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Koest 2003
Einkommensteuerspitzensätze 2003
Finanzierung der Sozialausgaben 2000

Ist der Sozialstaat noch zu retten?

SCHWERPUNKT

»Keinen Rahmen für die Wochenarbeitszeit« und »Abschaffung der Donnerstag-feiertage« forderte Hannes Androsch jüngst -in der »Presse«. Wenn in Medien und Politik über die Finanzierung von Sozialleistungen und Arbeitsrecht diskutiert wird, geht es meistens nur darum, wo, was und wie viel eingespart werden muss. Gibt es tatsächlich keine Alternativen zu Budgetkonsolidierung und Sparkurs?

Dass sozialstaatliche Leistungen »nicht mehr finanzierbar« seien, ist kein neuer Befund. In Deutschland kam der damalige FDP-Wirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorff im so genannten Lambsdorff-Papier bereits 1982 zu eben diesem Befund. Dass dieses Papier damals zum endgültigen Scheitern der von Helmut Schmidt geführten Koalitionsregierung von SPD und FDP führte, ist eine andere Geschichte.

Zwanzig Jahre später kommen einschlägige Befunde nicht mehr nur von eindeutig konservativer und wirtschaftsliberaler Seite. Inzwischen hört man, um beim Beispiel Deutschlands zu bleiben, praktisch Wortgleiches aus dem Mund des SPD-Kanzlers Gerhard Schröder. Und auch Schmidt, sein Vorvorgänger im Kanzleramt, lässt es sich nicht nehmen, mit Forderungen wie »Straffung und Kürzung der Ausbildungszeiten« oder weitere »Anhebung des regelmäßigen Rentenalters« ins Rampenlicht zu treten.

In Deutschland hat sich vor dem Hintergrund der sozialpolitischen Kürzungsprogramme inzwischen auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) in weitgehende Opposition zur SPD-geführten Regierung begeben. Teile der SPD drohen gar mit einer Abspaltung.

Österreichs Bundesregierung:
»Drohende Unfinanzierbarkeit«

In Österreich wird die diesbezügliche Debatte von Seiten der Regierung weniger offen geführt als in Deutschland. Nichts desto trotz steht im Regierungsprogramm der ersten FPÖ-ÖVP-Regierung unter dem Titel »Ein neuer sozialer Gesellschaftsvertrag« Folgendes zu lesen: »Die Neuordnung der Aufgabenteilung zwischen staatlicher und privater Sozialverantwortung gehört zu den großen Herausforderungen einer Sozialpolitik, die vor der drohenden Unfinanzierbarkeit und geringer sozialer Treffsicherheit immer teurer werdender Leistungen steht.«

In anderen Worten: Staatliche Sozialpolitik soll gedrosselt werden, während individueller Vorsorge größere Bedeutung zukommen soll.

Das Regierungsprogramm der zweiten schwarz-blauen Koalition vom 28. Februar 2003 kommt ohne solche »gesellschaftspolitischen Entwürfe aus". Hier dominieren stichwortartig aufgezählte Maßnahmen und Budgetzahlen. Die Mehrzahl von ihnen läuft auf Ausgabenkürzung im Sozialbereich hinaus, wobei insbesondere aus dem allgemeinen Budget stammende Zuschüsse zu den Sozialversicherungen reduziert oder eingefroren werden sollen.

Sozialstaat unter Druck

Was sind die Hintergründe für eine solche Politik bzw. droht mittelfristig tatsächlich die »Unfinanzierbarkeit des Sozialstaates«?

Wohlfahrtsstaatliche Politik ist während der letzten 25 Jahre grundsätzlich von unterschiedlicher Seite unter Druck geraten. Zu diesen veränderten Rahmenbedingungen zählen ein vergleichsweise geringeres Wirtschaftswachstum, die zunehmende Internationalisierung der Wirtschaft sowie eine zurückgegangene staatliche Steuerung. Damit einhergehend gewannen wirtschaftsliberal orientierte Ideen, ausgehend von den »Reaganomics« in den USA und dem britischen Thatcherismus an Bedeutung. Bezüglich der Finanzierbarkeit sozialstaatlicher Politik stellt sich vor diesem Hintergrund die Frage, ob es tatsächlich zunehmende Finanzierungsprobleme gibt, oder ob sich primär die Interpretation derselben geändert hat: in Richtung Leistungskürzung als einzig adäquat erscheinende Steuerungsoption.

