Pensionsraub
SCHWERPUNKT
So war schon die »Pensionsreform 2000« vor allem darauf ausgerichtet, möglichst rasch budgetwirksame Ausgabenkürzungen zu erreichen. Ergebnis war eine Leistungskürzung von 18 Milliarden Schilling bei jenen Beschäftigten, die in den Jahren 2001 bis 2003 das seit Jahrzehnten gültige Pensionsalter erreicht hätten1). Und schon damals wurde in Kauf genommen, dass der Vertrauensschutz der Menschen massiv untergraben wurde. Was die Pensionsreform 2000 hingegen nicht brachte, waren überfällige Strukturreformen: Maßnahmen zur Erhöhung der Erwerbschancen älterer Arbeitnehmer, zur Beseitigung der Ursachen für die viel zu hohen Invalidisierungsraten in Österreich, zur kostendeckenden Finanzierung der Ersatzzeiten, zur Erreichung von mehr Beitragsgerechtigkeit im Pensionssystem2) suchte man wieder vergebens.
Das im März 2003 veröffentlichte Regierungsprogramm der ÖVP-FPÖ-Koalition II geht leider wieder in diese Richtung. Wieder stehen Pensionsmaßnahmen unter dem Diktat kurzfristiger Budgetkonsolidierung und Geldbeschaffung. Die schon sehr früh erfolgte Festlegung der ÖVP, die vorzeitige Alterspension gänzlich abzuschaffen und zu Zwecken der Budgetkonsolidierung aus den Pensionssystemen wieder eine Milliarde Euro zu holen, war einmal mehr Hindernis für eine breit angelegte, ausgewogene und zukunftsorientierte politische Diskussion über Pensionssicherung unter Berücksichtigung der schwierigen Arbeitsmarktlage.
»Das auch diesmal wieder angekündigte
arbeitsmarktpolitische Maßnahmenpaket wird kaum Beschäftigungseffekte zeitigen«
Das Regierungsübereinkommen 2003 enthält im Pensionsbereich einerseits kurzfristige Maßnahmen, die schon im Wesentlichen ausformuliert sind und der Budgeteinsparung dienen3), andrerseits mittel- und langfristige Maßnahmen, die aber überwiegend nur in Überschriften und noch sehr unklar angesprochen sind.
In der Doppelmühle »Pensionshöhe runter - Pensionsalter rauf«
Offenbar ab 2004 - einschlägige Gesetze fehlen ja noch - sind im Pensionsrecht vor allem die Abschaffung der vorzeitigen Alterspensionen (»Frühpensionen«) sowie auch weitere massive Verschlechterungen im Leistungsrecht vorgesehen:
Auswirkungen
Die Auswirkungen dieser Verschlechterungen sind natürlich gravierend:
»Wieder stehen Pensionsmaßnahmen unter dem Diktat kurzfristiger Geldbeschaffung«
Letztlich: Das im Regierungsabkommen auch diesmal wieder angekündigte arbeitsmarktpolitische Maßnahmenpaket für Ältere wird kaum Beschäftigungseffekte zeitigen, wie es schon bei der Lohnnebenkostensenkung im Rahmen einer »Aktion 56/58« um 3 Prozentpunkte der Fall war. Es ist im Verhältnis zu den ausformulierten Leistungsverschlechterungen wenig konkret, ebenso wie die Verstärkung des Bonus-Malus-Systems bei Kündigung älterer Arbeitnehmer.
»Dies wird zu einem weiteren Anstieg der Zahl der Altersarbeitslosen führen, die deutlich länger in Arbeitslosigkeit verharren«
Jedenfalls wird das angekündigte arbeitsmarktpolitische Maßnahmenpaket für ältere Arbeitnehmer mit dem Einsetzen der Abschaffung der Frühpensionen zu spät kommen. Maßnahmen zur Bekämpfung der Altersarbeitslosigkeit und Stabilisierung der Beschäftigung in den wichtigen Bereichen Gesundheitsvorsorge, Weiterbildung, Wiedereingliederungshilfen müssten, wenn sie ernst gemeint sind, bereits greifen, wenn ein späterer Pensionsantritt ohne Schäden für die Betroffenen angestrebt wird.
Demontage der sozialen Pensionsversicherung?
Während die kurzfristigen Pensionsmaßnahmen im Regierungsprogramm schon sehr genau ausgeführt sind, bleiben die mittel- und langfristigen Maßnahmen in vielen Bereichen noch sehr unklar. Trotzdem wird meiner Ansicht vor allem ein angesprochener Punkt von großer Sensibilität für die künftige Ausgestaltung des Pensionssystems erkennbar - die Einführung eines »beitragsorientierten Pensionskontos«.
FAKTEN
Tiefe Schnitte
25 Prozent weniger Einkommen mehrere Jahre lang bedeutet die Abschaffung der vorzeitigen Alterspension bei Arbeitslosigkeit vor allem für viele Frauen.
