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Setzen wir gemeinsam ein Zeichen! | Großdemonstration des Österreichischen Gewerkschaftsbundes am 5. Juli in Wien

SCHWERPUNKT

»Setzen wir gemeinsam ein Zeichen! Kämpfen wir für ein sozial gerechtes Österreich«! hatte es in dem Demonstrationsaufruf des ÖGB geheißen und 50.000 waren trotz Urlaubszeit gekommen. Hier ein Überblick für alle, die nicht dabei sein konnten.

Zurück in die Vergangenheit?

An der ÖGB-Demonstration nahm auch ÖGB-Altpräsident Anton Benya teil: »Österreich war über viele Jahrzehnte dank der Sozialpartnerschaft weltweit Vorbild, und die EU baut ihre Zukunft auf dem Modell der Sozialpartnerschaft auf. Die Maßnahmen der Bundesregierung bedeuten einen Rückfall in längst vergangene Zeiten.

Wenn diese Bundesregierung die Zerschlagung der Sozialversicherungen und den Weg in die Zweiklassenmedizin vorbereitet und durch ein geplantes Gesetz AK-Wahlergebnisse und die Entscheidung des Höchstgerichtes ignoriert, dann kann man nicht zu Hause sitzen bleiben«, sagte Anton Benya, der im Oktober seinen 89. Geburtstag feiert. Die Bundesregierung verfolge das Ziel, die Selbstbestimmung der Versicherten auszuschalten - ähnliche Tendenzen habe es schon einmal gegeben, erinnert sich der Doyen der Gewerkschaftsbewegung.

Enteignung der sozialen Rechte?

»Wenn heute Tausende Eisenbahner gemeinsam mit Tausenden anderen Staatsbürgern für die Demokratie eintreten, dann tun wir das in bewusster Verantwortung für ein soziales, demokratisches Österreich«, warnte der Vorsitzende der Eisenbahnergewerkschaft, Wilhelm Haberzettl: »Was die Regierungsparteien im Parlament beschließen lassen, ist keine Reform. Das ist ein Putsch von oben mit der Dampfwalze ihrer Mehrheit, das ist die Umkehrung der Ergebnisse demokratischer Wahlen in den Arbeiterkammern, die nicht ohne Grund als >Parlament der Arbeitnehmer< bezeichnet werden. Zuerst hat man die Bevölkerung mit einer unsozialen Maßnahme nach der anderen gequält, soziale Leistungen gekürzt, Selbstbehalte eingeführt, Steuern und Gebühren erhöht - und jetzt legt man die Axt an den sozialen Unterbau: Die Zerschlagung der Selbstverwaltung soll den Einfluss der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf das Sozialversicherungssystem, das unsere Eltern und Großeltern aufgebaut haben und das wir aus unseren Beiträgen finanzieren, nachhaltig schädigen. Das nehmen wir nicht hin! Österreichs Arbeitnehmer haben nicht Jahrzehnte für die sozialen Rechte gekämpft, damit sie nun von einer blau-schwarzen Chaostruppe wieder enteignet werden.«

Erkämpfte Rechte

»Es ist schön zu sehen, dass so viele gekommen sind, um gemeinsam für die Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu kämpfen«, begrüßte die Leitende Sekretärin des ÖGB, Roswitha Bachner, die Teilnehmer an der vom ÖGB organisierten »Demonstration für Demokratie«. »Auch unsere Vorfahren mussten kämpfen, um ihre Rechte durchzusetzen, diese Rechte werden wir uns von keiner Regierung - egal, welcher Farbe - wegnehmen lassen.«

Kritiker mundtot machen?

»Wir stehen heute hier, weil die Bundesregierung versucht, Kritiker an den Pranger zu stellen und mundtot zu machen, wir stehen hier, weil die Bundesregierung für sie unliebsame Wahlergebnisse nicht ernst nimmt und mit Gesetzen diese Entscheidungen umdrehen will. Menschen aus allen Gruppierungen und allen Fraktionen nehmen heute hier teil«, erklärte ÖGB-Präsident Fritz Verzetnitsch. Man werde nicht zulassen, dass Bevölkerungsgruppen gegeneinander ausgespielt werden: Arbeiter gegen Angestellte, Lehrer, Beamte, Eisenbahner gegen ASVG-Versicherte, Frauen mit Kindern gegen Frauen ohne Kinder. »Wir sind geschlossen und solidarisch und wenden uns gegen eine Politik der Bevormundung, gegen Ambulanzgebühren und die Zerschlagung unseres Sozialsystems.« Diese Bundesregierung, so der ÖGB-Präsident weiter, wolle die Selbstverwaltung auf Aufsichtsräte beschränken. Am liebsten wäre ihr, den Hauptverband zu einer Abteilung des Ministeriums zu machen. »Das ist nicht unsere Politik«, bekräftigte Verzetnitsch. »Wir stehen nicht für die Einführung eines generellen 20-prozentigen Selbstbehaltes und wir stehen auch nicht für eine Zweiklassenmedizin, sondern wir stehen zu einer solidarischen Finanzierung - und das lassen wir uns nicht wegnehmen«, so Verzetnitsch. Die Gewerkschaftsbewegung steht nicht nur für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, sondern auch für alle Österreicherinnen und Österreicher, wenn es um unser Sozialsystem geht. »Auch der Acht-stundentag ist nicht von einem auf den anderen Tag eingeführt worden. Wir sind aber jene Kraft, wenn es um die Verteidigung der sozialen Sicherheit in Österreich geht.«

Sind wir Gartenzwerge?