28,5% des BIP für den Sozialstaat

In Österreich wurden zuletzt 28,5% des BIP für öffentliche Sozialausgaben aufgewendet. Österreich kommt damit etwa einen Prozentpunkt über dem westeuropäischen Durchschnitt zu liegen. Höher als in Österreich sind die Ausgaben für staatliche Sozialpolitik in Dänemark (29,5%), Deutschland (29,8%) und Schweden (31,3%). Niedriger sind sie insbesondere in Irland (14,6%) und Spanien (20,1%).

Österreich verzeichnete wie viele andere hoch entwickelte westliche Länder bis zum Beginn der 80er-Jahre eine Ausbauphase wohlfahrtsstaatlicher Politik.

Zu Beginn der 90er-Jahre ist noch einmal ein Ansteigen zu verzeichnen - nämlich auf den historischen Höchststand 29,9% im Jahr 1994 (unter anderem im Zuge der Einführung des Pflegegeldes).

Danach ging die Sozialleistungsquote vor dem Hintergrund diverser Einsparungsschritte wie den Sparpaketen zu Mitte der 90er-Jahre zurück.
Freilich müssen diese Daten vor dem Hintergrund des jeweiligen »sozialpolitischen Problemdrucks« betrachtet werden.

Höherer Problemdruck führt zu mehr Sozialausgaben

Höhere Sozialausgaben in Prozent des BIP bedeuten nicht immer, dass die sozialstaatlichen Leistungen großzügiger wurden.

Die Ausgaben können einfach auch aus dem Grund steigen, weil es beispielsweise mehr Arbeitslose gibt oder die Zahl der Pensionsbezieher (als Anteil an der Gesamtbevölkerung) größer wurde.

Beide Entwicklungen treffen für Österreich während der letzten 20 Jahre zu. Die Berechnung einer um die Arbeitslosenquote und den Anteil der über 60-jährigen Bevölkerung »bereinigten Sozialleistungsquote« bringt folgendes zu
Tage:

Die Gesamtsozialausgaben waren zuletzt - ins Verhältnis gesetzt zu diesen sozialpolitischen Belastungsfaktoren - nicht höher als im Jahr 1980, sondern sogar etwas niedriger.

Pensionssystem verursacht die höchsten Kosten

Die immer wieder aufflammende Diskussion um den angeblich um sich greifenden »Sozialmissbrauch« ließe vermuten, dass es insbesondere die Arbeitslosenversicherung und die Sozialhilfe sind, welche besonders große Anteile der Kosten der Sozialsysteme ausmachen. Es sind ja Bezieher solcher Leistungen, welche wiederholt des Sozialmissbrauches bezichtigt werden.

Ein Blick auf die Verteilung der Sozialausgaben nach unterschiedlichen Zwecken fördert jedoch zu Tage, dass die Kosten der Arbeitslosenversicherung und der Sozialhilfe vergleichsweise gering sind. Insgesamt entfallen weniger als fünf Prozent aller Sozialausgaben in Österreich auf »Arbeitslosigkeit« und nur gerade einmal zwei Prozent auf die Sozialhilfe inklusive Wohnbeihilfen. Die wirklich großen Brocken sind andere: Knapp 40% aller Sozialausgaben wurden in Österreich zuletzt im Bereich der Alterspensionen getätigt, über 24% entfallen auf den Gesundheitsbereich, knapp über zehn Prozent auf Familienleistungen und knapp unter zehn Prozent auf Hinterbliebenenpensionen.

