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Ausverkauf der Post

HINTERGRUND

Bringt die Post wirklich allen was? Ziel sei die Auflösung der ÖIAG, der Österreichischen Industrieholding, versprach sich Finanzminister Grasser. Er verriet damit mehr über seine wahren Pläne, als ihm lieb sein konnte.

Über die ÖIAG hält der Bund noch Beteiligungen an der einstigen verstaatlichten Erdöl-, Stahl- und Bergbauindustrie sowie an den ehemaligen Staatsbetrieben AUA, Telekom, Post und Postbus. Was seinerzeit als klassische Fehlleistung durch die Medien ging, ist aber Programm: - die totale Privatisierung. Liberalisierung, sagen die Verfechter dieses Weges und nennen Preissenkungen und bessere Angebote für die Kunden sowie Schuldenabbau als Hauptvorteile. Was bringt diese Politik aber den Kunden, den Beschäftigten der Postbetriebe und den Steuerzahlern wirklich?

»Verschärfend kommt hinzu, dass die TA als stets gewinnbringender Bereich anlässlich der Ausgliederung 95 Prozent der Postschulden umgehängt bekam«

Die Politik der blau-schwarzen Regierung der letzen drei Jahre hat im Bereich ÖIAG-Betriebe einen Aderlass für die Beschäftigten, die Kunden und für das Volksvermögen bedeutet. Erinnert sei nur an den Ausverkauf der gewinnbringenden Austria Tabak an einen ausländischen Konzern um nur 726,7 Millionen Euro (10 Milliarden Schilling) oder die Komplettprivatisierung der P.S.K. (Postsparkasse) und des Dorotheums sowie der Teilverkauf und Börsengang der Telekom.

Verscherbelt

Gebracht hat das dem Finanzminister seit 1999 rund vier Milliarden Euro (55 Milliarden Schilling). Einen Bruchteil des wahren Wertes. Die Fixierung des Finanzministers auf sein »Nulldefizit« und die Begehrlichkeit der ausländischen Konkurrenz, sich den österreichischen Markt einzuverleiben, zielen auch auf Post, Postbus und Telekom. Unter der neuen Regierung stehen ihre Chancen gut, es steht auch im Regierungsprogramm Schüssel II. Die für Herbst 2002 vorgesehene Totalprivatisierung der Telekom Austria ist nur aufgeschoben, nicht aufgehoben und steht weiterhin auf dem Plan.

Was die Österreicher davon zunächst bemerken, sind Verzögerungen bei der Zustellung von Briefen, Zeitungen und Paketen, erhöhte Gebühren für Briefporto, Brieffächer, Expresssendungen, Zeitungsversand gemeinnütziger Vereine, Bareinzahlungen sowie Telefonzellensterben, Postamtsschließungen, Samstagsperren bei mittleren Postämtern, Wartezeiten auf dem Postamt, Chaos bei der Befreiung von Telefongebühren, höhere Telefon-Grundgebühren im Festnetz, hohe Kosten und wenig Information bei Auslandstelefonaten im Mobilfunknetz, Fehlverbindungen beim Telefonieren, Warten in Hotlines bei Anfragen und Beschwerden, Einstellung von Buslinien und so fort.

Den Unmut bekommen in der Regel nicht die Verantwortlichen zu spüren, sondern die Zusteller, Schalterbediensteten, Buslenker oder die Leute an den Hotlines, mit denen wohl kaum einer tauschen möchte. Doch sie sind am Chaosmanagement der letzten Jahre nicht schuldig. Das sind die Postoberen: Generaldirektor, Vorstand, Aufsichtsrat und als Eigentümervertreter die jeweilige Regierung.

Druck und Unsicherheit

Für die Beschäftigten bedeutete all das in den letzten Jahren zunehmenden Arbeitsdruck, Unsicherheit oder sogar Arbeitsplatzverlust. Während Beschäftigte trotz ständig steigenden Arbeitsanfalles in den Vorruhestand geschickt wurden, sind immer weniger Zusteller mit immer mehr Poststücken unterwegs. Gleichzeitig werden die im Gefolge der Post-Liberalisierung abgebauten Mitarbeiter nicht nur in der Öffentlichkeit als Tachinierer schlecht gemacht, sondern auch von der eigenen Betriebsführung als Minderleister hingestellt. Die Schließung von 648 Postämtern und die Konzentration auf Zustellbasen bedeutet, dass die Zusteller täglich insgesamt Zehntausende Kilometer mehr fahren müssen und selbst zu Pendlern werden.

