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Der mühsame Weg aus dem Konjunkturtal

WIRTSCHAFT

Die OECD, die Organisation der hoch entwickelten Industriestaaten mit Sitz in Paris, schätzt in ihrer jüngsten Konjunkturprognose die Wirtschaftslage und -aussichten günstiger ein als vor einem halben Jahr.

Die negativen Einflüsse, die im Vorjahr für den weltweiten Abschwung verantwortlich waren, wie der Zusammenbruch der Investitionen im Informations- und Telekommunikationssektor (IKT) und der drastisch gestiegene Erdölpreis, haben an Wirkungskraft verloren. Auch die politischen und militärischen Reaktionen auf die Terroranschläge des 11. September führten zu keinen zusätzlichen Beeinträchtigung der Wirtschaftslage. Und nicht zuletzt hat der entschlossene Einsatz der Wirtschaftspolitik in einigen Ländern, insbesondere in den USA, dazu beigetragen, dass die Rezession (ein Schrumpfen der realen Wirtschaftsleistung in zwei aufeinander folgenden Quartalen) überwunden werden konnte und Investoren sowie Konsumenten rascher als ursprünglich erwartet wieder zu deren normalem Verhalten zurückfanden.

Abrupter Abschwung - langsame Erholung

Deshalb konnte die Wachstumsprognose für den gesamten OECD-Raum für das Jahr 2002 um gut einen halben Prozentpunkt auf 1,8 Prozent hinauf revidiert werden, und für nächstes Jahr wird mit einem Wachstum des realen Bruttoinlandsproduktes (BIP) von rund 3 Prozent wieder die Rückkehr zur Normalität erwartet. Allerdings ist diese nun optimistischere Sicht ausschließ-lich auf die günstigere Entwicklung in Nordamerika zurückzuführen. Für die EU blieb die Wachstumsprognose mit 1,7/1,5/2,8 Prozent in den Jahren 2001/02/03 praktisch unverändert.

Die OECD stellt fest, dass nach dem überraschend abrupten und weltweit ziemlich im Gleichschritt verlaufenden, wenn auch im historischen Vergleich relativ milden Abschwung die derzeitige Erholung nur langsam an Dynamik zulegt und - im Gegensatz zum vorausgegangenen Abschwung - in den einzelnen Weltregionen recht unterschiedlich verläuft. Die OECD berücksichtigt dabei das überraschend kräftige Wachstum der US-Wirtschaft im 4. Quartal 2001, und sie nimmt an, dass in der EU der Abschwung beendet ist. Japan findet dagegen weiterhin nicht den Weg aus Krise und Deflation, da die anhaltende Strukturbereinigung der Wirtschaft und die infolge Rekordarbeitslosigkeit niedrige Konsumbereitschaft die Inlandsnachfrage drücken.

USA wieder als Konjunkturlokomotive

Die USA müssen somit wieder einmal die Rolle der Konjunkturlokomotive übernehmen. Eine expansive Fiskalpolitik (Steuererleichterungen, vermehrte Sozialtransfers, Abschreibungsbegünstigungen) sowie die raschen, entschlossenen und massiven Zinssenkungen der Zentralbank leisteten wesentliche Beiträge dazu, das Vertrauen insbesondere der Verbraucher, aber auch der Investoren zu stabilisieren. Durch die überraschend hohe Bereitschaft der privaten Haushalte, ihre Schulden auszuweiten, blieb der Konsum die zentrale Konjunkturstütze. Ab dem zweiten Halbjahr 2002 wird auch wieder mit einer Erholung des IKT-Sektors und damit mit einem Anstieg der Inves-titionen zu rechnen sein.

Weiterhin schwache Inlandsnachfrage in Europa

In der Europäischen Union zeichnet sich der Aufschwung weit weniger klar ab. Schließlich fiel auch die Stützung der Konjunktur durch die Wirtschaftspolitik wesentlich zaghafter aus als in den USA. Von den auf Konsolidierungskurs getrimmten öffentlichen Haushalten ging ebenso wenig eine Belebung aus wie von der Zinspolitik der Europäischen Zentralbank, welche ohne Rücksicht auf Wachstum und Beschäftigung einzig die Inflationsbekämpfung im Auge hat. Vor allem die internen Auftriebskräfte fehlen daher, womit die Hoffnungen auf der Belebung der Auslandsnachfrage beruhen. Denn zurzeit sind alle inländischen Nachfragekomponenten schwach. Wenn auch Umfragen bezüglich Wirtschaftsklima, Vertrauen der Investoren usw. eine Verbesserung erwarten lassen, zeigen sich in den »harten« Daten (z. B. Industrieproduktion) noch keine Anzeichen der Wiederbelebung. Von den großen europäischen Ländern zeigte sich Großbritannien am wenigsten von der internationalen Konjunkturabschwächung betroffen, was - ähnlich wie in den USA - vor allem dem sensiblen Einsatz der Wirtschaftspolitik (Staatsausgaben, Zinssenkungen) zugeschrieben wird.

Insbesondere die deutsche Wirtschaft hinkt einer internationalen Konjunkturbelebung nach. Die schlechte Lage auf dem Arbeitsmarkt dämpft die Konsumfreudigkeit der Haushalte. Man hofft, dass im Jahresverlauf über die Exportsteigerungen eine Belebung der Investitionen und in deren Folge auch des Konsums eintreten wird.

Arbeitsmarkt und Inflation

Da der Arbeitsmarkt verzögert auf die Produktionsentwicklung reagiert, wird erst heuer mit dem Höhepunkt der Arbeitslosigkeit gerechnet. OECD-weit 35,5 Millionen Arbeitslose stellen den Rekordwert der letzten 5 Jahre dar, und erst 2003 ist mit einem leichten Rückgang zu rechnen. Der Großteil des Anstiegs der Arbeitslosigkeit entfällt auf die USA, und auch in Japan hat sich die Lage weiter verschlechtert. In der EU wird der Höhepunkt der Arbeitslosigkeit gegen Jahresende 2002 und für nächstes Jahr eine leichte Verbesserung erwartet.

