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Da haben die Gewerkschaften andere Ideen ...

SCHWERPUNKT

Arbeit & Wirtschaft - Interview | Siegfried Sorz spricht mit ÖGB-Präsident Fritz Verzetnitsch

A&W: Der ÖGB-Bundeskongress bedeutet Weichenstellung der Gewerkschaftspolitik für die nächsten vier Jahre. Wie steht es um die Organisationsreform des ÖGB?
Fritz Verzetnitsch: Bei der Organisationsreform haben wir den richtigen Weg beschritten. Nach einer längeren Diskussion innerhalb der Gewerkschaftsbewegung haben wir den Weg gefunden, dass fünf Gewerkschaften gemeinsam in einer neu zu gründenden Gewerkschaft arbeiten, wodurch eine sehr intensive Zusammenarbeit ermöglicht wird. Weitere sieben Gewerkschaften haben beschlossen, ihre Zusammenarbeit unter dem Titel »gewerkschaftliche Allianz« zu verbessern. Logischerweise geht die Gewerkschaft Öffentlicher Dienst aufgrund ihrer besonderen Lage mit dem Dienstgeber Bund nach wie vor den eigenen Weg. Das heißt aber nicht, dass sie nicht an Aktivitäten des ÖGB insgesamt teilnimmt. Wenn man die vergangenen vier Jahre Revue passieren lässt, beginnend bei der Urabstimmung, Abfertigung, Pensionsdebatte bis jetzt zur Frage der Harmonisierung, so hat es immer eine sehr gute Zusammenarbeit gegeben. Nach diesem Bundeskongress geht es nicht darum, in einer neuen Organisationskommission weiter zu arbeiten, sondern um die praktische Umsetzung dessen, was bereits in den letzten vier Jahren beschlossen wurde. Ich gehe davon aus, dass in den nächsten vier Jahren die fünf Gewerkschaften eine neue Gewerkschaft gründen, dass die sieben Gewerkschaften wirklich intensiver zusammenarbeiten und dass die Gewerkschaft Öffentlicher Dienst nicht außen vor bleibt.

A&W: In der vorigen Ausgabe von »Arbeit&Wirtschaft« sagt Kollege Haberzettl, die jetzige Lösung sei mit Sicherheit die teuerste. Weil es ja auch um Effizienz und um Angleichung an Strukturen der Wirtschaft ginge.
Verzetnitsch: Ja, um genau das geht es letztendlich. Man darf nicht vergessen, dass ich vor mehr als zwei Jahren einen Vorschlag gemacht habe, sich nach Wirtschaftskörpern zu organisieren. Kollege Haberzettl hat in diesem Interview sehr deutlich gemacht, dass es Sinn machen würde, etwa eine sogenannte Verkehrsgewerkschaft zu gründen. Das schließt aber die Vorgangsweise in der Allianz nicht aus, weil dort die Gewerkschaft Handel, Transport und Verkehr und die Gewerkschaft der Eisenbahner intensiv zusammenarbeiten.

