topimage
Arbeit&Wirtschaft
Arbeit & Wirtschaft
Arbeit&Wirtschaft - das magazin!
Blog
Facebook
Twitter
Suche
Abonnement
http://www.arbeiterkammer.at/
http://www.oegb.at/

Zahlen statt Menschen

GESELLSCHAFTSPOLITIK

Bereits Mitte der 90er Jahre stellten Arbeiterkammern und Gewerkschaften die Frage zur Diskussion: »Was tun, wenn der Unternehmensberater kommt?« Eine Frage, die das »gesellschaftspolitische Diskussionsforum«, eine Plattform aus Vertretern von Gewerkschaft und Arbeiterkammer, in Veranstaltungsreihen und Publikationen seither thematisiert. Unter dem Aspekt »Macht und Manipulation im Betrieb« etwa diskutierten Fachleute und Betroffene in der Wiener Arbeiterkammer über die Gefahren, die Arbeitnehmern durch externe Berater droht. Denn was auf den ersten Blick als »Einbeziehen in den Prozess der Umgestaltung« aussieht, ist oft Verhaltenssteuerung durch den Einsatz modernster Sozialtechniken. Oder: Wie im Fall der ÖBB, simple Personalsenkung.

»Bei Umstrukturierungsprozessen geschieht oft Seltsames. Betriebsräte werden eingeladen, am Diskussionsprozess teilzunehmen. Das Paradoxe daran: Mit manipulativen Mitteln werden sie schließlich dazu gebracht, etwas zu tun, was sie im Grunde gar nicht möchten«, meint der Mitarbeiter der ÖGB-Bildungsabteilung Michael Vlastos. »Sie werden so über den Tisch gezogen, weil sie die Spielregeln bzw. die modernen Sozialtechniken nicht kennen.« Zwei Fälle aus der Praxis zeigen, wie unterschiedlich die Ansätze von Betriebsberatung sind. Aber auch, dass die Gefahr von Manipulation durch Beratung nicht zu unterschätzen ist.

Systemischer Beratungsansatz

Die Stadtwerke Bremen AG, ein Dienstleister im Energiesektor, steht 1997 vor massivem Wettbewerbsdruck. Die Beratergruppe Neuwaldegg wird eingeladen, das »Projekt des kulturellen Wandels«, mit dem das Unternehmen auf die radikalen Veränderungen durch die Energieliberalisierung reagieren will, zu begleiten. Die Beratergruppe, die sich dem systemischen Ansatz verpflichtet fühlt, rückt die Selbstorganisation in den Mittelpunkt: Das heißt, Konfliktparteien werden als Teil sozialer Systeme betrachtet, die sich durch Kommunikation bilden, aber auch verändern. Der Berater hat dabei die Aufgabe, »eigendynamische« Prozesse so zu beeinflussen, dass keiner der Beteiligten »im eigenen Saft schmort«, sondern die Standpunkte der anderen zu verstehen beginnt.

Der Soziologe und Mitbegründer des »gesellschaftspolitischen Diskussionsforums«, Ulrich Schönbauer: »Lange Zeit wird das Projekt als eine Art ðKuscheleckeĐ abgetan. Die veränderten Marktbedingungen werden nicht thematisiert, sondern nur der eigene Betrieb.« Die so genannten Bewahrer haben die Oberhand, Unvorhergesehenes passiert allerdings durch die Fusion von Konkurrenten und Mitbewerbern. Es muss rasch gehandelt werden, es kommt sogar zu Kündigungen. Der Vorstand kündigt die jahrzehntelange Kooperation mit dem Betriebsrat auf. Die Berater werden nun verdächtigt, »ein verlängerter Arm des Vorstandes zu sein«. Bei Stadtwerke Bremen AG endet der Beratungsprozess schließlich in der Zerschlagung des Unternehmens in eine Holding.

Strategischer Organisationsansatz

Zukunftsweisender für die Interessenvertreter der Arbeitnehmer, ist Schönbauer überzeugt, »dürften Modelle sein, die an einem emanzipatorischen Diskurs anknüpfen und die Vielfalt von Rationalitäten in einem Unternehmen zum Thema machen«.

Erhard Friedberg, dessen Buch »Macht und Organisation« als Wende der deutschen Industriesoziologie bezeichnet wird, berichtet vom Fallbeispiel eines belgischen Zulieferbetriebes der Flugzeugmotorenindustrie. Friedberg und zwei weitere Organisationssoziologen aus Frankreich wurden damit beauftragt, die wichtigsten Blockierungspunkte aufzuspüren, die einer Veränderung im Weg standen. In Interviews mit Mitarbeitern und Führungskräften wurde deutlich, was alles im Betrieb nicht funktionierte. Aus der Projektgruppe heraus wurden schließlich neue Abteilungsleiterstellen besetzt. Eine neue Arbeitsweise wurde eingeführt, die aber nicht unbedingt zum Vorteil der Arbeitnehmer war. »Als wir die neue Arbeitsteilung und Produktionsweise der Belegschaft genauer anschauten«, meint Friedberg, »zeigte sich, dass es eine Machtverschiebung zu Ungunsten der Gewerkschaft gegeben hatte.«

Der »Fall« ÖBB

Kein gutes Haar an Unternehmens- und Organisationsberatern lässt der Vorsitzende der Eisenbahnergewerkschaft, Wilhelm Haberzettl. Er will bei seiner Kritik »dieser Spezies kapitalistischer Nutznießer nicht so weit gehen wie der Schweizer Soziologe Jean Ziegler, der gemeint hat, ðZwischen Unternehmensberatern wie den McKinsey-Menschen und SS-Männern gibt es keinen Unterschied.Đ Beide hätten die gleiche Logik und dächten nur noch in Zahlen statt an Menschen«.

