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Standpunkt | Nehmen und Geben

MEINUNGEN

Zuerst herrschte Sprachlosigkeit und blankes Entsetzen ob der erklärten Absichten der Bundesregierung. Jetzt formiert sich eine immer stärker werdende Widerstandsbewegung gegen dieses moderne Raubrittertum, vor allem gegen den frechen Raubzug an unseren Pensionen.

Während man den arbeitenden Menschen in Österreich ein Viertel, ein Drittel oder gar die Hälfte ihrer Pensionen wegnehmen will, häufen sich die Steuergeschenke für die obersten Schichten.

Eine Aufstellung über Geschenke 2003:
Private Altersvorsorge (bereits erfolgt) … 200 Mio.EUR
Rücklagen für nicht entnommene Gewinne - halber Steuersatz … 400-600 Mio.EUR

Lohnnebenkostensenkung
für Unternehmer … 140 Mio.EUR
Agrardiesel … 100 Mio.EUR
Landwirtschaft … 93 Mio.EUR
Abschaffung der Anzeigen- und Ankündigungsabgabe (Werbesteuer) … 80 Mio.EUR
Ergibt in Summe über 1 Milliarde EUR

Sie sehen also, die mehr als eine Milliarde Euro, die unseren Pensionen durch diese »Reform« eingespart wird, gibt man mit der anderen Hand wieder an die Unternehmer weiter:

Nehmen und Geben

Christoph Leitl von der Wirtschaftskammer meldet stolz einen Erfolg für Kleinunternehmer und Betriebsgründer: Die zu zahlenden Krankenversicherungsbeiträge wurden mit Jänner 2003 praktisch halbiert. Das betrifft immerhin 70.000 Gewerbetreibende und 30.000 Jungunternehmer. Gleichzeitig wird die Allgemeinheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit der Meldung erfreut, dass es weitere Selbstbehalte im Krankheitsfall geben soll: Nehmen und Geben.

Und bitte, glauben Sie nicht, das Geld wird durch Einsparungen und Reformen in der Verwaltung aufgebracht: Das sind unsere Steuergelder!

Geben ist seliger denn Nehmen

Heißt es in der Bibel. In diesem Sinne hat der Papst immer noch Recht, der einst Österreich als eine »Insel der Seligen« bezeichnete. Nach diesem Vergleich wären wir alle aber lieber unselig. Es wäre für uns an der Zeit aufzuwachen.

Wir wachen auf, blicken verwundert um uns und erkennen die Welt nicht mehr. Nichts ist mehr, wie es war. Das ist der Menschheit schon öfter passiert. Im August 1914 zum Beispiel. Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges war das alte Europa wieder einmal unwiderruflich dahin. Den Österreichern erging es so am 5. März 1933, sie wachten auf und hatten kein Parlament und keine Demokratie mehr, dafür die Diktatur des »Millimetternich« Engelbert Dollfuß. Auch an den 12. Februar 1934 kann man nicht oft genug denken.

Nichts als überzogene Vergleiche, in keiner Weise passend auf das, was jetzt passiert, lauter Übertreibungen? Hoffen wir es! Geschossen wird nicht, wie einst am 12. Februar. Auch geht die Demokratie nicht unter. Bloß können in allen europäischen Ländern die Bürger mit ihren Stimmen immer weniger bewegen. Zu Kaisers Zeiten hieß es: »Gegen Demokraten helfen nur Soldaten!« Heute können es in vertrauliche Verhandlungsrunden delegierte Entscheidungen (Stichwort GATS) genauso gut. Internationale Abmachungen, von denen in keinem Wahlkampf die Rede war, von denen »das niedere Volk« nur bruchstückweise erfährt, die aber das Leben jedes Menschen tief greifend verändern und die für alle Staaten bindend sind, helfen gegen Demokraten genauso gut, nein, viel besser als Soldaten.

Was hat der Krieg im Irak mit dem Sozialabbau in Österreich gemeinsam? Beide passen in einen weltweiten Trend, Entscheidungen auch gegen den Willen breiter Wählerschichten, ja notfalls selbst gegen den Willen qualifizierter Mehrheiten rücksichtslos durchzuziehen. Einige wichtige EU-Staaten sind - zum Glück! - gegen den Krieg der USA gegen Saddam Hussein ohne Deckung durch den Sicherheitsrat der UNO.

Wir wachen auf, blicken verwundert um uns und erkennen die Welt nicht mehr: Wir im kleinen Österreich waren vielleicht so verwundert über die Dreistheit des schwarzblauen Raubzuges, dass wir gar nicht merkten, wie gefährlich gut diese Regierung in einem internationalen Trend liegt. Nicht in DEM internationalen Trend, denn noch hat die Demokratie in Europa nicht ausgespielt. Selbst die deutsche Dienstleistungsgewerkschaft ver.di mit ihren staunenswerten Erfolgen ist ja nur eine der Kräfte, die den neoliberalen Tendenzen Widerstand entgegensetzen.

»Mann der Arbeit, aufgewacht, und erkenne deine Kraft«, heißt es in einem alten Arbeiterlied. Mögen alle arbeitenden Menschen aufwachen. Darauf setze ich.

Siegfried Sorz

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