A&W: In unserer Diskussion am »Runden Tisch« in diesem Heft, sagt z. B. Günther Ogris von der SORA: »Wenn wir es nur schaffen, die Mitgliederfluktuation in den Griff zu kriegen, indem wir die Leute weiterbetreuen, haben wir mit einem Schlag eine Viertel- million mehr …«
Verzetnitsch: Das ist sicherlich richtig. In Wirklichkeit geht es um drei Dinge: Etwa eine Million Arbeitsverhältnisse werden pro Jahr verändert. Das heißt, Menschen, die in gewerkschaftlich gut organisierten Betrieben tätig sind, sind durch Ausgliederungen, durch Betriebsschließungen, durch Veränderungen im Wirtschaftsbereich betroffen. Die Frage ist, schaffen wir das, z. B. in einem konkreten Projekt bei Semperit Reifenherstellung, wo es darum geht, dass die dort gewerkschaftlich organisierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch in Zukunft eine gewerkschaftliche Betreuung vorfinden. Dazu muss man aber auch klar und deutlich sagen, dass fast die Hälfte dieser Mitarbeiter noch immer keinen Job hat. Also die Mitgliedschaft ist zwar aufrecht, aber in Wirklichkeit sind sie nicht wieder in einer Vollzeitbeschäftigung. Auch bei der Organisationsreform wurde bekräftigt, dass keine Gewerkschaft sagen kann: Es ist schade, wir haben diese Menschen nicht mehr in unserem Organisationsbereich, weil die nicht mehr unserer Berufsgruppe angehören. Und eine andere Gewerkschaft bemüht sich mit großen Anstrengungen, sie als neue Mitglieder zu werben. Obwohl sie doch schon Gewerkschaftsmitglieder waren. Ich glaube daher, dass z. B. Projekte wie »GO« oder die Mitgliederverwaltung sehr dazu beitragen können, dass es nicht zu diesem Verlust von Mitgliedschaften kommt, die so gar nicht im persönlichen Interesse der einzelnen Menschen sind. Aber Menschen, die ihren Arbeitsplatz verlieren, Menschen, die mit Veränderungen in ihrer Arbeitswelt konfrontiert sind, haben natürlich auch andere Sorgen, als darauf zu achten, ob ihre Mitgliedschaft weiter besteht. Wenn sie dann aber Hilfe brauchen, ist es doch sehr wichtig, dass diese aufrecht ist und da müssen wir als Organisation die entsprechende Unterstützung geben, dass eine Mitgliedschaft aufrecht bleibt.

A&W: Von unseren Mitgliedern und Funktionären, aber auch allgemein kommt in Zusammenhang mit der Umstrukturierung der Gesellschaft die Frage: »Wo bleibt die Verteilungsgerechtigkeit?« bzw. »Was ist mit dem Schlagwort Umverteilung? Was geschieht da jetzt?«
Verzetnitsch: Ich glaube, dass auch hier gewerkschaftliche Antworten notwendig sind. Mir scheint diese Frage wesentlich wichtiger im Denken und in der täglichen Arbeit der Funktionärinnen und Funktionäre. Das notwendige organisationspolitische Rückgrat, die Organisationsreform, ist für mich ein Werkzeug, aber das Entscheidende ist, dass ich Gewerkschaftsarbeit nicht darmit definieren kann, wer mit wem wie zusammenarbeitet, sondern die Frage ist: Wie kann man effektiv Mitgliederinteressen vertreten? Dazu zwei Beispiele, von denen ich glaube, dass sie gerade in diese Verteilungsfrage sehr gut hineinpassen. Das ist einerseits der im Jahr 2001 abgeschlossene Kollektivvertrag der Leih- oder ZeitarbeiterInnen und LeiharbeitnehmerInnen, der jener wirtschaftlichen Entwicklung Rechnung trägt, dass viele Unternehmen ihre Stammbelegschaften »entsorgen« und dann über Leiharbeitskräfte versuchen, ihre laufenden Aufträge und Auftragsspitzen zu erledigen. Auch hier gilt mein Grundsatz, dass man keine gewerkschaftlichen weißen Flecken zurücklassen darf.

Auf der anderen Seite haben wir auch nicht erst seit gestern, sondern schon seit einiger Zeit eine Entwicklung unter dem Titel der sogenannten atypischen Arbeitsverhältnisse. Nehmen wir z. B. Fahrradboten, kurzfristige Kinobilleteure oder verschiedene andere Tätigkeitsbereiche. Diese wirtschaftliche Entwicklung führt zu einer totalen Veränderung der Arbeitswelt. Unsere Zielsetzung ist, Sicherheit im Wandel zu bieten. Ein Anlass, nachzudenken, wie man die Rahmenbedingungen der zukünftigen Arbeitswelt den Bedürfnissen der Lohnabhängigen anpassen kann. Es kann doch nicht so sein, dass wir zur Kenntnis nehmen, das es eine in den Rahmenbedingungen abgesicherte Stammbelegschaft gibt, die immer kleiner wird und ein immer größerer Teil in Wirklichkeit dem freien Spiel des wilden Westens oder des wilden Kapitalismus untergeordnet wird. Dann heißt es: Du brauchst kein Arbeitsrecht! Für dich gilt das alles nicht! In Wirklichkeit wird aber fünf Minuten später von den gleichen Menschen, die in der Wirtschaft das Sagen haben, beteuert: Wir brauchen Stabilität! Wir brauchen Einschätzbarkeit! Wir brauchen Weiterentwicklung! Scheinbar gilt das aber nur für diese Menschen, aber nie für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Es ist eine Binsenweisheit in jedem wirtschaftspolitischen Lexikon, dass immer dort, wo im Wirtschaftsleben kooperative Modelle, das heißt auch Kompromisse und Sicherheiten für Arbeitnehmer und Arbeitgeber geboten werden, die beste wirtschaftliche Performance zu erzielen ist. Jetzt aber herrschen Konfliktstrategien und »Hire and Fire«, oder das ausschließliche Schielen auf den nächsten Bilanzstichtag vor. Im Wirtschaftsleben wird aber nicht von einem Quartalsbericht zum anderen gearbeitet, sondern in Wirklichkeit müssen längerfristige Überlegungen im Vordergrund stehen. Das muss die Zielsetzung sein. Man sieht sehr deutlich: das Modell einer Wirtschaftspolitik, die auf längerfristigen Konsens und vernünftige Weiterentwicklung ohne Stillstand aufgebaut wird, ist wesentlich erfolgreicher als dieses »Hire and Fire« und das Schielen nach Aktienkursen …

