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Der Informationstechnologe: Berufsbild unbekannt

Die Studien überboten einander: Bis zu 13.000 IT-Fachkräfte werden im Jahr 2003 in Österreich fehlen, warnte das Wirtschaftsforschungsinstitut, Wifo. Von gar 85.000 sprach die International Data Corporation, IDC. Das Fachmagazin e-media kolportierte 12.000 offene Stellen, die mangels qualifizierten Personals unbesetzt bleiben müssten. Derzeit ist von starken Rückgängen in der Branche die Rede. Aber das Problem beginnt nicht bei den Zahlen, sondern den Begriffen: Was ist eigentlich eine IT-Fachkraft?

Dem lautstarken Ruf der Wirtschaft nach »IT«- beziehungsweise »IKT«-Fachkräften hat Frau Diplomingenieur Edeltraud Hanappi-Egger genauer nachgespürt. Mit ihren Studierenden an der Wiener Technischen Universität hat die Professorin für Informatik die Stellenausschreibungen der Rubrik »Informationstechnologie« oder auch »Informations- und Kommunikationstechnologie« unter die Lupe genommen. Da tauchen viele »Qualifikationsschlagworte« auf, häufig fehlen differenzierte Ausschreibungsprofile. Das dämpft das Interesse - besonders bei Frauen. »Viele glauben, es wird eine Art Wunderwuzzi gesucht«, meint Hanappi-Egger, »dabei wären oft die Fähigkeiten - mit ein bisschen Nachschulung vielleicht - ohnehin vorhanden.«

Silicon-Alps- Qualifizierungsoffensive

Soll nicht heißen, dass es sie nicht gäbe: die IT-Branche, mit ihren Booms und Flauten. Derzeit ist eher die Flaute der Fall. Von »absoluter Entkrampfung« in der einschlägigen »Fachkräfteknappheit« sprechen Arbeitsmarktexperten. Firmen wie Alcatel, Hewlett Packard, Infineon oder Kapsch planen, hoch qualifizierte Mitarbeiter »abzubauen«. Von Kapsch etwa wurden 250 im AMS-Frühwarnsystem vorangemeldet. Die Belegschaft fürchtet bis zu 450 Kündigungen.

Eine »gewisse Menge an Freisetzungen« beobachtet auch Susanne Rauscher, Pressesprecherin des AMS. IT-Fachkräfte kämen zwar immer noch »woanders unter. Die starke Nachfrage wie früher gibt es aber nicht mehr«.

Zweifel an den Prognosen über drohenden Fachkräftemangel gab es bereits während des heimischen »IT-Booms« zu Jahresbeginn. Von den 132 IT-Fachkräften etwa, die unter der Bezeichnung »Silicon-Alps-Qualifizierungsoffensive« vom AMS in Kärnten ausgebildet worden waren, fand ein Drittel keinen Arbeitsplatz. Gegenüber der Presseagentur APA äußerte der Kärntner AK-Präsident Josef Quantschnig damals den Verdacht, »dass die Wirtschaft weit überhöhte Prognosen abgibt, um auf diese Weise billigere Fachkräfte aus dem Ausland zu holen. Die Betriebe sollten«, riet Quantschnig, »zudem nicht generell von Computerfachkräften sprechen, sondern die Qualifikationsanforderungen genauer definieren.«

AK und IT

Gratis kann in der AK-Bibliothek in Wien im Internet gesucht und elektronische Post verschickt und empfangen werden.

* AK-Bibliothek, 1040 Wien, Prinz-Eugen-Straße 20-22, Mo-Fr 13 bis 19.30 Uhr, Sa 9 bis 12 Uhr

Seriöse Bedarfsanalyse

Eine seriöse Bedarfsanalyse forderte damals (im Mai) auch GPA-Vorsitzender Hans Sallmutter. Als temporäre Überbrückung sei für die GPA eine Ausweitung der Zuwandererquote vorstellbar. Vorrangig sind es jedoch Initiativen bei der Aus- und Weiterbildung. »Zumindest mit einem Schmunzeln« nimmt auch die Informatikerin Hanappi-Egger die Stellenangebote wahr. Sie hat den Verdacht, »dass viele Ausschreibungen eher strategisch sind, um der Konkurrenz Dynamik zu signalisieren«.

Vor allem eine Präzisierung der Aufgaben bei Stellenangeboten wünschen sich die Arbeitsmarktexperten. Seriöse Vergleiche, etwa was den europäischen Arbeitsmarkt betrifft, sind ohne genaue Berufsbilder nicht möglich. Derzeit sind internationale Informatikverbände und auch die Österreichische Computergesellschaft, ÖCG, mit Definitionen von »IT-Arbeitern« beschäftigt, die einem allgemeinen Vergleich standhalten können.

