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Rote Karte für Rassisten | Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus im Fußball

Rassismus, Fremdenfeindlichkeit oder Antisemitismus im Fußball: Die Kampagne »Fair Play. Viele Farben. Ein Spiel« zeigt auf, dass diskriminierende Einstellungen und Verhaltensweisen auch im heimischen Fußball ein Problem sind.

Affenartiges Verhalten auf den Zuschauertribünen treibt so manchem Fußballfreund die Schamesröte ins Gesicht. »Die unnötigen Urwaldgeräusche, wenn dunkelhäutige Spieler am Ball sind, stören mich nicht nur, sie gehen mir unter die Haut. Ich geniere mich dann fast, ein Österreicher zu sein«, sagt der FC-Tirol-Kicker Oliver Prudlo.

»Fair Play. Viele Farben. Ein Spiel.«

Spitzensportler sind »Heroes«, ihre Vorbildwirkung kann nicht nur für Verkaufssteigerungen in der Warenwelt genutzt werden. Das wissen auch die Initiatoren der Fußballkampagne »Fair Play. Viele Farben. Ein Spiel«, die 1997 mit Unterstützung der Europäischen Kommission im Rahmen des Europäischen Jahres gegen Rassismus gestartet wurde. Ziel dieses ersten österreichweiten interkulturellen Projekts im Bereich des Sports ist es, so die Trägerorganisation Wiener Institut für Entwicklung und Zusammenarbeit (VIDC), »die Popularität und die integrative Kraft des Fußballs zu nützen, um Rassismus und Diskriminierungen mittels proaktiver Methoden auf allen Ebenen des Sports und der Gesellschaft zu bekämpfen.«

1999 hatte Fair Play in Wien die Gründung des ersten europäischen antirassistischen Fußballnetzwerks »Football Against Racism in Europe« (FARE) initiiert. Mehr als 40 Organisationen (Antirassismus-Initiativen, Fanprojekte, Fanklubs, Spielergewerkschaften und nationale Fußballverbände) aus 14 europäischen Ländern waren an der Gründung beteiligt. Mit dem Preisgeld des Charity Award 2001, der dem Netzwerk heuer vom Fußballverband UEFA verliehen wurde, soll - unter anderem - die »Vernetzung« mit einschlägigen Initiativen in Osteuropa verstärkt werden.

Sozial verträgliche Fußbälle

Am breitenwirksamsten sind die Stadionaktionen von Fair Play: Heuer hat sich der SV Ried - nach FC Tirol, Rapid und Austria Wien als vierte max.Bundesliga-Mannschaft - aktiv gegen Rassismus und für Integration im eigenen Stadion eingesetzt. Beim Heimspiel gegen SW Bregenz am 29. September, unter dem Motto »SV Ried zeigt dem Rassismus die Rote Karte«, präsentierten die Spieler Fair-Play-Transparente und kickten »sozial verträgliche« Fußbälle in die Tribünen. (Die Fußbälle aus fairem Handel, die ohne Kinderarbeit in Pakistan hergestellt werden, sind in den rund 70 österreichischen Weltläden erhältlich. Der Mehrpreis von einem US-Dollar wird für die Verbesserung der Löhne und der Arbeitsbedingungen verwendet.)

Bei der Stadionaktion mit dabei: die Fanclubs Supras Ried, SV Ried, Puch Dogs und Schwarz Grün, die schon zu Saisonbeginn nach rassistischen Beschimpfungen gegen den zimbabwischen Spieler Norman Mapeza aktiv geworden waren.

Fair pay - Fair Play

Fußbälle aus fairem Handel

Rund 80 Prozent der Weltproduktion an Fußbällen kommt aus Sialkot in Pakistan.

Fußbälle sind im Wesentlichen ein industriell gefertigtes Produkt, zusammengenäht wird es aber in zeitaufwändiger Handarbeit. Dieser Bestandteil des Fertigungsprozesses wird an Subunternehmen in Billiglohnländer weitergegeben.

In jüngster Zeit hat sich die internationale Kritik an den Arbeitsbedingungen im Fußball verschärft. Vor allem Adidas, Reebok und Nike gerieten unter Beschuss, denn auch Kinder arbeiten mit, wenn in Sialkot Fußbälle hergestellt werden. Rund 7000 Kinder sind derzeit in den lokalen Nähwerkstätten beschäftigt.

Die österreichische EZA Dritte Welt GesmbH importiert fair gehandelte Fußbälle aus Pakistan. Die Arbeitskräfte erhalten höhere Löhne und Sozialleistungen. Finanziert werden diese durch den Mehrpreis von einem US-Dollar, den die EZA Dritte Welt pro Ball bezahlt. Erhältlich sind die fair gehandelten »Laberln« in den 70 österreichischen »Weltläden« oder im Wiener Institut für Entwicklung und Zusammenarbeit VIDC: Weyrgasse 5, 1030 Wien, Tel.: (01) 713 35 94 Dw. 93.