Alternde Bevölkerung: unterschiedliche Interpretationen

Vor dem Hintergrund dieser Kostenverteilungsmuster ist es auch die Pensionsversicherung, die wiederholt im Zentrum so genannter »Reformbestrebungen« steht. Die Notwendigkeit solcher Maßnahmen wird mit dem Argument gestützt, dass unsere Bevölkerung »immer älter« werde. Um seriös zu bleiben, sollte diesbezüglich zwischen aktuellen und zukünftig erwartbaren Entwicklungen unterschieden werden. Faktum ist, dass der Anteil der über 60-Jährigen an der Gesamtbevölkerung zwischen 1980 und 2000 nur geringfügig zugenommen hat: von 19,1% auf 20,6%. Zugleich hat auch der Anteil der Personen im erwerbsfähigen Alter - und somit der potentiellen Beitragszahler - zugenommen (von 60,4% auf 62,3%). Was die zukünftige Entwicklung betrifft, sind die Prognosen jedoch ungünstig. Im Jahr 2001 entfielen auf eine Person im Alter über 59 Jahren zirka 2,9 15- bis 59-Jährige. Nach Prognosen von Statistik Austria wird sich das Verhältnis bis zum Jahr 2030 auf zirka 1:1,7 und bis zum Jahr 2050 weiter auf ca. 1:1,4 verschlechtern. Entscheidend ist in beitragsfinanzierten Systemen jedoch die Altersstruktur nur indirekt - was zählt ist vielmehr das Verhältnis von Beitragszahlern zu Pensionsbeziehern. Dieses Verhältnis wird in der Pensionsquote - der Zahl der aktuellen Pensionen je 1000 Beitragszahler - ausgedrückt. Im Jahr 2000 kamen auf 1000 Beitragszahler 619 Pensionen.

Nach Kalkulationen des Österreichischen Institutes für Wirtschaftsforschung (WIFO) kämen in einem »Status-Quo-Szenario«, das heißt bei einer Erwerbsquote auf dem heutigen Niveau, im Jahr 2030 auf 1000 Beitragszahler 864 Pensionen. Anders wäre die Situation jedoch, wenn die Erwerbsquote auf ein Niveau gesteigert werden könnte, wie es bereits heute in den skandinavischen Ländern üblich ist: In einem solchen »Nordland-Szenario« kämen im Jahr 2030 auf 1000 BeitragszahlerInnen 716 Pensionen, um 16% mehr als heute.

Besondere Probleme beitragsfinanzierter Systeme

Sozialstaatliche Maßnahmen können auf unterschiedliche Art finanziert werden. Eine wesentliche Unterscheidung ist dabei jene in Beitrags- versus Steuerfinanzierung. Im ersten Fall werden die Mittel des Sozialstaates durch Beiträge der Versicherten (und gegebenenfalls ihrer Arbeitgeber) aufgebracht, im zweiten durch das allgemeine steuerfinanzierte Budget. Die österreichischen Sozialsysteme sind insgesamt eindeutig beitragsdominiert. Zirka 65% der laufenden Sozialausgaben werden über Versicherungsbeiträge gedeckt, nur 35% über Steuern. Österreich besitzt damit im internationalen Vergleich ein versicherungsbeitragslastiges System.

In Dänemark werden z. B. weniger als 30% der Sozialausgaben über Beiträge finanziert. Sozialleistungen sind in dem skandinavischen Land universal konzipiert, weniger auf Erwerbsarbeit ausgerichtet und weisen ein hohes Niveau auf. Der Einkommensteuerspitzensatz beträgt allerdings 59% und ist damit Europarekord.

In beitragsfinanzierten Systemen schlagen veränderte Rahmenbedingungen wie Alterung der Gesellschaft oder gestiegene Arbeitslosigkeit direkt auf die Finanzierung der Sozialsysteme durch. Es verändert sich das Verhältnis von Beitragszahlern und Beitragsbeziehern. Erhöht sich der Anteil der BeitragsbezieherInnen, so stehen - bei fortgesetzter Beitragsfinanzierung - nur zwei Optionen zur Verfügung: Leistungskürzungen und eine Anhebung der Versicherungsbeiträge. Beide Optionen wurden in Österreich während der letzten 20 Jahre wiederholt wahrgenommen.

