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Südafrika zwischen Befreiung und Neoliberalismus: Neun Jahre nach dem Ende der Apartheid

INTERNATIONALES

Kaum ein Land der so genannten Dritten Welt wird mit so viel Sympathie auf internationaler Ebene begleitet wie Südafrika.

Der - zum Schluss - relativ glatte Übergang von der diktatorischen Apartheid zur Demokratie unter Nelson Mandela ohne massenhaften Exodus der ehemals herrschenden Weißen, der anschließende Machtwechsel innerhalb der Regierungspartei ANC zum derzeitigen Präsidenten Thabo Mbeki, all das rief Anerkennung hervor. Doch für die breite schwarze Bevölkerungsmehrheit sind viele Probleme unverändert geblieben.

Die Gegend um Kapstadt bietet viel: traumhafte Strände, fruchtbare Böden, eine exzellente Infrastruktur, Plantagen mit Wein oder Äpfeln für den Export. Erst mit der Zeit fällt auf, wie langwierig die gesellschaftlichen Folgen der Apartheid sind. An einem Sonntagnachmittag gehen wir an einer beliebten Uferpromenade spazieren und zählen die gemischten Paare, auf kaum fünf treffen wir nach einigen Stunden. Oder der öffentliche Nahverkehr in der Millionenmetropole Kapstadt - er erlahmt gegen 18 Uhr. Dann kann sich nur noch bewegen, wer ein eigenes Auto hat oder ein Taxi bezahlen kann. Die Armen sind bis dahin in ihre Townships zurückgekehrt. Endlos ziehen sich diese Schwarzensiedlungen am Stadtrand. In der Innenstadt bleiben Weiße und Farbige unter sich.

Nur wenige Schwarze haben einen ernsthaften Aufstieg in der demokratischen Gesellschaft Südafrikas nach dem Ende der Apartheid 1994 geschafft. »Die Anzahl von Unternehmen in schwarzer Hand ist rückläufig«, stellte das Wirtschaftsberatungsunternehmen BusinessMap kürzlich fest. Das gleiche Bild
herrscht an der Börse vor, wo nur 4,2 Prozent aller Notierungen auf Betriebe der schwarzen Bevölkerungsmehrheit (80 Prozent) entfallen.

Nicht weniger dramatisch ist das Unrecht auf dem Land: Gerade mal 60.000 weiße Großfarmer kontrollieren nach wie vor 80 Prozent des Bodens, 14 Millionen Schwarze leben als Landlose in bitterer Armut.

Fehlgeschlagene Landreform

Diese historische Ungleichheit sollte mit dem Landreformgesetz von 1994 korrigiert werden. Geplant war die Verteilung von einem Drittel der landwirtschaftlichen Nutzfläche an acht Millionen Haushalte innerhalb von fünf Jahren. Nicht einmal drei Prozent des Ziels konnten erreicht werden. Kritiker werfen der Regierung eine zunehmend neoliberale Orientierung vor, da diese dem Weltbank-Konzept einer so genannten marktgestützten Landreform folgt. Also das Land dem, der es bezahlen kann. Und das können die Armen nicht, die Land brauchen, um Grundnahrungsmittel anzubauen. »Nelson Mandela ist ein Held, doch die jetzige Regierung hat uns vergessen,« beklagt sich der Landlose David Makuzi.

Die allermeisten Schwarzen auf dem Land sind Landarbeiter und Landarbeiterinnen. In der Region um Stellenbosch, kaum eine Stunde außerhalb Kapstadts, reifen weltbekannte Weine, die auch bei uns hohe Preise erzielen. Die Kaapzicht Farm wird unter den Top Ten der südafrikanischen Weine aufgeführt, knapp die Hälfte der Beschäftigten sind Frauen. »Deren Löhne liegen bei gerade der Hälfte ihrer männlichen Kollegen, obwohl sie die gleiche Arbeit verrichten«, kritisiert Rita Edwards vom »Women on Farms Project«. »Formal sind alle Frauen Gelegenheitsarbeiterinnen, die Männer haben dauerhafte Arbeitsverträge, damit haben auch nur sie das Recht auf die farmeigenen Häuschen. Die Arbeitskleidung ist schlecht, Frauen erhalten meist gar keine.« Seitdem sich die Beschäftigten der Gewekschaft angeschlossen haben, hat sich das innerbetriebliche Klima deutlich verschlechtert.

