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Steuerwettbewerb nach unten

HINTERGRUND

Der Autor erklärt sehr deutlich die Tricks und Ausreden der Konservativen, die sich mit allen Mitteln davor drücken, einen Beitrag zur gesellschaftlichen Solidarität zu leisten. Neben der Ausrede Budgetdefizit und dem Standortschmäh ist dies die Steuerspirale, die sich nach unten dreht.

Die Ziele konservativer Gesellschafts- und Wirtschaftspolitik ändern sich nicht. Eines dieser Ziele der Konservativen war und bleibt es, die großen Unternehmen und reichen Einzelpersonen möglichst weitgehend davor zu schützen, auch nur einen Teil ihres Vermögens und ihres Einkommens im Sinne einer gesellschaftlichen Solidarität an weniger Bevorzugte abzugeben - also das Ziel, die Steuern für Unternehmen und Höchstverdiener auf ein niedriges Niveau abzusenken.

Den Menschen einreden …

Das Ziel bleibt zwar gleich. Aber in einer Demokratie ist es nicht klug, dieses Ziel offen einzubekennen. Daher muss eine solche Politik entsprechend verkauft werden. Man muss den Menschen womöglich einzureden versuchen, dass alles, was man als Konservativer will, auch in ihrem eigenen Interesse geschieht oder dass es zumindest aufgrund äußerer Umstände unvermeidlich ist.
Die von den Konservativen geforderte Politik stelle den einzigen vernünftigen und gangbaren Weg im Interesse des Landes, seiner Wirtschaft und aller in ihr Tätigen dar.

Von diesem konservativen Standpunkt aus gesehen sind viele staatliche Leistungen wie jene für soziale Sicherheit, für Ausbildung, für Infrastruktur, für Umwelt und so weiter höchst zweifelhaft und sollten jedenfalls radikal eingeschränkt werden. Am besten kann man solche Einschränkungen begründen, in- dem man dafür sorgt, dass der Staat dafür ganz einfach zu wenig Geld hat. Damit das glaubhaft wird, muss man den Staat finanziell aushungern.

Den Staat aushungern

Einer der Wege (wenn auch nicht der einzige) zur Aushungerung des Staates sind Steuersenkungen. Das hört sich immer gut an und ist daher populär. Wenn man es geschickt anlegt, gibt man dem »kleinen Mann« eine minimale Steuersenkung und gleichzeitig den Bestverdienenden und den Unternehmen eine maximale Steuersenkung. Damit das nicht auf allzu viel Widerstand stößt, behaupten die Unternehmer und ihre politischen Verbündeten, das sei zur Erhaltung des Leistungswillens und der Konkurrenzfähigkeit der Wirtschaft nötig und diene damit zur Sicherung des Standortes und der Arbeitsplätze.

Steuersenkungen vermindern die Staatseinnahmen und erhöhen die Budgetdefizite. Extrem hohe Defizite (wie sie zum Beispiel Reagan oder Bush junior mit Steuersenkungen in den USA ausgelöst haben) bringen den Staat allein durch den Zinsendienst früher oder später in arge Bedrängnis. Irgendwann, bei irgend einem Niveau, wird die Schuldenmacherei auch für reiche Länder unerträglich. Schon hat man ein unabweisbares Argument für Ausgabenkürzungen zur Hand. Es heißt dann: Selbst wenn diese Staatsausgaben von allen gewünscht werden, wir können uns das ganz einfach nicht mehr leisten. In der Politik herrscht dann das Diktat der leeren Kassen.

Ausrede Budgetdefizit

Um dem Argument mit den leeren Kassen noch zusätzlichen Nachdruck zu verleihen, haben seinerzeit die Deutschen in der EU noch einen volkswirtschaftlichen Unsinn wie den Stabilitätspakt mit einer Begrenzung der Defizite auf (punktgenau) drei Prozent durchgeboxt, der die staatlichen Möglichkeiten auch kurzfristig einengen soll. Aber auch wenn dieser Pakt heute zu recht kritisiert wird und - von fast allen anerkannt - abgeändert werden muss, so haben staatliche Defizite doch ihre Grenzen, die sich vor allem daraus ergeben, dass bei zu großen Staatsschulden der Zinsendienst für diese Staatsschulden unweigerlich so teuer wird, dass alle anderen Ausgaben des Staates gekürzt werden müssen.

