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Lügenkampagne zu den Pensionen?

HINTERGRUND

Die »Pensionsreform 2003« sorgt für Empörung. Je länger die Versicherungszeit, desto höher die Sofortkürzung. 46 Versicherungsjahre, mit 61,5 in Pension, 10 Prozent Pensionskürzung - und das lebenslang! Mit jedem Tag werden jetzt mehr solche Fälle bekannt.

Und bei der 10-Prozent-Kürzung ist die Streichung der ersten Pensionsanpassung noch gar nicht mitgerechnet! »Ungeheuerliche Falschinformation«, »Panikmache«, »Lügenkampagne« - als die AK Anfang März die ersten neuen Pensionsbescheide öffentlich machte, lief die Beschwichtigungs- und Beschönigungsmaschinerie der Regierung sofort wieder auf Hochtouren.

Die »ungeheuerliche Falschinformation« bestand darin, dass anhand von Bescheiden der Pensionsversicherungsanstalt die sofortigen Wirkungen der »Pensionsreform 2003« aufgezeigt wurden:

  • Männer, die nach 43 oder mehr Versicherungsjahren jetzt mit 61,5 in Pension gehen und nicht unter die sogenannte »Hackler-Regelung« fallen (z. B. wegen Saisonbeschäftigung am Bau oder wegen längerer Krankheit), trifft sofort die volle Pensionskürzung um 10%.
  • Aber auch jene, die mit 45 oder mehr Beitragsjahren von der Regierung als »Hackler« anerkannt werden und noch mit 60 in Pension gehen können, verlieren bereits jetzt nahezu 10%.
  • Mit voller Härte von den 10% Sofortkürzungen getroffen werden auch Frauen mit Kindern, die bald nach der Geburt ihres Kindes wieder zu arbeiten begonnen haben und eine lange Versicherungszeit erreichen (es sei denn, es werden die Anspruchsvoraussetzungen für die »Hacklerinnen-Regelung« erfüllt).
  • Auch viele Invaliditätspensionisten bleiben von den 10% Sofortkürzungen nicht verschont.

Und bei all diesen Kürzungen ist der zusätzliche Verlust aus der Streichung der ersten Pensionsanpassung noch gar nicht mitgerechnet.

Was jetzt mit einem Pensionsbescheid nach dem anderen belegt wird, hat die AK bereits vor der Beschlussfassung im Parlament am 11. Juni 2003 aufgezeigt und mit zahlreichen Fallbeispielen belegt.

Bundeskanzler Schüssel behauptet …

Bundeskanzler Schüssel behauptete demgegenüber noch in seiner Rede im Nationalrat am Tag der Beschlussfassung, dass die Berechnungen der AK falsch seien.

Belegen konnte er diese Behauptung naturgemäß nicht. Unter dem Titel »Was die Reform zur Pensionssicherung wirklich bringt« erklärte die Bundesregierung dann in einer »Informationsbroschüre« (siehe Faksimile), dass die maximalen Verluste in den ersten Jahren ca. 3% bei Frauen und ca. 5% bei Männern betragen werden. Dazu wurde noch mitgeteilt, dass man diese möglichen Verluste durch eine private Zusatzpension ausgleichen könnte.

Die Behauptung mit den maximalen Verlusten von 3% bzw. 5% war von Anfang an falsch und ist inzwischen auch mit etlichen Pensionsbescheiden widerlegt. Und der Hinweis auf den möglichen Verlustausgleich durch eine private Vorsorge kann von den Kürzungsopfern wohl nur als glatte Verhöhnung empfunden werden.

Tatsache ist, dass vor allem sehr viele Männer, die schon früh in das Berufsleben eingestiegen sind, bereits in diesem Jahr der maximale Pensionsverlust trifft. Und ohne den »Verlust-Deckel« würden die Kürzungen vielfach noch höher ausfallen.

Die drastischen Sofortkürzungen sind die logische Konsequenz der »Pensionsreform 2003«, die bei Langzeitversicherten gleich in der Anfangsphase zu doppelten Kürzungen führt. Zuerst werden die maximal erwerbbaren Steigerungsprozente vor Abzug der Abschläge mit 80 limitiert (es sei denn, es wird bei Zugrundelegung von 1,78% pro Jahr ein höherer Wert erreicht) und in einem zweiten Schritt werden die erhöhten Abschläge abgezogen.

Die Wahrheit ist …

Kürzungen bis zum 10%-»Verlust-Deckel« werden deshalb bereits in diesem Jahr bei Männern, die eine vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer in Anspruch nehmen, keineswegs nur Einzelfälle betreffen, sondern eher die Regel darstellen. Auch Invaliditätspensionisten mit vielen Versicherungsjahren werden in vielen Fällen schon heuer Kürzungen in diesem Ausmaß hinnehmen müssen.

