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Konjunkturgipfel | Einmal mehr ging es um die Inszenierung

KOMMENTAR

Geht's mit der Wirtschaft jetzt abwärts oder nicht? Kann man von einer Rezession sprechen oder nicht? Wem soll ein Laie wie unsereiner glauben? Auf jeden Fall haben wir mehr und viel zu viele Arbeitslose. Was macht die Regierung und wie stehen die Arbeitnehmer zu dem, was sie macht?

Jetzt ist es offiziell«, schreibt Joseph Stiglitz, der Nobelpreisträger für Ökonomie und frühere Berater von Bill Clinton, »die Welt befindet sich in einem globalen Abschwung - vielleicht nicht in einer Rezession, aber gewiss in einem Abschwung.«1) Die weltwirtschaftliche Abkühlung spiegelt sich darin, dass der Welthandel im ersten Halbjahr 2001 bereits geschrumpft ist. Nur in wenigen Regionen - wie China, Mittel- und Osteuropa - war die Wirtschaftsaktivität in diesem Zeitraum noch deutlich nach oben gerichtet.

Wann liegt eine Rezession vor?

Von einer Rezession spricht man, wenn das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) in mindestens zwei aufeinander folgenden Quartalen gegenüber dem Vorquartal abnimmt. In Österreich gibt es für den Begriff »Rezession« keine allgemein gebräuchliche bzw. anerkannte Definition mehr, da das österreichische Wirtschaftsforschungsinstitut nach 1975 eine exakte Einteilung der Konjunkturzyklen und -phasen nicht mehr vorgenommen hat. Eine Anwendung der in den USA üblichen Definition ist in Österreich aus statistischen Gründen und wegen des andersartigen Konjunkturverlaufes nicht sinnvoll. Nach der alten Definition - von einem Rezessionsjahr spricht man dann, wenn der reale BIP-Zuwachs unter den langfristigen Trend sinkt - wäre das Jahr 2001 mit einem Wert von 1,3% ein Rezessionsjahr.

Kennzeichen dieser Entwicklung sind Revisionen der Prognosen der Wirtschaftsforscher - sinkenden Wachstumszahlen des BIP stehen steigende Arbeitslosenzahlen gegenüber -, Firmenzusammenbrüche, ein gedämpftes Konsum- und Investitionsklima und drohende Finanzkrisen in den Schwellenländern (Argentinien). In Österreich wurden die Konjunkturprognosen im Jahr 2001 kontinuierlich nach unten revidiert - zuletzt im Dezember.

Nachdem in den beiden letzten Jahrzehnten, neoliberalen Auffassungen entsprechend, der Rückzug des Staates gepredigt und vorangetrieben wurde, setzt in dieser Phase der Konjunkturabschwächung wieder eine neue Sehnsucht nach dem Staat ein - eine Rückbesinnung auf Keynes und sein Konzept von der Konjunktursteuerung durch eine antizyklische Budgetpolitik.

Das Konzept knüpft an einer unzureichenden weltweiten Nachfrage an und empfiehlt zu deren Überwindung eine weltweite Stärkung der Kaufkraft. Stiglitz2) meint, »die Zeit dafür ist reif«. Höchst unterschiedlich sind demgegenüber die Reaktionen der jeweiligen Regierungen. Sie reichen vom Festhalten an starren Regeln (Stabilitäts- und Wachstumspakt in den Mitgliedstaaten der EU) über eine antizyklische Ausrichtung der Geld- und Budgetpolitik (USA) bis hin zur (anfänglichen) Realitätsverweigerung (Österreich).

