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EWSA für neue EU-Wirtschaftspolitik

HINTERGRUND

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA), die Vertretung der Sozialpartner und der sonstigen repräsentativen Verbände der Zivilgesellschaft in Brüssel (siehe Kasten), verabschiedete vor kurzem eine Stellungnahme zu dem EU-Dokument »Grundzüge der Wirtschaftspolitik«. In diesem Dokument, das der Rat der EU aufgrund eines Textvorschlages der Europäischen Kommission jährlich beschließt, wird die grundsätzliche Ausrichtung der Wirtschaftspolitik in der gesamten EU festgelegt.

Die mit überwältigender Mehrheit (nur fünf Gegenstimmen) beschlossene Stellungnahme des EWSA dazu beinhaltet eine harte Kritik an der erfolglosen europäischen Wirtschaftspolitik und fordert eine grundsätzliche Neuorientierung.

Die Wirtschaftspolitik der EU …

Was sind nun die Grundpfeiler der Konzeption der Wirtschaftspolitik, wie sie seit Jahren weitgehend unverändert von EU-Kommission und Europäischem Rat gepredigt werden?

Kurz zusammengefasst könnte man sagen, die »Grundzüge der Wirtschaftspolitik« der EU beruhen auf drei Säulen:

Erstens soll die makroökonomische Politik (also die drei großen Bereiche Budgetpolitik, Geldpolitik und Lohnpolitik) für Stabilität sorgen;

zweitens sollen so genannte Wirtschaftsreformen zu besser funktionierenden Märkten (Arbeits-, Güter- und Kapitalmärkte) und damit zu besserer Wettbewerbsfähigkeit führen, und

drittens muss die wirtschaftliche, soziale und ökologische Nachhaltigkeit gebührend berücksichtigt werden, um zu gewährleisten, dass die Bemühungen auch längerfristig die gewünschten Resultate bringen.

… als Bremse für Wachstum und Beschäftigung

Was steckt hinter diesen - auf den ersten Blick gar nicht so unvernünftig erscheinenden - Empfehlungen? Zuerst zu den drei großen makroökonomischen Politikbereichen:

Unter einer »stabilitätsorientierten Budgetpolitik« versteht die EU vor allem, dass die Vorgaben des Stabilitäts- und Wachstumspaktes strikt eingehalten werden müssen. In der Ausgabe vom Jänner 2004 (Seite 20) erschien in »Arbeit&Wirtschaft« ein ausführlicher Beitrag von Thomas Lachs, in welchem die ökonomischen Unsinnigkeiten dieses Paktes - der im Übrigen ein reiner »Stabilitätspakt« ist, denn mit »Wachstum« hat er kaum zu tun - ausführlich dargestellt werden. Das Grundproblem dieses Paktes liegt darin, dass dem Ziel, ausgeglichene öffentliche Haushalte (oder gar Budgetüberschüsse) zu erreichen, gegenüber dem Wirtschafts- und Beschäftigungswachstum absolute Priorität eingeräumt wird. Der Pakt verpflichtet die Finanzminister auch dann zum Sparen, wenn aufgrund niedriger privater Nachfrage besonderer Bedarf danach bestünde, dass durch öffentliche Ausgaben die Nachfrage, also Konsum und Investitionen und damit Wachstum und Beschäftigung, stimuliert werden. Das Grundübel des Paktes besteht im Ignorieren eines fundamentalen Zusammenhanges: Bei schwachem Wirtschaftswachstum fallen auch die Steuereinnahmen des Finanzministers niedriger aus und das Budgetdefizit steigt. Wenn dann das Defizit aber reduziert werden soll, müssen Staatsausgaben gekürzt werden, was dämpfend auf die Nachfrage wirkt und damit das Wachstum weiter bremst - also ein Teufelskreis!

