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Fortschritt mit Lücken

HINTERGRUND

Soziale Verantwortung von Unternehmen - im business-talk auch »Corporate Social Responsibility« (CSR) genannt - ist »in«. Viele Initiativen von privater und öffentlicher Seite sind Beweis dafür. CSR ist freiwillig getragene unternehmerische Sozialverantwortung.

Eine genaue Definition von »Corporate Social Responsibility« ist noch ausständig. Auch gibt es eine Vielzahl von Instrumenten und Initiativen, die unterschiedliche Zielsetzungen verfolgen, je nach dem, welche Akteure dahinter stehen. Hier ein kurzer Überblick und Problemaufriss.

Unter dem Eindruck zahlreicher Berichte über Menschenrechtsverletzungen in Arbeitsverhältnissen und Ausbeutung der Naturressourcen haben Anfang der neunziger Jahre zunächst US-amerikanische Unternehmen unverbindliche ethische Absichtserklärungen abgegeben. Diese wurden aber oft kaum umgesetzt, sodass sie als durchschaubare Public-Relations-Versuche abzutun sind.

In den späten neunziger Jahren hat sich die Diskussion von der Idee der freiwillig getragenen unternehmerischen Selbstregulierung zum Teil weg bewegt. In Europa geht es jetzt mehr um eine öffentliche politische Auseinandersetzung und um Verhandlungen über einen Kodex sowie konkrete Umsetzung unternehmerischer Rechenschaftspflicht. Zu den an Kodex-Formulierung und Kontrolle beteiligten Akteuren zählen nicht mehr nur die Unternehmen, sondern vor allem die Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen (NRO’s).

Zusagen auf Papier bedeuten aber noch lange nicht, dass Unternehmen effektiv soziale Verantwortung übernehmen. Selbstverpflichtungen über die gesetzlichen Bestimmungen hinaus, beispielsweise Frauen im Betrieb oder altersgerechte Arbeitsorganisation zu fördern oder im internationalen Handelsverkehr auf Einhaltung der Kernarbeitsnormen zu achten und dies auch von Zulieferern zu verlangen, sind gut und richtig. Die Unternehmen können hier wichtige Vorreiterrollen übernehmen. Doch können und dürfen diese aus gewerkschaftlicher Sicht kein Ersatz für regulative Maßnahmen sein. Nur Gesetze und deren Durchsetzung durch staatliche Behörden können den sozialen Fortschritt - national wie weltweit - sichern.

»Ausgegangen ist der Trend zu CSR von Unternehmen, die damit auf eine negative Publicity reagierten.«

Von entscheidender Bedeutung sind Verfahren und Prozesse zur Durchsetzung festgeschriebener Standards. Entscheidend für die Bewertung ist somit, ob es ein unabhängiges Monitoring und die notwendige Transparenz gibt und welche Akteure in welcher Form beteiligt sind.

Die EU-Initiative

Im Sommer 2001 legte die Europäische Kommission ein Grünbuch mit dem Titel »Europäische Rahmenbedingungen für die soziale Verantwortung von Unternehmen« vor. Beabsichtigt war, die Debatte über soziale Verantwortung von Unternehmen (CSR) in Gang zu setzen. Die Reaktionen waren naturgemäß unterschiedlich. Während es den Unternehmen eher darum ging, den freiwilligen Charakter hervorzuheben, betonten Gewerkschaften und Organisationen der Zivilgesellschaft, dass freiwillige Initiativen nicht ausreichen. Klar wurde auch, dass unter CSR eine breite Palette von Themen verstanden werden kann, so etwa: Verhaltenskodizes, Sozial- und Umweltgütesiegel, Berichterstattung über soziale Verantwortung, sozial verantwortliches Investieren (Stichwort: Ethik-Fonds) und vieles mehr.

Jedenfalls ist die Diskussion auf europäischer Ebene dazu derzeit sehr virulent. Eingerichtet wurde mittlerweile auch eine Plattform (EU-Stakeholder-Forum über CSR) aus Vertretern von europaweiten Organisationen der Unternehmen, der Arbeitnehmer, der Verbraucher und der Zivilgesellschaft. Diese Plattform soll zu einem europaweiten Erfahrungsaustausch über CSR beitragen, ein EU-Konzept und einschlägige Leitsätze erarbeiten.

Verhaltensnormen auf Unternehmensebene

Betriebsräte und Arbeitnehmer werden immer öfter mit so genannten »Codes of Conduct«, »Business Conduct Guidelines«, »Ethical Conduct Commitments« oder »Corporate Governance« konfrontiert. In diesen Dokumenten stellen Unternehmen ihre Verhaltensregeln in den Bereichen »Human Resources«/Arbeitsbeziehungen, Produktsicherheit, Geschäftsbeziehungen, Datenschutz, Umwelt und gesellschaftliche Verantwortung (Corporate Citizienship) dar.