»Und das alles findet statt, obwohl der Postbereich nicht defizitär ist, sondern Gewinne abwirft und Dividenden ins Budget abliefert, zuletzt eine Sonderdividende in Höhe von 4,6 Milliarden Schilling«1) (siehe Seite 34), so Gerhard Fritz, Vorsitzender der Gewerkschaft der Post- und Fernmeldebediensteten (GPF).

»Nach einem dreiviertel Jahr Praxis lässt sich sagen, dass dieses Konzept gescheitert ist«

EU-Vorgaben

Ein Blick zurück verdeutlicht, was hier gespielt wird, wer die Gewinner und wer die Verlierer sind, die Ursachen und den Zweck der Vorgänge im Post- und Telekombereich. Eingeleitet wurde die Entwicklung nicht zuletzt durch den Beitritt Östereichs zum EWR und zur EU. So schreibt die EU auch im Post- und Telekomsektor die schrittweise volle Liberalisierung, sprich: Deregulierung und Privatisierung, aller Postdienste vor.

Basis der Umsetzung in Österreich bildet das bereits von der SPÖ-ÖVP-Koalition verabschiedete Poststrukturgesetz 1996. Danach erfolgte die Ausgliederung der einstigen Post- und Telegraphenverwaltung zunächst in die Post und Telekom Austria AG (PTA) und die Bildung der Holdinggesellschaft Post- und Telekombeteiligungsverwaltungsgesellschaft (PTBG).

Diese Konstruktion wurde gewählt, um die zum Zeitpunkt der Ausgliederung bestehende Schuldenlast der Post von acht Milliarden Euro (110 Milliarden Schilling) aufzuteilen. Die PTBG musste 3,27 Milliarden Euro (45 Milliarden Schilling) der Postschulden übernehmen und bekam dafür alle Aktien der neuen PTA. Die PTA wiederum übernahm 4,73 Milliarden Euro (65 Milliarden Schilling) Schulden.

Mit dem ÖIAG-Gesetz 2000 wurde dann von der FPÖVP-Regierung ein totaler Privatisierungsauftrag festgeschrieben. Für den Postbereich bedeutete dies zunächst, dass die PTBG mit der ÖIAG verschmolzen, die PTA als Holding für Post und Postbus sowie Telekom aufgelöst, die Post AG (Gelbe Post und Postbus) zu hundert Prozent und die Telekom Austria AG mit den Tochtergesellschaften Datakom und Mobilkom zu 47,8 Prozent der ÖIAG angegliedert wurden. Im Jahr 2001 erfolgte der Börsengang der Telekom, wurde die P.S.K. privatisiert und die Postbus AG aus der Post AG herausgelöst und zu hundert Prozent der ÖIAG unterstellt.

Arbeit & Wirtschaft - Interview

GPF-Vorsitzender Gerhard Fritz

Politik der verbrannten Erde

A&W: Sie befürchten den Ausverkauf der Post AG, der Gelben Post. Kann ein so genannter strategischer Partner den Ausverkauf der Post nicht verhindern?

Gerhard Fritz: Das ist purer Unsinn. Als strategischer Partner kommt nur eine ausländische Postverwaltung in Frage, realistischerweise die Deutsche Post. Von dieser wurde in den Medien auch schon ein Kaufpreis von ein bis 1,5 Milliarden Euro kolportiert. Das entspräche in keiner Weise dem Wert der Österreichischen Post, die Deutsche Post könnte das aus der Portokasse zahlen. In Österreich gibt es keinen potentiellen strategischen Partner, auch ist dafür die wirtschaftliche Notwendigkeit gar nicht gegeben. Ein strategischer Partner sollte uns ja Know-how bringen. In der Post liegt dies einfach in einer gut organisierten Logistik, wozu die Österreichische Post schlicht und einfach Kapital aufbringen muss, das aber im Eigenkapital vorhanden wäre.

