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Beschäftigungsquoten von Frauen und Männern, 1999
Geburtenraten im EU-Vergleich

Frauen auf dem Arbeitsmarkt | Die Frauenbeschäftigung und allgemeine Beschäftigungsstrategien im europäischen Vergleich

FRAUEN

Beschäftigung geriet in den letzten Jahren ins Zentrum der politischen Diskussion in der Europäischen Union. Dabei wurde man auch auf die Situation der Frauen aufmerksam: Die allgemeine Beschäftigungsentwicklung ist nämlich untrennbar mit der speziellen Situation von Frauen verbunden.

In den 90er Jahren wurden - nach einer Phase des Glaubens an die »Selbstheilungskräfte des Marktes« - die Arbeitslosigkeit und die Beschäftigung zu zentralen politischen Themen in der EU. Während Mitte der 90er Jahre die Arbeitslosigkeit noch bei über 11 Prozent lag, so ist sie am Beginn dieses Jahrhunderts auf unter 9 Prozent gesunken. Die Beschäftigung ist in den letzten Jahren deutlich gestiegen und betrug im Jahr 2000 63,5 Prozent.

Allerdings sind sowohl Arbeitslosigkeit als auch Beschäftigung zwischen den Geschlechtern sehr ungleich verteilt. So haben 72,2 Prozent der Männer, aber nur 53,5 Prozent der Frauen im erwerbsfähigen Alter einen Arbeitsplatz, Frauen sind häufiger von Arbeitslosigkeit betroffen. Es bestehen nach wie vor große Einkommensunterschiede zwischen den Geschlechtern und ein eigenständiges Erwerbseinkommen ist bei einer Kombination aus Teilzeitbeschäftigung - die häufig zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie gewählt wird - und niedriger Entlohnung meist nur schwer zu verwirklichen.

Zur Verbesserung der Arbeitsmarktlage hat die Europäische Union bereits beim Gipfel von Lissabon als Ziel formuliert, »die Union zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt zu machen - einem Wirtschaftsraum, der fähig ist, ein dauerhaftes Wirtschaftswachstum mit mehr und besseren Arbeitsplätzen und einem größeren sozialen Zusammenhalt zu erzielen.«1) In diesem Zusammenhang soll die Beschäftigung bis 2010 auf 70 Prozent insgesamt und auf 60 Prozent bei den Frauen angehoben werden.

Die Anhebung der Beschäftigungsquote für Frauen, d. h. eine verstärkte Teilnahme von Frauen am Arbeitsmarkt, wird auch von der EU-Kommission immer wieder gefordert. Dabei stehen allerdings weniger emanzipatorische Überlegungen im Vordergrund, sondern primär die Tatsache, dass bei rückläufigen Geburtenraten und sinkender Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter die langfristige Tragfähigkeit der Sozialschutzsysteme gefährdet wäre.

Der Europäische Rat in Stockholm hat sich nun im März dieses Jahres ein weiteres, Lissabon noch verstärkendes Ziel gesetzt: Die Beschäftigungsquote der Frauen soll bis 2005 von derzeit 53,5 Prozent auf über 57 Prozent steigen, im Jahre 2010 sollen es dann mindestens 60 Prozent der Frauen sein, die einen Job haben.

Bleibt die Frage offen, ob dies so leicht möglich sein wird. Die Beschäftigungsintensität des Wachstums in der EU war schon in den 90er Jahren - insbesondere im Vergleich zu den USA - relativ gering. Ein BIP-Wachstum über 3 Prozent wäre für ein Beschäftigungswachstum von 1,2 Prozent notwendig. Mittlerweile hat sich allerdings auch in der EU-Kommission die Einsicht durchgesetzt, dass es wohl derzeit eine leichte Eintrübung am Konjunkturhimmel gibt - ein durchschnittliches jährliches 3-Prozent-Wachstum bis 2010 wird ohne entsprechende konjunkturpolitische Maßnahmen kaum erreichbar sein.

