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Spielregeln für den Markt

HINTERGRUND

»Der Markt funktioniert ganz offensichtlich nur in den Lehrbüchern ganz von allein«, sagt die Autorin und meint die Lehrbücher der neoliberalen Wirtschaftstheoretiker. Was wir brauchen ist eine Wettbewerbspolitik und eine Regulierungspolitik. Deswegen wurde die längst fällige Novellierung des Kartellgesetzes durchgeführt, in dem eine Reihe von Anliegen der AK als gesetzliche Interessenvertretung der Arbeitnehmer umgesetzt werden konnte.

Die fortschreitende Liberalisierung und der Globalisierungsprozess haben wirtschaftspolitische und staatliche Lenkungsinstrumente weitgehend reduziert oder auf eine andere - europäische oder internationale - Ebene verlagert.

Während auf der einen Seite die letzten Jahre durch eine massive Liberalisierung und Deregulierung von Leistungen, die bisher vom Staat angeboten worden sind, gekennzeichnet sind, nimmt der Trend zur Größe im privaten Bereich sowohl auf nationaler als auch internationaler Ebene ungebremst weiter zu. Staatliche und damit kontrollierbare und diskutierbare Macht muss abgebaut werden, während private Monopole immer fetter werden dürfen. Fast täglich werden wir daher auch mit internationalen Megafusionen konfrontiert. Aber auch in Österreich geht der Konzentrationsprozess rasant weiter. In einigen Branchen - z. B. im Lebensmitteleinzelhandel, im Möbelhandel oder in der Bauwirtschaft - müssen wir in Österreich sogar besonders extreme Konzentrationen feststellen.

Wettbewerb ist die Grundlage für eine dynamische Marktwirtschaft. Dennoch versuchen Unternehmen laufend, den Wettbewerb einzuschränken. Die Spielregeln der freien Marktwirtschaft werden oft genug mit der Freiheit verwechselt, so rasch wie möglich eine marktbeherrschende Stellung zu erlangen. Die Strategie ist klar nachvollziehbar: Mit der Schaffung eines Monopols kann man mehr Geld verdienen als durch bessere Produkte.

Marktmissbrauch und wettbewerbsfeindliches Verhalten haben aber vielfältige negative Auswirkungen: Strukturen versteinern, Unternehmen werden vom Markt gedrängt, was wiederum einhergeht mit dem Verlust von Arbeitsplätzen, Know-how und stärkerem Lohndruck, Innovation wird gebremst, die Abhängigkeit der Kunden von Produkten der marktbeherrschenden Unternehmen steigt, Konsumenten zahlen überhöhte Preise und finden eine eingeschränkte Produktauswahl vor.

Spätestens der Fall Microsoft hat deutlich gemacht, dass Missbrauch vielfältig sein kann und dass wettbewerbsfeindliches Verhalten die Innovation bremst. Der Markt funktioniert ganz offensichtlich nur in den Lehrbüchern ganz von allein. Tatsächlich ist das Wirtschaftsgeschehen aber geprägt durch eine Vielzahl von Marktversagen. Marktwirtschaft kann nur dann optimal funktionieren, wenn die Voraussetzungen stimmen. Die Basis dafür ist ein funktionierender Wettbewerb.

Die Wettbewerbsregeln gehören daher auch zu den wichtigsten Spielregeln einer Volkswirtschaft. Also müssen die Regierungen diese Spielregeln definieren, damit Fair Play und ein lebendiger Wettbewerb das Spiel bestimmen. Der Markt braucht den Staat als Stütze, damit er einwandfrei funktionieren kann. Oft genug wird Marktwirtschaft verwechselt mit einer Politik des »laissez-faire«. Und oft genug verwenden Regierungen ihren Einfluss dazu, um die Interessen der (großen) Unternehmen voranzutreiben, deren Anliegen naturgemäß weniger in der Schaffung strenger Spielregeln besteht als im weiteren Ausbau ihrer Marktposition - letztendlich zum Schaden der Verbraucher, Beschäftigten und Mitkonkurrenten.

Wettbewerbs- und Regulierungspolitik gehören in einer Zeit, in der Schlagworte wie Liberalisierung, Deregulierung und Privatisierung die Politik bestimmen, zu den wenigen verbleibenden Lenkungsinstrumenten der Wirtschaftspolitik. Sie sollten daher auch offensiv eingesetzt werden.

Mangelndes Problembewusstsein in Österreich

In Österreich hat Wettbewerbspolitik kaum Tradition. Es mangelt an Problembewusstsein bei Managern und Politikern. Dies wird nicht zuletzt dadurch deutlich, dass die Arbeiterkammer in den letzten Jahren praktisch die einzige Institution in Österreich war, die im Rahmen ihrer Funktion als »Amtspartei« nach dem Kartellgesetz eine aktive Rolle in der Wettbewerbspolitik spielte. Allein in den letzten drei Jahren stellte die AK mehr als 60 Prüfanträge an das Kartellgericht. Das inhaltlich für Wettbewerbspolitik zuständige Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit konnte sich überhaupt erst im letzten Jahr zu nennenswerten Aktivitäten überwinden. Die ebenfalls antragsberechtigten Sozialpartnerinstitutionen Wirtschafts- und Landwirtschaftskammer zeichneten sich bisher überhaupt durch absolute Untätigkeit aus.

