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BIP-Szenario und Bevölkerungsentwicklung
Alterung der Bevölkerung
Erwerbsbeteiligung und Pensionsquote 1970-2030

Bruch des Generationenvertrags

SCHWERPUNKT

Setzt sich die Regierung durch, wird ein Kernbereich des österreichischen Sozialstaats mit Brachialgewalt demontiert: Denn die behauptete dramatische Finanzkrise der Pensionsversicherung ist eine gezielte, verantwortungslose Irreführung der Öffentlichkeit.

Frau M. wird nächstes Jahr 60 und will dann in Pension gehen. Sie hat 35 Jahre gearbeitet und Beiträge für die gesetzliche Pensionsversicherung bezahlt. Auf Basis des geltenden Rechts kann sie bei einem Durchschnittsverdienst von 1100 Euro in den besten 15 Erwerbsjahren mit 770 Euro Pension (brutto) rechnen. Wird der Pensionskürzungsplan der Regierung umgesetzt, muss Frau M. mit einer lebenslang wirkenden Pensionskürzung um 14 Prozent rechnen. Pensionshöhe nach geltendem Recht: 770 Euro pro Monat. Pensionshöhe nach Regierungsplan: 662 Euro pro Monat. Geplante Kürzung: 108 Euro pro Monat

Umgerechnet auf ein Jahr würde das für Frau M. eine Kürzung um mehr als 1500 Euro bedeuten - und das, obwohl sie erst zum so genannten Regelpensionsalter in Pension geht und schon nach geltendem Recht nur eine bescheidene Pension bekommen hätte!

»Viele sind entsetzt, andere können noch immer nicht glauben, dass so etwas ernsthaft auf sie zukommen soll«

Herr K. ist im Mai 1948 geboren und derzeit 55 Jahre alt. Er ist Angestellter, hat seit seinem 15. Lebensjahr durchgehend gearbeitet, hat mit seinem Bezug die Höchstbeitragsgrundlage erreicht und hofft, bis zur Pension weiter in seiner Firma bleiben zu können. Nach geltendem Recht könnte er 2008 (mit 60 Jahren) in Pension gehen und eine Bruttopension von 2480 Euro erwarten. Kommen die von der Regierung vorgeschlagenen Änderungen, muss er bis 61,5 Jahren arbeiten und bekommt dann auch noch um einiges weniger an Pension als bisher mit 60!

Dabei hat Herr K. noch Glück: Wäre er um zwei Monate später geboren, bekäme er erst ab 65 eine Pension, weil die Schutzbestimmung für Langzeitversicherte für Personen, die ab Juli 1948 (Männer) bzw. ab Juli 1953 (Frauen) geboren sind, ersatzlos gestrichen werden soll!

Beispiele wie diese waren nach der Veröffentlichung der Regierungspläne am 31. März in allen Medien. Eine Schockwelle geht seither durch das Land. Viele sind entsetzt, andere können noch immer nicht glauben, dass so etwas ernsthaft auf sie zukommen soll. Tatsache ist aber, dass es für viele sogar noch wesentlich größere Kürzungen geben soll, vor allem für die Jüngeren!

Setzt sich die Regierung durch, dann wird mit der Pensionsversicherung ein Kernbereich des österreichischen Sozialstaats mit Brachialgewalt demontiert. Was über Jahrzehnte aufgebaut wurde, soll nun mit brutalen Kürzungen und indem der öffentlichen Alterssicherung jede Vertrauensbasis entzogen wird, mit einem Schlag zerlegt werden. Wenn Menschen, die knapp vor der Pension stehen, vom Gesetzgeber mit derartig gravierenden Einschnitten konfrontiert werden, worauf soll man sich dann in Zukunft noch verlassen?

So nicht!

Besonders empörend ist auch, dass noch vor wenigen Monaten, vor den letzten Nationalratswahlen im Herbst 2002, alles ganz anders geklungen hat. Da war wohl auch von »Pensionsreform« die Rede, kein Politiker hat aber vergessen, die selbstverständliche Einhaltung des Vertrauensschutzes zu betonen. An größere Änderungen sei bestenfalls in mittel- bis langfristiger Perspektive gedacht. Und auch das mit Augenmaß. Wenige Monate später scheint das vergessen. Nun wird ganz im Gegenteil so getan, als ob schon übermorgen alles zusammenbrechen würde, wenn der Gesetzentwurf der Regierung nicht sofort umgesetzt wird!