Bei den Beschäftigungsprognosen geht die Kommission davon aus, dass sich der anhaltende Anstieg der Erwerbstätigkeit von Frauen im Alter von 25 bis 54 und 55 bis 64 Jahren fortsetzt.2) Die Kommission sieht auch in der geringeren Erwerbsbeteiligung Älterer, Jugendlicher und von Frauen einen Nachteil gegenüber den USA, wo überdies die Beschäftigung im Dienstleistungssektor weit höher liegt.3)

Beschäftssituation im EU-Vergleich

In der Rezessionsphase von 1990 bis 1994 sank die Zahl der beschäftigten Männer, jene der Frauen blieb weitgehend unverändert. In der Zeit der wirtschaftlichen Erholung von 1994 bis 1999 entfielen hingegen fast zwei Drittel der neu geschaffenen Arbeitsplätze auf Frauen.4)

Die Gesamtbeschäftigung ist in jenen Ländern am höchsten, in denen auch die Frauenbeschäftigung sehr hoch ist - was der Legende von der Verdrängung von Männern durch Frauen auf dem Arbeitsmarkt sehr deutlich widerspricht.

Dies zeigt sich auch an den Unterschieden in den Beschäftigungsquoten von Frauen und Männern in den einzelnen Mitgliedstaaten (siehe Grafik 1: »Beschäftigungsquoten«). Während in Ländern wie Schweden und Finnland die Beschäftigungsquoten von Frauen und Männern nur um zirka 5 Prozentpunkte voneinander abweichen, sind Spanien und Großbritannien mit zirka 30 Prozentpunkten Differenz Spitzenreiter. EU-weit liegt diese Differenz durchschnittlich bei 19 Prozentpunkten.

Beschäftigungssituation von Frauen mit Kindern

Große Unterschiede gibt es bei der Erwerbsbeteiligung von Frauen mit Kindern. Die Tatsache, dass Kinder in einem Haushalt vorhanden sind, hat gegenteilige Auswirkungen auf Frauen und Männer. Während die Erwerbsbeteiligung von Männern steigt, sinkt jene der Frauen. 1997 hatten 90,8 Prozent der Männer zwischen 20 und 50 Jahren mit Kindern einen Arbeitsplatz, während der Vergleichswert bei Männern ohne Kinder bei 85,3 Prozent liegt. Bei Frauen ist es genau umgekehrt: Im Durchschnitt waren 1998 in den 10 EU-Mitgliedstaaten, für die Daten verfügbar waren, 71,6 Prozent der 20- bis 50-jährigen Frauen ohne Kinder erwerbstätig. Hingegen waren nur 51,6 Prozent der Frauen mit Kindern unter 6 Jahren beschäftigt.

Seit über 20 Jahren sind die Geburtenraten überall in Europa rückläufig. In Dänemark, Luxemburg, den Niederlanden und Finnland ist jedoch die Zahl der Geburten nur ganz wenig gesunken. Spanien und Italien, traditionell eigentlich Länder mit kinderreichen Familien, haben hingegen heute die niedrigsten Geburtenraten! Eine Ausnahme ist Schweden, dort stieg die Rate Anfang der 90er stark an. Ein kontinuierlicher Erwerbsverlauf von Frauen findet sich vor allem in den skandinavischen Ländern, in Dänemark sowie in Frankreich. Demgegenüber sind unterbrochene Erwerbstätigkeiten - d. h. eine niedrigere Erwerbsbeteiligung zwischen 25 und 49 Jahren - vor allem für Großbritannien und Westdeutschland charakteristisch. Diese Beobachtungen legen die Vermutung nahe, dass es in Schweden, Finnland, Dänemark und Frankreich für Mütter leichter ist, Erwerbstätigkeit mit Kinderbetreuung zu kombinieren.

In Spanien, Irland, Belgien und auch in den Niederlanden hingegen steigt die Erwerbstätigkeit der Frauen bis 25 Jahre und fällt dann drastisch ab. Dies entspricht einem typischen Zweiphasen-modell im Erwerbsleben von Frauen: Bis zur Heirat oder bis zur Geburt eines Kindes sind Frauen berufstätig, um dann ganz aus dem Erwerbsleben auszusteigen.