Selbst jene Männer, die unter die groß propagierte »Schutzbestimmung« der sogenannten »Hacklerregelung« fallen und die nach 45 oder mehr Beitragsjahren mit 60 Jahren in Pension gehen, werden bereits dieses Jahr drastische Pensionskürzungen in Kauf nehmen müssen. Insgesamt muss damit gerechnet werden, dass allein bei den Männern 7000 bis 10.000 Neupensionisten, die im Jahr 2004 ihre Pension beantragen, von Kürzungen im Ausmaß von rund 10% betroffen sein werden.

Bei den Frauen wird es 10% Kürzungen vorerst noch deutlich seltener geben. Jene Frauen, die unter die so genannte »Hacklerinnen-Regelung« fallen, werden in der Anfangsphase von der Pensionsreform sogar profitieren. Dramatisch anders sieht es für Frauen mit Kindern aus, die bald nach der Geburt wieder ins Erwerbsleben eingestiegen sind und viele Versicherungsjahre erworben haben (aber die Vorgaben für die »Hacklerinnen-Regelung« nicht ganz erfüllen). Bei einem Pensionsantritt mit z. B. 57 Jahren, droht bereits im Jahr 2004 eine 10%-Sofortkürzung.

W. Schüssel: »Wir haben uns Mühe gemacht …«

Ganz anders sieht das alles aus, wenn man den Ausführungen von Bundeskanzler Schüssel glaubt: »Wir haben uns die Mühe gemacht und haben die ersten zwei Monate durchgerechnet. Bisher waren da etwa 10.000 Neupensionisten, die haben Anträge gestellt und es ist herausgekommen, zwei Drittel davon haben überhaupt keine Kürzungen und im Durchschnitt haben Frauen etwa eineinhalb Prozent weniger als vor der Reform und Männer etwas über drei Prozent« (Wolfgang Schüssel im ZIB 1 Interview am Freitag, den 5. März 2004, unmittelbar vor den Landtagswahlen in Kärnten und Salzburg).

Was Wolfgang Schüssel nicht dazu gesagt hat und vielleicht auch gar nicht wusste, ist, dass bei diesen Zahlen offensichtlich auch all jene Neupensionen mitgerechnet wurden, für die das neue Recht noch gar nicht zur Anwendung kommen konnte. (Wenn die Anspruchsvoraussetzungen für eine Alterspension bis spätestens 31. 12. 2003 erfüllt waren, bleibt die alte Rechtslage anwendbar. Dies trifft zwangsläufig für die meisten Neuzuerkennungen zum Stichtag 1. Jänner 2004 zu.) Wahr ist, dass auch nach dieser Auswertung nahezu jeder zweite Mann, der bereits von der Pensionsreform betroffen ist, Kürzungen von 10% oder knapp darunter in Kauf nehmen musste.

Und es wird nicht viel Zeit vergehen, bis der bei weitem überwiegende Teil der Männer mit der 10%-Kürzung Rechnung muss. Auch bei den Frauen wird der 10%-Verlust bereits in wenigen Jahren der Regelfall sein.

Die auf jeder Hochglanzbroschüre der Regierung groß herausgestrichenen »Abfederungsmaßnahmen« ändern dann für die meisten Frauen nicht das Geringste!

Härtefonds ist Verhöhnung!

Als letztes Mittel zur Kaschierung der hohen Pensionsverluste blieb der Regierung zuletzt nur mehr der »Härtefonds«. Der Verweis auf diesen Fonds ist aber für die Opfer der 10%-Sofortkürzungen ebenso eine Verhöhnung wie der Verweis auf die Möglichkeit der privaten Altersvorsorge.

Ein bezeichnendes Beispiel für die argumentative Zuflucht zum Härtefonds hat vor kurzem Sozialminister Haupt geliefert. Als die AK eine 10%-Kürzung bei einem Niedrigpensionsbezieher öffentlich machte, verwies der Sozialminister prompt auf den Fonds.

Wenn man den Härtefonds berücksichtigt, gäbe es keinen Verlust mehr (APA 2. März 2004). Dazu ist fürs erste festzustellen, dass es keinerlei Rechtsanspruch auf eine Leistung aus dem Fonds gibt.

Vor allem aber ist völlig klar, dass die lebenslangen Pensionsverluste nicht mit einer Einmalzahlung aus dem Härtefonds ausgeglichen werden können.

Lügenkampagne: Wer lügt worüber?

