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Zerteilung der ÖBB | Arbeitnehmerschutz auf Abstellgleis

GESELLSCHAFTSPOLITIK

Die Bundesregierung hat die Zerschlagung der Österreichischen Bundesbahnen geplant und will sie in den nächsten Monaten zügig umsetzen. Die diesbezüglichen Gesetzesentwürfe sind bereits erarbeitet.

Das größte Verkehrsunternehmen Österreichs soll aufgesplittert werden (Stand 9/ 2003). Nämlich in:
ÖBB Holding AG,
ÖBB Personenverkehr AG,
ÖBB Rail Cargo Austria
(Güterverkehr) AG,
ÖBB Infrastruktur AG,
ÖBB Traktion GmbH,
ÖBB Technische Services GmbH,
ÖBB Personalmanagement GmbH
und die
ÖBB Immobilienmanagement GmbH.

Wo vorher eine Führungsebene am Werk war, werden es künftig acht verschiedene Aufsichtsräte, acht verschiedene Managementebenen und acht verschiedene Organisationen sein.

Neben einer Reihe anderer negativer Auswirkungen - wie beispielsweise, dass die Verwaltung erfahrungsgemäß insgesamt teurer werden wird - wird diese Zerstückelung auch Nachteile für die derzeit bestehenden Arbeitnehmerschutzstandards mit sich bringen.

Arbeitnehmerschutz für Eisenbahner

Derzeit ist der Arbeitnehmerschutz für die etwa 48.000 Bediensteten der ÖBB in einer Organisation zusammengefasst. Die Beratung des Unternehmens in Sicherheits- und Gesundheitsfragen durch ArbeitsmedizinerInnen und Sicherheitsfachkräfte wird zentral organisiert. Und man bemüht sich, dass in allen Dienststellen, in jedem Gleisbereich, auf jeder Baustelle, in allen Loks und auf jedem Bahnhof für die Einhaltung der Sicherheits- und Gesundheitsstandards gesorgt ist.

Die Verantwortung für die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzbestimmungen für das Gesamtunternehmen trägt der Dienstgeber, das sind der Vorstand und seine Geschäftsbereichsleiter.

Derzeit werden die Schutzmaßnahmen für die unterschiedlichen Bedienstetengruppen - wie Verschieber, Lokführer, Fahrdienstleiter, Zugbegleiter, Wagenmeister - innerhalb des Unternehmens aufeinander abgestimmt und durch die Unternehmensleitung koordiniert. Probleme werden für den gesamten Unternehmensbereich österreichweit gelöst. Sicherheitsstandards können zentral für alle Dienstnehmer angehoben werden.

Stressfaktoren

Verschieber sind die Kollegen mit den gelben Jacken, die ständig auf den Gleisen im Einsatz sind und Züge und Waggons kuppeln, entkuppeln und verschieben. Verantwortung für reibungslose Abläufe auf völlig andere Weise hat der Fahrdienstleiter, der stressresistent und logistisch befähigt sein muss, soll es zu keinen Zwischenfällen kommen.

Über Lokführer wurden schon Bücher geschrieben. Trotzdem ist kaum bekannt, dass die Angst vor dem Unfall oder dem Selbstmörder, dem man nicht ausweichen kann, zu den größten Stressfaktoren für sie gehört. Wer hat schon einen Wagenmeister bei der Arbeit begleitet? Er führt die Reparaturen an den Fahrzeugen durch. Zeitdruck und Arbeit bei jedem Wetter sind für ihn wie den Verschieber tägliches Brot.

Bei der Errichtung und Erhaltung der Betriebsanlagen sind spezialisierte Bauarbeiter am Werk. Der Arbeitnehmerschutz wird auch hier für alle Bedienstetengruppen österreichweit koordiniert. Sicherheitsabstände etwa zwischen Gleisen, Sicherheitsräume in Tunnels, Zugänge zu Gleisen und anderen Betriebsanlagen, gesicherte Verkehrswege und Verschieberbahnsteige sind auch hier nicht nur für die betroffenen Arbeitnehmer von höchster Bedeutung, sondern für alle Kunden der ÖBB. Sie kommen in den Genuss sicherer Fahrten, wenn die Bahnbediensteten ohne unnötigen Stress unter menschenwürdigen Bedingungen dafür sorgen können.

