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Privatisiert und freigegeben

HINTERGRUND

Feindliche Übernahmen und Fusionen hängen eng zusammen: Wenn sich der Staat aus einem Unternehmen zurückzieht und Privaten das Feld überlässt, drohen unweigerlich Übernahmeversuche

Auch »totalprivatisierte« Konzerne wie die voestalpine oder Böhler, der vor einem Verkauf steht, könnten in Zukunft zu den Opfern von Übernahmen durch ausländische Konzerne gehören.

Feindliche Übernahmen geschehen ohne Einbindung des Vorstandes jenes Unternehmens, das aufgekauft werden soll. Der Kaufinteressent setzt auf den Überraschungseffekt, ein gutes finanzielles Angebot soll die Aktionäre dazu bringen, ihre Anteile zu veräußern und dem Käufer eine solide Mehrheit sichern, die eine Kontrolle des Unternehmens erlaubt. Friedliche Fusionen werden von den Vorständen der am Zusammenschluss interessierten Unternehmen einvernehmlich vereinbart. Anschließend erteilen die Aufsichtsräte und Hauptversammlungen beider Unternehmen dem erarbeiteten Fusionskonzept ihre Zustimmung. Organisatorisch wird eine Fusion über Aktientausch abgewickelt.

Ob friedlich oder feindlich, den Gewinnern auf der Kapitalseite stehen zahllose Verlierer unter den Beschäftigten des neuformierten Konzerns gegenüber.

Banken verdienen dreifach

Zu den eindeutigen Gewinnern zählen die Investmentbanken, die häufig auf Zusammenschlüsse drängen. An Übernahmen und Fusionen verdienen sie gleich dreifach: Erstens erhalten sie ein üppiges Honorar für Beraterleistungen, zweitens eine ansehnliche Prämie, wenn die Übernahmen, erfolgreich verläuft, und drittens stellen sie Kredite bereit, um die Übernahme zu finanzieren. Eine deutsche Großbank hätte Provisionen von rund 200 Millionen DM lukriert, wäre dem Krupp Konzern 1997 der Kauf seines Rivalen Thyssen gelungen.

Die Übernahme, werden von langer Hand geplant und meist im kleinen Kreis zwischen Vorstand und beratenden Investmentbankern ausgeheckt. Unter einem klingenden Decknamen erarbeiten die Kaufinteressenten eine Strategie, die alle Details von der Finanzierung des Kaufpreises bis zur Veräußerung von Teilen des übernommenen Rivalen auflistet. Als Opfer werden meist Konzerne gewählt, die ideale Übernahmekandidaten sind, weil sie zu einem günstigen Preis erworben werden können, großes Eigenkapital besitzen und in bestimmten Segmenten ideal zum Käufer passen. Bevorzugt werden Aktiengesellschaften mit hohem Streubesitz, denen - etwa nach einer Privatisierung - ein klassischer, stabiler Kernaktionär mit entsprechendem Einfluss fehlt. Über die Börse werden solange »geräuschlos« Aktien erworben, bis eine solide Mehrheit die Kontrolle ermöglicht.

Beispiel Mannesmann

Bei der Finanzierung des Kaufpreises wird nach einem Muster vorgegangen, das sich bei amerikanischen Übernahmen bewährt hat. Durch Bankkredite vorfinanziert, soll sich der Kaufpreis durch Dividenden des erworbenen Unternehmens, Synergien und den Verkauf von Töchtern selbst finanzieren. Für die Konzernbeschäftigten laufen diese Planungen auf eine Zerschlagung oder auf eine erhebliche Änderung der Konzernstrukturen hinaus. Die Übernahme von Mannesmann durch Vodafone hatte eine Aufteilung des Konzerns zur Folge: Der traditionelle deutsche Industrie- und Dienstleistungskonzern hörte in seiner bisherigen Form zu existieren auf, die nicht zum Vodafone-Kerngeschäft rechnenden Sparten wurden an Interessenten abgegeben.

Der engagierte Widerstand der Beschäftigten gegen feindliche Übernahmeversuche besonders in Mitteleuropa ist verständlich, da »takeovers« dem traditionellen europäischen Wirtschaftsmodell völlig zuwiderlaufen. Kritiker aus dem Lager der Gewerkschaften orten einen massiven Wandel und fürchten die endgültige Durchsetzung neuer Spielregeln, die zu einer Abkehr vom klassischen »rheinischen Kapitalismus« führen. Während bisher, wenn auch in unterschiedlichem Maß, auf die Anliegen aller Beteiligten geachtet wurde, drohen nun die Interessen der Beschäftigten auf der Strecke zu bleiben. Als Vorbild dienen US-Firmen, die in den 1980er Jahren Konkurrenten billig aufkauften, Bereiche des Kerngeschäfts behielten und abstießen. Großer Druck kam von den Anlegern, die sich mit den bisherigen Renditen nicht zufrieden gaben und alles andere auf Expansion drängten, um von Wertsteigerungen zu profitieren.