Generell sind Tätigkeiten im Bereich der »IT«- oder »IKT«-Branche in der Entwicklung von Software, Kommunikationssystemen und Medieninformatik anzusiedeln. »Aber die Vorstellungen, was etwa genau ein Netzwerkspezialist oder ein Datenbankexperte können muss, sind völlig unterschiedlich«, weiß Hanappi-Egger.

Sie ist nicht nur eine der sechs Professorinnen - gegenüber 281 Professoren an der Technischen Universität. Als Leiterin des »Arbeitskreises IT für Frauen« nutzt sie die - trotz aller Schwankungen - dennoch günstige Nachfragesituation auf dem IT-Arbeitsmarkt, um die indirekten Zugangsbarrieren für Frauen zu orten und durch Netzwerke interessierter Frauen abzubauen.

Interessante Adressen im Bereich Informations- technologie für Menschen allgemein:

Die Informations-, Beratungs- und Anmeldezentren des Berufsförderungsinstituts (bfi).

* IBA-Zentrum 1090 Wien, Kinderspitalgasse 5; Tel.: (01) 404 35-121
* IBA-Zentrum 1120 Wien, Schönbrunner Straße 213/3. OG; Tel.: (01) 810 26 62-300

Adressen zu den einzelnen Landesstellen: www.bfi-wien.or.at

Einen übersichtlichen Leitfaden im Ausbildungsdschungel der IT-Branche hat die Österreichische Computergesellschaft geschaffen. Natürlich im internet: www.it4u.ocg.at. Beantwortet werden hier auch die vielen Vokabel aus dem »Fachdinglish«.

»TechnikerInnen«?

Ihr fehlt nicht nur »ein differenziertes Ausschreibungsprofil auf dem Stellenmarkt. Die Darstellung der Berufsbilder ist immer noch nicht geschlechtsneutral. So ist immer noch von der Telefonistin und dem EDV-Spezialisten die Rede. »Vielfach wird heute als >IT< bezeichnet, was früher >klassisch< benannt wurde: etwa die Sekretärin, die früher auch die EDV im Betrieb beaufsichtigt hat.« So manche Wiedereinsteigerin würde sich nicht auf eine Anzeige »EDV-Spezialist gesucht« melden, selbst wenn sie die eigentlich gesuchten Kenntnisse hat.

An den vielen indirekten Barrieren für Frauen in technischen Berufen hat sich in den letzten zehn Jahren nichts geändert, ist die Informatikprofessorin überzeugt. Daran kann auch der aktuelle Medienhit, Frauen und Technik als kompatible Phänomene darzustellen, wenig ändern. Zumindest nicht, solange die Wirklichkeit anders aussieht. Etwa das Angebot dreimonatiger Intensivmodule für Datenbankspezialisten: im Sommer, wenn Kinder Schulferien haben. Besonders für Wiedereinsteigerinnen sind die teuren Kurse auch eine finanzielle Frage, weiß Hanappi-Egger.

Wichtige Adressen für Frauen und Mädchen in IT-Berufen

* Sprungbrett

1150 Wien, Pilgerimgasse 22-24/1; Tel.: (01) 789 45 45

URL: www.sprungbrett.at
Unterstützt von den ÖGB-Frauen werden Info-Tage in höheren Schulen veranstaltet. Unter dem Motto »FIT« - Frauen in die Technik - lernen Mädchen Institute der Technischen Universität kennen und besuchen Seminare zur eigenen Karriereplanung.

* Techno Media Center

1060 Wien, Gumpendorfer Straße 83; Tel.: (01) 595 21 55

E-Mail: team@tmc.abzwien.at

Ein Projekt der Non-Profit-Organisation ABZ in Wien (Arbeit, Bildung und Zukunft für Frauen). Alles von Basisausbildung in der Netzwerkinstallation und -verwaltung, Datenbankaufbau und -management, Nutzung von Internet und Basteln eigener Homepages. Erwerbslose Frauen sind dabei für ein Jahr beim ABZ Wien angestellt.

* Waff (Wiener ArbeitnehmerInnen Förderungsfonds)

1020 Wien, Nordbahnstraße 36; Tel: (01)212 30 40

E-Mail: waff@waff.at

* AMS (Arbeitsmarktservice) Wien

AMS Jugendliche 1070 Wien, Herrengasse 36; Tel.: (01) 526 57 52;

E-Mail: ams.jugendliche@907.ams.or.at

Interessante Ausbildungen für junge Frauen zwischen 15 und 21 Jahren im EDV- und IT-Bereich. Bei den Kursmodulen »Girls Go Technics!« und »Girls@work!« können arbeit- oder lehrstellensuchende Mädchen Basiswissen und praktische Berufserfahrung bei IT-Unternehmen erwerben. Spezialwissen kann im Anschluss an die Grundausbildung vertieft werden.

