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Behindert - und doch wertvoll fürs Unternehmen

HINTERGRUND

2003 - im europäischen Jahr der Menschen mit Behinderung - soll sich einiges bewegen: Grund genug, Behinderung und Arbeit sowie den Anspruch von Menschen mit besonderen Bedürfnissen auf Gleichstellung und Chancengleichheit öffentlich zu diskutieren.

»Geh’, du bist ja behindert!« Erst vor kurzem hörte ich dies bei einem Streit von Schulkindern im Autobus. Ein anderer Satz, den ich immer wieder höre: »Der ist ja nicht ganz normal!« Diese Art der sprachlichen Diskriminierung, in der die Beschreibung eines Menschen als Beschimpfung verwendet wird, ist ein Ausdruck von Nichtwissen, entstanden aus einem Mangel an Information und persönlichen Begegnungen. Wer selbst einen Menschen mit Behinderung kennt, würde die Behinderung nie als Schimpfwort benutzen.

Sensibilisierung kann helfen, Vorurteile und Begegnungsängste abzubauen. Und Sensibilisierung beginnt mit Wissen. Darum soll hier eine Grundinformation über Definitionen, über Leben mit Behinderung, über die arbeitsmarktpolitische Situation in Österreich, über gesetzliche Regelungen und Förderungen für Unternehmen und Arbeitsuchende geboten werden.

Dabei kommen Personen mit und ohne Behinderung zu Wort, die beruflich oder privat mit dem Thema »Behinderung und Arbeit« zu tun haben.

Im nationalen und internationalen Rahmen gibt es vielfältige Ansätze zur Definition des Begriffes »Behinderung«. Es fehlt jedoch auch oder gerade in der wissenschaftlichen Diskussion eine einheitliche Definition. Im Alltagsverständnis hingegen steht der Begriff Behinderung in der Regel nicht zur Diskussion. Im allgemeinen Sprachgebrauch wird Behinderung als Unterscheidungsmerkmal benutzt, das zur defizitorientierten Beschreibung einer Abweichung von der Norm dient.

»Es fehlt auch oder gerade in der wissenschaftlichen Diskussion eine einheitliche Definition des Begriffes Behinderung.«

Das Dilemma der Terminologie

Daher ist es nicht verwunderlich, dass manche Begriffe im Zusammenhang mit Behinderung nicht definiert sind und in einer Weise, die über eine reine Zustandsbeschreibung weit hinausreicht, unreflektiert verwendet werden.

Zwar gibt es in der österreichischen Gesetzgebung keine verbindliche Definition von Behinderung. Einzelne Gesetze enthalten aber Definitionen, um die Umsetzung zu ermöglichen. So heißt es in Paragraf 3 BEinstG (Behinderteneinstellungsgesetz): Behinderung im Sinne des Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden Funktionsbeeinträchtigung, die auf einem regelwidrigen körperlichen, geistigen oder psychischen Zustand beruht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Die Weltgesundheitsorganisation WHO unterscheidet drei Klassifikationsstufen von Behinderung.

Schädigung (»impairment«): Mängel oder Abnormitäten der anatomischen, psychischen oder physiologischen Funktionen und Strukturen des Körpers.

Beeinträchtigung (»disability«): Funktionsbeeinträchtigungen oder -mängel als direkte Folge einer Schädigung, die typische Alltagssituationen behindern oder deren Bewältigung unmöglich machen.

Benachteiligung (»handicap«): Negative Auswirkungen, die sich im sozialen Bezug für eine Person aus einer Schädigung oder Beeinträchtigung ergeben.

Zersplitterte Rechtsordnung

Diese Definitionen zeigen, dass Behinderung mehr ist als eine körperliche, geistige oder psychische Funktionsstörung, sondern dass es vielmehr wichtig ist, zwischen der Beeinträchtigung, die eine unmittelbare Folge einer Schädigung ist, und der Benachteiligung, die wir Mitmenschen daraus machen, zu unterscheiden.