Die »Perlen« behält man

Hinter Übernahmen stehen aber auch Fonds, denen als vermeintlich harmlosen Finanzinvestoren häufig strategische Interessen abgesprochen werden. Ein privater Beteiligungsfonds erwarb im Jahr 2000 über ein Kaufangebot von privaten Aktionären rund 82 Prozent des traditionsreichen deutschen Klöckner-Konzerns. Der Wechsel führte zu einer Umbesetzung des Aufsichtsrates und zu einer neuen Konzernstrategie. Die ursprüngliche Strategie zielte darauf ab, den Bereich Verpackungstechnik zu veräußern, um im zukunftsträchtigen Foliengeschäft zu expandieren. Die Fondsmanager leiteten dagegen nach der Übernahme eine Trennung vom Foliengeschäft ein, das als einzige Perle des Konzerns galt und entsprechende Erträge erwirtschaftete. Die Erlöse wurden vom Fonds abgeschöpft und sollten die Basis für weitere Beteiligungen und mehrheitliche Übernahmen bilden. Ende 2001 vermuteten Beobachter, der Fonds könnte weitere Mehrheitsbeteiligungen beabsichtigen und ähnlich vorgehen wie bei Klöckner.

Private Kernaktionäre gegen Übernahme

Im Sommer 2000 wurde der Continental Konzern Gegenstand von Übernahmespekulationen. Es hieß, die Großaktionäre würden mit einem Interessenten aus der Industrie über den Verkauf ihrer Anteile verhandeln. Banken und Versicherungen hielten rund 20 Prozent der Aktien, die restlichen Anteile lagen bei einer Vielzahl privater Kleinanleger. Während Banken und Versicherungen eine Neuordnung ihrer Industriebeteiligungen überlegten, waren die Kleinaktionäre mit der Kursentwicklung unzufrieden und warteten auf ein lukratives Übernahmeangebot. Großbanken und Versicherungen überlegten wiederholt einen Verkauf ihrer Aktienpakete am Nutzfahrzeugproduzenten MAN und einem Großkonzern der Strom- und Chemiebranche. Solche Planspiele belegen eindringlich, dass Banken und Versicherungen als Großaktionäre keine stabilen Eigentumsverhältnisse garantieren können.

Die Beschäftigten sind die Verlierer

Bei Übernahmen, ob friedlich oder feindlich, bei Fusionen sehen sich die Beschäftigten in aller Regel mit zwei zentralen Herausforderungen konfrontiert. Zum einen sind sie von Verkaufsplänen für Tochtergesellschaften oder ganze Konzernsparten betroffen, zum anderen drohen drastische Restrukturierungen, die zu erhöhtem Leistungsdruck und Arbeitsplatzeinbußen bis hin zur Aufgabe von Standorten führen1).

Bei der Wahl der Käufer für Töchter oder ganze Sparten kommt selten das »best-owner«-Prinzip zur Anwendung, das Interessenten bevorzugt, die ein Konzept zur langfristigen Weiterführung des erworbenen Unternehmens vorweisen können. In aller Regel zählt der höchste Preis, während auf dem Prinzip der Nachhaltigkeit beruhende Überlegungen keine ernstzunehmende Rolle spielen. Für die Beschäftigten ist völlig unklar, ob beim neuen Eigentümer eine realistische Überlebenschance besteht. Häufig dienen Standortgarantien nur als Beruhigungspillen, sie gelten befristet und werden nicht immer eingehalten.