Schrittchen und Schritte

Wie sich die EU eine »stabilitätsorientierte Geldpolitik« vorstellt, wurde uns in den letzten Jahren von der Europäischen Zentralbank (EZB) demonstriert. Geldwertstabilität um jeden Preis heißt das Ziel, Inflationsbekämpfung steht im Zentrum, auch wenn es nichts zu bekämpfen gibt. Als 2001 weltweit die Konjunktur einbrach und sich davon in der Folge in Europa bis heute nicht nachhaltig erholte, wagte die EZB erst viel zu spät und zu zaghaft einige kleine Zinssenkungsschrittchen, nachdem die Nachfrage und das Vertrauen der Investoren längst abgesackt waren.

Was die Lohnpolitik betrifft, so fordern die »Grundzüge«, dass die Nominallohnerhöhungen mit Preisstabilität und Produktivitätsgewinnen vereinbar sind. Dieser im Grunde nicht unvernünftige Ansatz wird in den nachfolgenden Sätzen jedoch mit Ausdrücken wie »moderat«, »zurückhaltend« oder »bescheiden« präzisiert, und spätestens wenn gefordert wird, dass die Lohnerhöhungen eine Erholung der Gewinne ermöglichen sollen, wird klar, dass es dabei nicht um eine »produktivitätsorientierte Lohnpolitik« geht, sondern vielmehr um eine Umverteilungsstrategie zu ungunsten der Arbeitnehmer.

Irrglaube

Hinter den in den »Grundzügen« geforderten so genannten Wirtschafts- und Strukturreformen, die zum besseren Funktionieren der Märkte beitragen sollen, verbirgt sich nichts Anderes als der Ruf nach Liberalisierung, Deregulierung, Flexibilisierung und Privatisierung. Wir haben es also wieder einmal mit dem weit verbreiteten neoliberalen Irrglauben zu tun, dass Wachstumsschwäche und Arbeitslosigkeit auf zu starre Arbeitsmärkte und auf zu großzügige Sozialsysteme zurückzuführen seien. Denn »Arbeit müsse sich wieder lohnen«, meinen die »Grundzüge«, und dazu müssen die Arbeitsmärkte flexibler und »relativ großzügige Sozialleistungssysteme oder Vorruhestandsanreize« zurechtgestutzt werden. In der Terminologie der »Grundzüge« liest sich dies so: »Die Ausgestaltung und Handhabung für Leistungsbezugsvoraussetzungen verbessern, um die Arbeitsaufnahme zu fördern; die Struktur der Lohnersatzrate prüfen; die Höhe, die Bezugsdauer und/oder die Bedürftigkeitskriterien für den Fall von Leistungen überdenken.«

Kinderbetreuung und Teilzeit

Gerechterweise muss man hinzufügen, dass dieses Kapitel der »Grundzüge« durchaus auch positive Empfehlungen enthält, wie zum Beispiel: Es wird die Notwendigkeit von ausreichenden Kinderbetreuungseinrichtungen betont, um insbesondere Frauen die Arbeitsaufnahme zu erleichtern; es werden Teilzeitjobangebote für diejenigen gefordert, die dies wünschen (also ausdrücklich auf freiwilliger Basis!); größerer Zusammenhalt und die Einbindung der Sozialpartner bei Reformen sei wichtig.

Es wird auch die Bedeutung von Investitionen, insbesondere in Wissen und Innovation betont sowie die Rolle der EU-Ebene für Investitionen in Schlüsselbereiche der Infrastruktur wie etwa die transeuropäischen Netze. Auch die Forderung nach universeller Verfügbarkeit und hoher Qualität von Leistungen der Daseinsvorsorge ist voll zu unterstützen.

Auch im dritten großen Abschnitt, nämlich über die Nachhaltigkeit, gibt es Licht und Schatten. Positiv ist etwa, dass erkannt wird, dass bezüglich der sozialen Nachhaltigkeit Arbeit und damit die Schaffung von Arbeitsplätzen den besten Schutz gegen Armut und soziale Ausgrenzung darstellt, oder dass die Modernisierung der Sozialschutzsysteme unter Wahrung eines angemessenen Niveaus der sozialen Sicherung erfolgen muss. Auch Forderungen zur ökologischen Nachhaltigkeit, wie etwa nach einer konsequenteren Anwendung des Verursacherprinzips und mehr Kostenwahrheit im Verkehrssektor sind zu begrüßen.