In der momentanen politischen Diskussion werden meist eine hohe Geburtenrate und die Erwerbstätigkeit von Frauen als einander ausschließende Faktoren betrachtet. Dass dies nicht so sein muss bzw. in Ländern wie Schweden oder Finnland vielmehr das Gegenteil der Fall ist (siehe Grafik 2: »Geburtenraten im EU-Vergleich«), zeigt, dass Alternativen sehr wohl möglich und realisierbar sind. Für die Erwerbstätigkeit von Frauen sind Karenzierungsmöglichkeiten wichtig, entscheidender aber ist das Vorhandensein von Kinderbetreuungsmöglichkeiten.

Ein europäisches Phänomen: Anstieg der Teilzeitbeschäftigung

Während die Zahl der Vollzeitarbeitsplätze in der Europäischen Union seit 1992 abnimmt, steigt die Zahl der Teilzeitarbeitsplätze kontinuierlich an: 1985 waren noch 10,8 Prozent der Beschäftigten in Teilzeit tätig, 1999 bereits 17,7 Prozent.5) Teilzeitarbeit ist eindeutig frauendominiert: EU-weit arbeiten 1999 33,5 Prozent aller beschäftigten Frauen und nur 6,1 Prozent aller Männer auf Teilzeitbasis.

Teilzeitarbeit hat sicherlich stark zur Integration von Frauen in das Erwerbsleben beigetragen, insbesondere von Müttern im Alter zwischen 20 und 49 Jahren. Allerdings war dies in Ländern wie den Niederlanden oder Großbritannien von stärkerer Bedeutung als z. B. in Portugal, Finnland oder auch Österreich. Diese Länder haben eine im EU-Vergleich höhere Beschäftigungsquote von Frauen, aber eine niedrigere Teilzeitquote als andere Mitgliedstaaten.

Teilzeitarbeit ist jedoch kein einheitliches Konzept: Die europäischen Mitgliedstaaten unterscheiden sich stark hinsichtlich der Formen und Konditionen von Teilzeitarbeit. Es sind allerdings jene von der Vollzeitarbeit abweichenden Bedingungen, die für Teilzeitbeschäftigte problematisch sein können. Dazu gehören oft geringere Sozialleistungen, weniger Karriere- und Qualifikationsmöglichkeiten sowie schlechtere Entlohnung. Während in den skandinavischen Ländern und in den Niederlanden, wo Teilzeitarbeit zu einer normalen Arbeitsform geworden ist und der Arbeitsmarkt stärkeren Regulierungen unterliegt, die Nachteile weniger schlimm ausfallen, werden Teilzeitbeschäftigte in Großbritannien häufiger geringer entlohnt und sozialrechtlich schlechter gestellt als Vollzeitbeschäftigte. Wesentlich für die Beurteilung ist, ob Teilzeitarbeit wirklich den Bedürfnissen von Frauen entspricht bzw. ob sich Frauen freiwillig für diese Arbeitsform entscheiden.

Arbeitslosigkeit

Ähnlich groß wie bei der Beschäftigung sind auch die Unterschiede der Arbeitslosigkeit zwischen Frauen und Männern. Die Arbeitslosigkeit von Frauen in der EU lag im Verlauf der letzten 5 Jahre kontinuierlich zirka drei Prozentpunkte über jener der Männer. Allerdings ist dabei zu bedenken, dass die Arbeitslosigkeit von Frauen aus institutionellen und gesellschaftlichen Gründen systematisch unterschätzt wird: So deklarieren sich Frauen meist nicht als arbeitslos, wenn sie die Verantwortung für die Versorgung eines Haushalts tragen. Auf der anderen Seite sind es die Befragungsmethoden6): Jemand gilt nur dann als arbeitslos, wenn eine sofortige Einsatzbereitschaft der Arbeitskraft vorliegt. Damit fallen Frauen mit Betreuungspflichten aus der Definition.

Die europäische Beschäftigungsstrategie

Welche Maßnahmen setzt nun die EU, um den Problemen von Frauen auf dem Arbeitsmarkt zu begegnen?

