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Kommentar | Verteilungsgerechtigkeit und Umverteilungsoptionen in Österreich

SCHWERPUNKT

Verteilungsgerechtigkeit ist in vielen Ländern ein explizites wirtschaftspolitisches Ziel, wiewohl vielfach unklar bleibt, was darunter verstanden wird: Denn wann ist eine Verteilung als »gerecht« anzusehen? Darüber wird kaum diskutiert, allerdings lassen sich Rückschlüsse auf die entsprechende Interpretation im Hinblick auf die konkrete Ausgestaltung der politischen Maßnahmen ziehen. Beispielsweise ist ein großer Teil der österreichischen sozialen Sicherung, wie etwa die Pensions- und Arbeitslosenversicherung, nach einem liberalen Gerechtigkeitsprinzip organisiert. Diejenigen, die hohe Beiträge in die Sozialversicherung einzahlen, erhalten auch hohe Sozialleistungen zurück (eine eingeschränkte Umverteilung wird nur am unteren Rand der versicherten Beschäftigten vorgenommen). Gerechtigkeit wird damit primär als Leistungsgerechtigkeit verstanden: wer mehr einzahlt, soll auch mehr bekommen.

Leistungs- und Bedarfsgerechtigkeit

In anderen Bereichen der Sozialpolitik steht eine egalitaristische Gerechtigkeitsvorstellung im Vordergrund. Beispielsweise spielt die Höhe der Beitragszahlungen für die Inanspruchnahme von Leistungen der österreichischen Krankenversicherung, die immerhin 98 Prozent der Bevölkerung deckt, keine Rolle. Eine andere Form der Bedarfsgerechtigkeit kennzeichnet das zweite soziale Netz in Österreich. Nicht der Bedarf der/des Einzelnen wird berücksichtigt, sondern derjenige ihrer/seiner Familie - mit dem Effekt, dass vor allem Frauen als nicht bedürftig interpretiert werden und - statt dem Bezug einer eigenständigen Sozialhilfe, Notstandshilfe oder Ausgleichszulage - in finanzieller Abhängigkeit vom Partner verbleiben.

Arbeitslosigkeit drückt Lohnquote

Wird unter Verteilungsgerechtigkeit eine Verringerung der Einkommensdispersion in der Bevölkerung verstanden, dann gibt es neben den Möglichkeiten der Umverteilung durch soziale Transferleistungen viele weitere Optionen. Beispielsweise kann im Rahmen der Einnahmenpolitik des Staates (und damit im Bereich der Besteuerung) auf die Umverteilung eingewirkt werden. In Österreich ist etwa die Quote der direkten Steuern (vor allem der Besteuerung von Vermögen) im Vergleich zu anderen EU-Staaten relativ gering. Eine stärkere Besteuerung von Vermögen im Rahmen der Steuerpolitik würde damit nicht nur eine zusätzliche Einkommensquelle für den Finanzminister darstellen, sondern vor allem auch Umverteilungswirkungen zeitigen. Eine weitere Einnahmenmöglichkeit betrifft die häufig zitierte, von der Umsetzung aber wohl noch weit entfernte Option der Wertschöpfungsabgabe bzw. der »Maschinensteuer«. Diese könnte nicht zuletzt zu einer Entlastung der hohen Lohnnebenkosten in Österreich führen, wenn sie alternativ zu Lohnsummensteuern eingeführt würde.

Neben Staatsausgaben in Form von sozialen Transferleistungen und Staatseinnahmen in Form von Steuern und Abgaben gibt es weitere Möglichkeiten, die Einkommensverteilung in Österreich zu beeinflussen. Beispielsweise könnten die Primäreinkommen direkt beeinflusst werden, und damit jene Markteinkommen, die vor Abzug von Steuern und Abgaben und vor Erhalt von Transferleistungen erzielt werden. So ist etwa die Festsetzung eines branchenübergreifenden Mindesteinkommens eine zwar viel geforderte, aber noch immer nicht umgesetzte Option zur Verringerung der Einkommensschere. Dieses würde - in angemessener Höhe - nicht nur zur Beseitigung der Problemlage der Working Poor beitragen, sondern auch dazu, Niedriglohnjobs nicht zu langfristigen Armutsfallen werden zu lassen. Alternativ müssten Lohnsteigerungen vor allem den unteren Lohnsegmenten zugute kommen. 

Bereinigte Lohnquote hat abgenommen

In diesem Zusammenhang ist darauf zu verweisen, dass die bereinigte Lohnquote in den letzten zwei Jahrzehnten deutlich abgenommen hat.

Dies bedeutet, dass ein immer kleiner werdender Teil der Gesamteinkommen in Österreich den unselbständig Beschäftigten zugute kommt (und ein immer größer werdender Teil den Gewinnen und Erlösen selbständiger Unternehmer und des »Kapitals«).

Eine Erklärung für diese Entwicklung liegt in der zunehmenden Arbeitslosigkeit, die nicht zuletzt die Verhandlungsposition der Gewerkschaften schwächt. Da es sich bei der negativen Entwicklung der Lohnquote allerdings um einen EU-weiten Trend handelt, steckt neben sozialpartnerschaftlichen Machtverschiebungen wohl auch wirtschaftspolitisches Kalkül dahinter: Kapital wird schlicht besser behandelt als Arbeit.

Dies gilt für Österreich im Übrigen auch im Hinblick auf seine steuerliche Behandlung, da die Nettolohnquote im Gegensatz zur Bruttolohnquote sogar noch stärker gefallen ist.

Welche Gerechtigkeit?

Möglichkeiten zur Beeinflussung der herrschenden Einkommensverteilung gibt es damit zur Genüge.

Allerdings fehlt eine wichtige Basis für grundlegende politische Reformen: die Diskussion über die Art der Gerechtigkeit, die Österreich anstreben will.

Ohne eine diesbezügliche Grundsatzentscheidung wird Österreich zwischen einander widersprechenden Gerechtigkeitsmodellen stecken - und die Forderung nach mehr Gerechtigkeit auf der Strecke bleiben.

Abdruck mit freundlicher Genehmigung aus:
»INFOS Bischöfliche Arbeitslosenstiftung«,
Stifterstraße 28/2, 4020 Linz, 0732/78 13 70,
arbeitslosenstiftung@dioezese-linz.at

 

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