Österreichs Rechtsordnung stellt sich äußerst zersplittert dar, da die Kompetenzen teils beim Bund, teils bei den Ländern liegen. Im Behinderteneinstellungsgesetz sind eine Reihe von Maßnahmen im Zusammenhang mit Arbeitsmarkt und Behinderung geregelt, wie die Beschäftigungspflicht, die Zugehörigkeit zur Gruppe der begünstigten behinderten Personen, Zahlung der Ausgleichstaxe, erhöhter Kündigungsschutz, Entgeltschutz sowie Förderungen und Zuschüsse. Weitere Gesetze, die für Menschen mit Behinderung Bedeutung haben, sind das Bundesbehindertengesetz, das Arbeitsmarktservicegesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz und das Bundespflegegeldgesetz (siehe Kasten »Behinderteneinstellungsgesetz«).

F A K T E N

Behinderteneinstellungsgesetz

Die Maßnahmen zur beruflichen Integration behinderter Menschen sind im Behinderteneinstellungsgesetz (BEinstG) geregelt.

Beschäftigungspflicht: Dienstgeber, die in Österreich 25 oder mehr Personen beschäftigen, sind verpflichtet, auf je 25 Beschäftigte mindestens einen begünstigten Behinderten einzustellen.

Begünstigung: Nach dem BEinstG können Menschen begünstigt werden, wenn sie einen Grad der Behinderung von mindestens 50 Prozent haben. Die Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten wird auf Antrag vom Bundessozialamt im Zuge eines Feststellungsverfahrens entschieden.

Ausgleichstaxe: Wenn der Beschäftigungspflicht nicht entsprochen wird, haben die Arbeitgeber pro offener Stelle eine Ausgleichstaxe von EUR 196,22 (ATS 2700,-) monatlich zu entrichten.

Förderungen und Zuschüsse: Aus dem Ausgleichstaxfonds werden Prämien für die Einrichtung von Arbeitsplätzen, Zuschüsse zu Lohnkosten zum Ausgleich konkreter Leistungsminderung (Entgeltschutz) sowie unterstützende Förderungen zur Erlangung und Erhaltung von Arbeitsplätzen (Arbeitsassistenz) bezahlt.

Kündigungsschutz: Begünstigte Behinderte genießen einen besonderen Kündigungsschutz, der mit Beginn des siebenten Monats des Dienstverhältnisses einsetzt, woraus sich eine längere Probezeit ergibt. Vor Kündigung eines unbefristeten Dienstverhältnisses ist beim Bundessozialamt die Zustimmung des Behindertenausschusses zu beantragen.

Die österreichische Bundesverfassung beinhaltet seit 1997 mit Artikel 7, Absatz 1 eine Antidiskriminierungsbestimmung folgenden Inhalts:

»Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. Die Republik (Bund, Länder und Gemeinden) bekennt sich dazu, die Gleichbehandlung von behinderten und nicht behinderten Menschen in allen Bereichen des täglichen Lebens zu gewährleisten.«

»Eine große Barriere für die berufliche Eingliederung stellt oft die unzureichende Qualifikation dar.«

Behindert ist nicht gleich behindert

Das sind zwar schöne Worte, doch in der Praxis fehlt es ihnen an Durchsetzungskraft. Daher fordern Interessenvertretungen im Zuge der Umsetzung der EU-Richtlinie ein Behindertengleichstellungs- bzw. Antidiskriminierungsgesetz, mit dessen Hilfe sich Menschen mit Behinderung erfolgreich gegen Diskriminierung und Benachteiligung zur Wehr setzen können. Dies soll alle Bereiche des täglichen Lebens umfassen: Mobilität, Verkehr, Wohnen, Bauen, Freizeit, Kommunikation, Bildung, Erziehung, Kultur, Beschäftigung, Erwerbstätigkeit, Altersvorsorge, Berufsausbildung und Rechtsschutz.