Arbeitnehmerschutz nach ÖBB-Teilung

Mit der Aufsplitterung in acht oder mehr Unternehmen mit unterschiedlichen Aufgaben geht das einheitliche Schutzkonzept im Arbeitnehmerschutz weitgehend verloren. Die neuen Unternehmensleitungen haben dann jedenfalls konkurrierende Interessen. Gleichzeitig wird jedes der neuen Unternehmen separat den Schutz der Bediensteten und damit die Sicherheit im Zugverkehr organisieren und beeinflussen.

Die unterschiedlichen Bedienstetengruppen - die Verschieber und Fahrdienstleiter bei der ÖBB Infrastruktur AG, die Lokführer bei der ÖBB Traktion GmbH, die Zugbegleiter bei der ÖBB Personenverkehr AG, die Wagenmeister bei der ÖBB Technische Services GmbH usw. - müssen nach wie vor zusammenarbeiten. Sie werden allerdings auf völlig unterschiedliche Unternehmen verteilt sein.

Dass die notwendigen Sicherheits- und Gesundheitsstandards aufeinander abgestimmt werden, wird so zum frommen Wunsch. Denn alle Erfahrungen zeigen, dass betriebsübergreifender Sicherheits- und Gesundheitsschutz wesentlich ineffizienter ist als einheitliche betriebsinterne Regelungen. Die Reibungsverluste zu Lasten der bestehenden Sicherheitsstandards und damit zu Lasten der Sicherheit der Arbeitnehmer sind so vorprogrammiert.

Verdrängte Probleme

Ein besonderes Problem stellt die zukünftige Organisation der Errichtung und Erhaltung der Betriebsanlagen dar. Denn das Unternehmen »ÖBB Infrastruktur AG« wird versuchen müssen, Anlagen so billig wie möglich zu errichten und zu erhalten. Gleichzeitig werden die Trassen und Fahrgenehmigungen darauf so teuer wie möglich verkauft werden. Dass der Schutz der eigenen Arbeitnehmer, aber auch die Bedürfnisse der Arbeitnehmer der nunmehr »fremden« Unternehmen »ÖBB Personenverkehr AG«, »ÖBB Rail Cargo Austria (Güterverkehr AG)« oder »ÖBB Traktion GmbH« kein zentrales Anliegen mehr sein werden, ist leider absehbar.

Dass auch dies relativ bald zu Lasten der bestehenden Sicherheitsstandards für die ÖBB-Kunden gehen wird, verdrängen die Verantwortlichen mit Schweigen und einer Gelassenheit, die aus der Sicht der Arbeitnehmer schwer nachvollziehbar ist.

Im eigenen Unternehmen hin und her geschoben?

Nach dem Konzept der Bundesregierung werden die ÖBB Infrastruktur AG, ÖBB Personenverkehr AG, ÖBB Rail Cargo Austria (Güterverkehr) AG, ÖBB Traktion GmbH und ÖBB Technische Services GmbH nur mehr einen Teil ihrer bisherigen Mitarbeiter in die neuen Unternehmen »mitnehmen«. Mehrere tausend derzeitiger ÖBB-Bedienstete sollen in die »ÖBB Personalmanagement GmbH« abgeschoben werden. Denn Ziel ist es, den Personalaufwand in den Bilanzen der neuen Unternehmen niedrig zu halten. Gleichzeitig sollen Mitarbeiter aus der »ÖBB Personalmanagement GmbH« vermehrt angemietet werden.

Für die betroffenen Arbeitnehmer kommt es so zu einer dramatischen Verschlechterung ihrer Arbeitsbedingungen und des Arbeitsumfeldes: Die an die Nachfolgegesellschaften der ÖBB vermieteten Arbeitnehmer stehen unter dem ständigen Druck einer drohenden Rückgabe an die »ÖBB Personalmanagement GmbH«. Sie können an andere Unternehmen als die neuen ÖBB-Unternehmen vermietet werden und üben dann völlig andere Tätigkeiten als bisher aus. Erfahrungswerte - beispielsweise aus den Umstrukturierungen der Post - lassen beträchtliche psychische Belastungen der betroffenen Mitarbeiter erwarten.

Schade eigentlich - wenn man bedenkt, das gesunde Mitarbeiter die wichtigste Voraussetzung für gesunde und profitable Unternehmen sind.

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(C) AK und ÖGB

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