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Was ist gewerkschaftliche Projektarbeit?

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Projektmäßige Arbeitsformen gewinnen im Arbeitsfeld gewerkschaftlicher Organisationen zusehends an Bedeutung. Bei der Beschäftigung mit Projektmanagement in diesem Umfeld fällt eine Reihe von Besonderheiten gewerkschaftlicher Projektarbeit auf, aber auch vieles, was den meisten Projekten gemeinsam ist, egal wo sie angesiedelt sind.

Unter »gewerkschaftlicher Projektarbeit« wird in diesem Beitrag die Arbeit an Projekten (zeitlich, sachlich und personell abgegrenzten Vorhaben) im gewerkschaftlichen Bereich (Gewerkschaften, betriebliche und überbetriebliche Interessenvertretungen der Arbeitnehmer, gewerkschaftsnahe Institute und Vereine, gewerkschaftsnahe Unternehmen u. dgl.) verstanden. Diese Arbeitsform nimmt an Bedeutung zu, das bestätigen viele Gespräche mit Kolleginnen und Kollegen.

Auch gewerkschaftliche Organisationen sind immer mehr mit komplexen Situationen konfrontiert, in denen neue, flexible Lösungen gefunden werden müssen und vorhandene, bewährte Organisationsformen allein nicht ausreichen. Gemeinsame Arbeit an einem Ziel über bestehende Betriebs- und Organisationsgrenzen hinweg, Nutzung vielfältiger sozialer Netzwerke und Ergebnisorientierung sind schließlich für gewerkschaftliche Organisationen keine neuen Erfindungen. In gewisser Weise gehören sie seit der Gründung der Gewerkschaftsbewegung zum täglichen Brot unserer Organisationen.

Neu sind die professionelle Betrachtungsweise und das professionelle Herangehen. Wir setzen uns mehr und mehr mit projektmäßigen Arbeitsformen bewusst auseinander, untersuchen ihre Erfolgsvoraussetzungen und ihre erwünschten und weniger erwünschten Auswirkungen.

Wir entwickeln Werkzeuge für diese Arbeitsform und passen sie unseren Bedürfnissen und besonderen Bedingungen an. Wir werten Erfahrungen aus der Praxis aus und versuchen, ein Gesamtverständnis für Projektarbeit im gewerkschaftlichen Bereich zu entwickeln. Dazu möchte ich einen Beitrag leisten.

Projektmanagement einführen?

Projektmanagement wird im gewerkschaftlichen Bereich seit mehr als 10 Jahren diskutiert; größere und kleinere Projekte wurden und werden durchgeführt. Mitarbeiter und Funktionäre der Organisationen haben Seminare über Projektmanagement absolviert, Weiterbildungsveranstaltungen zum Thema Projektmanagement finden regelmäßig und mit großem Anklang statt. Standards für Projektaufträge, Projektqualitätspläne und Projektfortschrittsberichte liegen in vielen Organisationen vor.

Dennoch kann man nicht sagen, dass Projektmanagement eine etablierte und akzeptierte Arbeitsweise wäre. »Um Gottes willen, nicht schon wieder ein Projekt!«, bekommt man ebenso zu hören wie »Das müssen wir unbedingt als projektmäßigen Prozess anpacken, sonst ist jede Veränderung unmöglich!«. Nach einer Vielzahl abgeschlossener Projekte fällt es schwer zu behaupten, Projektmanagement sei nun eine wohl eingeführte Arbeitsmethode im gewerkschaftlichen Bereich oder die Mitarbeiter und Funktionäre verfügten über ein solides Basis-Know-how im Projektmanagement.

Die Einführung von Projektmanagement hat sich als schwierig erwiesen. Mehrere Faktoren sind dafür verantwortlich:

  • Schwierigkeiten bei der Definition operationaler (überprüfbarer) Ziele.
  • Schwierigkeiten beim Etablieren von Mechanismen zur Erfolgskontrolle.
  • Schwierigkeiten mit der Verbindlichkeit von Festlegungen und Vereinbarungen.
  • Schwierigkeiten mit der verbindlichen Planung des Ressourceneinsatzes.
  • Schwierigkeiten mit Teamarbeit.
  • Schwierigkeiten aufgrund mangelnder Konfliktkultur.

Solche Schwierigkeiten gibt es bei Ihnen nicht? Sie haben sie schon längst gelöst? Wozu brauchen Sie dann überhaupt Projektmanagement?

Projekt Projektmanagement

»Machen Sie die Einführung von Projektmanagement doch zu einem Projekt!« Diesen Rat findet man in der Literatur, ich habe ihn von Kollegen, Freunden und Beratern bekommen und selbst schon gegeben. Es ist leider nur bedingt möglich, diesem Rat zu folgen.