Regierung beschließt Maßnahmen zur Konjunkturbelebung

Was die österreichische Bundesregierung von der Keynes'schen Rezeptur hält, hat sie am 4. September bei der Präsentation eines »Pseudo«-Konjunkturbelebungsprogramms3) lauthals verkündet. Vorbei sind die Zeiten des sinnlosen, wirtschaftspolitischen Aktivismus Keynesianischer Prägung, war der Schlachtruf. Ein weiterer starker Anstieg der Arbeitslosigkeit - im Baubereich fast 32 Prozent - gab offensichtlich den Ausschlag für zwei Konjunkturgipfel. Beim zweiten Gipfel dieser Art am 5. Dezember hat die Regierung neuerlich ein Programm zur Belebung der Konjunktur vorgelegt. Zwei Kernfragen drängen sich auf:

  • Ist von ihnen angesichts des dringenden Handlungsbedarfs eine Entlastung des Arbeitsmarktes zu erwarten?
  • Genügen die darin vorgeschlagenen Maßnahmen dem von den Arbeitnehmervertretungen geforderten Arbeitsmarkt- und wirtschaftspolitischen Sofortprogramm?

Zunächst kann festgehalten werden, dass die Regierung damit ihre bisher ablehnende Haltung gegenüber konjunkturstützenden Programmen verlassen hat. Damit wurde die Notwendigkeit konjunkturstützender Maßnahmen anerkannt. Jedoch schon ein flüchtiger Blick auf die - rasch zusammengetragenen - Maßnahmen zeigt, dass sich die Regierung inhaltlich auf ein absolutes Minimum beschränkt hat. Insgesamt werden die zusätzlichen Maßnahmen mit etwa 858 Millionen Euro (11,8 Milliarden Schilling) beziffert. Davon entfallen 749 Millionen Euro (10,3 Milliarden Schilling) oder 87 Prozent auf die Bauwirtschaft.

Unzureichende Impulse für die Bauwirtschaft

Im Zentrum der kurzfristig wirksamen Maßnahmen steht somit die Bauwirtschaft, die von der Konjunkturabschwächung und der Arbeitslosigkeit am stärksten betroffen ist. Folgende Maßnahmen sind von Bedeutung:

  • Die Bundesimmobiliengesellschaft wird eine Reihe von baureifen Projekten im Ausmaß von rund 145 Millionen Euro (2 Milliarden Schilling) vorziehen.
  • In den nächsten drei Jahren werden (außerbudgetär finanzierte) Infrastrukturinvestitionen in der Höhe von ca. 470 Millionen Euro (6,5 Milliarden Schilling) getätigt. Über die Aufteilung auf die Bereiche Schiene/Straße gibt das Programm keine Antwort.
  • Mittel der Wohnbauförderung in der Höhe von 290 Millionen Euro (4 Milliarden Schilling) sollen zugunsten der Althaussanierung umgeschichtet werden.
  • Für das Jahr 2002 werden die vorzeitigen Abschreibungen für bauliche Investitionen von 3% auf 10% erhöht.

Aus dieser Aufzählung ist erkennbar, dass die kurzfristig bauwirksamen Investitionen in ihrem Volumen völlig unzureichend sind. Weiters lässt sich nicht wirklich zweifelsfrei erkennen, wie hoch die zusätzlichen Investitionen wirklich sein werden. Geht man von 290 Millionen Euro (4 Milliarden Schilling) für die Infrastruktur aus und fügt dem die Förderung von Althaussanierungsmaßnahmen hinzu, so errechnen sich insgesamt Bauinvestitionen von etwa 730 Millionen Euro (rund 10 Milliarden Schilling). Für die Bauwirtschaft wäre ein doppelt so hohes Volumen notwendig und machbar. So sind im Bereich Schiene ca. 800 Millionen Euro (11 Milliarden Schilling) an baureifen Projekten vorhanden, im Bereich der Straße etwa 360 Millionen Euro (5 Milliarden Schilling).

Geringe Impulse werden von der vorzeitigen Abschreibung ausgehen, weil sie auf ein Investitionsvolumen von 3,6 Millionen Euro (50 Millionen Schilling) beschränkt ist und nur von Betrieben in Anspruch genommen werden kann, die tatsächlich Gewinne machen. Überdies ist mit erheblichen Mitnahmeeffekten zu rechnen.