Dreigleisig

Zur wirtschaftlichen Nachhaltigkeit verweisen die »Grundzüge« auf die im Jahr 2001 in Stockholm beschlossene dreigleisige Strategie: Steigerung der Beschäftigungsquote, Verringerung der Staatsverschuldung sowie Reformen der Renten- und Gesundheitssysteme. In dieser allgemeinen Form erscheinen die Ansätze sinnvoll, natürlich kommt es letztendlich auf die Details an. Dazu ein Beispiel: eine Erhöhung des effektiven Renteneintrittsalters kann sinnvoll sein, aber nur wenn sie freiwillig erfolgt und entsprechende Arbeitsplätze vorhanden sind.

Denn sonst bedeutet dies bloß steigende Altersarbeitslosigkeit oder Rentenkürzungen. Erfreulich ist, dass im Gegensatz zu früher nicht mehr auf eine Umstellung der Rentenfinanzierungssysteme weg vom (öffentlichen) Umlageverfahren auf ein (privates) Kapitaldeckungsverfahren gedrängt wird. Die negative Entwicklung der Aktienmärkte und damit der privaten Pensionsvorsorgen in den letzten Jahren scheinen also nicht ohne Einfluss geblieben zu sein.

Abschließend fordern die »Grundzüge« speziell für das Euro-Gebiet eine bessere Koordinierung der Wirtschaftspolitik, was in einer Währungsunion eigentlich selbstverständlich sein sollte.

Stagnation ist auch Stabilität!

Diese seit Jahren unveränderte Konzeption der europäischen Wirtschaftspolitik wird vom EWSA zu Recht als erfolglos bezeichnet. Zu Beginn dieses Jahrhunderts waren weltweit alle Wirtschaftsräume von einem massiven Konjunktureinbruch betroffen. In den USA und in Japan gelang rasch eine Wiederbelebung, da die Wirtschaftspolitik entschlossen und massiv die Nachfrage ankurbelte. Die US-Zentralbank senkte die Leitzinsen von 6,5 Prozent im Jahr 2000 auf ein Prozent, und der Budgetsaldo drehte sich von einem Plus von 1,1 Prozent des BIP im Jahr 2000 auf ein Minus von über fünf Prozent im Jahr 2003. Damit wurde den Investoren und Konsumenten klar gemacht, dass eine Krise ohne Rücksicht auf Budgetdefizite oder steigende Inflation verhindert werden soll.

Die EU dagegen verzichtete als einziger großer Wirtschaftsraum auf eine aktive makroökonomische Politik, welche die Nachfrage und damit Wachstum und Beschäftigung ankurbelt. Die EU setzte weiterhin auf eine einseitig angebotsorientierte Wirtschaftspolitik, also eine stabilitätsfördernde Wirtschaftspolitik mit kostensenkenden Flexibilisierungsmaßnahmen.

So eine Politik wirkt allerdings wachstumsdämpfend, und sie kann den herrschenden Mangel an Nachfrage, vor allem von Investitionen, nicht beheben. Wenn durch niedrige Einkommen und hohe Arbeitslosigkeit die Nachfrage der Haushalte schwach ist, werden auch noch so günstige Angebotsbedingungen und niedrige Kosten die Unternehmer nicht zum Investieren bringen. An wen sollten sie ihre Produkte verkaufen?

Somit trug die europäische Wirtschaftspolitik wesentlich dazu bei, dass auch heuer die Arbeitslosenzahlen wieder ansteigen und Europa als einziger großer Wirtschaftsraum nach drei Jahren extrem niedrigen Wachstums noch immer keinen Wiederaufschwung geschafft hat. Diese Stagnation kann doch nicht die von der EU gewünschte »Stabilität« sein?

