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Nachrichten aus der Toskana | Die Eliten und der Neoliberalismus

Von der Caritas angefangen über die Sozialdemokraten, den linken Flügel der ÖVP, die Grünen bis hin zu den rabiateren Kritikern unserer Gesellschaft klagen wir allesamt über den »Neoliberalismus« und seine Grausamkeit; wir klagen seit vielen Jahren, und es hilft nichts: Die Hunde bellen, doch die Karawane zieht weiter; darunter gibt es dicke, große Hunde wie Pierre Bourdieu und Richard Sennett und Köter wie mich. Diese Unaufhaltsamkeit scheint erklärungsbedürftig; auf den folgenden wenigen Seiten soll ein Versuch in diese Richtung unternommen werden, der aus Platzgründen ein wenig skizzenhaft bleiben muss.1)

1. Der Neoliberalismus - ein Siegeszug

Die moderne Arbeitswelt ist einer Reihe von Entwicklungen unterworfen, die einander ergänzen oder verstärken: der Internationalisierung, der Verschärfung des Wettbewerbs, der Auflösung des Normalarbeitsverhältnisses, der Verdrängung von stabilen Beziehungen durch flüchtige, vertraglich reglementierte Austauschbeziehungen, einem bis ins unerträgliche angeheizten Wettbewerb um Spitzenpositionen und um die verbliebenen sicheren und gut bezahlten Arbeitsplätze. Im Gefolge kam es einerseits zur Totalisierung der Arbeitswelt, zur Unterordnung jeglichen menschlichen Bemühens und jeglicher menschlicher Erfahrung unter die Imperative der Rentabilität und des Wirtschaftswachstums, andererseits zu jener Spaltung der Gesellschaft, über die so viel geklagt und gegen die so wenig unternommen wird. Das Gesamtphänomen firmiert in der öffentlichen Diskussion unter der Rubrik »gesellschaftliche Spaltung« und »Neoliberalismus«. Der entscheidende Irrtum dieser Diskussion liegt in der Unterstellung, »Neoliberalismus« hätte zu einer weltbeherrschenden Ideologie werden können, ohne sich dabei auf mehr zu stützen als auf die Überzeugungskraft der Argumente des »Wall Street Journal« oder einiger durchgeknallter Ökonomieprofessoren. Was hinzukommt, sind die Interessen der Eliten, die besonders wirksam sind, weil sie kunstvoll verschleiert werden - durch politische Korrektheit oder durch eine Philanthropie, die in den USA nur wiederum jenen Kliniken zugute kommt, in denen sich die Spender behandeln lassen, nur jenen Eliteuniversitäten, die ihre Kinder besuchen, usw.

Eben jene Entwicklungen, die die Arbeitswelt bis zur Unkenntlichkeit verändert haben, lagen auch dem Machtverlust der Arbeitnehmerseite zugrunde. Die Arbeiterbewegung bewahrte den Kapitalismus durch die ihm aufgezwungene Regulierung vor seiner eigenen Narretei. Mit der Internationalisierung und angesichts der sich von jenen der entwickelten Gesellschaften drastisch unterscheidenden Interessenlagen der im Aufholen begriffenen Volkswirtschaften wird es immer schwieriger, im einzelstaatlichen Kontext eine die kapitalistischen Exzesse zügelnde Politik zu betreiben. Damit wird es auch immer schwieriger, den sich vertiefenden Spaltungen der Arbeitsgesellschaft entgegenzuwirken: Es bedürfte dazu einer gewaltigen Anstrengung, die unterbleiben wird, solange die Prioritäten der Eliten die Politik dominieren und solange deren Angehörige sich ihrer Verantwortung gegenüber dem Gemeinwesen entledigen können, indem sie die in fortschrittlichen Kreisen erwarteten Gesten produzieren und indem sie »Betroffenheit« zeigen, wo es angebracht erscheint.

Der bitter notwendige Widerstand unterbleibt für Leute, die sich in die Enklaven der Wohlhabenden zurückgezogen haben und zur Beruhigung des Gewissens die Grünen (oder auch die Sozialdemokraten) wählen. Es hat wenig Sinn, hier auf die Ebene individueller Schuldzuschreibungen zu gehen - worauf es ankommt, das sind die Konsequenzen der geschilderten Situation, die unvermeidlich erscheinende Spaltung. Mit der Gesellschaft als Ganzes spalten sich auch die Wählerschaften der einzelnen politischen Parteien - die Sozialisten waren die Partei des Fortschritts zu einer Zeit, als für die Arbeiter der Fortschritt noch sehr bescheiden aussah. Man konnte damals eine fortschrittliche Politik für die werktätigen Massen machen, für Menschen in ziemlich ähnlichen Lebenslagen, die durch weitgehend deckungsgleiche Interessen verbunden waren. Das geht heute nicht mehr; an die Stelle der Loyalitäten von einst ist heute ein Verteilungsgemetzel getreten, dessen einfachster gemeinsamer Nenner darin besteht, »dass sich niemand etwas wegnehmen lassen möchte« und dass niemand genau weiß, wer als Verbündeter zu zählen hat und wer als Feind. Dabei kommt es zu einer Entideologisierung, die die Vision einer gleicheren und gerechteren Gesellschaft für medizinisch auffällig erklärt.