Ausrede Konkurrenzfähigkeit

Gerade wegen der dauernden Ausreden auf die Budgetdefizite ist die Stimmung für Steuerreformen in der Bevölkerung und damit bei den Wählern eher flau. Daher der Griff zu dem Argument mit der Konkurrenzfähigkeit: Wir müssen die Steuern für die größeren Unternehmen (in Österreich ist das die Körperschaftsteuer) senken, weil sie in anderen europäischen Ländern, vor allem in den neu der EU beigetretenen Ländern, viel niedriger sind als bei uns. Wenn wir das nicht machen, werden unsere Unternehmen in diese Länder abwandern und wir verlieren die Betriebe und die Arbeitsplätze. Es geht uns nicht um unsere Gewinne, es geht uns um den Standort Österreich.

Für Betriebswirte ist dieses Argument von vornherein nicht sehr überzeugend. Sie wissen, dass Entscheidungen über einen Standort von vielen Faktoren abhängen. Nach allen Erfahrungen sind Gewinnsteuern dabei eher ein untergeordneter Faktor. Denn sie werden überhaupt erst dann interessant, wenn ein Unternehmen entsprechend große Gewinne gemacht hat. Und dafür sind viele andere Umstände von ausschlaggebender Bedeutung.

Wettbewerbsspirale dreht sich

Aber das Argument vom Standort (Österreich oder irgendein anderes betroffenes Land, in Deutschland, Frankreich usw. argumentieren die Unternehmer ebenso) klingt überzeugend und man kann - das ist ja das Ziel der Konservativen - damit einen Steuerwettbewerb nach unten auslösen. Weil ein anderes Land niedrigere Unternehmenssteuern hat als wir, müssen wir im Interesse unseres Standortes auch bei uns diese Steuern senken und zwar womöglich auf ein noch niedrigeres Niveau als unser Konkurrent. Die Spirale dreht sich nach unten. Der Staat wird finanziell ausgehungert, und unter dem Diktat der leeren Kassen muss man die staatlichen Leistungen senken oder womöglich sogar manche davon völlig abschaffen.

Die Argumente für eine Senkung der Unternehmenssteuern werden gerne mit Tabellen untermauert, auf denen »bewiesen« wird, dass diese Steuern im eigenen Land besonders hoch und in anderen Ländern weit niedriger sind. Solche Tabellen sind meistens eindrucksvoll, aber leider höchst problematisch. Denn bei der Besteuerung kommt es nicht nur auf die Höhe der Steuersätze sondern - im internationalen Vergleich sogar vor allem - auf die so genannte Bemessungsgrundlage an. Bei vielen solchen Tabellen werden aber nur die Steuersätze, also nur jene Prozentsätze von der Bemessungsgrundlage, die an den Staat als Steuer abzuführen sind, berücksichtigt.

Problematisch oder irreführend?

In Wirklichkeit funktioniert die Steuerberechnung so: Erst wird in einer betriebswirtschaftlichen Bilanz festgestellt, wie es einem Unternehmen tatsächlich gegangen ist, was der echte Gewinn war. Dieser Gewinn wird aber nicht zur Gänze versteuert. Versteuert wird nur die steuerliche Bemessungsgrundlage. Aufgrund nationaler Gesetze werden aus bestimmten (oft sogar nicht unplausiblen) Gründen Teile des Gewinnes bei der Steuerbemessung nicht berücksichtigt; meist nennt man das »Absetzungsmöglichkeiten«. Andere Umstände führen (als -Förderungen gewisser Aktivitäten) zu weiteren Verminderungen der Steuerbemessungsgrundlage. Die Be--messungs-grundlage ist daher in fast jedem Fall wesentlich niedriger als der betriebswirtschaftliche Gewinn. Und erst auf diese Bemessungsgrundlage wird der Steuersatz dann angewendet.

Tatsächliche Gewinne

Wenn man schon internationale Vergleiche anstellt, sollte man daher nicht die Steuersätze, sondern die tatsächlichen Steuerleistungen der Unternehmen gemessen an ihren tatsächlichen Gewinnen vergleichen. Das ist nicht ganz leicht, wird aber (mit einer gewissen Ungenauigkeit) sowohl von Forschungsinstituten als auch von Beratungsfirmen gemacht. Es ist sicher kein Zufall, dass Österreich bei solchen Vergleichen zu den Ländern mit relativ (zumindest gegenüber den Ländern der bisherigen EU) niedriger Unternehmensbesteuerung gehört. Man braucht bloß die Bilanzen vieler großer österreichischer Unternehmen, deren Aktien an der Börse hoch bewertet werden, anzuschauen, um zu sehen, wie wenig Körperschaftsteuer sie zahlen. Dementsprechend kann aber auch die Körperschaftsteuer nicht wirklich ein Faktor bei ihrer Standortwahl sein.