Bei einer solchen kurzfristig orientierten Verkaufspolitik droht unwiderruflich ein Verlust von Kompetenzen, der sich negativ auf die Wettbewerbsfähigkeit des Gesamtunternehmens auswirkt. Zudem sind die Arbeitnehmer massiv von Restrukturierungen betroffen, die zum Verlust zahlreicher Arbeitsplätze und erheblichen regionalwirtschaftlichen Nachteilen führen. Häufig sind die Einsparungspotentiale bereits erschöpft, so dass erst Konzernbildungen die Voraussetzung für neue, oft grenzüberschreitende Rationalisierungen schaffen. Wenn eine Übernahme Restrukturierungen nach sich zieht, wird die Last fast immer dem aufgekauften Unternehmen aufgebürdet. Wichtige Großinvestitionen werden am Sitz der Konzernzentrale oder an jenen Standorten getätigt, die in der Konzernstrategie einen festen Platz einnehmen. Während ein Teil der Belegschaft auf der Gewinnerseite steht, sehen sich die übrigen Beschäftigten bei den Verlierern ohne Zukunftsperspektive im Konzerngefüge. Bei produzierenden Unternehmen werden veraltete Anlagen stillgelegt, die Overheadkosten drastisch gekürzt und die nötigen Mindestgrößen für die Einführung arbeitssparender Techniken erreicht.

Solche Tendenzen lassen sich jüngst auch auf internationaler Ebene beobachten. Im 2002 durch Fusion neugegründeten Stahlkonzern Arcelor - seine Vorgängerunternehmen waren teilverstaatlicht - verfolgt die Konzernleitung gegenwärtig einen scharfen Restrukturierungskurs, der zahlreiche Arbeitsplätze in mehreren EU-Ländern aufs Spiel setzt.

Ganze Standorte werden gekappt

Schon zum Zeitpunkt der Fusion bestanden keine Zweifel, dass die künftige Konzernstrategie auf eine drastische Erhöhung der Renditen und eine spürbare Senkung der Kosten hinauslief. Das vorgelegte Konzept bestätigte die Befürchtungen von Belegschaften und Gewerkschaftern: Neuinvestitionen sollen nur noch an den rentabelsten Standorten erfolgen und Kapazitäten sowie Arbeitsplätze an den weniger kostengünstigen Standorten abgebaut werden. Wieder stehen die Gewerkschaften vor einem Dilemma: Da sie über keine Handhabe verfügen, das zu verhindern, sind sie in erster Linie bemüht, die Konsequenzen für die Arbeitnehmer möglichst zu entschärfen. In den betroffenen Ländern werden Vereinbarungen angestrebt, die einen »sozialverträglichen« Abbau von Beschäftigten vorsehen und den Konzern zu entsprechenden finanziellen Leistungen verpflichten2).

Beispiel Krupp gegen Thyssen

Ähnliche Fälle gibt es in der Automobil-der Chemie- und Elektrobranche. Nach außen wird die Notwendigkeit betont, die Konkurrenzfähigkeit zu erhalten, tatsächlich können sich die Aktionäre kurzfristig über eine Dividendenerhöhung freuen. Besonders in traditionellen Industriebranchen steht längst nicht mehr nur die Sicherung der Existenz oder die Vermeidung von Verlusten im Vordergrund. Siehe das Programm »Olympia« bei General Motors oder die Debatte um die Schließung des Werkes Luton im selben Konzern.

Hinter den Restrukturierungen stehen überall handfeste Interessen der Eigentümer, die nach höheren Renditen und einer Wertsteigerung ihres Investments drängen. Über den Aufsichtsrat nehmen sie Einfluss auf den künftigen Kurs des Konzerns. Vorstände, die vorgegebene Ziele in einem überschaubaren Zeitrahmen nicht erreichen, müssen mit der Abberufung rechnen.

Ein plastisches Beispiel war die versuchte feindliche Übernahme von Thyssen durch seinen Erzrivalen Krupp. Thyssen stand zu fast 80 Prozent im Eigentum von Kleinaktionären. Anders als der mit hohen Schulden belastete Krupp-Konzern verfügte Thyssen über eine gute Eigenkapitalausstattung und erzielte sogar im kritischen zyklischen Stahlgeschäft ansehnliche Erträge. Dagegen hatte die Stahlsparte bei Krupp ein negatives Ergebnis erwirtschaftet und galt als Schwachstelle des Konzerns. Krupps Stahlwerke waren veraltet, produzierten zu hohen Kosten und warfen nur in guten Stahljahren bescheidenen Gewinn ab. Thyssen hatte eine Kooperation abgelehnt, um nicht mit den Problemen des Konkurrenten belastet zu werden.

Um an die finanziellen Ressourcen von Thyssen zu kommen und seine Stahlprobleme zu lösen, bot Krupp den Aktionären für ihre Papiere einen Preis, der um rund 40 Prozent höher war als der Kurs des Jahres 1996. In den Monaten vor Bekanntwerden der Übernahmeabsichten war die Thyssen-Aktie kontinuierlich gestiegen, da Krupp laufend Aktien aus dem Streubesitz erworben hatte. Nach Einschätzung eines Experten hatte Krupp bereits eine Beteiligung, deutlich über der Sperrminorität.

