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Vor dem nächsten Aderlass

SCHWERPUNKT

Mit der Novelle zum Pensionskassengesetz stehen nun auch noch rund 350.000 Arbeitern und Angestellten massive Verschlechterungen ins Haus, befürchtet die Arbeiterkammer und schlägt Alarm.

In der politischen Diskussion wird ständig unterstellt, dass das Niveau der ASVG-Pensionen nicht haltbar ist und deshalb die zweite und dritte Säule der Altersvorsorge, die Betriebs- und die Privatpension mit steuerlicher Förderung, ausgebaut werden müsse. Durch die Schwäche der Kapitalmärkte kommt aber gerade dieses System der privaten Pensionsvorsorge unter Druck. Viele Kunden von Pensionsinvestmentfonds haben bereits jetzt einen erheblichen Teil ihrer Altersvorsorge verspielt, viele Leistungsberechtigte von Pensionskassen erleben nun schon das zweite Jahr dramatische Pensionskürzungen.

»Viele Leistungsbezieher von Pensionskassen erleben nun schon das zweite Jahr in Folge dramatische Pensionskürzungen.«

Die zur Sicherung der Betriebspensionen im Pensionskassengesetz verankerte Mindestverzinsung kann zwar Pensionskürzungen nicht verhindern, aber zumindest deren Ausmaß beschränken. »Diesen Rettungsanker will die Regierung jetzt ausschalten«, erklärt AK-Direktor Werner Muhm. Damit werden die Interessen der Versicherten den Interessen der Pensionskassen und deren Eigentümer - meist große Banken und Versicherungen geopfert.

Nach dem bestehenden Pensionskassenrecht gibt es eine gesetzlich garantierte Mindestverzinsung. Demnach ist im Schnitt von fünf Jahren eine jährliche Verzinsung von derzeit etwa 1,5 Prozent zu realisieren. Wenn nicht eine entscheidende Trendwende am Kapitalmarkt eintritt, wird diese Sicherung demnächst in vielen Fällen greifen müssen.

Berechnungen der Pensionskassen zufolge wären bis 2006 bis zu 400 Millionen Euro aus dem Eigenkapital den Pensionskonten gutzuschreiben. Bei anhaltend schlechter Kapitalmarktentwicklung kann dieser Betrag noch wesentlich größer ausfallen. Die geschätzte Summe, die für die Mindestverzinsung aufgebracht werden muss, übersteigt weit das Eigenkapital der Pensionskassen von derzeit rund 60 Millionen Euro. Sie müsste von den Eigentümern zugeschossen werden. Gesetzliche Verpflichtung dafür gibt es derzeit aber keine.

Versicherte zahlen drauf

Statt eines Nachschusses von Kapital in die Kassen durch die Eigentümer wollen die Pensionskassen deshalb, dass die Mindestzinsgarantie geändert wird. Geplant ist: Für rund die Hälfte der etwa 40.000 Pensionisten die bereits Leistungen der Pensionskassen beziehen wird beginnend mit 1. Jänner 1997 der Durchrechenzeitraum von fünf auf sieben Jahre ausgedehnt.

Einschneidende Kürzungen

Für die rund 310.000 künftigen Betriebskassen-Pensionisten wird die bestehende Regelung für 2003 und die Folgejahre außer Kraft gesetzt. Statt dessen wird für die Zeit bis zum Pensionsantritt, also oft erst in zwanzig oder dreißig Jahren, folgende Regelung angepeilt: Die Mindestverzinsung nach bisheriger Formel ist vom Beginn des Geschäftjahres, das nach dem Beginn der Veranlagung liegt (frühestens ab 1. Jänner 1997), bis zum Ende des Geschäftsjahres, das vor Pensionsantritt liegt, zu berechnen.

Das bedeutet: Für Pensionisten, die für 2003 mit einem Nachschuss auf ihre Deckungskonten rechnen konnten, fällt dieser zunächst aus. Für rund 20.000 Leistungsbezieher wird es 2003 zu Pensionskürzungen im Ausmaß von fünf bis zehn Prozent kommen. Im Einzelfall wurden bereits Kürzungen von bis zu 18 Prozent bekannt.

Erstmalig kann es Anfang 2004 zu einer Gutschrift kommen, doch durch das Einbeziehen des guten Jahres 1997 wird diese, anders als nach der alten Regelung, im Normalfall nicht zu leisten sein. Generell bewirkt das Strecken des Durchrechenzeitraumes von fünf auf sieben Jahre geringere bis gar keine Gutschriften. Für Anwartschaftsberechtigte soll es überhaupt erst beim Pensionsantritt eventuell zu einer Gutschrift kommen. Für alle, die nicht in nächster Zeit in Pension gehen, fällt also die auf Basis des jetzigen Rechts erwartete Gutschrift aus.

Da die Durchrechenzeiträume immer länger werden, je ferner der Pensionsantritt liegt, wird es immer unwahrscheinlicher, dass es überhaupt zu Gutschriften kommt. Generell werden in Zukunft Pensionskürzungen durch Mindestverzinsungsregelungen kaum mehr abgefedert werden.

Nicht einlösbare Illusionen

90 Prozent aller Geschäftsfälle der Anfang der neunziger Jahre gegründeten Pensionskassen waren Übertragungen von bestehenden Betriebspensionszusagen. Dabei wurde im Regelfall ein Wechsel von leistungsorientierten zu beitragsorientierten Zusagen vollzogen, meist im Wege einer sogenannten »Zielübertragung«, wodurch die Risiken des Kapitalmarkts auf die Arbeitnehmer abgewälzt wurden.