Weitere Maßnahmen wie die Renovierung von Museen und erhöhte Mittel für Projekte des Denkmalschutzes fallen von ihrer Größenordnung kaum ins Gewicht. Andere Bauvorhaben sind bereits im Bundesbudget enthalten und bewirken daher keine zusätzlichen Impulse (Bauausgaben für historische Objekte des Bundes).

Insgesamt sind die konjunkturbelebenden Maßnahmen für die Bauwirtschaft enttäuschend gering. Sie enthalten in abgewandelter Form zwar einige Maßnahmen, die auch von den Arbeitnehmervertretungen gefordert werden (vorzeitige Abschreibung für Bauten, Förderung der Althaussanierung, Bauinvestitionen), sie werden jedoch nicht ausreichen, um die Arbeitslosigkeit dieses Sektors wesentlich zu erleichtern. Daran wird auch die »Qualifikationsoffensive Bau«, wodurch in Anlehnung an bestehende Arbeitsstiftungen die dafür notwendigen Rahmenbedingungen geschaffen werden sollen, nicht viel ändern.

Fehlende Verstärkung der aktiven Arbeitsmarktpolitik

Der Arbeitsmarkt bildet einen weiteren Kernbereich der Konjunkturpolitik. Erstaunlich dabei ist, dass am Konjunkturgipfel verschiedene Deregulierungsmaßnahmen (Neuregelung der privaten Arbeitsvermittlung, einheitlicher Arbeitnehmerbegriff, »zeitgemäße« Gestaltung [Verschärfung] der Zumutbarkeitsbestimmungen in der Arbeitslosenversicherung, Reform des Arbeitsmarktservice ...) als konjunkturell wirksam ausgegeben werden. Von diesen Maßnahmen ist aber weder eine kurzfristige Entlastung des Arbeitsmarktes zu erwarten noch entsprechen sie den Forderungen der Arbeitnehmervertretungen, die eine Verstärkung der aktiven Arbeitsmarktpolitik gefordert haben, um vor allem folgende Maßnahmen zu finanzieren:

  • Recht auf Qualifikation für Arbeitsuchende, die länger als drei Monate ohne Beschäftigung bleiben
  • eine gute berufliche Erstausbildung für alle Jugendlichen
  • Modernisierung und nicht Verschärfung der Zumutbarkeitsbestimmungen, d. h. Schutz des Einkommens- und des Qualifikationsniveaus statt einer Dequalifizierungsspirale.

Forschungsausgaben wirken erst mittel- bis langfristig

Über diese konjunkturpolitischen Maßnahmen hinaus werden Maßnahmen im Bereich der Forschungs- und Technologiepolitik angekündigt. Der Forschungsfreibetrag für Unternehmungen soll um 10% angehoben werden. Wahlweise wird eine Forschungsprämie von 3% für Forschungsausgaben eingeführt. Damit erhalten auch jene Unternehmen eine Förderung, die keine Gewinne aufweisen (z. B. Neugründungen).

Da Technologiepolitik eine mittel- bis langfristige Wachstumspolitik ist, sind von diesen Maßnahmen kurzfristig keine konjunkturbelebenden Impulse zu erwarten. Durch die Erhöhung des Forschungsfreibetrags werden zudem erhebliche Mitnahmeeffekte ausgelöst. Auch die Ankündigung, die Mittel für Forschung und Entwicklung in den Jahren 2004 bis 2007 weiter mit etwa 500 Millionen Euro (7 Milliarden Schilling) zu dotieren, wird kurzfristig keine zusätzliche Nachfrage bewirken. Es handelt sich lediglich um eine Absichtserklärung, die einerseits künftige Regierungen bindet und die andererseits wirtschaftspolitischen Aktivismus vermitteln soll.