Die Post AG hat einen Eigenkapitalanteil von etwa 35 Prozent. Das heißt, wir bräuchten nichts anderes zu tun, als das Logistiknetz im Brief- und Paketbereich auf internationale Verhältnisse auszubauen. Geschieht dies, brauchen wir uns nicht zu verstecken, weil das Filialnetz, aber auch die Zustellung in Österreich weit über dem europäischen Durchschnitt liegen, was die Produktivität betrifft. Das haben wir uns angesehen. Außerdem kann die Österreichische Post AG niemals ein »global player« werden, weil sie ihr Geschäft zu 95 Prozent in Inland abwickelt. Was kann uns also ein strategischer Partner aus dem Ausland helfen? Nichts! Es geht darum, der Bevölkerung Sand in die Augen zu streuen mit den Floskeln »strategischer Partner« und »österreichischer Kapitalmarkt«. Indem man gleichzeitig die Arbeit der Postbediensteten öffentlich heruntermacht, hofft man zu einer Zustimmung dafür zu kommen. Es geht also beinhart in die Richtung, die Österreichische Post ans Ausland zu verschleudern.

A&W: Wer trägt die Schuld an dieser Situation?
Gerhard Fritz: Die Perversität der gesamten Situation ist, dass die Regierung über die Speerspitze der ÖIAG massiv Druck macht, indem sie den Unternehmen Ziele vorschreibt, die nur erreichbar sind, wenn diese massiv Personal abbauen. Das ist der Hintergrund. Man versteckt sich hinter der »Objektivität« der ÖIAG-Führung und nimmt die ÖIAG-Unternehmen in Geiselhaft. Das ist nachweisbar. Denn die Protokolle sind völlig gleich, in der Post, in der Telekom und beim Postbus. Man hat einfach verlangt, Gewinne zu erwirtschaften, die aber nicht aus dem normalen Betriebsablauf herausholbar sind, sondern nur durch massive Einsparungen. Auf der anderen Seite unterschätzt man den Druck, der so auf die Kollegenschaft entsteht. Denn wenn man Leistungssteigerungen von 15 bis 20 Prozent verlangt, ohne entsprechende Investitionen zu tätigen, führt das einfach dazu, dass die Leute krank werden.

Wenn gleichzeitig die Regierung mit einem Bundesbediensteten-Sozialplangesetz selbst die Eingangsvoraussetzungen dafür schafft, dass jemand mit 55 Jahren in den Vorruhestand gehen kann, ist es doch natürlich, dass viele diese Möglichkeit trotz erheblicher finanzieller Einbußen nutzen und aus der Firma flüchten. Und jetzt behandelt man sie mit staatspolizeilichen Maßnahmen und stellt sie ins Eck der Kriminalität. Dazu muss ich sagen: Das ist schlicht und einfach eine Politik der verbrannten Erde, die das, was sie bekämpft, selbst erzeugt.

Schulden durch »Gewinnabführung«

Als Begründung dafür und für die Gesetzesänderung wurde die Privatisierung als Mittel zum Schuldenabbau genannt. Doch die bis 1996 aufgelaufenen Schulden von 110 Milliarden Schilling kamen nicht zustande, weil die Post als Ganzes etwa defizitär gewesen wäre, sondern weil sie vom Gesetzgeber gezwungen wurde, jährlich etwa neun Milliarden Schilling in das Budget abzuführen. Um die notwendigen, gesetzlich vorgesehen Dienste trotzdem anbieten zu können, mussten und müssen laufend Milliardeninvestitionen getätigt werden. Wegen der »Gewinnabführung« an den Staat konnten diese nicht aus eigenen Mitteln, sondern nur durch die Aufnahme von teuren Krediten abgedeckt werden. So ist die Post unschuldig zum Schuldner geworden. Und diese Schulden wurden und werden immer wieder und erst recht von der FPÖVP-Koalition als Vorwand für den weiteren Ausverkauf hergenommen.