Wenn wir von Behinderung sprechen, hat jeder ein anderes Bild vor Augen. Es wäre hilfreich, über unterschiedliche Arten von Behinderung Bescheid zu wissen, einfach um die Vielfältigkeit wahrzunehmen und nicht der Versuchung zu erliegen, alle Menschen mit Behinderung in einen Topf zu werfen. Ist ein Spastiker zum Beispiel geistig behindert? Natürlich nicht! Spastiker arbeiten bekanntlich in vielen hoch qualifizierten Berufen.

In unserem Kulturkreis ist es üblich, nach der Art der Behinderung zu unterscheiden, wie Körperbehinderung, Hörschädigung (Gehörlosigkeit, Schwerhörigkeit), Sehschädigung (Blindheit, Sehbehinderung), geistiger Behinderung, Mehrfachbehinderung, chronischer Erkrankung, psychischer Erkrankung.

Die Unterscheidung ist für Laien nicht immer möglich, vielleicht sind deshalb so viele versucht, alle Menschen mit Behinderung »gleich anzusehen«

Ein neues Miteinander

Verschiedene Behinderungen bedingen zwar ähnliche Sachzwänge (so sind die Orientierungsstreifen am Boden für Blinde eine wichtige Hilfe), aber selbst bei Menschen mit ähnlicher Behinderung ist zuerst die Einzelperson mit ihren ganz persönlichen Kompetenzen und Fähigkeiten zu sehen.

Maria Brandl, Vorsitzende von »Integration: Österreich« und selbst betroffene Mutter, weiß, dass ein neuer Umgang, ein neues Miteinander von behinderten und nicht behinderten Menschen das genaue Hinschauen notwendig macht. Es ist wichtig, die individuellen Fähigkeiten zu sehen und nicht zu verallgemeinern (siehe Interview »Behinderten Verantwortung übergeben«).

Arbeit & Wirtschaft - Interview

Maria Brandl

»Behinderten Verantwortung übergeben«

A&W: Sie sind Vorsitzende des Vereins »Integration: Österreich« und Mutter zweier Söhne, einer davon mit Behinderung. Was ist »Integration: Österreich«?
Maria Brandl: »Integration: Österreich« entstand aus einer Elternbewegung, die sich für die schulische Integration ihrer Kinder mit Behinderung einsetzt. Parallel dazu konstituierte sich der Verein als bundesweite politische Interessenvertretung und Anlaufstelle für betroffene Eltern und Interessierte.

A&W: Wie steht es um die schulische Integration von Kindern mit Behinderung?
Brandl: Seit 1993 gibt es den Anspruch auf Integration in Volksschulen, 1997 wurde die Integration in der Sekundarstufe erreicht. Für die weiterführenden Schulen ist aber nichts gesetzlich geregelt, Jugendliche mit Behinderung haben kaum eine Möglichkeit zur schulischen Aus- und Weiterbildung. Unsere Schwerpunkte haben sich aber auch in den nachschulischen Bereich verlagert, denn gerade auf dem Arbeitsmarkt fehlt noch vieles.

A&W: Konkret?
Brandl: Es bedarf gesetzlicher Regelungen und einer Bewusstseinsveränderung, damit die Arbeitgeber wirklich hinschauen, wo auch ein Mensch mit Behinderung arbeiten könnte. Das bedeutet, von den herkömmlichen Berufsbildern wegzugehen und den Unternehmen Job-Coaching oder Arbeitsassistenz zur Verfügung zu stellen. Sie brauchen natürlich auch finanzielle Unterstützung. Dank ihr muss ein Mensch mit Behinderung nicht vollwertig arbeiten können und trotzdem hat der Betrieb keinen Verlust. Das ist ganz wichtig für die Integration in den Arbeitsmarkt.

A&W: Der Arbeitsmarkt ist ein Spiegel der gesamten Situation von Menschen mit Behinderung. Wie kann sie verbessert werden?
Brandl: Ich gehe von einem ganzheitlichen Menschenbild aus, also davon, ihn als vollwertiges Mitglied unserer Gesellschaft anzusehen, egal, welche Stärken und Fähigkeiten ein Mensch hat. Man soll behinderte Menschen nicht nur als »arm« hinstellen, sondern ihnen sehr wohl Verantwortung übergeben. Diese Verantwortung müssen sie auch tragen.