Popkulturelle Bedeutung

Für Michael Fanizadeh, Politologe und Fair-Play-Mitarbeiter geht es darum, den Fußball in die Verantwortung zu nehmen. Schon »aufgrund der popkulturellen Bedeutung des Fußballs und der Vorbildwirkung der Spieler. Vorrangig geht es in Österreich leider immer noch darum, dass das Problem Rassismus im Fußball als solches anerkannt wird. Von vielen Verantwortlichen ist immer wieder zu hören, dass es keinen Rassismus im österreichischen Fußball gibt«.

Willy Mernyi, Referatsleiter für Kampagnen, Projekte und Zielgruppen im ÖGB, würde sich wünschen, »dass im Fall rassistischer Laute die Vereine und die Spieler gemeinsam mit den Fans reden. Es sollten nicht nur Plakate aufgepickt werden. Das Thema ›Rassismus‹ müsste Eingang in einen kontinuierlichen Dialog mit den Fanclubs finden, um das Bewusstsein nachhaltig zu ändern«.

Jahrelange Bewusstseinsbildung

Schalke-04-Fan Mernyi verweist auf die jahrelange Arbeit der Bewusstseinsbildung bei »seinem« deutschen Verein und dessen Anhängern. Mittlerweile gibt es bei Schalke 04 eine verlässliche Fanbasis, die sich auf dumme Sprüche im Stadion reaktionsschnelle Reime macht: Kein dumpfes »Zickzack Zigeunerpack« aus den Zuschauerrängen findet so noch unkommentierten Eingang in die mediale Direktübertragung. (Die Antwort in diesem Fall: »Nazipack«.)

Die Kampagne Fair Play ist für Willy Mernyi immerhin ein Schritt, das Thema Rassismus auf dem Spielfeld ins österreichische Bewusstsein zu bringen, der »durchaus Erfolge zeigt«.

Auch Rudolf Novotny, Geschäftsführer des Vereins der Fußballer (VdF) und Vertreter der Spieler bei der Gewerkschaft KMSfB (Kunst, Medien, Sport, freie Berufe), schätzt die »wesentliche Integrationsfunktion des Sportes. Da sind die Aktivitäten von Fair Play sehr positiv und finden generell beim Publikum Verständnis. Sicher gibt es immer wieder einige, die nichts kapieren«.

»Quotenregelung« von Legionären?

Nicht auf einer Linie liegt der Gewerkschafter mit den »Fair Playern« bei der »Quotenregelung« von Legionären im Fußball-Spitzensport. Die Gewerkschaft ist mit dem im Sommer vereinbarten Konsens, so sollen mindestens neun Österreicher auf dem Spielbericht stehen, grundsätzlich zufrieden, zumal gleichzeitig ein - zumindest verbales - Bekenntnis zur Förderung des Nachwuchses abgelegt wurde.

Rudolf Novotny: »Man muss schauen, dass Berufssportler so weit integriert werden, dass sie ihren Job auch ausüben können. Ein Zuviel an Ausländern würde dem Sport nicht gut tun und zu einer ›Hire-and-fire‹-Politik führen.« Die so genannte 9:9-Regelung - eine freiwillige Vereinbarung - sieht jeweils neun In- und Ausländer pro Klub und Match vor. Für den Gewerkschafter Novotny ist diese Vereinbarung generell ein »Kompromiss zwischen wirtschaftlichem Bestand, Qualitätskriterien und unterschiedlichsten Interessenlagen. Schließlich lebt auch der Fußball in gewisser Weise von der Identifizierung der Fans. Wenn der Spielerwechsel zu rasch geht, dann klappt es auch ökonomisch nicht«.

Fair-Play-Mitarbeiter Michael Fanizadeh hält nichts von einer Reglementierung von Österreichern und Ausländern im Profifußball. Zumal in Österreich, als einzigem Land in der Europäischen Union, Spieler aus der EU bei dieser Quotenberechnung als Ausländer gelten.

