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Ist Österreichs Stromversorgung gesichert?

HINTERGRUND

Durch Liberalisierungen und Privatisierungen der Energiemärkte ist die Stromversorgung gefährdet, wenn nicht rasch Maßnahmen ergriffen werden, sagt eine Studie der Arbeiterkammer.

Der österreichische Strombedarf steigt, je nach Prognose zwischen 1,6 und 2,5 Prozent jährlich. Die EU geht sogar von einem Bedarfszuwachs von drei Prozent jährlich aus. Derzeit werden in Österreich rund 54 Terawattstunden Strom erzeugt, bis 2010 ist daher mit einem Zusatzbedarf von mindestens sechs Terawattstunden zu rechnen. Grund genug, sich Gedanken zu machen, wie dieser zusätzliche Bedarf gedeckt werden kann. Jedenfalls müssten bereits jetzt die Weichen für Neubauten von Kraftwerken gestellt werden, da die Vorlaufzeit für diese Anlagen mindestens sieben Jahre beträgt. Darüber hinaus ist zu untersuchen, wieweit in der Zwischenzeit die zusätzliche Nachfrage durch Stromimporte gedeckt werden kann.

Liberalisierung verändert Bedingungen

Die Liberalisierung der Energiemärkte hat die Rahmenbedingungen für die Planungen von Kraftwerken verändert und das Schwergewicht der Versorgung auf die internationalen Energiemärkte verlagert. Die von den EU-Staaten vor der Liberalisierung zur Sicherung der nationalen Versorgung errichteten Überkapazitäten führten kurzfristig zu einem drastischen Preisverfall. Dadurch können derzeit zusätzliche Strommengen jederzeit zugekauft werden.

Allerdings werden durch diesen Stromhandel die Übertragungsnetze überlastet, und deren Kapazität reicht teilweise für den Stromtransport nicht mehr aus. Deshalb gibt es auch von der EU-Kommission im Rahmen der TEN, der Transeuropäischen Netze, bevorzugte Ausbautrassen, um den internationalen Stromhandel zu sichern.

AK-Studie

Zur Sicherung und Stärkung des Wirtschaftsstandortes Österreich, aber auch für die Haushalte ist eine Sicherung der Stromversorgung unabdingbar. Um die Versorgungssicherheit auf seriöser Ebene diskutieren zu können, gab die AK bei Prof. Heinz Stigler von der Technischen Universität Graz eine Studie »Sicherung der heimischen Elektriziätsversorgung« in Auftrag, deren Ergebnisse seit Sommer vorliegen.

Die Studie empfiehlt:

  • Lückenschluss der 380-kV-Leitung in der Südsteiermark und die Verstärkung der Nord-Süd-Verbindung in Salzburg;
  • weiteren Kraftwerksausbau;
  • Errichtung einer überregionale Planungsgruppe zur Koordinierung des Netz- und Kraftwerksausbaues.

Um den steigenden Stromverbrauch zu bewältigen, ist sowohl die rasche Fertigstellung des 380-kV-Netzes als auch der Bau zusätzlicher neuer Kraftwerke notwendig.

Durch das fehlende Teilstück der 380-kV-Leitung in der Steiermark kann insbesondere im Raum südlich von Graz mit den bestehenden Kapazitäten die sichere Versorgung zusätzlicher Industriebetriebe nicht gewährleistet werden.
Der Wirtschaftsstandort Österreich kann nur durch eine effiziente Stromversorgung gesichert werden.

Die Blackouts1) im Vorjahr in den USA und Kanada und innerhalb Europas in Dänemark, Südschweden, Großbritannien und Italien belasteten die
Wirtschaft beträchtlich und zeigen, wie wichtig ein sicheres Stromnetz für die wirtschaftliche Entwicklung ist.

Allein in Nordamerika entstand durch diese Stromausfälle ein wirtschaftlicher Schaden von sechs Milliarden Dollar.

Markt braucht Kontrolle

In den USA wurden die Energiemärkte frühzeitig liberalisiert, dadurch ergab sich die Notwendigkeit von Kontrollinstanzen zur Sicherung des Wettbewerbes und zum Schutz der Konsumenten. Dazu wurden eine Reihe von Behörden geschaffen, die den Strommarkt beaufsichtigen.

Hier ist insbesondere die Federal Elektric Regulatory Commission (FERC) zu nennen, die ähnliche Befugnisse wie die österreichische E-Control hat, allerdings auch einen strategischen Ausbauplan (PLAN FY) für die Energieinfra-
struktur für die Periode 2004-2008 entwickelte.

Versorgungssicherheit durch überregionale Planung

Als Reaktion auf den großräumigen Stromausfall 1965 wurde 1968 das North American Reliability Council (NERC) als Non-Profit Organisation gegründet. Mitglieder der Organisation sind zehn regionale Beiräte, die sich mit der Sicherung der Energieversorgung in den USA, in Kanada und des Baja Norte in Mexiko beschäftigen.