Um den Kaufpreis zu finanzieren, plante Krupp die Veräußerung von 22 Gesellschaften und Beteiligungen. Die Kredite sollten in rund zwei Jahren aus eigenem Kapital getilgt werden.

Erfolgreicher Widerstand

Die Übernahme scheiterte durch eine gezielte Information, noch ehe das Kaufangebot publiziert wurde. Politiker, Betriebsräte und Gewerkschafter organisierten breiten Widerstand gegen die Planungen des Krupp-Konzerns. Die IG Metall forderte die Politik unmissverständlich auf, »Einfluss auf Krupp zu nehmen und für den Erhalt möglichst vieler Arbeitsplätze einzutreten«. Andernfalls drohten die Gewerkschafter mit groß angelegten Protestaktionen. Auf besonderen Widerspruch stieß die zweifelhafte Rolle der Banken, die Krupp intensiv berieten und zugleich im Aufsichtsrat des Übernahmekandidaten vertreten waren. Sogar Beobachter, die dem Finanzkapital nahe standen, orteten massive Unvereinbarkeiten.

Der Krupp-Vorstand zog sein Übernahmekonzept zurück und einigte sich mit Thyssen, lediglich Verhandlungen über eine Fusion der Stahlsparten zu führen. Beobachter vermuteten, dass Krupp mit einer feindlichen Übernahme drohte. Binnen kurzem verständigten sich beide Seiten auf ein industrielles Konzept, das die »kleine Stahlfusion« im allen Einzelheiten regelte.

Und doch verschmolzen

Einige Monate später verständigten sich die Vorstände beider Konzerne auf eine Verschmelzung der übrigen Konzernbereiche, die ein weiteres Wachstum in wichtigen Geschäftsfeldern und zusätzliche Synergien ermöglichen sollte. Die Konsequenzen waren gravierend. Die Konzentration der Stahlproduktion auf die kostengünstigsten und modernsten Anlagen am Hauptstandort führte dazu, dass in Dortmund Stilllegungen erfolgten und mehrere tausend Arbeitsplätze verloren gingen. Da verheerende Auswirkungen auf die regionale Wirtschaft im Raum standen, verpflichtete sich der Konzern zur Schaffung von Ersatzarbeitsplätzen. Die Arbeitnehmervertreter erreichten einen Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen, da die Beschäftigten an mehreren Standorten ihre Arbeit niederlegten, bis die Konzernseite Kündigungen definitiv ausschloss. Zur Abwicklung des Personalabbaus kamen »stahltypische« Regelungen wie Frühverrentungen, konzerninterne Versetzungen oder der Wechsel in eine Qualifizierungsgesellschaft zur Anwendung. Die Stahlarbeitsplätze gingen unwiderruflich verloren.

Verlorene Arbeitsplätze

Der Konzern hielt die eingegangenen Verpflichtungen zwar ein, doch bereitete die Schaffung der Ersatzarbeitsplätze größere Probleme als erwartet. Es entstand nur ein Teil der zugesagten Arbeitsplätze, geplante Investitionen wurden mangels Rentabilität nicht oder am Hauptstandort durchgeführt. Dazu kommen die Arbeitsplatzeinbußen bei Zulieferern und Dienstleistungsunternehmen. Die Integration der Konkurrenten mit ihren unterschiedlichen Firmenkulturen verlief schwieriger als erwartet. Die Überlegung, selbst den erfolgreichen gemeinsamen Stahlbereich an die Börse zu bringen oder mit einem europäischen Konkurrenten zu »verkooperieren«, stieß auf Widerstand bei den Belegschaftsvertretern, die eine Verlagerung der Entscheidungskompetenzen ins Ausland befürchteten. Letztlich wurde dieser Börsegang verschoben und der Stahlbereich wieder zu den Kernaktivitäten des neuen Konzerns gerechnet. Differenzen über die strategische Gesamtausrichtung führten zu Spannungen zwischen den Vorständen und ließen zeitweilig den Eindruck von Planlosigkeit und Unsicherheit entstehen. Weitere Verkaufspläne für Tochtergesellschaften und Beteiligungen und eine neuerliche Änderung der Konzernstrategie belegen eindringlich, wie schwierig sich die Führung eines schwer überschaubaren, in zahlreichen Bereichen aktiven Großkonzerns gestaltet.

Mit dem Rücken zur Wand?