Permanente Tagelöhner

Nicht weit entfernt liegt das Städtchen Grabouw. Hier produziert die Firma Maltheno Brothers auf knapp 1000 Hektar Äpfel und Birnen vornehmlich für britische Supermärkte. Die Farm gilt als Paradebetrieb in der Kapregion, doch schon nach einigen Gesprächen mit den Arbeitern sieht die Situation weniger rosig aus. »Seit fünf Jahren bin ich hier beschäftigt, doch noch immer ohne festen Vertrag, wie die anderen Kollegen«, beklagt ein Arbeiter. Er ist ein Wanderarbeiter aus KwaZulu Natal, spricht nur Khosa, seine Rechte kennt er kaum, doch ist ihm klar, dass andere Beschäftigte längst Zugang zu kostenlosem Wohnraum, medizinischer Versorgung und Schulbildung für die Kinder erworben haben. »Es gibt immer weniger fest Angestellte«, erläutert Sharon Jafta von der Plantagenarbeitergewerkschaft SAAPAWU. »Die Unternehmen entziehen sich zunehmend ihrer Verantwortung und wollen mehr Flexibilität. Für die Arbeiter heißt das aber ständige Unsicherheit, sie werden permanente Tagelöhner. Sie können kaum ihre Familie zu sich holen und sind auch nur schwer in der Gewerkschaft zu organisieren.«

Etwa 300.0000 feste Arbeitsplätze sollen in der Plantagenwirtschaft in den vergangenen Jahren verloren gegangen sein. Und der Landbesitzerverband droht mit weiterem Abbau, da die ANC-Regierung Anfang Dezember erstmals in der Geschichte Südafrikas gesetzliche Mindestlöhne für Landarbeiter festgelegt hat.

Diese belaufen sich auf 650 Rand oder - in reicheren Region wie rund um Kapstadt - auf 800 Rand pro Monat, also 72 und 89 Euro. Bei einem Preisniveau, das etwa der Hälfte Mitteleuropas entspricht, erschreckend wenig. Doch wird der bisherige durchschnittliche Monatsverdienst auf gerade 544 Rand (60 Euro) beziffert, wobei die Hälfte aller Landarbeiter mehr Überstunden leisten muss als gesetzlich erlaubt - und das ohne Bezahlung. Von daher bezeichnet SAAPAWU-Generalsekretär Sipho Khumalo das neue Mindestlohngesetz als »einen ersten Schritt in die richtige Richtung«, auch wenn seine Gewerkschaft auf mindestens 1200 Rand (133 Euro) im Monat beharrt.

Widerstand gegen Privatisierung

Doch es wird schwer genug werden, das neue Gesetz umzusetzen, denn die Landarbeiterinnen und Landarbeiter leben oft weit entfernt von den Städten, sind traditionell stark an die Grundherren gebunden und nicht leicht für Gewerkschaften zu erreichen.

Es bleibt ein zwiespältiger Blick auf das demokratische Südafrika. Die Regierung des ANC hat zahlreiche positive Gesetzesinitiativen auf den Weg gebracht, nur bleiben sie zu oft Papier oder werden durch andere Maßnahmen konterkariert. Eine beachtliche Leistung war beispielsweise die Zurverfügungstellung von sauberem Trinkwasser an etwa sieben Millionen Menschen seit 1994. Doch durch die Privatisierungstendenzen im öffentlichen Sektor haben 18 Prozent den
Wasserzugang wieder verloren, da sie die Kosten einfach
nicht aufbringen können. Der Dachgewerkschaftsverband COSATU hat sich energisch gegen die Privatisierungspolitik des ANC ausgesprochen und bereits zwei Generalstreiks dagegen durchgeführt.

»Ein paar wenige Schwarze sind Multimillionäre geworden, während die überwältigende Mehrheit in Arbeitslosigkeit und krasser Armut gefangen bleibt,« resümierte COSATU auf seiner November-Tagung. COSATU ist neben der Kommunistischen Partei dritte Säule innerhalb des ANC. Die Debatten über die - fehlende - Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums haben sich innerhalb der ehemaligen Befreiungsbewegung zugespitzt, auch wenn der ANC-Parteitag kurz vor Weihnachten keinesfalls die von konservativen Kräften herbeigewünschte Spaltung brachte. Doch wenn beispielsweise der Verwaltungschef der Küstenstadt Durban, ein bekanntes ANC-Mitglied, im Monat vierzigmal so viel verdient wie ein normaler städtischer Angestellter mit relativ gutem Tarifvertrag, dann ist dies der gewerkschaftlichen Basis nur schwer zu vermitteln.

So mehren sich die Proteste gegen die ANC-Regierung, auch wenn es Gewerkschaften und sozialen Bewegungen schwer fällt, gegen die eigene traditionsreiche Bewegung auf die Straße zu gehen. Doch eine Arbeitslosenrate von etwa 40 Prozent und die wachsende Armut machen Aktionen nötig. Auch die Proteste in den Townships, den langjährigen ANC-Hochburgen, haben in jüngster Zeit zugenommen, nachdem ihnen das Wasser gesperrt oder ganze Bevölkerungsgruppen vertrieben wurden. Die Behörden reagieren nervös und brutal auf die Proteste. Als die Landlosenbewegung vor der großen Konferenz für Umwelt und Entwicklung in Johannesburg im vergangenen September mobilisierte, wurde sie statt von den zuständigen Politikern von einem massiven Polizeiaufgebot empfangen und zu Dutzenden für einige Tage hinter Gitter gebracht. Das gute internationale Image sollte nicht gefährdet werden. Doch die Menschen ohne Land und ohne Arbeit leiden Hunger, der Mythos Nelson Mandelas macht sie nicht satt.

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