So soll die Post AG bis 2003 oder 2004 an strategische Partner teil- oder vollverkauft werden. Im Gespräch sind die Deutsche, die Französische oder die Holländische Post. Für die Telekom Austria ist ein Komplettverkauf über die Börse bis 2006 oder ein strategischer Investor ab 2003 vorgesehen. Bei der Postbus AG ist eine Privatisierung in zwei Schritten vorgesehen: Erstens Verkauf an die ÖBB (ist bereits erfolgt, wird aber kartellrechtlich noch geprüft), zweitens der Weiterverkauf von 30 Prozent (gewinnbringender) Linien an private Busunternehmen.

Ablenken vom Ausverkauf

Diese Strategie der Gewinnmaximierung und das über Jahre praktizierte Sparen bei den Beschäftigten hat dazu geführt, dass seit der Ausgliederung der Postbetriebe 1996 rund 15.000 Arbeitsplätze verloren gingen, rund die Hälfte davon im Bereich der Gelben Post, die nur noch 28.000 Beschäftigte zählt. Jetzt soll die Post AG, »um die künftigen Herausforderungen zu meistern«, unter Berücksichtigung des österreichischen Kapitalmarktes einen strategischen Partner hereinnehmen. Für den GPF-Vorsitzenden Gerhard Fritz ist dies nur ein Vorwand des Postvorstandes, um vom geplanten Ausverkauf der Post ans Ausland abzulenken (siehe Interview mit Gerhard Fritz).

Seit Beginn der Liberalisierung wird die Post bewusst geknebelt. So wird sie einerseits per »Universaldienstverordnung« verpflichtet, die Versorgung mit Postdiensten bis in das kleinste Dorf, in die entlegenste Gegend zu gewährleisten, andrerseits hat sie laut Gesetz auch gemeinwirtschaftliche Leistungen ausschließlich nach kaufmännischen Grundsätzen zu erfüllen.

Erzwungener »Spartenkannibalismus«

Weil aber die Gelbe Post offensichtlich trotz aller Liberalisierungs-Stolpersteine noch immer Gewinne erwirtschaftet und einen hohen Marktanteil hat, wurde vom Vorstand eine Neustrukturierung entwickelt, die so genannte »Spartenorganisation«. Demnach wurde die Gelbe Post in fünf Geschäftsfelder (Brief, Infomail, KEP - Kurier-Expressdienst-Paket, Medienpost und Schalterdienst) und in sieben Serviceeinheiten aufgesplittert. In diesen Einheiten soll, bis hin zur rechtlichen Verselbständigung, »Prozessgeschlossenheit« herrschen, also jeder Bereich völlig autonom arbeiten können. Gerhard Fritz: »Das führt in der Praxis zu eigenständigen Firmen, die sich dann in einer Art von ›Spartenkannibalismus‹ Eigen- und damit Billigkonkurrenz machen würden, denn einen anderen Markt gibt es nicht. Jedes Geschäftsfeld muss Umsatz bringen, daher geht jeder im anderen Bereich räubern.«

Seit 1. Juli 2002 ist diese neue Spartenorganisation in Kraft. Nach einem dreiviertel Jahr Praxis lässt sich sagen, dass dieses Konzept gescheitert ist. Statt der versprochenen Umsatzausweitung brachte die neue Spartenorganisation einen Umsatzrückgang von drei Prozent bei der Gelben Post.

Die derzeit wichtigste Frage ist das im Dezember vergangenen Jahres an die Öffentlichkeit gedrungene Vorhaben der Regierung, die Österreichische Post an die Deutsche Post zu verkaufen. »Nach dem ersten Aufschrei und unseren Protesten hat die Regierung vorerst ihre Gangart zurückgeschaltet und im neuen Regierungsprogramm findet sich nur der lapidare Satz, dass die ÖIAG einen strategischen Partner suchen soll.