Dabei belegt die Regierung selbst in den finanziellen Erläuterungen zu ihrem Gesetzentwurf, dass sich die Finanzlage der Pensionsversicherung in den kommenden Jahren keineswegs schlecht entwickeln wird - selbst wenn es bei einer unveränderten Weitergeltung des jetzigen Pensionsrechts bleiben würde. Die Antwort kann da nur lauten: So nicht!

  • Es ist völlig inakzeptabel, dass Menschen, die ihr Leben lang gearbeitet und Pensionsbeiträge gezahlt haben, knapp vor Erreichung der Pension mit drastischen Kürzungen ihrer Ansprüche konfrontiert werden!
  • Es ist völlig inakzeptabel, dass Jüngere Pensionskürzungen von 20 Prozent bis 50 Prozent hinnehmen sollen!
  • Es ist völlig inakzeptabel, dass zig-tausend Älteren auf Jahre hinaus der Zutritt zu einer Pension verweigert wird, obwohl klar ist, dass der Großteil von ihnen überhaupt keine Chance hat, plötzlich um einige Jahre länger zu arbeiten!!

Bei gegebener Arbeitsmarktlage bedeutet ein Anheben des Pensionsalters um insgesamt fünf Jahre, dass sehr viele gezielt in die Altersarbeitslosigkeit abgedrängt und auf den jahrelangen Bezug von Notstandshilfe verwiesen werden (sofern ihnen eine Geldleistung zusteht).

»Das ist eine Verhöhnung von Menschen, die ihr Leben lang hart gearbeitet und Pensionsbeiträge gezahlt haben«

Hohn nach einem Leben voll Arbeit

Geradezu unglaublich ist, dass die Regierung eine derartige Gesetzesvorlage als »Pensionssicherungsreform« zu verkaufen versucht. Rudolf Nürnberger, der Vorsitzende der Gewerkschaft Metall - Textil, nannte das zu Recht »eine Verhöhnung von Menschen, die ihr Leben lang hart gearbeitet haben«.

In Wahrheit ist der geplante Pensionsraub kurzfristig gesehen eine gigantische Geldbeschaffungsaktion der Regierung unter rücksichtslosem Bruch des Vertrauensschutzes. Mittel- bis langfristig gesehen dürfte ein Zusammenstutzen der gesetzlichen Pensionsversicherung auf ein Minimalniveau das Ziel sein. Anders lassen sich die geradezu irrwitzigen Kürzungen überhaupt nicht erklären. In den Erläuterungen zum Gesetzentwurf wird der geplante Weg in der Alterssicherung skizziert. Vor allem die Jüngeren werden auf private Vorsorgeformen verwiesen. Im Klartext heißt das, dass sie von der Regierung gleich doppelt zur Kasse gebeten werden. Sie sollen die laufenden Pensionen aus dem gesetzlichen System finanzieren und zusätzlich einen beträchtlichen Teil ihres Einkommens in private Altersvorsorge investieren. Dass viele von ihnen derzeit nicht einmal einen Ausbildungsplatz bzw. eine Arbeit finden, geschweige sich die »Privatvorsorge« leisten können, scheint die politisch Verantwortlichen herzlich wenig zu kümmern.

Auf welch wackligen Beinen manche private, kapitalgedeckte Altersvorsorge steht, erfahren derzeit viele leidvoll, die eine (massiv gekürzte) Pension aus einer privaten Pensionskasse erhalten. Sinken die Börsenkurse, wird Kapitaldeckung zum Bumerang!

Die finanzielle Situation der im Umlageverfahren finanzierten gesetzlichen Pensionsversicherung ist bei weitem besser, als es die Regierung darzustellen versucht. Erreicht wurde dies durch eine Vielzahl von Reformen seit Mitte der achtziger Jahre. Einige Beispiele dafür, was von 1985 bis 1999 alles geändert wurde:

  • Ausweitung des Bemessungszeitraums von ursprünglich fünf auf 15 Jahre
  • Streichung der Anrechnung von Schul- und Studienzeiten
  • Umstellung der Pensionsanpassung auf die »Nettoanpassung«
  • Erschwerung des Zuganges zur vorzeitigen Alterspension (Vorgabe einer höheren Zahl von Versicherungsmonaten)
  • Reduktion der Steigerungsprozente bei Inanspruchnahme einer vorzeitigen Alterspension
  • Pensionsabschläge bei Pensionsantritt vor Erreichung des 65. Lebensjahres (Männer) bzw. 60. Lebensjahres (Frauen)
  • Harmonisierung des Bemessungszeitraumes für Beamte und ASVG-Versicherte auf 18 Jahre (Übergangszeitraum 2003-2020).