Die anhaltende Ignoranz zum Thema Wettbewerbspolitik ist aber gerade für ein kleines Land wie Österreich ein Problem. Auf Märkten, bei denen es auf regionale Präsenz ankommt, ist der Anreiz, in den Markt einzusteigen - aufgrund der Kleinheit des Marktes -, oft gering. Das Ergebnis ist ein - auch im europäischen Vergleich - extrem hoher Konzentrationsgrad in einzelnen Branchen, der durch weitere Zusammenschlüsse gerade in den letzten Jahren weiter massiv vorangetrieben wurde. Eines der extremsten Beispiele ist sicher der Einzelhandel, wobei hier besonders der Lebensmitteleinzelhandel, der Drogeriewarenhandel, der Möbeleinzelhandel, aber auch die Bau- und Fachmärkte zu nennen sind.

Lebensmittel: Höchste Konzentration in Europa

Der österreichische Lebensmittelhandel zeigt beispielsweise den höchsten Konzentrationsgrad in Europa. Die zwei größten Ketten erreichen gemeinsam einen Marktanteil von mehr als zwei Drittel. Die vier größten Handelsketten decken rund 80% des Marktes ab. Im Vergleich dazu beträgt der Marktanteil der 10 größten Unternehmen in dieser Sparte in Deutschland rund 78%. Gerade im Lebensmitteleinzelhandel lassen sich daher die Auswirkungen eines eingeschränkten Wettbewerbes anschaulich darstellen: Als Konsequenz einer derart hohen Konzentration bei den Lebensmittelketten steigt beispielsweise der Druck auf die österreichische Lebensmittelindustrie weiter an.

Da die Lieferanten darauf angewiesen sind, ihre Produkte über die großen Handelsketten zu vertreiben, müssen sie die Bedingungen des Einkäufers akzeptieren, um nicht Gefahr zu laufen, ausgelistet zu werden. Forderungen der Lebensmittelhandelsunternehmen wie Leistungsgebühren, Regalmieten bzw. Sonderleistungen, wie z. B. so genannte »Hochzeitsrabatte« etc., schränken den Spielraum der österreichischen Hersteller zusätzlich ein. Für die österreichischen Töchter der Nahrungsmittelmultis wird damit der Spielraum zunehmend enger. Entweder sie können den Forderungen des Handels hinsichtlich der Preis- und Konditionengestaltung erfüllen oder Waren werden nicht mehr über Österreich bezogen. Dies kann in der Folge zur Schließung der österreichischen Niederlassungen führen. Der Verlust von Arbeitsplätzen ist die logische Folge.

»Zu großer Druck des Handels«

Als Beispiel könnte hier das Produktionsunternehmen Oetker in Villach erwähnt werden. Dieses hat im Frühjahr 1999 seine Produktion eingestellt. Als Begründung wird der »zu große Druck des Handels« genannt (siehe Kurier 4. 8. 1998, Seite 15).

»Produktbereinigung«

Schlussendlich führt eine so massive Konzentration dazu, dass die Angebotsvielfalt zu Lasten der Verbraucher abnehmen wird. Nischen- bzw. Spezialprodukte werden aus den Regalen verschwinden. Der größte Marktteilnehmer im Lebensmitteleinzelhandel in Österreich führt seinen Kunden gerade in diesen Wochen vor Augen, was das bedeuten kann. Das Produktsortiment wird stark eingeschränkt. Eigenmarken werden bevorzugt. Pech für den Konsumenten, wenn das Lieblingsjoghurt oder die bevorzugte Fruchtsaftmarke der Produktbereinigung zum Opfer fällt. Die Ausweichmöglichkeiten auf andere Geschäfte sind aufgrund der hohen Konzentration jedenfalls sehr gering. Bleibt nichts anderes übrig, als sich umzustellen und den eigenen Geschmack den Vorgaben der marktbeherrschenden Handelsketten anzupassen.

Mängel des wettbewerbspolitischen Systems in Österreich

Das allgemein vorhandene mangelnde Problembewusstsein zum Thema Wettbewerbspolitik zeigt sich auch sehr deutlich aufgrund der eindeutigen Mängel, die das wettbewerbspolitische System in Österreich kennzeichnen.

Unser System war bisher geprägt durch eine ausgesprochen mangelhafte Struktur, die ein effizientes amtswegiges Aufgreifen von wettbewerbsrechtlichen Verstößen sehr schwierig machte. Mangelnde Ermittlungsbefugnisse, mangelnde Vernetzung zwischen europäischer und nationaler Wettbewerbspolitik, intransparente Abläufe sowie eine im europäischen Vergleich fast unvorstellbar mangelhafte Ausstattung mit personellen Ressourcen behinderten eine wirklich schlagkräftige Wettbewerbspolitik.