Tálos und Verzetnitsch für Wertschöpfungsabgabe

Ein zunehmendes Problem ergibt sich aus der Tatsache, dass immer größere Teile des Nationaleinkommens von den Sozialversicherungen beitragsmäßig nicht mehr erfasst werden. Vor diesem Hintergrund kommt der Politikwissenschafter Emmerich Tálos zu folgendem Schluss: »Insgesamt gehe ich davon aus, dass der im ausgehenden 19. Jahrhundert festgelegte Modus der Berechnung der Unternehmensleistungen auf Basis der Lohnsumme mittel-, vor allem aber langfristig ein vollends untauglicher sein wird - angesichts der weiter vorhandenen Rationalisierungspotentiale wie auch schon bisheriger Rationalisierungsschritte. Die Basis der Unternehmensleistungen muss also in jedem Fall ver--breitert werden, auch weil das gegenwärtige System den Einsatz der menschlichen Arbeitskraft extrem verteuert.« Dies bedeutet, dass die Finanzierung sozialstaatlicher Leistungen mittel- und langfristig verstärkt durch Steuern erfolgen müsste. Dabei ginge es vor allem darum, Unternehmen vermehrt zur Kasse zu bitten, die zwar hohe Umsätze oder Gewinne schreiben, zugleich jedoch nur wenige Mitarbeiter beschäftigen. Die österreichische Regierung entlastete dagegen einseitig die Unternehmen und kürzte den Körperschaftsteuersatz von 34% auf 25%. In New York, dem Herzen des kapitalistischen Musterlandes USA, beträgt dieser Satz übrigens stolze 40%!

»Der Faktor Arbeit muss entlastet werden«, fordert auch ÖGB-Präsident Fritz Verzetnitsch. »Wenn immer weniger Menschen immer mehr produzieren, dann ist es an der Zeit, EU-weit über die Einführung der Wertschöpfungsabgabe nachzudenken!« Der Wertschöpfungsbeitrag würde sich auf die gesamte Wertschöpfung eines Betriebes beziehen: Löhne, Gehälter, Gewinne, Abschreibungen, Zinsen, Mieten und ähnliches. Die Vorteile wären vor allem Kostenwahrheit (die Arbeitskosten im Verhältnis zur Produktivität gehören hierzulande zu den niedrigsten in der EU), geringe Belastung des Faktors Arbeit und last but not least trotz staatlicher Mehreinnahmen billigere Arbeitskräfte. Der Einsatz arbeitsintensiverer Technologien würde bestraft, Kündigungen
wären weniger lukrativ.

Stärkere Steuerfinanzierung?

Im aktuellen Regierungsprogramm ist im Kapitel »Pensionen« Folgendes nachzulesen: »Unter Zugrundelegung der Entwicklung des Bundesbeitrages ist es erforderlich, Maßnahmen zur Stabilisierung des budget-relevanten Finanzbedarfs unseres gegenwärtigen Pensionssystems zu setzen.« In anderen Worten: Die steuerfinanzierten Mittel aus dem Budget, welche in die öffentlichen Pensionsversicherungskassen zugeschossen werden, sollen - jedenfalls anteilsmäßig - eingefroren werden.