»Man sieht sehr deutlich: das Modell einer Wirtschaftspolitik, die auf längerfristigen Konsens und vernünftige Weiterentwicklung ohne Stillstand aufgebaut wird, ist wesentlich erfolgreicher als dieses »Hire and Fire« und das Schielen nach Aktienkursen …«

A&W: Aber genau das ist die Haltung gegenüber den Gewerkschaften, die ja von Amerika übernommen wird. Union-Bashing heißt es dort, das Gewerkschaftenprügeln, eine Art Volkssport der Gegner. Und die Gewerkschafter werden als die Neinsager hingestellt oder als die Dinosaurier und Betonierer. Jetzt ist es so, bei Themen wie der Pensionsreform und auch bei den Privatisierungen haben wir versucht, uns dagegen zu stemmen und haben den berechtigten Ängsten der Leute auch Ausdruck gegeben. Aber letzten Endes ist es doch so gekommen, wie es die Regierung wollte …
Verzetnitsch: Ja. Aber würde man dem logisch folgen, hieße das, dass man sich überhaupt nicht mehr rührt und nur jene das Sagen haben, die Macht besitzen, sei es durch demokratische Legitimation oder durch wirtschaftliche Stärke. Gewerkschaften sind ja ein gesellschaftliches Korrektiv und keine Neinsager per se. Aber es ist doch zu hinterfragen, ob man eine Politik, die da lautet: »Hauptsache ist, wir privatisieren«, ohne auf die wirtschaftliche Folgen zu achten, still und leise zur Kenntnis nimmt oder ob man sagt: »Es gibt auch andere Wege.« Ich halte es für eine alte Politik, die da lautet: »Nur privat ist gut.«

Genauso wäre es völlig falsch, den Gewerkschaften zuzuschreiben, dass sie beim konkreten Anlassfall Voest oder auch bei anderen Beispielen nur der Verstaatlichung das Wort reden. Gerade die Voest ist das Beispiel, wenn man die letzten sieben Jahre Revue passieren lässt, dass durch den vernünftigen Mix privater und Mitarbeiterbeteiligung und staatlichem Eigentum ohne dirigistischen Einfluss auf die einzelnen Maßnahmen durch die Politik, das Unternehmen arbeiten kann. Arbeiten mit der Sicherheit im Hintergrund, dass es da auch einen Kernaktionär gibt, der zum Unternehmen steht. Und nicht, dass es - wie gesagt - heißt: »Hauptsache ist, das nächste Quartal wird mit einer hohen Dividende belohnt.« Es muss auch heißen: Welche langfristigen Konzeptionen sind da? Welche Auswirkungen hat das auf die Forschung und Entwicklung? Und, auch wieder konkret die Frage bei der Voest, wie weit ist ein Unternehmen in der Lage, z. B. die zukünftige Entwicklung der gesamten Gesellschaft - Alterskurve - aktiv und positiv aufzunehmen? Die Voest hat eigene Programme, damit ältere Mitarbeiter stärker integriert werden. Dort geht man von der völlig richtigen Überlegung aus: Wenn wir die zukünftige Altersentwicklung in Österreich anschauen, dann haben wir weniger Junge und mehr Alte und wir müssen die Alten mit ihren Erfahrungswerten im Unternehmen halten. Wenn diese Politik, die sich auch im Aktienkurs positiv niederschlägt, richtig ist und dann so Altideologen daher kommen und sagen »Privatisierung, das muss man tun«, ist das in Wirklichkeit eine alte Politik, die nur dazu dient, möglichst kurzfristig Geld zu machen, die aber nie eine längerfristige Entwicklung mit einschließt. Und da haben Gewerkschaften andere Ideen.