»Die Verlustlinien wären bei der Postbus AG geblieben, was der sichere Todesstoß für den
Betrieb und die Mitarbeiter gewesen wäre«

Ein Novum in Europa

Im März oder April ist dann eine Ausschreibung geplant«, so Martin Palensky von der GPF. Tatsächlich wäre der Verkauf eines nationalen Postunternehmens als Ganzes ein Novum in Europa. Beim Verkauf an ein anderes nationales Postunternehmen wären Kartellgerichts- und Beihilfeelementsverfahren laut EU-Recht höchstwahrscheinlich die Folge, weil das jeweils unterliegende Postunternehmen (Käufer) darin eine EU-Wettbewerbsverzerrung erblicken würde. Ein Zuschlag an die Deutsche Post zum Beispiel würde weitere Postbeschäftigte den Arbeitsplatz kosten und für die Bevölkerung das Zusperren weiterer Postämter bedeuten, wie das die Deutsche Post in Deutschland bereits vorexerziert hat. Die GPF ist gegen einen mehrheitlichen Verkauf der Post, weil dann überhaupt keine Gestaltungsmöglichkeit mehr besteht, auch nicht mehr, wenn man sich auf den »Kernaktionär« zurückzieht.

Die Frage ist zudem hochpolitisch: Bei einem Verkauf der Post wäre ein wesentlicher Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge ausgeschaltet, mit enormen negativen Folgen für die ganze Bevölkerung. Als einen Weg aus dem Privatisierungs- und Ausverkaufswahn der Regierung, der ja nicht nur die Post, sondern die gesamte ÖIAG umfasst, können sich die Postgewerkschafter eine Infrastrukturholding vorstellen, die auch den Verkehrsbereich umfasst.

Die Belegschaftsvertreter der Post haben schon im vergangenen Dezember, als die Ausverkaufspläne an die Deutsche Post ans Tageslicht kamen, ein Kernteam eingesetzt, das für den Fall des tatsächlichen Ausverkaufs gewerkschaftliche Aktionen in ganz Österreich durchplant. Im Mittelpunkt stehen Maßnahmen, die aufzeigen, welche gravierenden Nachteile ein Postverkauf ans Ausland für Kunden und Bevölkerung hätte.

F A K T E N

Goldene Gans Telekom

»Die Telekom wird ausgeräumt
wie eine Weihnachtsgans: Ein Drittel Mitarbeiter weniger seit der Liberalisierung, Halbierung des Wertes der Telekom seit Anfang der neunziger Jahre, Ausbluten der Substanz durch den Regulator. Wenn hier nichts geschieht, hinkt die TA in drei bis fünf Jahren hinten nach, sind wir in diesem Bereich ein Entwicklungsland. Dann wird der Staat ähnlich wie schon in anderen öffentlichen Bereichen, etwa in England bei den Bahnen oder bei der Wasserversorgung, auf Kosten der Allgemeinheit die Versorgungssicherheit wieder herstellen und dafür teuer investieren müssen«, meint TA-Betriebsrat Erich Huhndorf. Und weiter: »Die Telekom-Belegschaft hat durch ihren Widerstand mit der Menschenkette von 3000 Beschäftigten um die TA-Zentrale im März 2002 verhindert, dass die TA zu hundert Prozent verkauft wird. Jetzt wird es wieder eng, wenn keine Entlastung erfolgt.«

Musterschüler der Liberalisierung

Bei der Telekom Austria (TA) ist der Liberalisierungsprozess noch weiter fortgeschritten als bei der Gelben Post. So weit, dass GPF-Zentralsekretär Walter Summetsberger einen Ausverkauf ähnlich wie bei der Austria Tabak befürchtet. Zu Beginn der Ausgliederung 1996 hatte die TA hundert Prozent Marktanteil und 1998 noch rund 20.000 Mitarbeiter. Heute liegt der Marktanteil in Österreich bei 53 Prozent und die Mitarbeiterzahl bei 13.500. Die verlorenen Arbeitsplätze konnten von den so genannten Alternativbetreibern nicht aufgefangen werden. In Deutschland, Frankreich oder Großbritannien haben vergleichbare Ex-monopolisten trotz Liberalisierung noch immer Marktanteile von 70 bis 90 Prozent. Österreich und seine Telekom ist also ein EU-Musterschüler der Liberalisierung. Verschärfend kommt hinzu, dass die TA als stets gewinnbringender Bereich anlässlich der Ausgliederung 95 Prozent der Postschulden umgehängt bekam. Sie startete also mit einer erheblichen Wettbewerbsverzerrung in den freien Markt. Dazu kam eine von der Regierung 1997 geschaffene und 2001 umstrukturierte Regulierungsbehörde (Rundfunk und Telekom Regulierungs GmbH). Das entscheidende Gremium ist die Telekom Control-Kommission (TKK)2) (siehe Seite 34). Diese Behörde bevorzugte von Anfang an die Alternativbetreiber. So muss etwa die TA den Alternativbetreibern Leitungen weit unter dem Einstandspreis zur Verfügung stellen. Gleichzeitig hat sie den gesetzlichen Auftrag, rund 17.000 Fernsprechzellen zu betreiben. Im Gegensatz zu den Konkurrenten investiert die TA in die Leitungsinfrastruktur: Nur sechs der 56 Lizenznehmer verfügen über ein eigenes Netz.