Entwicklung der Ausgaben der gesetzlichen
Pensionsversicherung 1970-2002
Ausgaben der PV in Relation zum BIP Bundesbeitrag in Relation zum BIP Bundesbeitrag in Relation zum Pensionsaufwand Beitragssätze (Unselbständige)
1970 8,1% 2,0% 30,6% Arb. 17,5%
Ang. 17,0%
1975 9,2% 2,4% 33,3% 17,5%
1980 9,8% 1,7% 20,4% 20,5%
1985 10,8% 2,6% 27,8% 22,7%
1990 10,9% 2,4% 26,1% 22,8%
1995 10,6% 2,2% 23,8% 22,8%
2000 10,9% 2,0% 21,1% 22,8%
2002 11,1% 2,3% 23,4% 22,8%

Ausgabenwachstum gebremst

Etliche dieser Maßnahmen haben Härten mit sich gebracht - im Vergleich zu dem, was die Regierung jetzt vorhat, wirken diese Härten aber geradezu lächerlich.

Vereinzelt gab es in den neunziger Jahren auch Leistungsverbesserungen, wie etwa durch die 1993 eingeführte Anrechnung von vier Jahren Kindererziehungszeit.

In Summe haben die Maßnahmen den Ausgabenzuwachs jedenfalls massiv gedämpft.

Wie die Tabelle »Gesetzliche Pensionsversicherung 1970-2002« zeigt, sind die Ausgaben der gesetzlichen Pensionsversicherung bis 1985 massiv angestiegen, ab Mitte der achtziger Jahre konnte dann aber der Ausgabenzuwachs weitgehend gestoppt werden:

  • 2002 wurden 11,1 Prozent des BIP für die Pensionen aufgewendet, seit 1985 ist ein Zuwachs um nur 0,3 Prozent des BIP zu verzeichnen. Zwischen 1970 und 1985 stiegen im Vergleich dazu die Pensionsausgaben um 2,7 Prozent des BIP.
  • Der Bundesbeitrag liegt im Jahr 2002 mit 2,3 Prozent des BIP deutlich niedriger als Mitte der achtziger Jahre. Auch in Relation zu den Gesamtausgaben der Pensionsversicherung liegt der Bundesbeitrag auf einem Niveau, das in der Vergangenheit schon mehrfach deutlich überschritten wurde.
  • Der Beitragssatz bei den Unselbständigen ist seit langer Zeit stabil bei 22,8 Prozent (12,55 Prozent Arbeitgeberbeitrag, 10,25 Prozent Arbeitnehmerbeitrag), bis 1985 hatte es demgegenüber kräftige Erhöhungen des Beitragssatzes gegeben.

Bundesbeitrag zur gesetzlichen Pensionsversicherung
(in Prozent des Pensionsaufwandes)
1970-2002
insgesamt ASVG GSVG BSVG
1970 31% 26% 60% 85%
1985 28% 19% 72% 82%
2000 21% 13% 60% 81%
2002 23% 16% 56% 88%

ASVG am stärksten betroffen

Gerne verschwiegen wird von der Bundesregierung aber nicht nur, dass bereits von früheren Regierungen - unter Einbindung der Sozialpartner - Maßnahmen für die Sicherstellung einer soliden Finanzgebarung der Pensionsversicherung gesetzt worden sind.

Verschwiegen wird auch, dass die Zuzahlungen des Bundes bei ASVG-Versicherten, Gewerbetreibenden und Bauern extrem auseinander klaffen (siehe Tabelle: Bundesbeitrag zur gesetzlichen Pensionsversicherung).

Bei den Arbeitnehmern werden derzeit 16 Prozent des Pensionsaufwands über den Bundesbeitrag finanziert, bei den Gewerbetreibenden sind es 56 Prozent und bei den Bauern sogar 88 Prozent. Auch bei den Beamtenpensionen decken die Beitragseinnahmen (unter Berücksichtigung fiktiver Arbeitgeberbeiträge) einen viel geringeren Teil des Pensionsaufwands als im ASVG. Und wo plant die Regierung kurzfristig die schärfsten Einschnitte? Im ASVG! Zur Vollständigkeit bleibt anzumerken, dass sich zu den Eigenpensionen der Politiker in den vorgelegten Gesetzentwürfen kein Wort findet!