Dabei spielen allgemeine Budgetmittel in den unterschiedlichen Zweigen der Pensionsversicherung eine höchst unterschiedliche Rolle. Bei den Arbeitnehmern des Privatsektors (ASVG) kamen zuletzt (2002) nur 16% der Mittel aus dem Bundesbudget, bei den Selbständigen jedoch 56% und bei den Bauern sogar 88%. Dennoch sieht die »Pensionsharmonisierung« zum gegenwärtigen Stand der Diskussion keine Anhebung des Beitragssatzes der Selbständigen und Bauern auf das Niveau des ASVG vor. Insgesamt deuten die von der Bundesregierung in der Pensionsversicherung gegenwärtig verfolgten Reformoptionen in die Richtung, dass - jedenfalls im Bereich der Arbeitnehmer - alles unternommen wird, den steuerfinanzierten Anteil der Pensionsversicherung möglichst gering zu halten. Dies auch um den Preis weit reichender Leistungskürzungen. Dazu Emmerich Tálos: »Die Finanzierung des Sozialstaates war bisher in praktisch allen Ländern ein Mix - aus Beiträgen der Versicherten, der Arbeitgeber und öffentlichen Mitteln. Für Österreich ist vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Politik zu erwarten, dass sich das Gewicht dieser Komponenten verschieben wird. Es wird voraussichtlich Versicherungsbeiträgen in Hinkunft eine noch größere Bedeutung zukommen.« Wird ein primär beitragsfinanziertes Modell favorisiert, so stellt die Anhebung der Versicherungsbeiträge vor dem Hintergrund der erwartbaren demographischen Veränderungen längerfristig die einzige Alternative zu Leistungskürzungen dar. »Eine Anhebung der Beiträge ist riskant, weil sie den Faktor Arbeit noch mehr verteuern würde. Dieser Weg erscheint von daher nicht zielführend, vielmehr müssten andere als beitragsorientierte Finanzierungsquellen erschlossen werden.«

Neue Steuern?

Allerdings scheint es gegenüber einer zunehmenden Steuerfinanzierung von Seiten der Regierungen in vielen europäischen Ländern weit reichende Vorbehalte zu geben. Nicht nur das. In diversen Ländern lässt sich ein dominanter Kurs in Richtung steuerlicher Entlastung ausmachen. Der aktuelle Steuerkürzungstrend scheint auch vor der Einkommensteuer nicht Halt zu machen. So ist beispielsweise die rot-grüne Regierung in Deutschland gerade dabei, den einstigen Spitzensteuersatz von 53% auf 42% zu senken. Unsere slowakischen Nachbarn haben überhaupt eine »Flat tax« mit einem für alle einheitlichen Steuersatz von 19% eingeführt. Das hat auch hierzulande »neue« Diskussionen ausgelöst, vor allem FPÖ und Finanzminister Grasser stehen einem Einheitssteuersatz positiv gegenüber. Eine derart große Entlastung der höheren Einkommen würde freilich die Sozialbudgets weiter aushöhlen und jegliche Umverteilungswirkung beseitigen.

Massive Finanzierungsprobleme führten übrigens selbst in den USA dazu, dass der ehemalige Präsident Bill Clinton die radikalen Steuersenkungen seines Vorvorgängers Ronald Reagan zum Teil wieder rückgängig machte. So erhöhte Clinton den Spitzensteuersatz von 31% auf 41%. Auch in Schweden wurde die Einkommensteuer nach vorübergehenden Kürzungen wieder massiv angehoben. Die Behauptungen, dass hohe Steuersätze und Sozialausgaben Wirtschaftswachstum und Wettbewerbsfähigkeit unterbinden, konnte im Fall Schweden nicht nachgewiesen werden. Der Spitzensteuersatz liegt dort nun wieder bei 57% (gegenüber 50% in Österreich), auch Kürzungen im Sozialbereich sind wieder rückgängig gemacht worden.

Es erscheint aus Gerechtigkeitsgründen nicht unlogisch, neben Einkommen und Gewinn auch Vermögen zu besteuern. Erstens hat die Vermögensteuer eine Umverteilungswirkung, zweitens »bestraft« sie Leute, die massiv Vermögen horten und der Volkswirtschaft entziehen. Es müssten nämlich auch dann Steuern bezahlt werden, wenn keine Gewinne und kein Einkommen erwirtschaftet werden, weil die Vermögensteuer das gesamte Betriebs- und Privatvermögen umfasst: Grundstücke, Waren, Maschinen, Fahrzeuge, Vieh etc.