EWSA fordert aktive Wachstumspolitik

Der EWSA analysiert in seiner Stellungnahme: Die bisherige angebotsorientierte Politik der EU vernachlässigte die Tatsache, dass sich im Wirtschaftskreislauf Angebot und Nachfrage die Waage halten müssen. Daher bedarf es einer grundsätzlichen Neuausrichtung der Wirtschaftspolitik und einer Beseitigung der innereuropäischen Blockaden für eine nachhaltige Belebung von Wachstum und Beschäftigung. Wir brauchen eine aktive, auf Nachfragewachstum ausgerichtete und koordinierte Politik mit dem erklärten Ziel der Vollbeschäftigung. Die EU muss sich wieder auf ihre internen Kräfte stützen und darf nicht - wie bisher - passiv darauf warten, dass man an der Wachstumsbelebung der übrigen Welt als »Trittbrettfahrer« (in Form von höheren Exporten) mitnaschen kann.

Von der Budgetpolitik fordert der EWSA, dass diese klar den Zielen Wachstum und Beschäftigung anstatt einem diffusen Stabilitätsbegriff verpflichtet sein soll. Zusätzliches Sparen bei niedrigem Wirtschaftswachstum wird als kontraproduktiv abgelehnt. Die undifferenzierte Betrachtung von Budgetsalden (Nulldefizit, oder höchstens drei Prozent des BIP pro Jahr) soll durch eine bessere Analyse von strukturellen und qualitativen Aspekten ersetzt werden. Denn es macht einen wesentlichen Unterschied aus, ob ein Defizit durch höhere Repräsentationsausgaben verursacht wird oder etwa durch Infrastrukturinvestitionen. Wenn letztere, zum Beispiel Schulen, mehreren Generationen zugute kommen, wäre es im Sinne der Generationengerechtigkeit auch anzustreben, diese Kosten über mehrere Generationen zu verteilen. Jedenfalls müsste der Stabilitäts- und Wachstumspakt so neu interpretiert werden, dass die Haushaltspolitik auf unterschiedliche Wirtschaftslagen auch angemessen reagieren kann. Denn ein Schuldenabbau ist sicherlich anstrebenswert, doch wird dieser durch eine rasch wachsende Wirtschaft viel leichter erreicht werden als durch knausrige Finanzminister.

Geldpolitik

Auch die Geldpolitik darf nicht isoliert nur die Inflationsdämpfung als einziges Ziel verfolgen. Der EWSA verlangt, die Europäische Zentralbank (EZB) auf ein viel weiter gefasstes Stabilitätsziel zu verpflichten, das neben der Geldwertstabilität auch die Stabilität von Wachstum, Vollbeschäftigung und des Systems des sozialen Zusammenhaltes beinhaltet. Eine in diesem Sinne verantwortungsvolle und pragmatische Geldpolitik hätte - wie in den USA - schon im Falle eines sich androhenden Abschwunges entschlossen gegensteuern müssen. Zinssenkungen erst ein halbes Jahr nach Eintreten eines Abschwunges sind nicht hilfreich, wenn die Zuversicht der Investoren gestützt werden soll.

Zur Lohnpolitik stellt der EWSA fest, dass Löhne nicht nur als Kostenfaktor der Unternehmen gesehen werden dürfen. Denn diese einseitige Sicht übersieht, dass im Wirtschaftskreislauf Löhne auch den größten Bestimmungsfaktor der Inlandsnachfrage darstellen. Eine ausgeprägte Lohnzurückhaltung schwächt also die Gesamtnachfrage und damit Wachstum und Beschäftigung. Eine verantwortungsvolle Lohnpolitik muss daher gleichermaßen Verantwortung für die Angebotsseite (Kosten- und Preisentwicklung) und für die Nachfrageseite (Konsum, Wachstum) übernehmen. Eine mittelfristige Orientierung des Lohnzuwachses am jeweils nationalen gesamtwirtschaftlichen Produktivitätsfortschritt und der Inflation entspräche am besten der Balance zwischen ausreichender Nachfrageentwicklung und Wahrung der preislichen Wettbewerbsfähigkeit.