Die massiven Unterschiede bei der Eigenfinanzierung lassen sich bei weitem nicht nur durch unterschiedliche Versichertenstrukturen erklären. Eine der zentralen Ursachen ist, dass die Beitragssätze der Gewerbetreibenden und der Bauern wesentlich niedriger sind als bei den ASVG-Versicherten (bei den Beamten sind sie höher als im ASVG). Der politisch von allen Seiten vertretene Grundsatz, dass für gleiche Leistungen gleiche Beiträge abverlangt werden sollten, ist bei weitem nicht erfüllt. Hierzu findet sich im Regierungskonzept ebenso nichts wie zur seit vielen Jahren überfälligen Finanzierung der Ersatzzeiten aus den dafür zuständigen Budgettöpfen!

»Die finanzielle Situation der gesetzlichen Pensionsversicherung ist bei weitem besser, als es die Regierung darstellt«

Erlogene Finanzierungskrise

Zurück zur Finanzlage der Pensionsversicherung. Gravierende Einsparungen brachte zuletzt die »Pensionsreform 2000« mit ihrer überfallsartigen Anhebung des Pensionsalters, der Abschaffung der vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit, der Erhöhung der Pensionsabschläge und der Kürzung der Hinterbliebenenpensionen. Dieses Maßnahmenpaket wurde vor allem wegen völlig unzureichender bzw. gar nicht gegebener Übergangsfristen mit Recht sehr heftig kritisiert, führten aber naturgemäß zu einer weiteren deutlichen Ausgabendämpfung in der Pensionsversicherung.

In Summe bewirken die seit Mitte der achtziger Jahre gesetzten Maßnahmen, dass sowohl die Gesamtausgaben der gesetzlichen Pensionsversicherung als auch der Bundesbeitrag in den nächsten Jahren - in BIP-Anteilen gerechnet - deutlich sinken werden.

Die für die Finanzlage 2003-2007 verwendeten Zahlen sind den finanziellen Erläuterungen zum Gesetzentwurf der Regierung entnommen. Sie belegen klipp und klar, dass die von Regierungsseite behauptete dramatische Finanzkrise der Pensionsversicherung eine gezielte, verantwortungslose Irreführung der Öffentlichkeit ist.

Die Graphik »Entwicklung der Ausgaben der Pensionsversicherung« zeigt, dass selbst bei Beibehaltung des geltenden Rechts die Aufwendungen der Pensionsversicherung im Zeitraum 2003 bis 2007 von derzeit 11,1 Prozent des BIP auf dann 10,7 Prozent des BIP sinken würden!

Das ist aber den zuständigen Politikern offenbar nicht genug. Bei Umsetzung ihrer Pläne käme es sogar zu einem Rückgang auf 10,3 Prozent. Damit würden die Ausgaben der Pensionsversicherung plötzlich erheblich niedriger liegen als in den letzten 20 Jahren!

Eine völlig überzogene »Reform«

Bei den Bundesmitteln, die in die Pensionsversicherung fließen, haben wir ein ganz ähnliches Bild. Auch hier werden für die nächsten Jahre rückläufige Werte prognostiziert.

Bundesbeitrag und Ausgleichszulagenersatz sinken nach den von der Regierung selbst vorgelegten Zahlen bei unveränderter Fortführung des geltenden Rechts im Zeitraum 2003 bis 2007 demnach von 3,1 Prozent auf 2,9 BIP-Prozent. Wenn es der Regierung gelingt, ihre Kürzungspläne umzusetzen, wird sogar mit einem Rückgang auf 2,5 Prozent gerechnet.

Im ASVG ist den finanziellen Erläuterungen der Regierung zufolge nicht nur in BIP-Prozenten, sondern sogar in Absolutzahlen mit einem erheblichen Sinken der erforderlichen Bundesmittel zu rechnen:

Wie die Tabelle »BIP-Szenario und Bevölkerungsentwicklung« zeigt, würde der Bedarf an Bundesmitteln im ASVG nach 2003 selbst bei unveränderter Beibehaltung des geltenden Rechts deutlich sinken. Erst im Jahr 2007 würde ein Wert erreicht werden, der höher liegt als 2003. In BIP-Prozenten würde es im Zeitraum 2003 bis 2007 ohne Maßnahmen einen Rückgang von 2,0 Prozent auf 1,8 Prozent geben, mit den geplanten Einschnitten sogar einen Rückgang auf 1,4 Prozent.

Ab in die Altersarbeitslosigkeit?