Neben EU-weiten rechtlichen Regelungen stellt Chancengleichheit von Frauen und Männern einen der vier Schwerpunkte in der so genannten »europäischen Beschäftigungsstrategie« dar. Dabei sind es insbesondere folgende drei Strategien, die von den Mitgliedstaaten verfolgt werden sollen:

1. Gender-Mainstreaming in der Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik

2. Abbau der geschlechtsspezifischen Unterschiede auf dem Arbeitsmarkt (Arbeitslosigkeit, Erwerbsquoten, Einkommensunterschiede)

3. Bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie.

Damit wird eigentlich alles angesprochen, was gut und wichtig wäre. Die Umsetzung durch die Mitgliedstaaten erfolgt meist nach dem Prinzip, dass jene Maßnahmen, die ohnehin schon geplant waren, nun besonders deutlich hervorgehoben werden.

Damit sind die europäischen Ideen zur Herstellung von Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt zwar ein guter Anfang, allerdings noch längst nicht ausreichend. So gibt es rein formal gesehen in der europäischen Beschäftigungsstrategie viel zu wenig Verbindlichkeit, d. h. keine Sanktionen bei Nichtumsetzung der Leitlinien. Darüber hinaus fehlt es zur Erreichung dieser ambitionierten Ziele an einem wirklich beschäftigungspolitischen Ansatz, der vor allem auch einmal wieder die Nachfrageseite berücksichtigt und Arbeitslosigkeit nicht auf ein reines Strukturproblem reduziert. So sollte zum einen das Entstehen neuer Arbeitsplätze intensiver gefördert werden (wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen, Infrastruktur, Aus- und Weiterbildung), zum anderen geht es darum, die Qualität der Arbeitsplätze stärker in den Vordergrund zu rücken.

Der aktuelle Trend in der Wirtschaftspolitik geht jedoch eher in Richtung restriktive Budgetpolitik und Flexibilisierung der Arbeitsmärkte (Förderung der Teilzeitarbeit) - eine Entwicklung, die Frauen stärker trifft als Männer. Auch das Einsparen bei Infrastrukturinvestitionen wirkt sich besonders auf Frauen aus: So hat z.B. das Fehlen einer adäquaten, staatlich subventionierten Kinderbetreuung einen erheblichen Einfluss auf die Beschäftigungssituation von Frauen.

Wenngleich die Gipfeltreffen der EU - wie zuletzt in Stockholm und vorher in Lissabon - die Forderung nach einer erhöhten Frauenbeschäftigung betonen, so steht dies trotzdem leider nicht im Zentrum der realpolitischen Tagesordnung.

1) Schlussfolgerungen des Vorsitzes, Europäischer Rat von Lissabon, 23. und 24. März 2000. http://ue.eu.int/en/Info/eurocouncil/index.htm

2) Europäische Kommission: Beschäftigungsquotenszenarios für das Jahr 2010 - Überblick, Ad hoc/008/De, Brüssel 2000.

3) Europäische Kommission, Employment in Europe 2000, S. 45.

4) Employment in Europe 2000, S. 29.

5) Employment in Europe 2000, S. 29

6) Gemäß der EU-Arbeitskräfteerhebung (AKE, Labour Force Survey) des EUROSTAT, die auf den Empfehlungen der ILO beruht, sind Arbeitslose als Personen definiert, die
* während der letzten Woche ohne Arbeit waren,
* innerhalb von zwei Wochen zur Arbeitsaufnahme zur Verfügung stehen und
* innerhalb der letzten vier Wochen aktiv eine Arbeit gesucht haben.
Demgegenüber sind Erwerbstätige - auf Basis des so genannten »Labour-Force-Konzepts«, das auch geringfügige Beschäftigung einschließt - Personen, die während der letzten Woche mindestens eine Stunde gearbeitet oder im Familienbetrieb mitgearbeitet haben oder - falls sie nicht gearbeitet haben - nur vorübergehend vom Arbeitsplatz abwesend waren.

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