Jobmotor wird ausgedünnt

Als Infrastrukturanbieter ist die TA - 90 Prozent der Investitionen ins Festnetz stammen von ihr - ein Jobmotor etwa für die Bauwirtschaft und trägt zur Wertschöpfung im Land bei. Umgekehrt gibt es Alternativbetreiber, die bei etwa 12,5 Prozent Marktanteil nur 25 Mitarbeiter beschäftigen - ein Marktvorteil, den sie der TA verdanken. Für die TA bedeutet das in diesem Fall im Vergleich den Verlust von eintausend Arbeitsplätzen im eigenen Bereich, die aber in keinem anderen aufgefangen werden. Im Gegensatz zu anderen EU-Staaten und im Gegensatz zu den Mitbewerbern auf dem Telekommarkt in Österreich muss sie außerdem ihre Tarife vorab von der Regulierungsbehörde genehmigen lassen.

Während die »Alternativen« kaum in die Infrastruktur investieren, weil dank der Politik des Regulators die Anmietung von der TA billiger ist, kann diese immer weniger investieren, weil sie dazu immer weniger Geld zur Verfügung hat. So gingen die Investitionen der TA von einer Milliarde auf 300 Millionen Euro zurück. Es erscheint unverständlich, dass die Alternativbetreiber nach wie vor vom Regulator bevorzugt werden, sind doch die Newcomer auf dem Markt mittlerweile überwiegend Töchter großer internationaler Unternehmen. In Wirklichkeit handelt es sich also bereits um eine eklatante Wettbewerbsverzerrung. Auch wenn die Konsumenten unter Umständen billiger telefonieren, gehen der Volkswirtschaft und damit den Steuerzahlern Milliarden verloren.3) (siehe Seite 34)

Die Telekom-Gewerkschafter fordern, dass die Universaldienstleistungen und die Infrastrukturinvestitionen vom Staat und/oder von den Mitbewerbern und Netzbenützern entsprechend abgegolten werden. Wenn hier seitens des Regulators nicht bald etwas geschieht, sind bei der TA weitere Arbeitsplätze gefährdet und auch das Unternehmen selbst, weil der Mitarbeiterstand ohne Abgabe von Kerngeschäften an Dritte nicht mehr zu halten ist. Dies würde den weiteren Ausverkauf von Arbeit und Volksvermögen bedeuten.

Mit den Postbussen wird seit Jahren ein ähnlich niederträchtiges Spiel getrieben. Mit derzeit 1600 Bussen und knapp 3000 Mitarbeitern werden täglich auf 700 Linien eine halbe Million oder jährlich 152 Millionen Fahrgäste befördert und 84 Millionen Kilometer zurückgelegt. Das entspricht rund 60 Prozent des regionalen Verkehrs. Seit 1994 hat sich zwar die Fahrgast- und Kilometerzahl nur um drei Millionen erhöht, jedoch die Mitarbeiterzahl von 6000 halbiert, was eine enorme Produktivitätssteigerung bedeutet.