Inländer: Ausländer

»Dass wir EU-Spieler beschränken, ist sicher nicht in Ordnung«, meint auch Rudolf Novotny. »Allerdings hat der heimische Fußball nicht genug Geld, um die erforderliche Qualität zu kaufen. Da muss man sehr vorsichtig sein. Man musste sich nur die Reaktion des Publikums anhören, als die Wiener Austria mit acht Ausländern gegen den FC Tirol - mit einem ausländischen Spieler - verloren hat.«

Kann der Gewerkschafter einer Reglementierung im Profibereich im Sinne des Arbeitnehmerschutzes einiges abgewinnen, so steht er der Einschränkung im Amateurbereich verständnislos gegenüber. Laut ÖFB-Regelung dürfen (ab 16 Jahren) nur zwei Ausländer pro Team spielen. »Das ist absolut nicht richtig. Dazu ist der Sport in seiner Integrationsfunktion zu wichtig«, ist Novotny überzeugt. »Was ist zum Beispiel, wenn in einem Dorf vier Nichteuropäer wohnen, die im lokalen Verein spielen wollen. Welche zwei kommen dann zum Zug?«

Spieler: Profit

Der (Profi-)Fußball ist nicht nur ein kapitalistisches Unternehmen, das Spieler nach den Kriterien des Profits ankauft. Er hat »in seiner massenmedialen Inszenierung und kulturellen Durchdringung des Alltags auch eine besondere Bedeutung bei der Etablierung von Diskursen und Images« (Michael Fanizadeh). Da gibt es Schönes, wie den Fanclub »Friedhofstribüne« (benannt nach der Stehplatztribüne auf dem Sportclubplatz, mit Blick auf den Dornbacher Friedhof), der mit seinen Aktivitäten nicht nur zum Überleben des Wiener Sportclubs beiträgt. Seit der Gründung Anfang der 90er Jahre stehen die »Freunde der Friedhofstribüne« für Fußball in »einer feierlich-familiären Atmosphäre, in der für Gewalt und Fremdenhass kein Platz ist«.

International wurde auch der Weltfußballverband FIFA aktiv gegen Diskriminierungen auf dem Fußballplatz. Heuer etwa organisierte er anlässlich der Weltmeisterschaft in Argentinien eine Konferenz gegen Rassismus. Anfang Juli waren alle 204 FIFA-Verbände geladen, um Maßnahmen gegen Fremdenfeindlichkeit im Fußball zu beschließen. Auch die UEFA reagierte auf rassistische Bekundungen in europäischen Stadien. (Traurige Berühmtheit erlangte Lazio Rom in der Champions League, als ihre »Fans« schwarze Spieler mit Schmährufen bedachten.) In Betracht gezogen wird nun die Möglichkeit, dass bei einschlägigen Vergehen die Zuschauer ausgeschlossen werden können.

Spiegelbild der Gesellschaft

In Deutschland rücken neonazistische Tendenzen im Fußball immer wieder ins Rampenlicht. Mit einer Ausstellung »Tatort Stadion« hat nun das bundesweite »Fan-Netzwerk Bündnis Aktiver Fußballfans e. V.« (Baff) in Zusammenarbeit mit dem Fan-Netzwerk FARE einen Überblick über rassistische und diskriminierende Vorfälle in deutschen Stadien seit den 80er Jahren geschaffen.

Österreich war in die Schlagzeilen gelangt, als Sturm-Präsident Hannes Kartnig die Niederlage gegen Manchester United mit »Wir haben ja nicht gegen irgendeine Negermannschaft gespielt« kommentierte.

Bella B. Bitugu, Schiedsrichter in Tirol aus Ghana, kennt die Schmähungen aus langer Erfahrung. Kommentare wie »Kannst du nicht laufen?«, »Hast du nicht gelernt, mit Tigern zu laufen?«. Aber auch »Wohlwollendes«, wie »Du bist ein netter Neger«, schmerzt. Bitugu: »Ich komme schon manchmal nach Hause und frage mich, warum ich mir das antue. Aber man darf nicht aufgeben und sollte zeigen, dass Rassismus in keiner Gesellschaft dieser Welt einen Platz hat. Was auf dem Fußballplatz passiert, ist das Spiegelbild der Gesellschaft.«

Service für faire Fans

Die Fair-Play-Servicestelle im Wiener Institut für Entwicklung und Zusammenarbeit (VIDC) bietet Interessenten ein umfassendes Angebot:

Etwa Informationen über die Kampagne »Football against Rassism in Europe« (FARE), in Deutsch und Englisch, das FairPlay-Magazin, »faire« T-Shirts und Fußbälle. Organisiert werden auch Video- und Diskussionsworkshops für Schulen und Jugendzentren oder interkulturelle Workshops für Schiedsrichter.

VIDC:

Weyrgasse 5, 1030 Wien, Tel.: (01) 713 35 94 Dw. 93 E-Mail: fairplay@vidc.org Internetverbindung: www.vidc.org/fairplay

Der Internet-Link zur Kampagne »Football against Rassism in Europe« FARE: www.farenet.org

Bei beiden Internetadressen gibt es weiterführende interessante Links.

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