Was kommt auf uns zu, wenn der Gesetzentwurf vom 31. März im Parlament beschlossen werden sollte? Der Pensionszutritt vor 65 (Männer) bzw. vor 60 (Frauen) würde unmöglich! Die vorzeitige Alterspension bei Arbeitslosigkeit soll ab dem Jahr 2004 und die vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer zwischen 2004 und 2009 abgeschafft werden. Ein Pensionseintritt vor 65 bzw. vor 60 wäre dann nur noch bei Invalidität oder Berufsunfähigkeit möglich.

Zigtausende ältere Arbeitnehmer würden bei Realisierung dieses Programms in den nächsten Jahren in die Altersarbeitslosigkeit geraten. Die Chance, bis 65 bzw. bis 60 im Erwerbsleben zu verbleiben, sind bei den derzeitigen Gegebenheiten für sehr viele gleich null. Daran wird sich aller Voraussicht nach in den nächsten Jahren leider kaum etwas ändern.

Nicht wenige Frauen finden derzeit bereits ab 45 nur noch sehr schwer eine Arbeit. Auf Hilfe der Regierung warten sie vergeblich. Im Gegenteil: Das einzige, was diese tut, ist, den frühestmöglichen Pensionseintritt um Jahre nach hinten zu verlagern.

Wie die Jahre zwischen dem (oft viel früher erzwungenen) Ausscheiden aus dem Erwerbsleben und der Erreichung des 60. bzw. 65. Lebensjahres überbrückt werden sollen, beschäftigt die Regierung offenbar in keiner Weise.

Wird die Ankündigung wahr gemacht, in einer weiteren »Reform« die Notstandshilfe abzuschaffen, bliebe vielen wohl nur noch der Weg zur Sozialhilfe. Menschen, die jahrzehntelang gearbeitet und an der Schaffung unseres Wohlstandes mitgewirkt haben, so zu behandeln, ist schlicht unfassbar!

Katastrophe auf dem Arbeitsmarkt

Auf dem Arbeitsmarkt könnte die rasche Hinaufsetzung des Pensionsalters um insgesamt fünf Jahre zu einer Katastrophe führen. Schon derzeit haben wir in Österreich seit Jahrzehnten nicht erreichte Höchstwerte bei den Arbeitslosenzahlen. In diesem Umfeld soll nun das »Arbeitskräfteangebot« im Bereich der Älteren in kurzer Zeit dramatisch erhöht werden. Der enorme Anstieg der Jugendarbeitslosigkeit in den letzten Jahren sollte eine Warnung dafür sein, was da auf uns zukommt.

In längerfristiger Perspektive soll, dem Regierungsprogramm zufolge, wieder ein genereller Pensionszugang ab 60 ermöglicht werden - »mit entsprechenden Abschlägen«. In einem ersten Schritt will die Regierung also alle vorzeitigen Alterspensionen abschaffen - in einer Zeit mit extrem schlechten Arbeitschancen für Ältere. Gleichzeitig kündigt sie an, dass in ferner Zukunft wieder Möglichkeiten eröffnet werden, ab 60 in Pension zu gehen - wenngleich wahrscheinlich nur mit einer Minimalpension. Eine solche »Pensionspolitik« ist europaweit einzigartig!

»In Summe haben die gesetzten Maßnahmen den Ausgabenzuwachs jedenfalls massiv gedämpft«

Vernichtete Lebensplanung

Die Neupensionen sollen bereits 2004 um durchschnittlich 13,5 Prozent gekürzt werden - in den Folgejahren sollen die Kürzungen noch viel weiter gehen! Die Steigerungsprozente pro Versicherungsjahr sollen in der gesetzlichen Pensionsversicherung von derzeit 2 Prozent auf 1,78 Prozent reduziert werden, rückwirkend für alle bisher erworbenen Versicherungsjahre! Zusätzlich soll der Pensionsabschlag für jedes Jahr des Pensionseintritts vor 65 (Männer) und 60 (Frauen) von derzeit 3 Prozent auf 4,2 Prozent erhöht werden. Beide Maßnahmen sollen nach dem von der Regierung vorgelegten Gesetzentwurf ohne Übergangsfrist und ohne Einschleifregelung ab dem 1. Jänner 2004 voll wirksam werden. Dazu kommt, dass die Neupensionen in Zukunft im ersten Jahr nach Zuerkennung nicht mehr wertangepasst werden sollen - was die Kürzungen weiter in die Höhe treibt. In den erläuternden Bemerkungen zum Gesetzentwurf heißt es zum Ausmaß der angepeilten Pensionskürzungen trocken:

»Im Jahr 2004 dürfte der kumulative Pensionsverlust bei durchschnittlich rund 13,5 Prozent liegen, im Jahr 2005 bei 14,5 Prozent und im Jahr 2006 bei rund 15,5 Prozent. Im Jahr 2007 wird die durchschnittliche Pensionsminderung bei 16,5 Prozent liegen.«

Klar ist, dass mit derart drastischen Eingriffen für viele Menschen, die knapp vor Erreichung des (ursprünglichen) Pensionsalters stehen, die bisherige Lebensplanung über den Haufen geworfen wird. Der Vertrauensgrundsatz wird mit Füßen getreten.