Ausgegangen ist der Trend zu Verhaltensnormen von den Unternehmen, die damit auf negative Publicity infolge von Berichten über gefährliche Arbeitsbedingungen, unmenschliche Arbeitszeiten, Kinderarbeit und Hungerlöhne bei der Produktion von Bekleidung, Schuhen, Spielwaren und anderen arbeitsintensiven Produkten reagierten.

Unüberprüfbare Angaben

Die Konzernzentralen kommunizieren ihre Verhaltenskodizes meist einseitig an ihre Stakeholder, Investoren, Konsumenten, Beschäftigte, Behörden, Nicht-Regierungsorganisationen. Form und Umfang sind sehr unterschiedlich, sie reichen von kurzen Darstellungen der Unternehmensphilosophie bis zu umfangreichen Abhandlungen über das Managementkonzept. Oft sind sie sehr vage abgefasst, mehrheitlich werden nationale und internationale Arbeitsnormen ignoriert. Kaum ein Unternehmen lässt eine externe Überprüfung und Verifizierung zu, Arbeitnehmervertreter werden nicht einbezogen. Untersuchungen haben ergeben, dass diese Kodizes keine wesentlichen Veränderungen erbracht haben. Übrig bleiben Hochglanzbroschüren als Marketinginstrument.

  • Oft verpflichten die Regelungen einseitig die Mitarbeiter und nicht auch das Unternehmen.
  • Disziplinarmaßnahmen bis hin zur Entlassung bei Nichteinhaltung der umfangreichen Vorschriften werden angedroht.
  • Sehr problematisch ist die häufig enthaltene Aufforderung zur gegenseitigen Bespitzelung von Kollegen und Kolleginnen, die möglicherweise die Normen nicht einhalten.
  • Im Zusammenhang mit Verhaltenskodizes werden zunehmend subjektive Verhaltensmerkmale in die Beurteilungssysteme integriert.
  • Häufig werden konzernweite Anweisungen zu Themen gegeben, die durch den Betriebsrat zustimmungspflichtig sind.
  • Es liegen uns Verhaltenskodizes vor, die zum Teil gesetzlichen Regelungen widersprechen.

Trotz dieser Risiken sollten Verhaltenskodizes nicht ignoriert werden, denn dieses Instrument wird in der Diskussion über Unternehmenspflichten im Zeitalter der Globalisierung immer wichtiger. Kodizes werden von zahlreichen NRO’s angestrebt (etwa im Fairen Handel) und ziehen das Interesse von Regierungen, internationalen Organisationen und Wissenschaftern auf sich. Viele Berater und Unternehmen spezialisieren sich darauf, den multinationalen Unternehmen bei der »sozialen Rechenschaftspflicht« zu helfen.

Verantwortung nicht etabliert

In Aussagen der Verhaltenskodizes zu Chancengleichheit, Datenschutz, ArbeitnehmerInnenschutz, und so fort liegen durchaus Chancen, zusätzliche Verbesserungen für die Arbeitnehmer zu erreichen. Selbstverpflichtungen können auch ein Hebel zur Förderung von internationaler Solidarität im Konzern werden und den Aufbau weltweiter Mitbestimmungsstrukturen unterstützen.

Dazu gilt es, Verhaltenskodizes in die gewerkschaftlichen und betriebsrätlichen Strategien der Interessendurchsetzung zu integrieren. Die traditionelle Berichterstattung der Unternehmen ist auf die finanzielle Dimension fokussiert. Im Mittelpunkt stehen vor allem die bekannten Geschäftsberichte, zusätzlich müssen börsennotierte Unternehmen Quartalsberichte veröffentlichen.

Berichtet werden muss dabei vor allem über die Ertragslage, die Vermögenssituation oder die Liquidität. Hauptadressat sind die Eigentümer (Shareholder), in Europa auch noch die Gläubiger. Sozialberichterstattung ist in den traditionellen Geschäftsberichten bestenfalls eine Nebensache. Meist wird über die Entwicklung von Beschäftigtenzahlen sowie vereinzelt über spezielle Personalentwicklungsprojekte oder die Einführung von Stock-Option-Modellen für das Management berichtet.

Die »Sozialberichterstattung« ist in der Regel nur dann im Geschäftsbericht zu finden, wenn sie positiver Imagebildung dient. Berichte über konkrete Arbeitsbedingungen oder die Einhaltung von Kernarbeitsnormen würde man vergeblich suchen. Die Diskussion über soziale Verantwortung von Firmen bringt es mit sich, dass einige beginnen, Nachhaltigkeitsberichte zu veröffentlichen. Beispiele: Credit Suisse und Baxter.