A&W: Ja, so ist das mit den Profiten. Aber jetzt scheint es so, dass unser ganzer Sozialstaat in den Grundlagen privatisiert werden soll. Die Pensionen sollen auf private Basis gestellt werden. Es wird beabsichtigt, die Gesundheitsvorsorge weiter zu privatisieren. Und das ziemlich vehement …
Verzetnitsch: Es geht in Wirklichkeit darum, den Menschen bewusst zu machen, was in ihrem Interesse liegt. Ich versuche das immer mit einem logischen Beispiel zu argumentieren: Das Umlageverfahren ist nachweislich das sicherste und längerfristig beste System einer Solidargemeinschaft, wenn es darum geht, Lasten einigermaßen zu verteilen und die Lebensexistenz in ihren Grundlagen zu sichern. Ob das jetzt die Pension, das Gesundheitswesen oder aber auch die Bildung ist. Wenn wir eine faire und gleiche gesellschaftliche Entwicklung haben wollen, dann kann sie nicht allein auf der eigenen wirtschaftlichen Existenzkraft des Individuums aufgebaut sein, dann muss auch ein solidarischer Gedanke für unsere Gesellschaft vorhanden sein.
Die Alternative wäre, das ist jetzt sehr verkürzt gesagt, wir investieren mehr in Polizei, in Stacheldrahtzäune, in Sicherheitseinrichtungen wie Videoüberwachung, anstatt in Bildung, in soziale Sicherheit und in die wirtschaftliche Entwicklung unserer Gesellschaft. Vor diesen Alternativen steht man. Und wenn da jetzt gerade bei der Pension, aber auch bei der Gesundheit, gesagt wird: »Mehr Privat weniger Staat, wir können uns das Gesundheits- und das Pensionssystem nicht mehr leisten, wir müssen privat vorsorgen«, dann bitte ich doch jeden einmal, seinen eigenen Gehaltstreifen oder Bezügezettel herzunehmen. Und da wird er unter dem Titel Sozialversicherung die Abzüge sehen. Diese Abzüge leistet er als private Vorsorge an die Gemeinschaft. Und jetzt kommen die Altpolitiker daher und sagen: »Mehr Privat, weniger Staat. Wir können uns das nicht mehr leisten.« Haben sie zwei Geldbörsen, zwei Girokonten? Einmal für die staatlichen Abgaben, und zum anderen für die privaten Abgaben? Es ist letztendlich immer das eigene Konto, das hier herangezogen wird! Daher ist das eine völlig falsche Strategie, der man nur entgegentreten kann. Denn die Konsequenz ist, dass das Umlageverfahren und daneben auch noch eine private Vorsorge mit Werbeausgaben, mit einer neuen Verwaltungsstruktur, die wesentlich höhere Kosten verursacht, finanziert wird. Ganz entscheidend ist, dass das umlagefinanzierte Sozialsystem erhalten wird. Es ist ja auch schizophren, wenn gesagt wird, dass wir mehr Leute in der Pflege brauchen, und gleichzeitig aber, das Gesundheitssystem sei zu teuer. Wie funktioniert das? Glaubt man, dass diese Leute umsonst arbeiten, dass sie ohne irgendwelche wirtschaftlichen Ansprüche ihre Arbeit erledigen? Oder dass die reine Nachbarschaftshilfe das alles erledigen wird? Ich glaube, wir müssen uns auch bewusst werden, dass die gesellschaftlichen Veränderungen dazu führen, dass wir auch die finanzielle Sicherheit im Gesundheitswesen sicherstellen müssen. Das heißt nicht, dass es ineffizient sein muss. Das muss effizient gemacht werden. Aber zu glauben, das funktioniert unter dem Titel »Mehr Privat, weniger Staat«, wäre genauso falsch wie wenn man sagen würde »Alles über den Staat und die Steuern haben keinerlei Auswirkungen«.