Wie soll sich jemand, der nur noch wenige Jahre (oder vielleicht sogar nur Monate) bis zur Pension vor sich hatte, auf völlig geänderte Gegebenheiten einstellen?

Glaubt die Regierung wirklich, dass Menschen, die bisher eintausend Euro Pension erwarten konnten (bei sehr vielen ist es sogar viel weniger), für den Rest ihres Lebens auf 15 Prozent oder mehr verzichten können?

Was die Umsetzung dieses Kürzungsprogramms bedeuten würde, zeigt ein Blick auf die Statistik: Die Hälfte aller neu zuerkannten Eigenpensionen von Frauen liegen derzeit unter 616 Euro brutto. Die Männerpensionen liegen mit einem Medianwert von 1397 Euro brutto durchschnittlich um einiges höher, aber auch von diesem Betrag wird niemand reich.

»Verschwiegen wird auch, dass die Zuzahlungen des Bundes bei den ASVG-Versicherten, Gewerbetreibenden und Bauern extrem auseinander klaffen«

Wer ist ein »Hackler«?

Selbst wer 45 (Männer) bzw. 40 (Frauen) Beitragsjahre hat, soll von den Kürzungen nicht verschont werden. Auch wer seit dem 14. oder 15. Lebensjahr durchgehend bis 60 (Männer) bzw. 55 (Frauen) gearbeitet hat, muss mit Pensionskürzungen um 10 Prozent und mehr rechnen.

Dazu kommt, dass es für Männer, die nach dem 1. Oktober 1945 geboren wurden (Frauen ab 1. Oktober 1950), die »Hackler-Pension« nur noch 1,5 (Männer) bzw. 56,5 (Frauen) geben soll. Wer ab Juli 1948 (Männer) bzw. ab Juli 1953 (Frauen) geboren ist, für den soll die Sonderregelung für Langzeitversicherte zur Gänze entfallen. Das würde bedeuten, dass Männer, die mit 15 Jahren zu arbeiten begonnen haben und seither ohne Unterbrechung im Erwerbsleben stehen, 50 Beitragsjahre sammeln müssen, bevor sie mit 65 in Pension gehen dürfen.

Was erwartet die Jüngeren?

Zur Klarstellung: Unter den »Hacklern«, für die noch ein paar Jahre eine Sonderregelung gelten soll, sind gerade jene Berufe nur in Ausnahmefällen zu finden, die man am ehesten mit dieser Bezeichnung verbinden würde. So fallen die Bauarbeiter in der Regel von vornherein heraus, weil sie als Saisonbeschäftigte auch Zeiten der Arbeitslosigkeit aufweisen. Der Bemessungszeitraum soll von 15 auf 40 Jahre erweitert werden - was eine weitere Pensionssenkung um durchschnittlich 25 Prozent bedeuten würde! Ab 2004 soll gemäß Regierungsplan der Bemessungszeitraum pro Jahr um ein Jahr erhöht werden, ausgehend von den bisher geltenden 15 Jahren. Im Jahr 2028 soll auf diese Weise eine Durchrechnung über 40 Jahre erreicht werden. Nach dem Gesetzentwurf soll diese Maßnahme ohne jeden Ausgleich und ohne faire Aufwertung weiter zurückliegender Verdienste erfolgen. Ergebnis wäre nicht selten eine Pensionskürzung im Ausmaß eines Drittels der Pension, in etlichen Fällen wären es sogar mehr als 40 Prozent. Besonders dramatisch betroffen wären vor allem Frauen mit einer Mischung von Vollzeit- und Teilzeitjahren.

Werden die von der Regierung geplanten Pensionskürzungen umgesetzt, kann von einer Lebensstandardsicherung durch die gesetzliche Pensionsversicherung in Zukunft nicht mehr die Rede sein. Das durchschnittliche Pensionsniveau würde dramatisch sinken und die Altersarmut bzw. die Zahl der Ausgleichszulagenempfänger ebenso dramatisch steigen.