Diese Berichte wurden nach den Kriterien der Global Reporting Initiative (GRI) erstellt. Die Coalition for Environmentally Responsible Economies (CERES) und das United Nations Environment Programme (UNEP) haben das GRI initiiert, deren Ziel es ist, einen weltweit anwendbaren Leitfaden für Nachhaltigkeitsberichte zu entwickeln und zu verbreiten. Dieser soll es Organisationen ermöglichen, auf freiwilliger Basis über die wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Ausmaße ihrer Aktivitäten, Produkte und Dienstleistungen zu berichten.

Social Accounting Standard

Der Social Accounting Standard SA 8000 verfolgt ein dem GRI entsprechendes Ziel, bezieht sich aber auf soziale Aspekte der Unternehmenstätigkeit. Firmen verpflichten sich, die Kernarbeitsnormen - Verzicht auf Kinderarbeit und Zwangsarbeit, Vereinigungsfreiheit, Abschaffung der Diskriminierung am Arbeitsplatz - einzuhalten und den Stakeholdern Bericht zu erstatten.

Der Weg zu einer effektiven Sozialberichterstattung ist noch weit, vor allem fehlt die Verankerung in den nationalen Gesetzen. Auch die Inhalte sind noch viel zu vage, sodass aus den Berichten kaum wirklich Problemfelder herausgelesen werden können.

Seit 1993 gibt es die inzwischen novellierte EU-Verordnung zum freiwilligen Umweltmanagementsystem EMAS. Man erhoffte sich, dass Unternehmen aus Eigeninitiative ständig ökologische Fortschritte jenseits des gesetzlich Vorgegebenen machen und das zu klareren Managementstrukturen, einer besseren Kommunikation in Umweltfragen nach außen, verlässlichen Umweltinformationen durch externe Zertifizierung und letztlich auch über notwendige Arbeitnehmerbeteiligung zu einem besseren Arbeitsklima führen würde.

Die Praxis hat aber gezeigt, dass die ökologischen Ziele mit anderen Umwelt-Managementsystemen genauso zu erreichen sind und dass von einer ständigen ökologischen Verbesserung über das Gesetz hinaus keine Rede sein kann. Der größte Nutzen für die Organisationen liegt im Innenbereich. Die bessere - lange nicht vollständige - Rechtserfüllung bedeutet geringeres Haftungsrisiko. MitarbeiterInnen-Beteiligung bringt bessere Ideen, mehr Motivation und damit ein besseres Arbeitsklima. Vor allem werden erhebliche Kosteneinsparungspotenziale entdeckt. Die Öffentlichkeit hingegen ist wenig interessiert.

Problembereiche sind die Rechtserfüllung und die externen Gutachter. Die Gutachter sollen für die Rechtserfüllung geradestehen, haben sich aber noch nicht zu wirklich unabhängigen Prüfern »gemausert«. Schuld daran ist, dass ihre Sorgfaltspflicht bei den Prüfungen nirgends rechtlich festgeschrieben ist und dass die geprüfte Organisation sie bezahlen muss, sie aber untereinander einem starken Wettbewerbsdruck ausgesetzt sind.

Das führt dazu, dass sie die Rechtserfüllung (»legal compliance«) nicht in der wünschenswerten Tiefe prüfen. Außerdem haben sie noch keine ausreichende Rollenklarheit: oft wird die Organisation vorher beraten und dann geprüft. Das ist deshalb so kritisch zu sehen, weil es nicht nur um eine Auszeichnung nach außen geht, sondern weil die Gutachter bei den Verwaltungserleichterungen, die zur Belohnung der Betriebe geschaffen wurden, eine Garantenstellung einnehmen, die sie kaum ausfüllen können.

I N F O R M A T I O N

http://europa.eu.int/comm/employment_social/soc-dial/csr/csr_index.htm
http://www.ilo.org/public/english/employment/multi
http://www.oecd-leitsaetze.at/
http://www.codesofconduct.org/
http://www.icftu.org/displaydocument.asp?Index=991209513&Language=EN
http://www.fairtrade.at/
http://www.globalreporting.org/


R E S Ü M E E

Noch unbefriedigendes System

Corporate Social Responsibility (CSR) wurde von US-Firmen Anfang der 90er-Jahre des vorigen Jahrhunderts initiiert, nachdem sie nach Berichten über Menschrechtsverletzungen bei Arbeitsverhältnissen und Ausbeutung von Naturressourcen unter Druck geraten waren. CSR beinhaltete aber nur unverbindliche ethische Absichtserklärungen. In Europa geht es statt um freiwillige Selbstregulierung um eine öffentlich-rechtliche Auseinandersetzung. Freiwillige Zusagen dürfen aus Gewerkschaftssicht kein Ersatz für gesetzliche Maßnahmen sein. Zwar wurde ein einheitlicher Standard (SA 8000) eingeführt, doch Problembereiche sind Rechtserfüllung und externe Gutachter, deren Aufgaben nirgends verbindlich festgelegt sind.

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