20 Prozent weniger Pension bedeutet die neue »Hacklerregelung« für besonders schwer arbeitende Menschen.
20 Prozent niedriger werden die Pensionen im Durchschnitt sein, wenn der verlängerte Durchrechnungszeitraum zum Tragen kommt. Schon 2006 ist mit Durchrechnungsverlusten von 4,5 bis 9 Prozent zu rechnen.
78.000 Arbeitsplätze wären notwendig, um die bis 2009 eintretenden Folgen des erhöhten Pensionsantrittsalters für den Arbeitsmarkt aufzufangen.
Die soziale Pensionsversicherung wird auf eine Grundpension auf niedrigem Niveau reduziert. Unter dem vielversprechenden Titel »Bis 2024 soll jeder ein Pensionskonto haben« wurden vom Institut für höhere Studien (IHS) und zuletzt auch von der Pensionsreformkommission beim Sozialministerium neue Pensionsmodelle ins Spiel gebracht. Das Prinzip dieser individuellen Pensionskonten ist einfach: Alle Beitragsleistungen zur Pension werden am Pensionskonto summiert und beim frei wählbaren Pensionsantritt durch die verbleibende Lebenserwartung dividiert. Beispiele für derartige Systeme sind Betriebspensionen der Pensionskassen oder private Lebensversicherungen. Was auf den ersten Blick recht plausibel aussieht, hat beim Nachrechnen einen Riesenpferdefuß7). Im Durchschnitt würde die Pensionshöhe um 40 Prozent (!) unter dem gesetzlichen Niveau liegen. Im Übrigen: Durch die längere Lebenserwartung, die sich nach diesen Modellen pensionsmindernd niederschlägt, hätten Frauen durch ihre längere Lebenserwartung noch einmal bis zu 15 Prozent Pensionseinbußen gegenüber Männern. Zwar wird in der Expertendiskussion um diese »beitragsorientierten Pensionskonten« immer wieder versichert, dass Pensionsverluste durch den Bundesbeitrag zu den Pensionen ausgeglichen werden können, sieht man aber umgekehrt die Entwicklung der letzten Jahre, nämlich dass der Bund sich zunehmend aus der Finanzierung der Pensionen zurückziehen will, ist bei beitragsorientierten Pensionskontenmodellen klar, wo die Reise hingeht: Die soziale Pensionsversicherung wird von einer Sicherung des Lebensstandards im Alter auf eine Art Grundversorgung auf niedrigem Leistungsniveau reduziert. Mit dem Rest sind die Arbeitnehmer auf die so genannte Eigenvorsorge verwiesen - die, wie die jüngsten Erfahrungen mit den Pensionskassen zeigen, voll dem Kapitalmarktrisiko ausgesetzt ist.
»Frauen werden die großen Verlierer der geplanten Pensionsreformen sein«
Gerade die Diskussion um die im Regierungsübereinkommen angesprochenen Pensionskontenmodelle zeigt letztlich, dass die jungen Menschen keinesfalls als Gewinner der geplanten Maßnahmen dastehen werden. Welche Pension ein heute 30-jähriger Versicherter zu erwarten hat, bleibt nach dem Regierungsübereinkommen völlig offen.
Abschließend sei noch angemerkt, dass das Regierungsübereinkommen noch eine Reihe anderer mittel- und langfristiger Maßnahmen im Pensionsbereich anspricht wie
All diese Maßnahmen sind noch wenig ausgeführt und werden vor der Gesetzwerdung von den Interessenvertretungen der Arbeitnehmer noch ausführlich kommentiert werden.
1) Die Pensionsreform 2000 hatte überfallsartig den Pensionsantritt von bis dahin 60 Jahre für Männer und 55 Jahre für Frauen auf 56,5 Jahre für Frauen und 61,5 Jahre für Männer angehoben.
2) Noch immer ist es so, dass die Pensionen der Arbeitnehmer zu 86 Prozent aus den laufenden Beitragseinnahmen finanziert werden, bei den Gewerbetreibenden liegt der entsprechende Wert bei 46 Prozent, bei den Bauern lediglich bei 28 Prozent.
3) Dazu sind entsprechende Gesetzentwürfe dieser Tage zu erwarten.
4) Vorzeitige Alterspensionen wegen langer Versicherungsdauer können derzeit mit 61,5 bzw. 56,5 Jahren bzw. 35 Beitragsjahren (37,5 Versicherungsjahren) in Anspruch genommen werden.
5) Auch diese Pensionsart kann mit 61,5 bzw. 56,5 Jahren und einem Jahr Arbeitslosigkeit vor Pensionsantritt beansprucht werden.
6) Das Arbeitslosengeld ist im Regelfall deutlich niedriger als die Pension.
7) Vergleiche auch Pensionsreformkommission, Endbericht vom Dez. 02
RESÜMEE
Wer gewinnt, wer verliert?
Die erste Analyse der beabsichtigten Pensionsmaßnahmen der neuen Bundesregierung zeigt, dass von Pensionsgerechtigkeit keine Rede sein kann. Bei den Arbeitnehmern wird es keine Gewinner geben:
Leistungskürzungen erleiden, viele in einem Alter, in dem es weder Alternativen der Vorsorge noch Beschäftigungsmöglichkeiten gibt.