In vielen europäischen Staaten von Spanien bis Finnland gibt es eine Vermögensteuer. In der Schweiz ist sie z. B. in ausschließlicher Kompetenz der Kantone und wird nach progressiven Steuersätzen berechnet. In Zürich werden etwa alle Vermögen über ca. 45.000 Euro mit einem Steuersatz zwischen 0,11% und 0,67% bedacht, in einigen Kantonen ist die Freibetragsgrenze niedriger und der Satz etwas höher. Weniger komplex ist das schwedische Vermögensteuermodell, alles Vermögen über ca. 110.000 Euro wird mit einem Steuersatz von 1,5% belastet.

Österreich hat die Vermögensteuer übrigens 1993 abgeschafft. Emmerich Tálos gibt diesbezüglich zu bedenken, dass durch »Finanzierungsmodelle im Wege von Vermögensteuern« generell »der Budgetspielraum erhöht wird, was in Zukunft mit Sicherheit notwendig sein wird«.»Nicht uninteressant« seien laut Tálos auch »Modelle, in welchen, wie in der Bundesrepublik Deutschland, über Ökosteuern zusätzliche Mittel lukriert werden. So etwas ist grundsätzlich zu begrüßen.«

Die ökologische Steuerreform zielt einerseits auf eine stärkere Belastung des Energieverbrauchs ab, um auf der anderen Seite die Beiträge zur Pensions- und Arbeitslosenversicherung zu senken. Während dadurch Energieverbrauch und energieintensive Produktion teurer werden, sinken gleichzeitig die Lohnnebenkosten, der Kostenfaktor Arbeit wird billiger. Durch die Einführung der so genannten »Ökosteuer« in Deutschland konnten 250.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Die Ökosteuer sieht eine jährliche Erhöhung des Benzinpreises, der Stromsteuer und des Heizöls nach festgelegten Mindestsätzen vor. Zu bedenken ist in diesem Zusammenhang aber, dass die Verteuerung von Energie auf die Verbraucherpreise umgelegt wird und damit sämtliche Haushalte belastet. Außerdem wurden in Deutschland für Produktionsbetriebe ermäßigte Steuersätze auf Strom und Heizöl ausgehandelt. In der deutschen Praxis bedeutet das, dass die Ökosteuer ähnlich der Mehrwertsteuer eine regressive Verteilungswirkung nach sich zieht: Ärmere Haushalte geben einen höheren prozentuellen Anteil des Einkommens ab als besser Verdienende. Ein Ökosteuermodell, welches statt reiner Aufkommensneutralität und großzügiger Ausnahmeregelungen für die Wirtschaft zusätzliche Mittel für das Staatsbudget lukriert, könnte dagegen durchaus eine Finanzierungsoption für das soziale Sicherungssystem sein.

 
I N F O R M A T I O
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Von den Autoren dieses Beitrags erscheint unter dem Titel »Finanzierung des Sozialstaates« im Rahmen der VÖGB/AK-Skriptenreihe eine ausführlichere Abhandlung des Themas. Dort finden sich auch Quellen und Literaturangaben.

Bestellung: 01/534 44/444

 
R E S Ü M E E


Steuersenkungen und Kürzungen des Sozialbudgets sind keine Einbahnstraßen. Viele internationale Beispiele zeigen uns, dass Kürzungen und Einsparungen wieder rückgängig gemacht werden können und hohe Steuern nicht zwangsläufig die Wettbewerbsfähigkeit oder das Wirtschaftswachstum behindern. Neben Einkommens- und Körperschaftssteuer gäbe es zahlreiche Möglichkeiten und Konzepte, um die Finanzierung von Sozialleistungen auch in der Zukunft sicherzustellen. Vermögensteuer, Anhebung der Sozialversicherungsbeiträge, Ökosteuer und Wertschöpfungsabgabe sind nur einige von vielen Beispielen, die als Diskussionsgrundlage dienen können und sollen. Entscheidend ist wie so oft nicht die ökonomische Machbarkeit, sondern der politische Wille!

Autoren:
Martin Bolkovac (Mitarbeiter im Verband Österreichischer -Gewerkschaftlicher Bildung - VÖGB)
Marcel Fink (Mitarbeiter im Institut für Staatswissenschaft und vergleichende Gesellschaftswissenschaft an der Universität Wien)

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