»Diese wirtschaftliche Entwicklung führt zu einer totalen Veränderung der Arbeitswelt. Unsere Zielsetzung ist, Sicherheit im Wandel zu bieten. Ein Anlass, nachzudenken, wie man die Rahmenbedingungen der zukünftigen Arbeitswelt den Bedürfnissen der Lohnabhängigen anpassen kann.«

A&W: Kollege Sallmutter hat kürzlich hier darauf hingewiesen: Im Grunde geht es um die Profite, gerade auch beim Gesundheitswesen. Es geht da wirklich um gigantische Milliardenumsätze, in Euro, wohlgemerkt.
Verzetnitsch: Das ist sicherlich richtig. Wenn man weiß, dass die Menschen in dieser Gesellschaft auf der einen Seite durch Fortschritte in der Medizin länger leben, gesünder leben, setzt das automatisch voraus, dass es neue Aspekte in dieser Richtung geben wird. Und es ist schon seltsam: Wir sind bereit, für jede Weiterentwicklung beim Auto mehr Geld in die Hand zu nehmen, und wenn es um die eigene Gesundheit geht, sagt man: »Das ist nicht finanzierbar.«

A&W: Abschließend etwas zur Strategie, und zwar diesmal der Gegner. Wir organisieren die Lohnabhängigen, und man versucht uns gegeneinander auszuspielen. Es werden Einzelne herausgestellt, die Eisenbahner, die Beamten, die Lehrer …
Verzetnitsch: … die Journalisten, die Handelsangestellten, die Gewerkschafter, die Personalvertreter.

A&W: Diese Rechnung scheint immer wieder aufzugehen. Ich glaube, diese Erkenntnis, dass wir nur gemeinsam stark sind, die ist noch nicht genug verankert.
Verzetnitsch: Dieses Karussell dreht sich aber immer schneller und es fallen immer mehr heraus. Die stehen dann auf der Seite und sagen: »Man müsste eigentlich bremsen, hier läuft eine falsche Geschwindigkeit«. Das Entscheidende ist, dass man sich als Gewerkschafter immer wieder vor Augen führt: Die Welt verändert sich, dennoch ist der Mensch unsere Stärke, der Mensch, der Bedürfnisse, der Anliegen hat. Sei es das Gesundheitssystem von der Geburt bis zum Ende seiner Tage, sei es das das Bildungssystem, das möglichst allen zur Verfügung steht und Chancen bietet, die jeder ergreifen kann, sei es die Arbeitswelt, die sich nicht dahin entwickeln kann, zu sagen: »Hauptsache ist, du hast irgend eine Arbeit.« Es muss eine Arbeit sein, mit der die eigene Existenz gut möglich ist, die auch Befriedigung schafft, die gesund zu erledigen ist.

Die Arbeit, die einen Wert für den Menschen in seiner Existenz an und für sich darstellt, darf nicht auf Teilzeit und geringfügig Beschäftigte reduziert oder degeneriert werden. Die Menschen sollen auch die Möglichkeit haben, durch Vollzeitarbeit ihre Existenz zu sichern und auszubauen. Es geht darum, dass wir in der Freizeit den Erholungswert, den Zusammenhalt der Gesellschaft auch gestalten können. Das spricht für mich gegen eine Rund-um-die-Uhr-Arbeit in allen Bereichen. Es muss genug Zeit, geben für ein Familienleben, es muss auch Zeit da sein, sich gesellschaftlich zu engagieren. Es muss Zeit da sein, sich mit Freunden zu treffen. Es muss Zeit sein, um gemeinsam kulturelle Erlebnisse zu genießen. Für diese Rahmenbedingungen muss die Gewerkschaftsbewegung sorgen. Denn Menschen sind unsere Stärke.

A&W: Wir danken für das Gespräch.

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