A&W: Wie kann das funktionieren?
Brandl: Grundsätzlich braucht es eine Wahlmöglichkeit für behinderte Menschen. Wenn ich meine zwei Söhne ansehe, so hat mein älterer viele Wahlmöglichkeiten gehabt, in der Aus- und Weiterbildung ebenso wie im Freizeitbereich. Mein jüngerer Sohn hat die Wahlmöglichkeiten nicht, weil er immer auf den Willen, einen behinderten Jugendlichen aufzunehmen, angewiesen ist. Das hängt nicht mit seiner Art als Mensch zusammen, sondern allein mit der Stigmatisierung »Behinderung«.

A&W: Man muss also »nur« das Denken der Menschen ändern?
Brandl: Wir brauchen auch eine gesetzliche Absicherung. Ein Gleichstellungsgesetz ist der erste Schritt, bei vielen Dingen ist einfach ein gesetzlicher Anspruch notwendig. Die Veränderung im Denken passiert schon, aber leider oft nur auf Druck.

Bei der Wahl einer Erwerbstätigkeit bzw. Beurteilung der Arbeitsfähigkeit ist es besonders wichtig, genau hinzuschauen und die richtigen Fragen zu stellen: Welche Art der Schädigung liegt vor? Wie schwerwiegend ist sie? Wie wirkt sie sich auf diesen Menschen aus? Inwiefern beeinträchtigt sie diese Person? Welche Fähigkeiten hat diese Person? Welche Tätigkeiten kann sie ausführen? Welche Erfordernisse erwarten sie an einem konkreten Arbeitsplatz?

Nur die individuelle Betrachtung macht den bestmöglichen Einsatz eines Menschen am Arbeitsplatz möglich. Unterstützende Förderungen wie die Arbeitsassistenz stehen sowohl den Menschen mit Behinderung als auch den Betrieben, die sie einstellen wollen, zur Verfügung (siehe Kasten »Arbeitsassistenz« und Interview »Positiv intervenieren«).

F A K T E N

Arbeitsassistenz

Arbeitsassistenz ist eine Integrationsberatung für Menschen mit Behinderung und für Unternehmen und kann in Anspruch genommen werden:

Bei drohendem Arbeitsplatzverlust.

Zur Unterstützung von Arbeitgebern bei der Auswahl geeigneter Arbeitskräfte mit Behinderung und zur Akquisition von Arbeitsplätzen für diese.

Zur Hilfestellung bei Konflikten am Arbeitsplatz.

Das Angebot für die Betriebe reicht von der Übernahme komplizierter Behördenwege (z. B. Antragstellung für betriebliche Förderungen) bis zur Unterstützung bei der Einschulung im Unternehmen. Arbeitsuchenden bietet die Arbeitsassistenz individuelle Beratung und Unterstützung bei der Jobsuche.

Die Leistung wird von gemeinnützigen Einrichtungen erbracht und Bundessozialämtern aus dem Ausgleichstaxfonds und dem Europäischen Sozialfonds finanziert. Arbeitsmarktservice und einzelne Landesregierungen beteiligen sich an der Finanzierung, die Dienstleistung ist unentgeltlich.

Ziel der Arbeitsassistenz sind individuelle Lösungen, welche die persönlichen Fähigkeiten und die soziale Situation der Einzelnen ebenso berücksichtigen wie die betrieblichen Erfordernisse. Die Beratung ist vertraulich und erfolgt auf Wunsch auch anonym. Es gibt in Österreich zurzeit 57 Arbeitsassistenzprojekte. Die Angebote sind regional organisiert.