Körperschaftsteuer

Bei der Beurteilung der österreichischen Körperschaftsteuer und ihrem internationalen Vergleich sind noch einige weitere Sonderfaktoren zu beachten: Erstens ist der bei weitem größte Körperschaftsteuerzahler die Oesterreichische Nationalbank, die allein etwa ein Zehntel zum ganzen Körperschaftsteueraufkommen beiträgt; selbst für das eher »schlechte« Jahr 2003 führte sie fast 250 Millionen Euro an Körperschaftsteuer ab, für 2002 waren es über 500 Millionen Euro. Das führt optisch zu einem höheren Körperschaftsteuer-Ertrag des Staates, hat aber volkswirtschaftlich keine Bedeutung, weil der Gewinn der Nationalbank nach Zahlung der Körperschaftsteuer genauso zur Gänze an den Staat geht, wie die Steuer selbst. Daher unterliegt die jeweilige Nationalbank in vielen anderen Ländern nicht der Körperschaftsteuer.

Extrem großzügiges Stiftungsrecht

Zweitens hat Österreich mit seinem extremst großzügigen Stiftungsrecht eine Regelung geschaffen, mit der die wirklich Wohlhabenden in unserem Land ihre Gewinne weitgehend der Besteuerung entziehen können. Begründet wurde das damit, dass diese Gewinne sonst ins Ausland verschoben werden würden (oder bereits wurden). Kapital sei eben extrem mobil, beweglich. Um es im Inland zu halten, müsse man es mit weniger Steuer belegen, als im Ausland zu zahlen wäre.
Dieser Argumentationsgang hat, nebenbei bemerkt, für die Konservativen noch einen Vorteil: Die Lohnsteuer braucht man nicht an niedrigere ausländische Sätze anzupassen. Denn Unternehmer können (zumindest bis zu einem gewissen Ausmaß) bestimmen, wo sie produzieren und wo ihre Gewinne anfallen und versteuert werden, aber Arbeitnehmer (außer vielleicht Spitzenmanager in internationalen Konzernen) können sich das Land ihres Arbeitsplatzes nicht nach den Steuersätzen aussuchen.

Verzicht auf Steuern?

Doch wie immer man die internationalen Vergleiche der Unternehmenssteuern berechnet und bewertet, wie und was immer man vergleicht, die tatsächliche Unternehmensbesteuerung ist in manchen der neu der EU beigetretenen Länder auffällig niedrig, sogar niedriger als jene in Österreich. Wieso können sich diese Länder eine so niedrige Steuerbelastung ihrer Unternehmen leisten? Immerhin haben sie seit Jahrzehnten zu wenig in ihre Infrastruktur investiert und haben hier einen gigantischen Nachholbedarf. Sie müssen aufgrund ihrer Vereinbarungen mit der EU gewaltige Summen für den bisher vernachlässigten Umweltschutz ausgeben.

Lösung: Förderungsgelder der EU

Sie haben ebenso wie die westlichen Länder bei einer womöglich noch niedrigeren Geburtenrate eine große ältere Generation zu finanzieren, die nichts fürs Alter ansparen konnte. Sie haben im Ausbildungsbereich, vor allem an den Universitäten, viel aufzuholen. Die Liste kann man lange fortsetzen.

Auf Steuern verzichten, obwohl man so große Ausgaben hat - wie löst man dieses Dilemma? Die Antwort ist relativ einfach. Diese Länder rechnen auf gewaltige Förderungen aus dem EU-Budget. Die Nettobeitragszahler der EU (zu denen auch Österreich zählt) zahlen fleißig in den gemeinsamen Topf ein und die neuen EU-Mitglieder werden aus diesem Topf kräftig gefördert.

Ungerechtigkeit und Unsicherheit im Detail

Diesen ganzen Kreislauf muss man sich genau ansehen, um die ganze Ungerechtigkeit und Unsinnigkeit im Detail zu begreifen:

  1. Die neuen Beitrittsländer bekommen gewaltige Subventionen von der EU, um ihren Nachholbedarf bei öffentlichen Leistungen zu finanzieren.
  2. Diese Subventionen werden aus den EU-Töpfen, welche die Nettobeitragszahler der EU wie Österreich speisen, finanziert.
  3. Wegen dieser Subventionen können sich die neuen Beitrittsländer eine nur geringe Besteuerung der Unternehmensgewinne leisten, ohne ihre Budgets völlig in Unordnung zu bringen.
  4. Mit Hinweis auf die niedrige Besteuerung der Unternehmen in den neuen Beitrittsländer üben die Unternehmer in den bisherigen EU-Mitgliedsstaaten Druck auf ihre Regierungen und Parlamente aus, ihrerseits in ihren Ländern die Unternehmensbesteuerung zu senken. Sie drohen damit (besonders häufig in Deutschland aber zum Beispiel auch in Österreich) sonst aus Wettbewerbsgründen ihre Betriebe und Arbeitsplätze in die neuen EU Länder mit ihrer niedrigeren Besteuerung zu verlagern.
  5. Sind sie erfolgreich und werden die Unternehmenssteuern in einem bisherigen EU-Land (wie in Österreich) mit dieser Begründung gesenkt, was deren konservativen Regierungen als Ausrede für jene Politik dient, die sie ohnedies gerne machen, dann steigt dort natürlich das Budgetdefizit. Das ist dann der willkommene Anlass, die öffentlichen Leistungen zu kürzen. - »Wir würden eh nicht wollen, aber das Defizit zwingt uns leider dazu.«

Das ganze Problem wäre aber bei weitem nicht so schwer zu lösen als es den Anschein haben mag. Eine durchaus taugliche und zielführende Lösung ist vom französischen Finanzminister Nicolas Sarkozy, aber auch von deutschen Politikern und in Österreich vom sozialdemokratischen EU-Abgeordneten Caspar Einem vorgeschlagen worden. Die EU als Gemeinschaft und die Nettobeitragszahler im besonderen dürfen sich einfach nicht mehr alles von den neuen Beitrittsländern gefallen lassen.

Die ganz einfache Lösung

Der direkte Weg, den Mitgliedsländern (den neuen und den alten) mit Stimmenmehrheit im EU-Rat eine Mindestbesteuerung vorzuschreiben, geht nicht. Denn die neoliberale englische Labour-Regierung hat darauf bestanden, dass Steuerrecht weiterhin in der EU nur einstimmig beschlossen werden kann. Und Tony Blair und die Seinen sind weiterhin große Fans eines Steuerwettbewerbs nach unten, obwohl gerade in Großbritannien (aus Geldmangel) die öffentlichen Leistungen in vielen Bereichen weit hinter denen im übrigen Europa zurückgeblieben sind.

Ein anderer Weg zum Ziel scheint aber durchaus erfolgsversprechend: Die EU beschließt, dass jene Staaten, deren Unternehmensbesteuerung unter einen festgelegten Mindestsatz absinkt, keine Förderungen aus dem EU-Topf mehr bekommen. (Nebenbei: Eine ähnliche Regelung besteht in Österreich, wo Gemeinden, die ihre Steuermöglichkeiten nicht ausschöpfen, keine Bedarfszuweisungen bekommen.)

Damit das ganze wirklich sinnvoll ist, kann es sich dabei nicht um Steuersätze, sondern nur um die effektive Besteuerung handeln.

Um diese festzustellen, wird man wohl einheitliche Grundsätze für die Berechnung der Steuerbemessungsgrundlage festlegen müssen.

Und dann muss man sich auf einen Mindeststeuersatz einigen und eventuell sogar auf einen Höchstsatz - dazwischen kann jedes Land die Unternehmensgewinne mit jenem Steuersatz belegen, den es für richtig hält und der seinen Bedürfnissen nach Staatseinnahmen entspricht.

Das wäre in der EU nichts grundsätzlich Neues. Es gibt ja schon einheitliche Grundsätze für die Berechnung der Mehrwertsteuer (was darf steuerfrei sein, wofür darf ein ermäßigter Steuersatz berechnet werden und was ist voll zu versteuern) und dazu einen Mehrwertsteuermindestsatz und Mehrwertsteuerhöchstsatz.

R E S Ü M E E

Vielleicht gibt es noch andere zielführende Lösungsansätze. Dieser liegt aber jedenfalls schon auf dem Tisch. Eines aber sollte außer Frage gestellt werden: So wie bisher kann und darf es nicht weitergehen.

Dass die neu beigetretenen EU Länder
a) über das EU-Budget Beihilfen von den bisherigen Mitgliedsländern kassieren, die sie dann
b) dazu verwenden, Unternehmen aus diesen Ländern mit niedrigen Steuersätzen in ihr Land zu locken, dass sie damit
c) eine Wettbewerbsspirale für eine immer niedrigere effektive Unternehmensbesteuerung in den bisherigen EU-Ländern auslösen, was letzten Endes
d) zu einer Verschlechterung der öffentlichen Leistungen in diesen Ländern führen muss, das können, sollen und wollen wir uns nicht bieten lassen. 

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(C) AK und ÖGB

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