OECD-weit wird heuer mit einem deutlichen Rückgang der Inflationsrate gerechnet. In der Euro-Zone erweisen sich dagegen die Preissteigerungsraten auch heuer als hartnäckig. Sie bleiben an der 2-Prozent-Grenze, obwohl die Effekte der Preisanstiege bei Erdöl sowie bei Fleisch ausgeklungen sein sollten und auch von der Lohnseite kein Inflationsdruck besteht. Die OECD rechnet derzeit nicht damit, dass im Zuge weiterer oder verschärfter militärischer Auseinandersetzungen im Nahen und Mittleren Osten eine dramatische Verteuerung von Rohöl einsetzen wird. Man vertraut vielmehr darauf, dass die OPEC versuchen wird, den Ölpreis nicht über den von ihr angestrebten Wert von 25 Dollar pro Fass steigen zu lassen.

Die Prognosen für Österreich

Die Prognosen für Österreich bringen keine Überraschungen: Die Vorhersagen der OECD stimmen weitestgehend mit den nationalen Prognosen (WIFO) über-ein. Wirtschaftswachstum und Inflationsrate liegen minimal unter dem Durchschnitt der Euro-Länder; bei der Arbeitslosenquote besteht zwar nach wie vor das Problem der Vergleichbarkeit aufgrund unterschiedlicher Berechnungsmethoden, doch lässt sich feststellen, dass nach einem relativ kräftigen Anstieg im Jahr 2002 gemäß der Prognose die Quote im kommenden Jahr wieder etwas zurückgehen und damit - in vergleichbarer Rechnung - in der Euro-Zone nur von wenigen Ländern unterboten werden wird.

Unsicherheiten und Risken

Unsicherheiten und Risiken überlagern natürlich auch diesmal das Eintreffen dieser Prognose. Die größte Gefahr geht von der weiteren politischen und militärischen Entwicklung im Nahen und Mittleren Osten aus, welche über eine Erdölpreiserhöhung den erwarteten Aufschwung gefährden könnte. Auch eine Ausweitung der Krisen in Argentinien und in Japan könnte die Belebung der Weltwirtschaft abbremsen. Die Erholung der europäischen Wirtschaft hängt aber vor allem von einem weiterhin ungebrochenen Optimismus der amerikanischen Haushalte ab. Sollte dieser - etwa durch weitere Korrekturen der Aktienkurse nach unten oder wegen ihrer Überschuldung - gebrochen werden, werden wir wohl noch länger auf den Aufschwung warten müssen.

Thomas Delapina
(Mitarbeiter der Abteilung
Wirtschaftswissenschaft der AK)

Tabelle 1
Wachstum des realen Bruttoinlandsprodukts in Prozent (BIP)
2001 2002 2003
USA 1,2 2,5 3,5
Japan -0,4 -0,7 0,3
Deutschland 0,6 0,7 2,5
Frankreich 2,0 1,4 3,0
Tabelle 2

Inflationsrate (Deflator des privaten Konsums)

2001 2002 2003
USA 1,9 1,4 1,8
Japan -1,5 -1,6 -1,7
Deutschland 1,8 1,4 1,6
Frankreich 1,2 1,5 1,4
Italien 2,9 2,5 2,1
Großbritannien 1,5 2,3 2,3
Belgien 2,2 2,2 2,3
Dänemark 2,1 2,1 2,1
Finnland 2,7 1,7 1,8
Niederlande 4,6 3,0 2,2
Norwegen 2,5 2,1 2,5
Spanien 3,2 2,8 2,6
Schweden 1,6 2,4 2,4
Schweiz 1,0 0,6 0,7
Österreich 2,3 1,8 1,7
Euro-Zone 2,3 2,0 1,9
EU-Durchschnitt 2,2 2,1 2,0
OECD gesamt1) 2,6 2,2 2,0
Österreich: nationale Prognose (WIFO) 2,7 1,7 1,4

1) Werte durch die teils zweistelligen Raten der Hochinflationsländer (Griechenland, Ungarn, Polen, Türkei, Mexiko) nach oben verzerrt. Die OECD ohne Hochinflationsländer hätte die Werte 1,6/1,3/1,4 Prozent.

Tabelle 3
Arbeitslosenquote (in Prozent der Erwerbstätigen)
2001 2002 2003
USA 4,8 5,6 5,3
Japan 5,0 5,8 6,0
Deutschland 7,4 7,8 7,6
Frankreich 8,7 9,2 9,0
Italien 9,6 9,1 9,0
Großbritannien 5,1 5,3 5,3
Belgien 6,6 6,7 6,7
Dänemark 4,3 4,3 4,2
Finnland 9,1 9,4 9,3
Niederlande 2,2 2,7 3,2
Norwegen 3,6 3,6 3,5
Spanien 10,5 10,7 10,5
Schweden 4,0 4,2 4,0
Schweiz 1,9 2,5 2,2
Österreich2) 4,9 5,6 5,1
Euro-Zone 8,0 8,2 8,1
EU-Durchschnitt 7,4 7,6 7,5
OECD gesamt 6,4 6,9 6,7
Österreich: nationale Prognose (WIFO)
laut EUROSTAT
3,6 3,9 3,8
laut Arbeitsmarktstatistik 6,1 6,7 6,5
2) Für einen aussagekräftigen internationalen Vergleich wären für Österreich allerdings die EUROSTAT-Werte (siehe vorletzte Zeile der Tabelle) heranzuziehen.

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