Info: www.basb.bmsg.gv.at oder
www.arbeitsassistenz.at


Arbeit & Wirtschaft - Interview

Markus Karner

Positiv intervenieren

A&W: Sie waren als Pädagoge und Betriebsberater am Aufbau der Arbeitsassistenz in Österreich beteiligt und arbeiten zurzeit als Projektleiter für das Institut für Humanistisches Management in Wien an der Entwicklung integrativer Unternehmenskulturen. Wie entstand die Arbeitsassistenz?
Karner: Durch den Beitritt Österreichs zur EU war eine neue Integrationspolitik gefordert, andrerseits standen Mittel des Europäischen Sozialfonds zur Verfügung. Arbeitsassistenz war ein Modellprojekt. Vorher hatten Menschen mit Behinderung keinerlei öffentliche Unterstützung beim Zugang zum Arbeitsmarkt oder Problemen in den Betrieben.

A&W: Was schwebte den Initiatoren vor?
Karner: Die großen Aufgaben sind, neue Beschäftigungsverhältnisse für Menschen mit Behinderung zu finden und bei Problemen positiv zu intervenieren und den Arbeitsplatz zu erhalten.

A&W: Was konnte bisher erreicht werden?
Karner: Besonders in ländlichen Regionen und bei Klein- und Mittelunternehmen hat sich die Arbeitsassistenz einen Namen gemacht. Durch professionelles Auftreten und engagierten Einsatz konnte das Angebot bei den unterschiedlichen Zielgruppen und in den Betrieben verbreitet werden.

A&W: Wo sehen Sie Grenzen und Schwächen?
Karner: Vor allem einmal in der sehr umständlichen Behindertenpolitik in Österreich. Neun Bundesländer ließen auch sehr unterschiedliche Angebote von Arbeitsassistenz entstehen. Ein weiteres Problem liegt in den unterschiedlichen Interessen der Trägerorganisationen, die Arbeitsassistenz anbieten. Die Tatsache, dass Arbeitsassistenz aus der »sozialen Ecke« kommt, ist für unser Auftreten in der Wirtschaft nicht immer hilfreich.

A&W: Wie soll es weitergehen?
Karner: Ein einheitliches Auftreten und eine Abstimmung der Angebote wären sicher wünschenswert, doch liegt das nicht allein in der Kompetenz der Organisationen. Arbeitsassistenz sollte sich als neutrale Dienstleistung im Rahmen einer aktiven Integrationspolitik darstellen.

Arbeitsmarktpolitische Situation

Eine große Barriere für die berufliche Eingliederung stellt oft die unzureichende Qualifikation dar. Dies bestätigen auch die Ergebnisse des Projektes »Bilder einer Einstellung, Mensch - Arbeit - Behinderung«. Dabei wurden von »Integration: Österreich« bundesweit 300 Menschen mit Behinderung befragt. Ergebnis: Menschen mit Behinderung sind mit der öffentlichen Darstellung ihrer Person unzufrieden. Behinderte Menschen haben einen Mangel an Bildung. Dies wirkt sich als doppelte Behinderung aus, da ihnen der Zugang zu bestimmten Jobs von vornherein verschlossen bleibt.

Nach UNO-Daten kann man davon ausgehen, dass in Europa zehn Prozent der Bevölkerung zumindest in einer der zuvor genannten Formen behindert sind. Das bedeutet, dass in Österreich rund 800.000 Menschen mit Behinderungen leben. Flächendeckende Studien fehlen in Österreich. Die österreichischen Zahlen sind sehr niedrig, da nur jene aufscheinen, die eine Einstufung gemäß Behinderteneinstellungsgesetz beantragen: 83.463 begünstigte Behinderte, 56.212 beschäftigte begünstigte Behinderte und 28.546 vorgemerkte arbeitslose behinderte Personen.

Statistiken mit Lücken

Als arbeitslos scheinen nur jene Personen in der Statistik auf, die zumindest einige Monate beschäftigt waren. Dadurch werden nicht alle Menschen mit Behinderung erfasst, die tatsächlich Arbeit suchen. Rund 14.000 österreichische Unternehmen sind laut Behinderteneinstellungsgesetz verpflichtet, insgesamt 84.869 Pflichtstellen bereitzustellen. Über die tatsächlich vorhandenen Pflichtstellen und die Anzahl von Unternehmen, die die Einstellungspflicht gar nicht, teilweise, voll oder sogar darüber hinaus erfüllen, gibt es keine Daten.