Selbst bei einer relativ niedrigen Pension kann sich der Pensionsverlust schnell auf 27.000 Euro und mehr aufsummieren. Die Fondszahlungen sind demgegenüber mit maximal 1500 Euro begrenzt. Und wer eine Bruttopension über 1015 Euro bezieht, kann nach den Richtlinien des Härtefonds von vornherein keine Unterstützungsleistung erhalten. Offensichtlich ist der Sozialminister der Meinung, dass sofortige 10%-Kürzungen bei Pensionen über 1015 Euro keinerlei Härte darstellen können.

Es spricht Bände, wenn Mitglieder einer Bundesregierung seriöse Sachinformation der Interessensvertretungen der Arbeitnehmer gezielt als Lügenkampagne denunzieren oder die Bedeutung von Pensionskürzungen mit dem Verweis auf einen völlig unzureichenden Härtefonds herunterspielen.

Eine solche Vorgangsweise entbehrt jeder Redlichkeit, fügt sich aber gut ein in die seit einem Jahr von der Regierung praktizierte Öffentlichkeitsarbeit zur »Pensionsreform 2003«.

Rückblick

Am 31. März 2003, also fast genau vor einem Jahr, schickte die Regierung den Gesetzesentwurf zur »Pensionsreform 2003« in Begutachtung.

Fassungslosigkeit machte sich breit, als ÖGB und AK die ersten Fallbeispiele durchrechneten: Sofort-Kürzung der Neupensionen um bis zu knapp 20%, Kürzung der Pensionen der Jüngeren um durchschnittlich 30% bis 40% und in vielen Fällen lagen die Kürzungen noch deutlich darüber. Dazu kam noch die Abschaffung aller vorzeitigen Alterspensionen ohne jede Rücksichtnahme auf die prekäre Arbeitsmarktsituation.

In den erläuternden Bemerkungen des Sozialministers wurde gleichzeitig eingestanden, dass der Pensionsaufwand in der gesetzlichen Pensionsversicherung in den kommenden Jahren ohne jede Reform zurückgegangen wäre.

Das hinderte die Regierung aber nicht daran, gleichzeitig eine akute, dramatische Finanzierungskrise zu beschwören und das frontale Zusammenstutzen der gesetzlichen Pensionsversicherung ohne jede Rücksicht auf den Vertrauensschutz in Angriff zu nehmen.

Wäre es nicht zu den größten Widerstandsaktionen des ÖGB seit Jahrzehnten gekommen, so hätte die Regierung die Demontage eines Kernstücks des österreichischen Sozialstaats mit ziemlicher Sicherheit durchgezogen, ohne mit der Wimper zu zucken.

Deshalb ist es wichtig, die ursprünglich geplanten aberwitzigen Kürzungen nicht so schnell wieder zu vergessen.

Auch wenn die Betreiber dieses Projektes nun plötzlich so tun, als hätten sie mit dem geplanten Pensions-Kahlschlag nie etwas zu tun gehabt.

Die Pension fliegt: als Abfangjäger!

Wie wir wissen, musste die Regierung letztlich um einiges zurückstecken. Eine 10-Prozent-Deckelung der Verluste und etwas längere Übergangsfristen bei der Abschaffung der vorzeitigen Alterspensionen mussten zugestanden werden. Die schon im Grundansatz völlig verfehlte »Pensionsreform 2003« wurde dadurch aber nicht akzeptabel.

Sie ist und bleibt eine unsoziale Geldbeschaffungsaktion des Finanzministers auf dem Rücken der Arbeitnehmer. Und der hat das »eingesparte« Geld inzwischen auch schon wieder ausgegeben - für unsinnig teure Abfangjäger und für Steuergeschenke an Großkonzerne!

Inzwischen versucht die Regierung mit dem Schlagwort »Harmonisierung der Pensionssysteme« vom Pensionsdesaster abzulenken, das die »Reform 2003« hinterlassen hat.

Doch auch für die längst überfällige Harmonisierung ist die 2003er-Reform ein Stolperstein, über den nun nur schwer hinwegzukommen sein wird.

Für den ÖGB ist jedenfalls klar: Zuerst die ASVG-Pensionen um 10 Prozent kürzen und dann auf dieser Basis in ferner Zukunft harmonisieren - so kann es nicht sein.

Dass es bei gutem Willen auch ganz anders gehen würde, hat der ÖGB mit seinem Modell der »Österreich-Pension« vorgezeigt (siehe »Arbeit&Wirtschaft« vom Dezember 2003, Seite 26, Schwerpunktbeitrag »Die Alternative zum Pensionsrecht« von Richard Leutner, - www.arbeit-wirtschaft.at/aw_12_2003/index.html)

 
F A L L 1

Frau Maria K., voller Verlust bereits im Februar 2004. Und das bei langer Versicherungszeit und baldigem Wiedereinstieg nach der Karenz!