»Ich stehe hier und rede hier nicht nur als Vertreterin der christlichen Fraktion, sondern als Vertreterin des überparteilichen Gewerkschaftsbundes, dessen Funktionäre sich den Arbeitnehmern dieses Staates verpflichtet fühlen. Parteiinteressen sind für uns und müssen für uns zweitrangig sein«, stellte die Vorsitzende Stellvertreterin der Bundesfraktion Christlicher Gewerkschafter, Christine Gubitzer, bei der ÖGB-Kundgebung klar. Sie betonte, dass »im Parlament keine Gesetze beschlossen werden dürfen, die vor allem dazu dienen, Machtverhältnisse per Gesetz zu verordnen, statt Wahlergebnisse zu respektieren.« Und weiter: »Parteizugehörigkeit und Regierungsmacht darf nicht dazu missbraucht werden, tragende Säulen der Demokratie wie etwa das freie Wahlrecht, die freie Rede, die freie Mandatsausübung, das Recht auf Versammlung und Protest in Frage zu stellen.« In Sonntagsreden würden Begriffe wie Bürgernähe und Mündigkeit des Bürgers als Leitsätze politischen Handelns hervorgehoben. Gubitzer: »Wo aber bleibt der Wunsch nach Bürgernähe, wenn Bürger dieses Staates verunglimpft werden, weil sie sich das Recht herausnehmen, ihren Unmut in lautstarken Protestkundgebungen Luft machen? Wo aber bleibt die Anerkennung der Mündigkeit und Eigenständigkeit der Bürger dieses Staates, wenn man mehreren Millionen Arbeitnehmern das Recht nimmt, selbst ihre Sozialversicherung zu verwalten?«

Besonders hart ging Gubitzer mit Bundeskanzler Schüssel und ÖVP-Klubobmann Khol wegen der »Abkanzelung« des niederösterreichischen AK-Vizepräsidenten Alfred Dirnberger ins Gericht. Gubitzer: »Ob als AK-Mitglied oder als Gewerkschafter der ÖAAB-FCG-Fraktion, wir alle sind schockiert über die öffentliche Verhöhnung des engagierten Funktionärs Alfred Dirnberger durch Bundeskanzler Schüssel und ÖVP-Klubobmann Khol. Offenbar fehlen selbst dem Bundeskanzler und dem ÖVP-Klubobmann Sachargumente und so versuchen sie Kritiker mit persönlichen Beleidigungen zum Schweigen zu bringen.« Gubitzer weiter: »Getroffen hat man mit den Äußerungen aber alle Arbeitnehmer Österreichs, die scheinbar für die Machthaber dieses Staates nur Gartenzwerge sind, die man nicht weiter beachten muss. Kritiker werden in letzter Zeit sehr schnell mit untergriffigen, erniedrigenden Kraftausdrücken mundtot gemacht.« Die Christgewerschafterin: »In einer Monarchie geht das Recht vom Herrscher aus, in der Demokratie geht das Recht vom Volk aus. Österreich ist eine Demokratie.«

Nicht neu, sondern schlecht

»Wir wollen keinen Thatcherismus und ich will keinen >Schüsselismus<«, rief die Zentralbetriebsrätin der Erdiözese Wien, Christa Ellbogen, den Demonstranten auf dem Ballhausplatz zu. »Demokratiepolitisch äußerst gefährlich und ungeheuerlich«, bezeichnete Ellbogen, »was sich seit Monaten abspielt.« Daher sei sie auch stolz darauf, dass der ÖGB die interfraktionelle Demonstration organisiert habe. Ellbogen bekannte sich dazu, dass Österreich neu regiert werde, aber: »Wir werden nicht neu, sondern wir werden schlecht regiert. Daher müssen wir auch die Strategie der Regierung unterlaufen.«

Was mit Hans Sallmutter seitens der Regierung in den vergangenen Monaten aufgeführt wurde, sei für sie als Christin »menschlich unter jeder Kritik«. Ellbogen weiter: »Für mich ist in der Seele unerträglich, dass ein Teil dieser Regierung sich auf die christliche Tradition beruft.« Abschließend rief sie den Demonstranten zu: »Wir wollen keinen Thatcherismus!«

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(C) AK und ÖGB

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