Im Stakeholder Commitee dieser Organisation, welches die Beiräte ernennt, sind alle wichtigen Industriezweige vertreten.

Die Organisation entwickelt Marktregeln und Planungsmodelle zur Versorgungssicherheit auf regionale und überregionaler Ebene. Die Koordinierungsmodelle bieten die Grundlage für den weiteren Netz- und Kraftwerks- ausbau.

AK fordert Planungsstelle

Die AK fordert daher auch für Europa die Einrichtung einer derartigen überregionalen Koordinierungsstelle auf europäischer Grundlage, in der alle Abnehmergruppen, aber auch Netzbetreiber und Stromerzeuger sowie Regulatoren vertreten sind.

Die derzeitigen drei 220-kV-Nord-Süd-Stromleitungen sind bereits jetzt überlastet und zu schwach für den steigenden Stromverbrauch.

Wenn diese Netze an einem bestimmten Tag überlastet sind, weil der erzeugte Strom mangels Netzkapazitäten nicht abtransportiert werden kann, müssen Engpassmanagement-Maßnahmen ergriffen werden.

Fehlender Ausbau kostet 400.000 EUR täglich

Daraus würden im Jahr 2010 volkswirtschaftliche Mehrkosten von bis zu rund 400.000 Euro pro Tag entstehen. Weiters zeigt die Studie, dass ohne zusätzliche Netzkapazitäten ein wirtschaftlicher Einsatz von Kraftwerken behindert und ein zuverlässiger und sicherer Netzbetrieb nur eingeschränkt möglich wäre.

Damit kann es zur Notwendigkeit kurzfristiger Kraftwerksabschaltungen kommen, oder es müssten vom Netzbetreiber Kraftwerke zur Bereitstellung von Ausgleichsenergie zugeschaltet werden bzw. Strom aus dem Ausland zugekauft werden. Die ist natürlich mit bedeutenden Kosten verbunden, da dieser Spitzenstrom sehr teuer ist, oder weil den Kraftwerksbetreibern die Kosten für
die Abschaltung vergütet werden müssen.

Leitungsausbau auch bei Kraftwerksneubauten nötig

Diese Engpässe in der Stromversorgung können aus den angeführten Gründen durch den Bau eines neuen Kraftwerkes zwar gemildert werden, der steigende Strombedarf macht aber trotzdem den zusätzlichen Lückenschluss der 380-kV-Leitung vom Südburgenland ins steirische Kainachtal und die Verstärkung der Nord-Süd-Leitung notwendig, um Leitungsüberlastungen zu verhindern und die Versorgungssicherheit zu gewährleisten.

Kosten der Leitung

Die geplante 380-kV-Leitung zwischen Rotenturm im Südburgenland und Zwaring in der Südsteiermark hat eine Länge von 98 Kilometer. Die Investitionskosten dafür betragen rund 120 Millionen Euro samt Umweltmaßnahmen wie dem Abtragen der 100-kV- und 220-kV-Leitungen.

Neue Kraftwerke

Zusätzlich müssen neue Kraftwerke für die Stromversorgungssicherheit gebaut und aufgrund der langen Vorlaufzeiten jetzt geplant werden. Es gibt allerdings Pläne, die Kraftwerke St. Andrä und Voitsberg zu schließen, obwohl der Stromverbrauch jährlich wächst. Die Fertigstellung der 380-kv-Leitung und der Bau von Kraftwerken stärken den Wirtschaftsstandort Österreich, kurbeln die Bauwirtschaft an und schaffen und sichern Arbeitsplätze.

Die Rolle der erneuerbaren Energien

Der Bau vom Kraftwerken auf Basis erneuerbarer Energien alleine kann die Versorgungslücke nicht schließen. Die derzeit absehbaren Projekte können bestenfalls die Verbrauchssteigerungen für zwei bis drei Jahre abfangen.

Ein weiterer Ausbau ist unabhängig von der Finanzierbarkeit nur im Ausmaß der vorhandenen Ressourcen möglich und kann nicht unendlich gesteigert werden. Zudem verstärkt die unstetige Produktion der Windkraftanlagen das Netzproblem, weil einerseits die im Norden erzeugten Mengen abtransportiert werden müssen, andererseits die Ausgleichsenergie herangeschafft werden muss.

Ein Ausweg wäre höchstens die Abschaltung der Windkraftanlagen, wenn
sie zur unpassenden Zeit zuviel Strom liefern

1) Blackout: englisch »Verdunklung«, bedeutet einen totalen Stromausfall

R E S Ü M E E

Ohne überregionaler Planung des Kraftwerksbaues und der Netzkapazitäten ist die Stromversorgung im liberalisierten Markt auf die Dauer nicht zu sichern. Dazu ist aber ein klares Konzept notwendig, das im Rahmen eines Energieplanes von der Bundesregierung unter Beteiligung der Verbraucher und Erzeuger erarbeitet werden müsste.

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(C) AK und ÖGB

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