Die Einführung von Projektmanagement ist in gewerkschaftlichen Organisationen als Aufgabe weder sachlich noch zeitlich abgrenzbar, und sie ist auch nicht aus der Stammorganisation delegierbar. Die Orientierung auf Projektmanagement ist eine grundlegende Entscheidung, die von Funktionären und Mitarbeitern gleichermaßen getragen werden muss.

Eine Grundsatzentscheidung hat der Bundeskongress des ÖGB zwar längst getroffen, die Etablierung von Projektarbeit ist aber ein Prozess. Die Projektkultur in einer Organisation bedarf der ständigen Pflege und Entwicklung. Worauf es ankommt ist, die jeweils aktuellen Schritte zu identifizieren, die eine solche Entwicklung vorantreiben.

Jedes Projekt (insbesondere ab einer bestimmten Größenordnung und mit einem bestimmten Gewicht für die Gesamtorganisation) ist aber auch ein Schritt zur Festigung - oder Veränderung - dieser Kultur. Die systematische Auswertung von Projekterfahrungen kann helfen, diesen Schritt im Bewusstsein der Organisation zu verankern.

Schritte und Sprünge

Organisationen verändern sich schrittweise, manchmal auch in Sprüngen, aber nie von einem Tag auf den anderen von Grund auf. Greift man in die Funktionsweise von Organisationen ein - und die Einführung von Projektmanagement in einer komplex strukturierten gewerkschaftlichen Organisation ist zweifellos ein massiver Eingriff -, so muss man sorgfältig überlegen, zu welchen Schritten die Organisation bereit und in der Lage ist. Wie beim Bergsteigen kommt es darauf an, Griffe und Tritte zu sichern, damit man nicht ins Seil fällt oder gar abstürzt, sondern den Gipfel erreicht.

Das Besondere an gewerkschaftlicher Projektarbeit

Wir wollen nun eine erste Zusammenfassung dessen versuchen, was gewerkschaftliche Projektarbeit ausmacht. Projekte sind:

  • komplex,
  • neuartig,
  • risikobehaftet,
  • übergreifend,
  • abgrenzbar.

Soweit unterscheiden sich gewerkschaftliche Projekte nicht von Projekten im Allgemeinen.

Projekte im gewerkschaftlichen Bereich sind aber auch

  • stärker personen- und organisations- als sachorientiert,
  • weniger durch die Verfügbarkeit von Sachmitteln als durch das Bestehen von Kommunikationskanälen bestimmt,
  • stärker vernetzt und
  • oft schwerer abgrenzbar

als viele Projekte, für die herkömmliche Projektmanagement-Instrumente und -Theorien entwickelt wurden.

Gewerkschaftliche Projektarbeit muss versuchen, diesen besonderen Schwerpunkten Rechnung zu tragen, wenn sie erfolgreich sein will.

Im nächsten Heft: Von der Projektidee zum Projektplan.

ZUM NACHLESEN

Gewerkschaftliche Projektarbeit

Ein praktischer Ratgeber von Herbert Wabnegg mit Beiträgen von Frank Boos, Karl Fink, Manfred Höfler, Hans Schneller, Klaus Scala und Joachim Schwendenwein; Reihe Theorie und Praxis der Gewerkschaften, Band 26; Verlag des Österreichischen Gewerkschaftsbundes; 193 Seiten, Euro 16,50/ S 229,-.

Das Besondere an diesem Buch

Bücher zum Thema Projektmanagement gibt es viele. Dieses Buch soll das Thema für eine besondere Zielgruppe und für ein besonderes Anwendungsgebiet erschließen: für Gewerkschafter - Betriebsräte, Funktionäre und Mitarbeiter - und die Arbeit in ihrem Aufgabenbereich.

Aktive Gewerkschaftsarbeit lässt selten Zeit, einen komplizierten Text durchzuarbeiten. Deshalb ist das Thema in sechs Teilbereiche aufgegliedert - Einführung, Projektidee, Projektplanung, Projektkommunikation, Projektberatung, Projektabschluss - , die jeweils mit kurzen Beiträgen aus drei verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet werden: Jeder der Abschnitte enthält als ersten Unterabschnitt eine Übersicht über Grundlagen, dann als zweiten Unterabschnitt eine Auswahl von einsetzbaren Werkzeugen und als dritten Unterabschnitt einen Bericht aus der Praxis.

Natürlich kann man dieses Buch von vorne nach hinten durchlesen. Man kann aber ebenso gut (und vielleicht sogar mit mehr Gewinn) zunächst die Grundlagenabschnitte, dann vielleicht die Praxisberichte und je nach Bedarf die Darstellung bestimmter Projektmanagement-Werkzeuge durchgehen. Das Inhaltsverzeichnis am Anfang und das Sachregister am Ende des Buches sollen dabei helfen, den für die Bedürfnisse des Lesers besten Weg zu finden.

Im Anhang findet sich außerdem ein Verzeichnis ausgewählter weiterführender Literatur und ein Kurzprofil der Autoren der Praxisberichte mit Kontaktadressen. Ein Sachregister unterstützt das Nachschlagen.

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