Die AK hat anläßlich der Schaffung des Pensionskassenrechts 1989/1990 für die Veranlagung durch die Kassen einen maximalen Aktienanteil von 30 Prozent sowie ein weitgehendes Verbot für derivative Produkte gefordert. Darüber hinaus hat sich die AK für das bereits damals konzipierte Mindestverzinsungsgebot eingesetzt.

Um für die Trägerunternehmen diese Zielübertragungen kostengünstig zu machen, wurde versucht, möglichst hohe künftige Renditen zu veranschlagen. Das Ergebnis war, dass die von den Arbeitgebern zu leistenden Übertragungsbeträge relativ gering ausfielen, die in Aussicht gestellten Zielpensionen aber ohne Garantie waren.

»Es ist zu befürchten, dass die Regierung vor den Versicherungen und deren Eigentümern in die Knie geht.«

Die wichtigsten Kennzahlen waren dafür der so genannte Rechnungszins und der rechnungsmäßige Überschuss. Je höher der Ertrag der Veranlagung angenommen wird, desto höher kann die zu erwartende Pension dargestellt werden. »Zusammen mit hohen Rechnungszinsen - bis zu 6,5 Prozent wurden von der Finanzmarktaufsicht genehmigt - lässt sich mit wenig Kapital viel Illusion erzeugen. Statt auf der sicheren Seite zu bleiben, wurde mit Illusionen gehandelt«, erklärt Josef Wöss, Leiter der Abteilung Sozialpolitik der AK Wien.

Derivate gefährden Betriebspensionen

Gegen die Einwände der AK wurden überdies schrittweise die Veranlagungsgrenzen für Aktien auf 50 Prozent hinaufgeschraubt und eine Beimischung von riskanten Anlagepapieren - so genannten Derivaten - im Ausmaß von zehn Prozent zugelassen. »Die gesetzliche Mindestzinsgarantie und ihre möglichen Folgen wurden dabei bewusst außer Acht gelassen«, kritisiert Otto Farny, Leiter der Abteilung Steuerpolitik der AK Wien. Aber nicht genug damit: Durch die Zustimmung zur EU-Pensionsfonds-Richtlinie wird in Zukunft eine Veranlagung in Aktien von bis zu 70 Prozent möglich.

»Wenn Rechtssicherheit nichts mehr wert ist und eine vorgesehene gesetzliche Mindestverzinsungsgarantie beim ersten Windstoß außer Kraft gesetzt wird, kann sich jeder selber ausmalen, was das für Folgewirkungen haben kann«, sagt Muhm. In der letzten Zeit wurden weitere kapitalgedeckte Altersvorsorgeprodukte aufgelegt (Mitarbeitervorsorgekassen für die Abfertigungen, Zukunftsvorsorgesparen), die mit unterschiedlichen Kapitalgarantien versehen sind.

Muhm: »Es ist zu befürchten, dass im Fall des Falles die Regierung auch hier vor den Versicherungen und deren Eigentümern in die Knie geht.« Die AK wird eine derartige Anlassgesetzgebung jedenfalls bekämpfen und nötigenfalls den Verfassungsgerichtshof anrufen, sind doch durch die gesetzlichen Bestimmungen privatrechtliche Ansprüche bereits entstanden. Das Grundrecht auf Eigentumsfreiheit gilt auch für Arbeitnehmer.

Wird für Ende 2003 der Mindestertrag nach der alten Regelung gerechnet, ergibt sich für die letzten fünf Jahre ein durchschnittlicher Verlust von 2,8 Prozent jährlich. Es ist dann ein Mindestertrag durch die Pensionskasse von 1,5 Prozent jährlich über die Periode herzustellen.

Für 2003 hat demnach eine relativ kräftige Gutschrift zu erfolgen. Mit der Neuregelung wird diese Verpflichtung für 2003 ausgesetzt. Durch die Ausdehnung der Berechungsbasis auf sieben Jahre kommt es zur Einbeziehung des guten Jahres 1997 und es entsteht ein durchschnittlicher jährlicher Ertrag über die ganze Periode von knapp über 1,5 Prozent. Es erfolgt also wieder keine Gutschrift.

I N F O R M A T I O N

AK-Forderungen


  • Rücknahme des Entwurfs.
  • Gesetzliche Deckelung des Rechnungszinssatzes auf maximal vier Prozent bei valorisierten Pensionen für Neuabschlüsse.
  • Gesetzliche Deckelung des in den Angeboten und Planrechnungen verwendeten rechnungsmäßigen Überschusses auf sechs Prozent.
  • Änderungen von Bewertungsbestimmungen bei grundsätzlichem Festhalten am Tageswertprinzip (z. B. Bewertung erstklassiger Anleihen bei kurzer Laufzeit mit dem Rücknahmewert, Gutschrift nur eines Teils nichtrealisierter Kursgewinne bei Aktien, der Rest käme in eine Bewertungsreserve).
  • Aufstockung des haftenden Eigenkapitals (kommende EU-Richtlinie sieht vier Prozent des Deckungskapitals vor).
  • Transparenz über Gebarung und Veranlagung der Versichertenbeiträge.
  • Neugestaltung der Veranlagungsrichtlinien.
  • Nachschussverpflichtung auch der Eigentümer der Pensionskassen, wenn eine bestimmte Mindestverzinsung nicht erreicht wird.
  • Sollte die Regierung ihr Vorhaben umsetzen, muss es eine steuerbegünstigte Ausstiegsmöglichkeit aus den Pensionskassen bei einer allfälligen Weiterveranlagung als Lebensversicherung geben.

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