Ein Bluff für die Mütter

Kindererziehungszeit soll in höherem Maß als bisher als Beitragszeit gewertet werden - den meisten Frauen bringt das keinen Euro! Die von Regierungsvertretern als enorme Verbesserung für Frauen mit Kindern »verkaufte« Berücksichtigung von 24 Monaten Kindererziehungszeit als Beitragszeit (bisher 18 Monate) erweist sich bei näherem Hinsehen als großer Bluff. Sie bringt für die meisten Frauen nicht den geringsten Ausgleich für die Pensionskürzungen - für die Pensionshöhe werden nämlich schon bisher vier Jahre Kindererziehungszeit angerechnet und daran soll sich nach dem Regierungsplan nichts ändern.

Dazu kommt, dass die Ausweitung von 18 auf 24 Monate nur für Zeiten des Bezugs von Kinderbetreuungsgeld und damit nur für Kindererziehungszeiten seit dem 1. Jänner 2002 vorgesehen ist. Für Frauen, die in den nächsten Jahren bzw. Jahrzehnten in Pension gehen, bringt die bei jedem öffentlichen Auftritt eines Regierungsvertreters hervorgehobene »Verbesserung« schon allein aus diesem Grund im Normalfall überhaupt nichts. Und auch wenn jene Frauen in Pension gehen, die ab 2002 Kinder kriegen, werden nur ganz wenige einen Vorteil haben, nämlich wenn bis zum Pensionsalter z. B. nur 14,5 Beitragsjahre erreicht werden und somit genau ein halbes Beitragsjahr zur Erreichung eines Pensionsanspruchs fehlt.

Nachkauf vergeblich

Nachgekaufte Schul- und Studienzeiten sollen unter gewissen Umständen rückerstattet werden - nur wenige werden tatsächlich ihr Geld zurückbekommen.

Viele haben Schul- und Studienzeiten nachgekauft, um die nötigen Versicherungsjahre für den Eintritt in eine vorzeitige Alterspension zu erreichen. Die vorgesehenen Radikaländerungen im Pensionsrecht mit der Abschaffung aller vorzeitigen Alterspensionen machen den ursprünglichen Zweck des Nachkaufs unmöglich.

Eine Rückerstattung der gezahlten Beiträge soll es aber nur in jenen Fällen geben, in denen diese Beiträge weder anspruchs- noch leistungswirksam werden. Da eine gewisse Leistungswirksamkeit fast immer gegeben sein wird, ist die Ankündigung der Rückerstattung für die meisten bestenfalls von theoretischer Bedeutung.

Die Krankenversicherungsbeiträge für Pensionisten sollen um 1,1 Prozent erhöht werden - was eine entsprechende Kürzung der Pensionen bedeutet (auch der vielen Niedrigpensionen).

Schließlich sollen die Krankenversicherungsbeiträge der Pensionisten von derzeit 3,75 Prozent auf 4,75 Prozent erhöht werden, zusätzlich will man einen allgemeinen Beitrag für alle krankenversicherten Personen von 0,1 Prozent einführen. Die Nettopensionen würden damit pauschal gekürzt, was vor allem für die vielen Bezieher von Niedrigpensionen eine soziale Härte darstellt.

Es gibt auch andere Wege

Es ist kein Sachzwang, sondern eine politische Entscheidung, ob der Vertrauensschutz gewahrt wird oder nicht, ob man die Menschen fair behandelt oder ihre Rechte mit Füßen tritt. Menschen, die jahrzehntelang gearbeitet und Beiträge zur Finanzierung der sozialen Sicherheit in unserem Land gezahlt haben, haben Anspruch auf die Achtung erworbener Rechte. Und die Jüngeren brauchen eine Zukunftsperspektive und nicht eine kaputtgesparte Pensionsversicherung und den Verweis auf private Vorsorge, die sie sich nicht leisten können. Eine zukunftsorientierte Alterssicherung, die diesen Namen verdient, verlangt:

  • Nationale Kraftanstrengung zur Verbesserung der Arbeitsmarktchancen der Älteren - Arbeit ermöglichen statt Abschieben in die Altersarbeitslosigkeit.
  • Mehr Gerechtigkeit und Fairness bei den Pensionen - gleiche Beiträge für gleiche Leistungen statt gegeneinander Ausspielen von verschiedenen Berufsgruppen.
  • Versicherungsfremde Leistungen abdecken - kostengerechte Finanzierung der Ersatzzeiten statt mutwilligem Schaffen von Budgetlöchern.
  • Eigenständige Alterssicherung der Frauen stärken - vorhandene Defizite im Pensionssystem beseitigen statt einem blindwütigen Kürzungsprogramm selbst für die Schwächsten.
  • Pensionsrecht mit Sachverstand und sozialer Verantwortung weiterentwickeln - Pensionskonvent unter Einbeziehung der Sozialpartner statt raschem Durchpeitschen eines reinen Pensionskürzungsprogramms.