Kaufmännische Lehre mit 14, vollzeitbeschäftigt, 1 Kind, Wiedereinstieg als Vollzeitbeschäftigte nach nur 7 Monaten Karenz, insgesamt 42 Versicherungsjahre. Aufgrund eines Firmenkonkurses seit Mitte 2000 arbeitslos. Pensionsantritt mit 56 Jahren und 4 Monaten am 1. 2. 2004.

   
Pensionshöhe Rechtslage 31. 12. 2003
    Laut Pensionsbescheid: EUR 1332,26 Bruttopension

    Pensionshöhe nach Pensionsreform 2003
    Laut Pensionsbescheid: EUR 1201,15 Bruttopension

Ergebnis:


  • EUR 131,11 monatlich weniger Pension (+ Anpassungsverlust)
  • EUR 1835,54 Pensionsverlust pro Jahr (+ Anpassungsverlust)
  • Rund EUR 56.900,- Gesamtkürzung bezogen auf die durchschnittliche Lebenserwartung (einschließlich Anpassungsverlust).

Besonders bitter ist dieser finanzielle Verlust, da Frau K. aufgrund einer Vorausberechnung vom Herbst 2003 noch mit einer Pension von EUR 1332,- gerechnet hat. Nun muss sie plötzlich nach einem langen Arbeitsleben diese drastische Kürzung hinnehmen.

Der Fall zeigt, dass auch viele Frauen mit Kindern von Beginn an voll verlieren. Da die Pension von Frau K. über den Grenzen für den Härtefonds liegt, erhält sie nicht einmal eine bescheidene Einmalzahlung aus diesem Fonds.

Besondere Skurrilität:
Wäre Frau K. länger bei ihrem Kind zu Hause geblieben, wäre ihr Verlust im Vergleich zur Rechtslage 2003 geringer; das heißt, die Pensionsreform 2003 bestraft Wiedereinsteigerinnen mit höheren Verlusten.

 
F A L L 2

Herr Heinz M., voller Verlust bereits im Februar 2004. Begann sehr früh zu arbeiten, kann erst nach 61 mit fast 47 Versicherungsjahren in Pension gehen, 10% Pensionsminus.

Berufseinstieg vor 15 (Lehrling), Antritt einer vorzeitigen Alterspension mit 61 Jahren 4 Monaten am 1. Februar 2004. Insgesamt liegen zum Stichtag 46,833 Versicherungsjahre vor. Herr M. wurde mit 59 arbeitslos und kann deshalb wegen wenigen fehlenden Beitragsmonaten die »Hacklerregelung« nicht in Anspruch nehmen. Anstatt bereits vor
16 Monaten mit 60 Jahren und 80% in Pension zu gehen, musste er bis Februar 2004 zuwarten, wird zusätzlich von der Pensionsreform 2003 getroffen und verliert voll.

    Pensionshöhe Rechtslage 31. 12. 2003
    Laut Pensionsbescheid: EUR 2299,77 Bruttopension

    Pensionshöhe nach Pensionsreform 2003
    Laut Pensionsbescheid: EUR 2030,26 Bruttopension

    Nach Anwendung des Verlustdeckels:
    (90% von EUR 2299,77) EUR 2069,79 Bruttopension

Ergebnis:

  • EUR 229,98 monatlich weniger Pension (+ Anpassungsverlust)
  • EUR 3219,72 Pensionsverlust pro Jahr (+ Anpassungsverlust)
  • Rund EUR 67.400,- Gesamtkürzung bezogen auf die durchschnittliche Lebenserwartung (einschließlich Anpassungsverlust)

 

 
F A L L 3

Herr Peter D., »Hacklerregelung« schützt nicht vor massiven Pensionsverlusten! (Vorausberechnung der PVA)


Berufseinstieg mit 15 (Lehrling). Pensionsantritt mit 60 Jahren am 1. 5. 2004 auf Basis der sogenannten »Hacklerregelung« (mehr als 45 Beitragsjahre). Insgesamt liegen zum Stichtag 45,667 Versicherungsjahre vor.

    Pensionshöhe Rechtslage 31. 12. 2003
    Laut Vorausberechnung: EUR 2237,48 Bruttopension

    Pensionshöhe nach Pensionsreform 2003
    Laut Vorausberechnung: EUR 2042,96 Bruttopension

Ergebnis:

  • EUR 194,52 monatlich weniger Pension (+ Anpassungsverlust)
  • EUR 2723,28 Pensionskürzung pro Jahr (+ Anpassungsverlust)
  • Rund EUR 61.600,- Gesamtkürzung bezogen auf die durchschnittliche Lebenserwartung (einschließlich Anpassungsverlust).

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