Keine Weiterbildungsförderung für Arbeitnehmer

Im Bereich der Bildung/Ausbildung wurde eine Anhebung des Freibetragssatzes für den Bildungsfreibetrag von 9 auf 20% bzw. wahlweise die Schaffung einer Bildungsprämie mit einem Prämiensatz von 6% angekündigt. Diese Maßnahmen erhöhen die Investitionsbereitschaft der Unternehmen in Weiterbildung und sind daher zu begrüßen. Da die Prämie auch von Unternehmen mit Verlusten in Anspruch genommen werden kann, ist sie der Erhöhung des Bildungsfreibetrages vorzuziehen. In beiden Fällen aber kommt es zu Mitnahmeeffekten. Ein entsprechendes Modell für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer fehlt zur Gänze.

Mit der Verdopplung der Zahl der Fachhochschulanfänger beträgt die tatsächliche Überschreitung des beschlossenen Entwicklungs- und Finanzierungsplans für den Fachhochschulsektor nicht 1200, sondern nur 340 Studienplätze.

Behauptete Kaufkraftimpulse - eine »Mogelpackung«

Im Papier zum Konjunkturgipfel wird behauptet, dass von den gesamten Maßnahmen Kaufkraftimpulse im Ausmaß von 5,8 Milliarden Euro (80 Milliarden Schilling) ausgehen. Bewirkt werden diese »... u. a. durch externe Effekte, Einigungen der Sozialpartner, Maßnahmen der Regierung etc. wie Ölpreisrückgang und Energieliberalisierung, Lohnrunde, Pensionsanpassung und Kindergeld«. Diese Impulse sind weit überzogen und in keiner Weise nachvollziehbar. Ein wenig seltsam mutet es an, dass der Ölpreisrückgang und die Energieliberalisierung als Maßnahmen der Regierung deklariert werden. Auch die Lohnrunde ist - mit Ausnahme des öffentlichen Dienstes - keine Maßnahme der Regierung. Überdies ist die eher bescheidene Lohnrunde im öffentlichen Dienst natürlich bereits budgetiert und kann wohl nur schwer zweimal als Kaufkraftimpuls gerechnet werden. Ebenso wenig die Pensionsanpassung und das Kindergeld.

Zusammenfassend lässt sich sagen: Im Gegensatz zur früheren Haltung hat die Regierung am Konjunkturgipfel die Notwendigkeit konjunkturstützender Maßnahmen anerkannt. Der Großteil der angekündigten Maßnahmen hat mit Konjunkturpolitik wenig bis nichts zu tun4). Da nach dem Konjunkturgipfel die Wirtschaftsprognose neuerlich revidiert wurde - das Wirtschaftswachstum nach unten und die Arbeitslosenzahlen nach oben -, sind die echten konjunkturbelebenden Maßnahmen in der Bauwirtschaft und im Bereich Arbeitsmarkt zu gering, als dass mit ihnen die Arbeitslosigkeit erfolgreich gesenkt werden könnte. Sie entsprechen nur teilweise den Forderungen der Arbeitnehmervertretungen.

Die nicht nachvollziehbare Ankündigung, dass mit diesem Programm 5,8 Milliarden Euro (80 Milliarden Schilling) Kaufkraftimpulse ausgelöst werden, lässt den Eindruck entstehen, dass wieder einmal mehr der Marketingaspekt, die Inszenierung, im Vordergrund stand. Auch die eher kritischen Reaktionen in den Medien lassen darauf schließen, dass das versuchte Täuschungsmanöver nicht aufgegangen ist.

1) Joseph Stiglitz, Lektionen aus dem weltweiten Abschwung, in: http://www.project-syndicate.org/home/home.asp
2) Joseph Stiglitz, Lektionen aus dem weltweiten Abschwung, in: http://www.project-syndicate.org/home/home.asp
3) »A&W« hat darüber in Nr. 11/2001 bereits berichtet: Bruno Rossmann, Trotz weiterer Konjunkturabschwächung Festhalten am »Nulldefizit«.
4) Auf die Darstellung der vielen Detailmaßnahmen wurde daher hier verzichtet.

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