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Die Weichen zur Privatisierung der Bildung sind längst gestellt | Darf Marlboro eine Volksschule in Wörgl betreiben?

KULTUR - BILDUNG - MEDIEN

Der Kampf um den weltweiten Handel mit Dienstleistungen geht in die nächste Runde. Dem »Privatisierungswahn« soll - geht es nach dem Willen von US-Konzernen - auch der Bildungssektor unterworfen werden. Private ausländische Anbieter wittern vor allem im Hochschulbereich ein neues Geschäft. Eine Fülle von Problemen steht vor der Tür. Das Bildungsministerium schaut bisher tatenlos zu.

Das weltweite Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen »General Agreement on Trade in Services - GATS« wird derzeit von der Welthandelsorganisation WTO wie schon Mitte der neunziger Jahre im Wesentlichen unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelt. Genau diese wird aber massiv betroffen sein. Betroffen von der Liberalisierung ist auch die Bildung.

Die wenigsten Länder sind in diesem wichtigen Bereich Verpflichtungen eingegangen. Lediglich 30 der 145 WTO-Mitglieder haben in Bildungsbereichen einer Liberalisierung zugestimmt. Das betrifft auch die EU und ihre Mitglieder. Die EU ist Mitglied der WTO und ihre Handelspolitik folgt bekanntlich gemeinsamen Grundsätzen. Zwölf der 15 EU-Mitgliedstaaten gewähren derzeit durchgängig Marktzugang und Behandlung für die »Erbringungsart 2«, den Konsum im Ausland. Dem Marktzugang für Niederlassungen hat die EU im primären und sekundären Bildungsbereich zugestimmt. Bei der Erwachsenenbildung wurde gänzlich liberalisiert, wenn man vom »grenzüberschreitenden Personenverkehr« absieht.

Dicker Kuchen

In diesem Zusammenhang muss man darauf hinweisen, dass der Bildungssektor in den OECD-Staaten durchschnittlich 5,9 Prozent des Bruttoinlandsprodukts beansprucht. Rund 80 Prozent dieser Ausgaben betreffen unmittelbar die öffentliche Finanzierung. Dem entsprechend hat die EU schon seinerzeit eine Subventionsbeschränkung für die öffentlichen Dienstleistungen in ihren Mitgliedstaaten festgelegt.

Österreich hatte schon vor dem EU-Beitritt, 1994/95, die Liberalisierung im primären und sekundären Bildungssektor befürwortet. Weder die Bildungsexperten der Sozialpartner noch das Bildungsministerium wurden vom damaligen Wirtschaftsminister Wolfgang Schüssel in diesen Entscheidungsprozess eingebunden. So würde der gesamte Schulbereich ohne Einschränkung für eine weitgehende Privatisierung freigegeben. Selbst der derzeitige Wirtschaftsminister Martin Bartenstein verfügt anscheinend über keine ausreichende Information, wenn er dem ÖGB in einer Presseaussendung eine Fehlinformations- und Verunsicherungspolitik vorwirft und betont, dass für den Bildungsbereich keine Liberalisierung vorgeschlagen wird: »Die Befürchtungen entbehren jeder Grundlage.«

»Selbst der derzeitige Wirtschaftsminister Martin Bartenstein verfügt anscheinend über keine ausreichende Information«

Subvention für Profite?

Ein Schuss, der nach hinten losgehen könnte. In Anbetracht der uneingeschränkten Freigabe des gesamten Schulbereichs liegen die Befürchtungen, was die Linie des Wirtschaftsressorts bei den weiteren GATS-Verhandlungen betrifft, auf der Hand. Durch die bereits durchgeführte Liberalisierung im Schulbereich können WTO-Mitglieder zum Beispiel bei Angeboten im Privatschulbereich dieselbe Behandlung wie Inländer beanspruchen. Wenn man bedenkt, dass fast das gesamte Schulwesen öffentlich finanziert wird, zeichnet sich eine dramatische Entwicklung ab, denn selbst das private Schulwesen wird beinahe zur Gänze subventioniert. Dies resultiert größtenteils aus den Bestimmungen des Konkordats. Dieser Staatsvertrag könnte nur im Einvernehmen mit dem Vatikan geändert werden. Eine sorgfältige Prüfung und entsprechende Abänderung des Privatschulgesetzes erscheint aber unvermeidbar, wenn es Österreich bei den laufenden GATS-Verhandlungen nicht gelingt, eine Subventionsbeschränkung für öffentliche Bildungsdienstleistungen durchzusetzen.