Effiziente Koordinierung fehlt

Mittlerweile existiert zwar eine gemeinsame europäische Währung, aber eine dazu passende gemeinsame europäische Wirtschaftspolitik fehlt. Die Notwendigkeit einer gegenseitigen Abstimmung von Haushalts-, Geld- und Lohnpolitik wird zwar in Sonntagsreden, bei Ratsgipfeln und auch in den »Grundzügen« immer wieder betont, doch blieb der so genannte »Köln-Prozess« des makroökonomischen Dialoges bislang unbedeutend. Denn effektive Koordinierung zwischen den Akteuren (Regierungen, EZB, Sozialpartner) kann es nicht geben, solange gepredigt wird, die Geldpolitik habe ausschließlich auf Geldwertstabilität und die Haushaltspolitik habe ausschließlich auf stabile Staatsfinanzen zu achten. Was soll dann noch koordiniert werden, wenn diesen Politikbereichen die Verantwortung für die realwirtschaftliche Entwicklung, also für Wachstum und Beschäftigung, abgesprochen wird?

Natürlich muss dabei die volle Unabhängigkeit der Akteure, der Tarifparteien ebenso wie der EZB, gewahrt bleiben. Dennoch müssen alle drei Akteure ihre Verantwortung für die europäische Wirtschaft wahrnehmen und bereit sein zu einem offenen, permanenten Dialog über die Einschätzung der Wirtschaftslage und der Möglichkeiten der Wirtschaftspolitik.

Reformen und Nachhaltigkeit

Da sich die Hauptkritik des EWSA gegen den sogenannten makroökonomischen »Policy-mix« richtet, wird auf die beiden anderen Themenkreise, nämlich Wirtschaftsreformen und Nachhaltigkeit, hier weniger ausführlich eingegangen. Eine Reihe der in den »Grundzügen« vorgeschlagenen Maßnahmen wird vom EWSA durchaus begrüßt, doch weist der Ausschuss mit deutlichen Worten darauf hin, dass dabei gewisse Grundsätze eingehalten werden müssen.

Wahrung der sozialen Balance

So müssen alle Modernisierungsschritte unter voller Einbindung der Sozialpartner erfolgen, die soziale Balance müsse gewahrt bleiben, fundamentale Interessen der Beschäftigten müssen berücksichtigt und ein hohes Maß an sozialer Sicherheit gewährleistet werden. Weiters distanziert sich der Ausschuss deutlich von Forderungen nach einem Rückzug des Staates und nach einer generellen Reduktion staatlicher Eingriffe.



Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA)

Die Stimme der organisierten Zivilgesellschaft in Brüssel

Der EWSA wurde durch die Römischen Verträge im Jahr 1957 als beratendes Organ ins Leben gerufen. Er repräsentiert die großen wirtschaftlichen und sozialen Gruppen und soll mit seinen Stellungnahmen die Europäische Kommission, den Europäischen Rat und das Europäische Parlament beraten. Er ist somit eine wichtige Stimme der Sozialpartner und der sonstigen wesentlichen gesellschaftlichen Gruppen im Beschlussfassungsprozess der Gemeinschaft und ein wesentliches Vertretungsorgan der organisierten Zivilgesellschaft in der EU.

Der EWSA hat zur Zeit 222 Mitglieder (nach der Erweiterung 317), die paritätisch in drei große Gruppen aufgeteilt sind: Arbeitgeber (Gruppe 1), Arbeitnehmer (Gruppe 2 - steht in enger Zusammenarbeit mit dem EGB) und Verschiedene Interessen (Gruppe 3 - dazu zählen z. B. Vertreter der Bereiche Landwirtschaft, Freie Berufe, aber auch Konsumenten- und Umweltschutz, Sozial- und Familienverbände, Wissenschaft usw.). Österreich entsendet 12 Mitglieder in den Ausschuss.

Die Mitglieder werden von den nationalen Regierungen (nach Abstimmung mit den repräsentativen Verbänden) vorgeschlagen und vom Rat der Europäischen Union auf vier Jahre ernannt (Wiederernennung ist zulässig); sie sind unabhängig und weisungsfrei. Ihre Tätigkeit ist unentgeltlich, die Mitglieder gehen ihren beruflichen Tätigkeiten in den Heimatländern nach und kommen nur zu den Sitzungen des Ausschusses nach Brüssel.