»So ist die Post unschuldig zum Schuldner geworden. Und diese Schulden werden als Vorwand für den Ausverkauf hergenommen«

Das üble Spiel mit den Postbussen

Und der Lohn dafür? Hin- und hergeschoben, wurde die erst 2001 aus der PTA ausgegliederte Postbus AG nunmehr an die ÖBB verkauft. Die ÖBB sollen entweder ein Drittel der Postbusse als Finanzbeteiligung an Private abgeben oder ein Drittel der Linien an Private verkaufen. Mutwille in Reinkultur: Jeder Verantwortliche weiß, dass nur 26 Prozent der Buslinien kostendeckend fahren. Die kostendeckenden Linien kamen bisher für die gemeinwirtschaftlichen Aufgaben auf. Da sich kein Privater an so einem Unternehmen finanziell beteiligen wird, war klar, dass diese Konstruktion auf den Ausverkauf der lukrativen Linien hinauslaufen soll. Die Verlustlinien wären bei der Postbus AG geblieben, was der sichere Todesstoß für den Betrieb und die Mitarbeiter gewesen wäre. Wenn schon Privatisierung, wäre es doch sinnvoller, wenn die größere Postbus AG die ÖBB-Bussparte aufkauft. Daraus entstünde das achtgrößte und damit ein durchaus konkurrenzfähiges Busunternehmen Europas.

Arbeit & Wirtschaft - Interview

Robert Wurm, Vorsitzender des Zentralausschusses der Personalvertretung Postbus AG in der GPF

Kein Ausverkauf, oder 1600 Busse stehen still

A&W: Wie ist es euch beim Streik ergangen?
Robert Wurm: Wir waren uns bewusst, dass unser zweitägiger Streik eine Gratwanderung war. Wir wollten nicht den Fahrgästen schaden, aber uns trotzdem wehren. Also waren wir viel draußen und haben aufgeklärt. Ohne Postbusse wäre der wichtigste öffentliche Verkehrsversorger gefährdet. 700 von 2300 Gemeinden in Österreich werden nur mit Postbussen versorgt. Wir wollten nicht zulassen, dass sich die privaten Busbetreiber wie Richard, Blaguss und so fort die Rosinen aus dem Bus-Kuchen picken und der Verlust von eintausend Arbeitsplätzen die Folge wäre. Mit diesen Verkaufsplänen wurde und wird ein künstliches Katastrophenszenario wie im Fall Semperit erzeugt. Letztlich sind Tausende Arbeitsplätze und die Verkehrsversorgung in ganz Österreich in Gefahr. Wir haben den Verkauf der Postbus AG an die ÖBB vor das Kartellgericht gebracht. Sollte gegen uns entschieden werden, werden wir den Arbeitskampf fortsetzen. Wir haben gute Vorarbeit für den Fall geleistet, dass weitere Streikaktionen erforderlich werden. Die Bevölkerung hat sich mit uns solidarisiert. Die in nur vier Tagen gesammelten 130.000 Unterschriften sind ein deutlicher Beweis dafür. Und noch eins: Ohne Kampf erreicht man gar nichts!

Erfolgreicher Streik

Aber genau das wollte der Eigentümer offensichtlich nicht. Derzeit prüft das Kartellgericht, ob der Verkauf der Postbus AG an die ÖBB überhaupt rechtens ist.

Die Postbusbeschäftigten jedenfalls ließen sich nicht einschüchtern, machten ihre Ankündigung wahr und führten im Sommer zwei Streikaktionen durch, in der zweiten Aktion einen zweitägigen Streik. Er wurde von allen Kolleginnen und Kollegen in ganz Österreich tatkräftig mitgetragen. Es gelang, den Spaltungsversuchen zwischen Streikenden und Bevölkerung in den Medien entgegenzutreten. Das Beispiel der kämpfenden Postbusbeschäftigten und ihrer Vertreter zeigt, dass es sich lohnt, sich zu wehren.

Diese Erfahrung kann für alle Postbediensteten wichtig werden, denn die Ausverkaufspläne sollen ja überall durchgezogen werden.

1) 334,3 Millionen Euro (Anmerkung der Redaktion)
2) AK Wien (Hg.): Beiträge zur Wirtschaftspolitik Nr. 10, Fusionen und Übernahmen 2001, Wettbewerbsbericht der AK Wien, April 2002
3) Vgl. Leo, Pfaffermayr, Schwarz: Innovation und Regulierung im Telekom-Sektor, Wifo, April 2002; vgl. Barfuß, Bertl, Bonek: Kritische Analyse des österreichischen Telekommunikationsmarktes. Ansätze für eine neue Regulierungspolitik, Telekom Austria, Wien, Sept. 01

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