Fehlende Information

Dies würde dem Standard der anderen EU-Länder entsprechen. Sonst könnten sich ausländische »Bildungsanbieter« diskriminiert fühlen und in Folge ebenso öffentliche Subventionen verlangen. Was das angesichts der angespannten Budgetsituation bedeuten würde, bedarf keiner weiteren Erklärung. Es wird aber nicht von jedem gerne gehört. Eine korrekte Informationspolitik seitens des zuständigen Wirtschaftsressorts fehlt. Sonst könnten ja die wahren Ausmaße dieser Regelungen einer breiten Öffentlichkeit bewusst werden.

Auch das Bildungsministerium kommt seit Jahren in diesem Bereich seinen Aufgaben nicht nach. Nicht einmal das österreichische Schulrecht wurde dem GATS-Vertrag angepasst.

Erst nach mehrfachen Hinweisen von Arbeitnehmerseite wurde zugesagt, dass man sich um eine Subventionsbeschränkung bei öffentlichen Bildungsdienstleistungen bemühen werde. Dies wurde von der EU-Kommission positiv zur Kenntnis genommen, schließlich soll eine einheitliche EU-Regelung ermöglicht werden. Allerdings ist zu hoffen, dass Österreich nicht im Gegenzug mit umfangreichen Kompensationsforderungen konfrontiert wird. Die Experten der Arbeiterkammer fordern hier eine klare, starke Verhandlungslinie zu Gunsten der österreichischen »Bildungsnehmer«. Das Bildungsministerium machte allerdings bei Gesprächen mit den Sozialpartnern klar, dass Österreich weitere Zugeständnisse in Richtung Liberalisierung machen wird, wenn es bei den Verhandlungen unter Druck gerät. Die Lernbereitschaft der Verhandler hält sich offenbar in Grenzen.

»Das Bildungsministerium machte klar, dass Österreich weitere Zugeständnisse in Richtung Liberalisierung machen wird«

Exportgut Bildung

Im Hochschulbereich wächst der internationale Handel mit Bildungsdienstleistungen stark an. Führender Exporteur in diesem Sektor sind die USA. Viele europäische Studenten nützen private US-Unis. Der Handel mit dem Gut Bildung nimmt bereits den fünften Rang unter den US-Dienstleistungsexporten ein. Für die neuen GATS-Verhandlungen haben die US-Bildungskonzerne ihrer Regierung bereits einen Wunschkatalog diktiert. Die Forderungen der USA an Österreich und die EU umfassen eine befristete Arbeitsmigration von Lehrpersonal, die Anerkennung von Zertifikaten, Erleichterungen von ausländischen Niederlassungen und Eigentumsrechte an US-Bildungsmaterialien. Hier ist Österreich noch keine Verpflichtungen eingegangen.

Schritte in Richtung der Liberalisierung von Privatuniversitäten - unabhängig von GATS - wurden jedoch gesetzt. Das bestehende Subventionsverbot des Bundes im Akkreditierungsgesetz für Privatuniversitäten soll gegebenenfalls - also wenn die Verhandler unter Druck kommen - als Beschränkung in die Verpflichtungslisten aufgenommen werden. Diese Vorgangsweise kann nur als absurd bezeichnet werden, wenn man bedenkt, dass mittlerweile in Tirol und Salzburg zwei Privatuniversitäten seitens der Länder große Summen aus öffentlicher Hand erhalten. Die ausländischen Anbieter könnten auch hier auf Diskriminierung verweisen und Subventionen verlangen. Das Bildungsministerium vernachlässigt also österreichische und öffentliche Interessen.

Für den Bereich der Fachhochschulen (FH) lehnt das Bildungsministerium eine Liberalisierung aufgrund der hohen Bundesförderungen ab. Hier werden keine weiteren Probleme gesehen, da FHs, so die Interpretation des Ministeriums, sowieso nur von inländischen juristischen Personen gegründet werden können. Laut Gesetzestext kann davon aber keine Rede sein. Dort spricht man nur von »juristischen Personen öffentlichen Rechts« (FHStG). Bekanntlich können das natürlich auch ausländische Geschäftsleute sein. Interessant, wenn man bedenkt, dass das GATS zwischen staatlichen und privaten Universitäten oder Fachhochschulen nicht unterscheidet.

R E S Ü M E E

Vorerst ist es der Arbeitnehmerseite gelungen, ein Liberalisierungsangebot Österreichs im Hochschulbereich zu verhindern. Die Vertreter der österreichischen Regierung sind aufgefordert, bei dieser GATS-Verhandlungsrunde die Interessen des öffentlichen Bildungssektors zu wahren.

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(C) AK und ÖGB

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