Im Ausschuss bestehen sechs Fachgruppen zu folgenden Themengruppen:

ECO: Wirtschafts- und Währungsunion, Kohäsion
INT: Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch
TEN: Verkehr, Energie, Infrastruktur, Informationsgesellschaft
NAT: Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umweltschutz
REX: Außenbeziehungen

Die Entwürfe für Stellungnahmen werden in kleinen Studiengruppen unter Federführung eines Berichterstatters verfasst. Diese werden dann in der entsprechenden Fachgruppe und danach im Plenum diskutiert und verabschiedet und anschließend dem Rat, der Kommission und dem Europäischen Parlament übermittelt sowie im Amtsblatt veröffentlicht. Der Ausschuss muss sich um Konsens bzw. Kompromisse zwischen den unterschiedlichen Interessen bemühen. Denn je höher der Grad der Zustimmung bei der Verabschiedung ist, desto größer ist die Chance, dass der Inhalt der Stellungnahme auch Berücksichtigung findet.
Durch diesen Ausschuss bringen die unterschiedlichen repräsentativen Interessengruppen des wirtschaftlichen und sozialen Lebens in institutionalisierter Form gebündelt ihren praxisnahen Sachverstand und ihre Standpunkte in den europäischen Entscheidungsprozess ein. Nähere Infos gibt es auf der EWSA-Webseite:www.esc.eu.int



I N F O R M A T I O N
Österreichische Arbeitnehmervertreter im EWSA

Die Interessen der österreichischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im EWSA werden
derzeit von folgenden KollegInnen vertreten:
Eva Belabed
(Leiterin der Abteilung Europapolitik der AK-Oberösterreich), Fachgruppen INT und REX
Thomas Delapina (Mitarbeiter der Abteilung Wirtschaftswissenschaft der AK-Wien), Fachgruppen ECO und TEN
Wolfgang Greif (Internationaler Sekretär der Gewerkschaft der Privatangestellten), Fachgruppen SOC und ECO
Angela Pfister (Mitarbeiterin des Volkswirtschaftlichen Referates des ÖGB), Fachgruppen TEN und REX
Gustav Zöhrer (Internationaler Sekretär der Gewerkschaft Metall-Textil), Fachgruppen SOC und INT



R E S Ü M E E 
Sozialpartner fordern einhellig Neuorientierung

Diese Stellungnahme des EWSA zu den »Grundzügen der Wirtschaftspolitik« der EU ist vor allem deshalb ein bemerkenswertes Dokument, weil ganz wesentliche Kritikpunkte und Argumentationen, die seit vielen Jahren von Arbeitnehmervertretern vorgebracht werden, erstmals auf europäischer Ebene praktisch einvernehmlich von allen großen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Gruppen unterstützt werden, also auch von der überwiegenden Mehrheit der Arbeitgeberseite im EWSA.

Zusammenfassend lässt sich sagen: Die bisherige Wirtschaftspolitik der EU ist gescheitert. Die unausgewogene, da rein angebotsseitige Politik bemüht sich seit Jahren erfolglos um eine Wiederbelebung des Wachstums, die in Lissabon für das Jahr 2010 gesteckten Ziele werden so kaum erreicht werden. Eine nur auf Stabilität ausgerichtete und damit restriktiv wirkende Geld- und Haushaltspolitik, kombiniert mit kostensenkenden Flexibilisierungsmaßnahmen, reicht nicht aus, um Wachstum und Beschäftigung zu schaffen, da sie den Nachfragemangel nicht beheben kann.

Gefordert ist daher eine grundlegende Neuorientierung des Policy-mix, eine auf Expansion ausgerichtete, koordinierte Wirtschaftspolitik, die aktiv die andauernde Nachfrageschwäche bekämpft. Nur wenn alle Akteure der Wirtschaftspolitik glaubhaft die Ziele Wachstum und Vollbeschäftigung anstreben, wird das Vertrauen von Konsumenten und Investoren so weit gestärkt werden, dass sich auch die Nachfrage wieder belebt.

Der Autor ist seit 1995 Mitglied im Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss, und er war als Berichterstatter zu den »Grundzügen der Wirtschaftspolitik« maßgeblich für diese Stellungnahme des EWSA verantwortlich.

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