Längst fällige Änderung der gesetzlichen Rahmenbedingungen

Der zunehmenden Bedeutung, die der Wettbewerbspolitik in den letzen Jahren zukommt, wurde nun auch in Österreich mit einer längst fälligen Novellierung des Kartellgesetzes Rechnung getragen. Und tatsächlich konnten eine Reihe von Anliegen der Arbeiterkammer umgesetzt werden.

Die Hauptforderungen der AK, die allesamt Eingang in das neue Kartellgesetz gefunden haben, lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  • Unterstützung des Kartellgerichtes durch eine vorgelagerte Behörde, bei der folgende Aufgaben konzentriert sein sollten: eine Gesamtverantwortung für die Gestaltung der Wettbewerbspolitik, die Schaffung einer effizienten Aufgriffsstruktur für Verstöße gegen das Kartellgesetz, eine Beschleunigung der Verfahrensdauer durch effiziente Ermittlungsbefugnisse in allen kartellrechtlichen Belangen sowie die Verbindungsstelle zur europäischen Wettbewerbspolitik.
  • Eine bessere Ausstattung mit personellen Ressourcen bei den zuständigen Behörden.
  • Die Schaffung von Transparenz in der Wettbewerbspolitik - das erhöht den Druck für eine offensive Wettbewerbspolitik.
  • Eine breite Einbeziehung von unterschiedlichen Interessengruppen: Die Sozialpartner sollen weiterhin die Möglichkeit haben, eine aktive Rolle in der Wettbewerbspolitik zu spielen.
  • Eine Stärkung der Zusammenarbeit mit branchenspezifischen Regulierungsbehörden sowie mit der EG-Kommission.
  • Die Schaffung von zusätzlichen Bußgeldbestimmungen.

Insbesondere ist es der AK gelungen, auch die Einbindung der Sozialpartner in das System der Wettbewerbspolitik aufrechtzuerhalten. Auch in Zukunft stehen den Sozialpartnern somit umfassende Stellungnahmerechte in allen kartellrechtlichen Verfahren zu, mit Ausnahme des Antragsrechtes im Rahmen der Fusionskontrolle bleiben auch sämtliche Individualantragsrechte erhalten. Als Ausgleich für den Entfall des Individualantragsrechtes in der Fusionskontrolle werden die Sozialpartner in die neu eingerichtete Wettbewerbskommission eingebunden sein, die bei der neu gegründeten Wettbewerbsbehörde angesiedelt ist.

Sie soll einerseits Empfehlungen für Prüfanträge der Behörde abgeben, andrerseits die Schwerpunkte der österreichischen Wettbewerbspolitik definieren. Auch die Mitwirkung von Laienrichtern beim Kartellgericht, die von Arbeiterkammer und Wirtschaftskammer nominiert werden, bleibt bestehen.

Ziel der Wettbewerbspolitik muss es jedenfalls sein, faire Rahmenbedingungen in der Wirtschaft sicherzustellen. Denn die Auswirkungen eines mangelhaften Wettbewerbs treffen Beschäftigte, Konsumenten und die Wirtschaft gleichermaßen. Die Voraussetzungen für eine effizientere und aktivere Wettbewerbspolitik sind mit der Novelle des Kartellgesetzes jedenfalls geschaffen. Was daraus gemacht wird und ob damit auch das Problembewusstsein von Managern und Wirtschaftspolitikern steigen wird, bleibt abzuwarten.

Worum geht’s?

Big is beautiful - je größer, desto besser! Unter diesem Motto versuchen große Konzerne, den freien Wettbewerb als Grundlage einer dynamischen Marktwirtschaft einzuschränken. Der Trend zur Größe nimmt sowohl auf nationaler wie auf internationaler Ebene stetig zu, Megafusionen stehen auf der Tagesordnung. Die Unternehmensgröße wird dabei jedoch oft mit einer fast monopolistischen Marktbeherrschung verwechselt. Die Nachteile dieser Entwicklung treten immer deutlicher zutage: Strukturen versteinern, kleinere Unternehmen werden vom Markt gedrängt, Arbeitsplätze und Know-how gehen verloren, der Lohndruck steigt und die Konsumenten zahlen überhöhte Preise. Gerade in kleinen Staaten wie Österreich gehören die Wettbewerbsregeln zu den wichtigsten Normen der Volkswirtschaft. Fair Play und ein lebendiger Wettbewerb sollten darin vorherrschen, der Staat als Stütze fungieren. Funktioniert der Wettbewerb, dann funktioniert auch der Markt. Die Einbindung der Sozialpartner in das System der Wettbewerbspolitik ist dabei unerlässlich.

(Ch)

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