Ambitionierte Projekte

Die steigenden Anforderungen des Arbeitsmarktes stellen für viele eine große Herausforderung dar. Um Chancengleichheit für Menschen mit Behinderung zu erreichen, gibt es in der EU und in Österreich viele ambitionierte Projekte. Seiner besonderen Rolle als Sozialpartner trägt der ÖGB mit der Kampagne »Chancen nutzen« Rechnung. Diese ist Teil der EU-Gemeinschaftsinitiative sensi_tec (siehe Kasten »Hilfestellungen des ÖGB«).

F A K T E N

Hilfestellungen des ÖGB

Das ÖGB-Projekt Chancen nutzen informiert Unternehmen, Arbeitnehmer sowie deren Vertretungen über die Vorteile der Zusammenarbeit von Menschen mit und ohne Behinderung. Ziel ist es, mehr Menschen mit Behinderung in den Arbeitsmarkt zu integrieren und ihre Stärken im Unternehmen besser zu nutzen. In Sensibilisierungsseminaren können sich Interessierte aus dem Kreis der Sozialpartner und Unternehmen zu Partnern von Chancen nutzen ausbilden lassen. Sie erhalten wichtige Informationen und lernen, professionell für das Projekt zu argumentieren. Als Netzwerk geben sie ihr Wissen an ihr Umfeld weiter und wirken direkt an der besseren Integration von Menschen mit Behinderung in den Arbeitsmarkt mit.

Zur Beratung im Rahmen von Chancen nutzen zählen Auskunft über Förderungen und rechtliche Rahmenbedingungen, gemeinsam mit den Unternehmen werden maßgeschneiderte Konzepte entwickelt.
Kontakt: chancen-nutzen@oegb.at

Integration und Chancengleichheit bedeuten ein gleichwertiges Miteinander von Menschen mit und ohne Behinderung. Ob dieses möglich ist, hängt nicht zuletzt von Vorannahmen und Bildern in den Köpfen der Menschen ab. Diese entstehen durch persönliche Erlebnisse, mehr oder weniger große Offenheit für Informationen und Auseinandersetzung mit dem Thema - und zwar nicht nur im europäischen Jahr der Menschen mit Behinderung 2003.

F A K T E N

Entwicklungspartnerschaft
sensi_tec

Das ÖGB-Projekt Chancen nutzen ist Teil der Entwicklungspartnerschaft sensi_tec, die durch Sensibilisierung und Nutzung neuer Technologien Chancengleichheit für Menschen mit Behinderung in der Arbeitswelt schaffen will. sensi_tec bezeichnet eine Zusammenarbeit von Unternehmen, Sozialpartnern, Non-Profit-Organisationen und Behörden. Im Rahmen der EU-Gemeinschaftsinitiative EQUAL entwickelt es innovative Dienstleistungen und Produkte, die Sensibilisierung und neue Technologien des Informations- und Kommunikationssektors verbinden. Diese Angebote werden bundesweit verbreitet.

sensi_tec legt größten Wert auf die Einbindung von Menschen mit Behinderung. Die Sicht der Unternehmen, ihre Meinungen und Positionen und die Erfahrungen von Menschen mit Behinderung stehen im Blickpunkt der Entwicklungen und Diskussionen.

sensi_tec wird vom Bundessozialamt im Rahmen der Beschäftigungsoffensive der österreichischen Bundesregierung und des Europäischen Sozialfonds gefördert.
www.sensitec.info

»Nach UNO-Daten kann man davon ausgehen, dass in Europa zehn Prozent der Menschen behindert sind. Das bedeutet 800.000 Betroffene in Österreich.«

RESÜMEE
Auch in dem ihnen gewidmeten europäischen Jahr sind Menschen mit Behinderung oft doppelt getroffen - durch ihre Behinderung und durch das mangelnde Verständnis der Umwelt. Der ÖGB bietet Hilfestellungen an.

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