Zukunftsorientierte Alterssicherung erfordert ein gezieltes Zusammenwirken von Wirtschafts-, Beschäftigungs- und Sozialpolitik. Welche Pensionen wir uns in Zukunft leisten können, hängt von der Wirtschaftskraft des Landes ab, von der Zahl der Beitragszahler (und damit der Beschäftigten) und keineswegs nur davon, dass die Pensionen gekürzt werden.

Welch zentrale Bedeutung die Beschäftigung hat, zeigt die Graphik »Erwerbsbeteiligung und Pensionsquote 1970-2030«, in der die Entwicklung der Pensionsquote (Zahl der Pensionen auf je 1000 Beitragszahler) von 1970 bis 2000 und Szenarien für die Entwicklung bis 2030 gezeigt werden.

Professor Rürup hat in seiner Pensionsstudie aus dem Jahr 1997 für das Jahr 2030 eine Pensionsquote in Höhe von 980 in Aussicht gestellt: Auf 1000 Beitragszahler kämen dann 980 Pensionisten. Dass dieses Negativ-Szenario sehr wahrscheinlich ist, wurde inzwischen durch Berechnungen des Wifo belegt, die im Auftrag der Arbeiterkammer Wien und im Auftrag des Hauptverbandes durchgeführt wurden.

Wird das vom Wifo gerechnete »Nordland-Szenario« Wirklichkeit, wonach in Österreich bis zum Jahr 2030 eine Erwerbsbeteiligung wie derzeit in Dänemark, Schweden und Norwegen erreicht wird, wird die Pensionsquote nur auf den Wert 716 steigen. Von 2000 bis 2030 hätten wir damit einen Anstieg um 16 Prozent, was wesentlich weniger wäre als in den letzten 30 Jahren mit einem 30-Prozent-Anstieg.

Wird das ebenfalls vom Wifo gerechnete »Status-quo-Szenario« Realität (die Erwerbsquote bleibt auf heutigem Niveau), ist mit einem Anstieg der Pensionsquote auf 864 zu rechnen.

Ein Szenario, das vom Wifo als extrem pessimistisch eingeschätzt wird, aber im Ergebnis noch immer deutlich unter dem Rürup-Wert liegt. Jeder kennt die Parole: »Im Jahr 2030 muss ein Aktiver eine Pension zahlen!« Die Wifo-Rechnungen zeigen, dass dies unwahrscheinlich ist und nicht notwendigerweise auf uns zukommt. Bei richtiger Beschäftigungs- und Arbeitsmarktpolitik, orientiert an den nordischen Staaten, kann der Pensionsquotenanstieg viel sanfter ausfallen.

Klar ist aber, dass die Sicherung unserer Pensionen angesichts eines stark steigenden Altenanteils etwa ab 2015 eine der großen Herausforderungen für die Sozialpolitik darstellt. Die Bewältigung dieser Herausforderung muss in einem breiten öffentlichen Diskurs unter zentraler Einbindung der Sozialpartner angegangen werden und nicht durch das Auf-den-Tisch-Knallen einer sozial verantwortungslosen Gesetzesvorlage. So nicht!

R E S Ü M E E

Dramatische Fehlentwicklung


Die drastischen Eingriffe der Regierung
in das gesetzliche Pensionssystem wirft die Lebensplanung von Generationen über den Haufen. Die dramatischen Auswirkungen auf die Arbeitslosigkeit und das Konsumverhalten dürften sich bald in aller Deutlichkeit zeigen. Für die Jungen wäre eine Zukunftsperspektive notwendig und nicht ein kaputtgespartes Pensionsversicherungssystem mit Verweis auf private Vorsorge, die sie sich nicht leisten können.

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(C) AK und ÖGB

Impressum

Erforderliche Bundesmittel im ASVG
(Bundesbeitrag + Ausgleichszulagenersatz)
2003 bis 2007
Bei geltendem Recht Regierungspläne
2003 4.460 Mio. EUR 4.460 Mio. EUR
2004 4.191 Mio. EUR 4.092 Mio. EUR
2005 4.320 Mio. EUR 3.984 Mio. EUR
2006 4.435 Mio. EUR 3.838 Mio. EUR
2007 4.579 Mio. EUR 3.669 Mio. EUR