Für Haberzettl sprechen die Zahlen eine deutliche Sprache: McKinsey, jene Firma, die ab 1993 das ausgegliederte Unternehmen ÖBB beriet, hatte Ende der 90er Jahre einen Jahresumsatz von 2,5 Milliarden US-Dollar. »Die ÖBB haben in der achtjährigen Ära des Generaldirektors Draxler auch ein paar Milliarden zu diesem Erfolg beigetragen. In dieser Zeit haben die ÖBB mehr als 16.000 Eisenbahner abgebaut.«

Die Berater hatten keine Ahnung ...

Dass das Unternehmen ÖBB einer Organisationsreform unterzogen werden musste, stand außer Streit. Der Personalvertretung ging es aber um den zeitlichen und inhaltlichen Ablauf dieser Reform. Haberzettl: »Weil die von außen geholten Berater von der Bahn und den Gesetzmäßigkeiten des Schienenverkehrs keinerlei Ahnung hatten, legten sie ihre eigenen Maßstäbe an, nach der altbekannten Chaostheorie: Immer neue Ideen, immer in Bewegung bleiben.«

Für ein Unternehmen wie McKinsey vielleicht ein brauchbares Rezept - dort werden laut Gewerkschafter Haberzettl jährlich 15 Prozent der Mitarbeiter durch neue Leute ersetzt. Bei den ÖBB, einem in Jahrzehnten gewachsenen Unternehmen, musste es zwangsläufig zu Konflikten führen.

Bald schwirrten zahlreiche Unternehmensberater und neue Worte durch die ÖBB-Betriebe. Die Startphase hieß »Diagnose - Shake up«, die vier weiteren Phasen von 1993 bis 1998 wurden im »New speak« der Managersprache »Neue Struktur«, »Geschäftsbereichsphilosophie«, »Topdown-Ansatz« und »Pilot« genannt.

Ein Kauderwelsch, das die ÖBB-Dienstnehmer zunehmend irritierte. Für den endgültigen Imageverlust sorgten die Berater selbst, die von den Eisenbahnern den Spitznamen »Blindenhunde« verliehen bekamen: Einige Detailvorschläge, die sie im Zuge ihrer Recherchen aufgeschnappt hatten, war für bare Münze genommen und dem Unternehmen als Bestandteile der Reform verkauft worden.

Teures Sparen

Wilhelm Haberzettl: »Die Personalvertretung drang deshalb darauf, die notwendigen Teile der Organisationsreform in rascher Folge umzusetzen, um die Verunsicherung über ungenügend geklärte neue Strukturen und Kompetenzverteilungen möglichst gering zu halten. Andererseits musste auch viel Kraft darauf verwendet werden, die Ambitionen des Managements auf rasche Reform der Reform unter Kontrolle zu halten.«

Zur grundsätzlichen Auseinandersetzung über den Weg der Reform - die immer mehr zur Rationalisierung um des Personaleinsparens willen mutierte - kam es 1998. Das ÖBB-Management plante, binnen drei Jahren 10.000 Arbeitsplätze einzusparen, Gehälter und Löhne zu senken und gültige Vertragsbedingungen durch Sonderverträge zu unterlaufen.

Durch den extremen Sparkurs wurde selbst die Sicherheit der Mitarbeiter und Fahrgäste gefährdet. »Ein Konflikt, der deutlich zeigt, wie inkompetente Berater im Verein mit einer selbstherrlichen Führung ein Unternehmen in große Schwierigkeiten bringen können«, meint Haberzettl. Das Problem konnte schließlich »auf politischer Ebene« durch einen Kompromiss zwischen ÖBB-Führung und Gewerkschaft bereinigt werden.

Ethikcodex für Berater

Wie können Gewerkschafter und Betriebsräte mit dem Problem »Beratung« umgehen? Wilhelm Haberzettl: »Nur starke Gewerkschaften und Personalvertreter können dem zweifellos schädlichen Einfluss von inkompetenten Unternehmensberatern wirksam begegnen.«

Mit einem Ethikcodex für Unternehmensberatung und Organisationsentwicklung will das »gesellschaftspolitische Diskussionsforum« Manipulationen vorbeugen. So soll etwa ein Beratungsvertrag der Zustimmung des Betriebsrates bedürfen, die Freiwilligkeit der Teilnahme am Prozess eingehalten und die »Spielregeln« wie Methoden, Sozialtechnik und andere Verfahren vor Beginn des Beratungsprozesses offengelegt werden.

Teilen |

(C) AK und ÖGB

Impressum