* ega-Frauenkommunikationszentrum

1060 Wien, Windmühlgasse 26; Tel.: (01) 589 80-0

Zahlreiche Kurse rund um IT und EDV, zudem auch Trainingsangebote wichtiger Fähigkeiten, wie Selbstmanagement oder Stressbewältigung.

Dinglish

Abschreckend ist auch die Sprache, ein »Dinglish«, wie es die in Deutschland lebende amerikanische Komikerin Gayle Tufts bezeichnet: Einfache Sachverhalte werden durch englisch klingende Wortschnipsel verkompliziert. Warum auch »Software zum Mieten« sagen, wenn es »Application Providing Service« gibt. Warum »Marktstrategin für Internetwerbung«, wenn man bei »active agent« wenigstens nicht weiß, worum es geht? Die Wortklauberei hat durchaus auch psychologischen Effekt. So wird das Kürzel »IT« oft mit Hektik, Workaholismus und Ellbogentechnik verbunden. »Auch mit Unkommunikativ-vor-einem-Kastl-Sitzen«, sagt die Informatikerin Hanappi-Egger, »und das kommt besonders bei Frauen, die anders sozialisiert wurden, nicht gut an.«

In einer Faktensammlung zum Problem »Fachkräftemangel im IT-Bereich«, die der ÖGB-Bildungssekretär Alexander Prischl bereits zur Jahreswende erstellte, kommt er zum Schluss, dass »die aus dem derzeitigen Bildungssystem kommenden Fachkräfte nicht ausreichen werden. Die Anforderungen an das System gehen über Maßnahmen zur Steigerung der Absolventenzahl hinaus.« Die nachhaltige Sicherung des Qualifikationsniveaus, sprich Weiterbildung, sei unbedingt nötig.

Auch Franz Friehs, Experte der Abteilung für Sozialpolitik des ÖGB, verweist auf die Notwendigkeit der Weiterbildung. Friehs: »Nicht allein im Bereich der Informationstechnologie. Wobei gesagt werden sollte, dass etwa im Rahmen des seit 1999 laufenden >Telesoft-Programms< des AMS bislang rund 3500 entsprechend vorgebildete Arbeitslose nach den Anforderungen einschlägiger Computerfirmen ausgebildet werden.« Weiterbildung, das ist klar, muss gefördert werden.

»Dem steht die Politik der Bundesregierung entgegen«, meint Franz Friehs. »Die Mittelabschöpfung1) beim AMS und die Sparmaßnahmen in der Bildungspolitik sind kontraproduktiv.« Kontraproduktiv, so Friehs, sei auch das Kindergeld, weil es den erwünschten Ausstieg bei der Erwerbsbeteiligung bremst.

Auch Spezialisten haben's schwer ...

Alexander Prischl, Sekretär für Berufsbildung im ÖGB, nimmt Stellung.

A&W: Wie schätzen Sie die Lage im IT-Arbeitsmarktsektor nach dem »großen Boom« ein?

Alexander Prischl: Die Lage hat sich ein wenig geändert, teils durch die so genannte »IT-Offensive«, teils weil es ein Ruf nach Fachkräften war, deren Qualifikation niemand genau benennen konnte oder wollte. Bei diesen schwammigen Begriffen war es schwierig, den Bedarf genau zu benennen.

Der Einbruch, der teilweise bei einzelnen Bereichen der neuen Technologien stattfindet, zeigt, dass es eher um Bildung an sich geht. Etwa wie im Bereich anderer Techniken, die ein breites Spektrum abdecken und nicht nur auf Spezialkenntnisse abzielen. Es geht um eine breite Basisausbildung, damit Menschen sich im Fall von Krisen auf dem Arbeitsmarkt bewegen können. Ein falscher Schluss wäre allerdings, die »IT« als solche insgesamt abzuschreiben.

War der lautstarke Ruf der Wirtschaft nach mehr »IT«-Fachkräften gerechtfertigt?

Diese gesamte Frage, »was sind eigentlich IT-Fachkräfte?« ist besonders bei Spezialisten ein Problem, die jetzt keine Arbeit finden. Wir vom ÖGB sind weiterhin für die Ausbildung in neuen Technologien auf breiter Basis. Die Ausbildung in Informationstechnologie soll keine ausschließlichen »Fachspezialisten« heranbilden. Da hat uns ja die Wirtschaftslage schon eines Besseren belehrt: Etwa bei Netzwerktechnikern, wo der Höhenflug innerhalb eines Jahres beendet war. Das zeigt uns, dass ein Bildungssystem, das immer nur langsamer reagieren kann als der Markt, gar nicht in der Lage ist, zeitgerecht nur Fachspezialisten auszubilden.

1) Mittel aus der Geschäftsgebarung des AMS werden für das Bundesbudget verwendet.

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