahlten Beiträge gibt.

Als unmittelbare Folge eines Verzichts auf den Mindestertrag fallen auch die bestehenden Veranlagungsbeschränkungen des PKG beinahe vollständig weg. Die Höchstgrenze für Aktien wird damit auf 70% angehoben.

Frist für das Opting Out

Verzichtet man auf den Mindestertrag ab 1. 1. 2005, und wird dies bis spätestens 30. 11. 2005 vereinbart, dann ist eine für 2004 gebildete und nicht zur Erfüllung der Mindestertragsverpflichtung verwendete MERL aufzulösen. Sie ist den Anwartschafts- und Leistungsberechtigten bzw. den Arbeitgebern insoweit gutzuschreiben, als sie zu deren Bildung beigetragen haben.

Voraussetzung für eine volle Rückerstattung ist jedoch, dass die Rücklage nicht inzwischen für das Erfüllen von Mindestertragsverpflichtungen verwendet wurde. Das Gesetz sagt nichts darüber aus, wie mit der von den Pensionskassen einbehaltenen Körperschaftsteuer zu verfahren ist. Auf eine Rückgabe sollte man jedenfalls drängen, vor allem, weil sich die Pensionskassen selbst die abgeführte KöSt zurückholen können!

Finanzministerium hat vernünftige Lösung verhindert

Grundsätzlich lehnen wir Altersvorsorge ab, deren Höhe überhaupt nicht garantiert ist und setzen uns dafür ein, dass Pensionskassen garantierte Produkte anbieten. Die Reserve hätte sinnvollerweise innerhalb der Versicherten- und Risikogemeinschaft (VRG) gebildet werden können. Das hätte folgende Vorteile gehabt:

  • Möglichkeit der direkten Zuordnung der Reserve zur VRG: bei Wechsel der Pensionskasse könnte die aufgebaute Reserve »mitgenommen« werden.
  • Die Erträge aus diesem Kapital in der Reserve würden der VRG zugeordnet. Mit der beschlossenen Regelung fließen sie der Pensionskasse zu und bescheren dieser einen Zusatzertrag!
  • Es hätte keine Belastung mit der Körperschaftsteuer gegeben.

Dieses Anliegen scheiterte an der sturen Haltung des Finanzministeriums. Das Ministerium meinte, bei der Führung in der VRG Verluste an Körperschaftsteuer hinnehmen zu müssen.

Ab 2005 ergeben sich aber ohnehin schon immense Verluste bei der Körperschaftsteuer durch die Senkung des KöSt-Steuersatzes. Zum anderen wird das Finanzministerium auch KöSt verlieren, sobald jemand von der Option auf Verzicht des Mindestertrages Gebrauch macht.

EU-Pensionsfondsrichtlinie

Die EU hat beschlossen, einen einheitlichen Binnenmarkt für die Altersvorsorge zu schaffen. Künftig können auch Pensionsfonds aus anderen Mitgliedsstaaten als Träger der betrieblichen Altersvorsorge auftreten. Multinational tätige Unternehmen könnten eine einheitliche Pensionskasse für alle MitarbeiterInnen in der EU aufbauen. Die EU-Pensionsfondsrichtlinie ist nicht sozialpolitisch motiviert, sondern dient dem Ziel, einen einheitlichen Binnenmarkt für Finanzdienstleistungen durchzusetzen.

Betriebliche Kollektivversicherungen

Es wird ab Herbst 2005 auch ein neues Produkt für die betriebliche Altersvorsorge geben: Künftig werden betriebliche Kollektivversicherungen analog zu Pensionskassen geregelt.

Die betriebliche Kollektivversicherung darf aber nur als »klassische« Gruppenrentenversicherung angeboten werden. Fondsgebundene oder indexgebundene Lebensversicherungen kommen nicht in Frage, es ist also ein eher sicheres Produkt.

Voraussetzung ist wie bei einer Pensionskassenlösung der Abschluss einer Betriebsvereinbarung. Als Leistungen müssen wie bei Pensionskassen jedenfalls Alters- und Hinterbliebenenpensionen sowie optional Invaliditätspensionen vorgesehen werden. Die für Pensionskassen relevanten Bestimmungen des Betriebspensionsgesetzes werden auch auf betriebliche Kollektivversicherungen angewandt. Außerdem kommt es zu einer steuerlichen Gleichstellung von Pensionskassen und der betrieblichen Kollektivversicherung, was die Versicherungen schlussendlich konkurrenzfähig gegenüber den Pensionskassen macht.

Durch die Entwertung der Mindestertragsgarantie und die Optionsmöglichkeit, auf den Mindestertrag überhaupt zu verzichten, findet man ein Garantieprodukt künftig daher eher bei den Kollektivversicherungen als bei den Pensionskassen. Allerdings muss auch betont werden, dass insbesondere die Gewinnzuteilung und die Veranlagung bei Pensionskassen deutlich transparenter abläuft als bei Versicherungen.

Ein Wechsel aus einer Pensionskassenlösung zu einer Kollektivversicherung ist grundsätzlich möglich, aber mit erheblichen Kosten verbunden. Ein solcher Schritt will deshalb gut überlegt sein! Die Versicherungen werden somit vermutlich hauptsächlich bei Neuabschlüssen punkten können.

F A Z I T

Das Jahr 2005 bringt die bisher größten Änderungen im Betriebspensionsrecht seit 1990. Die neuen Optionen schaffen Handlungsbedarf und drängen zu Entscheidungen. Diese sollten wohl überlegt und unter Einbeziehung der Belegschaft getroffen werden.

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(C) AK und ÖGB

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