Zusammenschlüsse im nationalen Rahmen sowie die wachsende Zahl länderübergreifender Konzernbildungen bedeuten neue Anforderungen an die Belegschaftsvertreter. In praktisch allen Fällen wächst die Konkurrenz zwischen den Arbeitnehmern einzelner Standorte, die um Investitionen und neue Produktionen konkurrieren und von der Konzernzentrale oft gegeneinander ausgespielt werden. Auf nationaler Ebene werden Konzernbetriebsräte errichtet, um den Beschäftigten bei der Konzernleitung mehr Gewicht zu verschaffen. Die Arbeitnehmervertreter in den Konzernaufsichtsräten befinden sich gegenüber den Kapitalvertretern in einer schwächeren Position.

Da in internationalen Konzernen nationale Gremien nicht mehr ausreichen, sind die Arbeitnehmervertreter gezwungen, sich länderübergreifend zu organisieren. Daher erfolgt die Gründung von Europäischen Betriebsräten (EBRs). Diese verfügen jedoch nur über eingeschränkte Mitwirkungsrechte und können im Regelfall die Politik der Konzernleitungen nicht maßgeblich beeinflussen. Sie haben keine rechtliche Handhabe gegen Konzernpläne und werden als zahnlose Tiger eingestuft. Einige Beispiele aus der Autobranche zeigen, dass EBRs bei Restrukturierungen eine wesentliche Rolle spielen können, führen aber auch vor Augen, dass ihre Rechte (besonders bei Restrukturierungen) unbedingt erweitert werden müssen. Daher drängt die europäische Gewerkschaftsbewegung auf eine Stärkung des EBR und eine rasche Novellierung der geltenden EU-Richtlinie zum EBR3).

Auch die Mitbestimmung in Aufsichtsräten gerät bei der Bildung internationaler Konzerne in ernste Gefahr: Sobald die Konzernzentrale im Ausland liegt, haben die inländischen Belegschaftsvertreter keine Chance auf Positionen im Aufsichtsgremium des Konzerns. Die Gründung europäischer Aktiengesellschaften könnte dieses Problem zumindest für jene Konzerne entschärfen, deren Zentrale in einem EU-Land liegt. Im Aufsichtsrat des Chemieriesen Aventis - er ging aus einer Fusion hervor - sitzen Arbeitnehmervertreter verschiedener EU-Länder, befinden sich aber gegenüber den Kapitalvertretern eindeutig in der Minderheit.

Die Arbeitnehmervertreter in übernommenen Firmen müssen sich schnell auf völlig veränderte Bedingungen einstellen. Während sie vorher gute Kontakte zum Vorstand hatten und viele Probleme einvernehmlich lösen konnten, verlieren sie im neuen Konzern massiv an Einfluss. Der eigene Vorstand gibt Kompetenzen an die neue Konzernleitung ab und eignet sich nur noch in wenigen Bereichen als Ansprechpartner für den Betriebsrat. Die Arbeitnehmervertreter im EBR sind nur eine Länderdelegation unter vielen und müssen die Kollegen aus anderen Ländern erst von ihren Positionen überzeugen. Da die Einflussmöglichkeiten des EBR vergleichsweise schwach sind, nehmen die Gestaltungschancen für die inländischen Betriebsräte rapid ab.

Aus diesem Blickwinkel wird der Widerstand der inländischen Belegschaftsvertreter, des ÖGB und der Arbeiterkammern gegen einen Ausverkauf heimischer Grossunternehmen nur zu verständlich. Übernahmen sind trotz aller Beteuerungen nie auszuschließen und drohen die Qualität der Gewerkschafts- und Betriebsratsarbeit zu beeinträchtigen.

1) Vgl. H. Hirsch-Kreinsen, Neue Rationalisierungskonzepte - Grenzen und Chancen für die Betriebsratspolitik, in: R. Widowitsch u. a. (Hg.), Zukunftsmodell Betriebsrat, ÖGB-Verlag, Wien 2003, 51-72, 55 f.

2) Vgl. »Arcelor-Dialogue« (Sommer 2003), 1 ff; »IG Metall extra« Juli/August 2003; September 2003.

3) vgl. W. Greif, Mitbestimmungsdefizite aufzeigen - Mitwirkungsrechte erweitern, in: WISO 25 (2002), Nr. 4., 97-115, 105 ff.

R E S Ü M E E

Die Kleinen zahlen drauf
Ob »feindliche« oder »freundliche« Übernahme: Das Fressen und Gefressenwerden in der Welt der Konzerne erhöht den Druck auf die Beschäftigten und geht vor allen zu Lasten der Arbeitsplätze. Auch die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten gerät in Gefahr.

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