2. Politik und Arbeitswelt

Egal, ob sie visionär oder popularitätsheischend einherkommt, ist die Politik immer noch durch die Interessen der Wähler bestimmt, die wiederum durch die moderne Arbeitswelt strukturiert sind, wie sie es einst durch die Industrialisierung waren; dies zeigt sich nirgends deutlicher als in den Machtverschiebungen zwischen den einzelnen gesellschaftlichen Gruppen. Der mit der Bewegung von stabilen Statusverhältnissen zu flüchtigen vertraglichen Beziehungen verknüpfte Demokratisierungsschub hat dafür gesorgt, dass sich die relative Position großer und früher massiver als heute benachteiligter Gruppen verbessert hat, wie z. B. jene der Frauen. Gleichzeitig wurden die Einkommens- und Machtunterschiede zwischen den Mitgliedern dieser Gruppen immer größer. Es kam zu Polarisierungseffekten: Auf jeden schwarzen Amerikaner, der den Aufstieg in die Mittelschicht geschafft hatte, kamen zehn junge Afroamerikaner, die es nur bis zum Kleinkriminellen bringen konnten. Diese Polarisierung war zu erwarten gewesen angesichts der Tatsache, dass die Vertretung der Interessen der Verlierer der Konkurrenzgesellschaft von niemandem ernsthaft betrieben wird.

Mit Robert Reich können wir in der modernen Arbeitswelt drei verschiedene Typen von Beschäftigten unterscheiden: die Routineproduzenten, die persönlichen Dienstleister und die Symbolanalytiker. Letztere leben von der Kommunikation und von der Manipulation von Symbolen. Sie sind mit jenen Aktivitäten befasst, die in der globalisierten Weltwirtschaft eigentlich wertschöpfend sind. Routineproduzenten stehen in Konkurrenz mit all jenen, die dasselbe können wie sie, doch wesentlich niedrigere Löhne erhalten; die persönlichen Dienstleister sind die Vasallen der »symbolic analysts«, die sich solche nur leisten können, weil sie selbst entsprechend mehr verdienen. Zum symbolic analyst wird man, wenn man den richtigen familiären Hintergrund hat und die richtigen Schulen besucht und sich dann mit Finanzmanagement, internationalem Privatrecht, Gentechnologie etc. befasst.

Diese Spaltung wird in zunehmendem Ausmaß unabhängig von den klassischen Mechanismen der Diskriminierung. Die moderne Firma ist »aufgeschlossen« - sie nimmt Frauen und Afroamerikaner auf, solange diese tüchtig sind und solange daher an ihnen verdient werden kann.

Die gesellschaftlichen Spaltungen, die den »Aufgeklärten« so viel Kopfzerbrechen zu bereiten scheinen, sind Spaltungen zwischen den symbolmanipulierenden Eliten und den »Modernisierungsverlierern«, den Dienstleistern und den Routineproduzenten; es entsteht so die vordergründig widersprüchliche Situation, bei der jene, die über eine gesellschaftliche Entwicklung klagen, von dieser auch am meisten profitieren. Die Symbolanalytiker verfügen über gut bezahlte Arbeit; sind sie gleichzeitig »Insider«, Angehörige der Kernbelegschaften, dann sind ihre Arbeitsplätze auch sicher. Den Insidern gegenüber stehen die Outsider, die sich mit den Bröseln begnügen müssen, die vom reich gedeckten Tisch der Wohlstandsgesellschaft abfallen. Ihre Arbeitsplätze spiegeln jene der Insider - sie sind mit schlechter Entlohnung, niedrigem Prestige und anstrengender Arbeit verknüpft; die Outsider sind überproportional häufig von Arbeitslosigkeit betroffen. In den zwischen den Insidern und den anderen Arbeitskräften stattfindenden Verteilungskämpfen ziehen die Arbeitslosen und die Outsider in mehrfacher Hinsicht den kürzeren:

1. Sie dienen als Sündenböcke in den moralischen Lehrstücken, durch die eine Gesellschaft ihre zentralen Werte behauptet.

2. Sie werden in Berufsrollen gedrängt (Putzfrau, Masseur etc.), in denen sie sich den Insidern nützlich machen können.

3. Sie besetzen jene Arbeitsplätze, die die Angehörigen der Eliten für sich selbst als unzumutbar empfinden.

4. Arbeitslosigkeit und Marginalisierung der (potentiellen) Konkurrenz nützt (trivialerweise) den Inhabern der begehrtesten gesellschaftlichen Positionen.

5. Schließlich zehren die Profiteure aus dem Sozialbereich von der Existenz der Armen, die sie therapieren und betreuen können - gegen gutes Geld natürlich.2)

Die Eliten werfen der Rechten vor, sie handle unter der Devise »Frauen an den Herd!« - was immer das ist, es ist nicht neoliberal, denn der Neoliberalismus ist viel moderner: so modern, dass er sich auch die Zerstörung der bedrückenden Kernfamilie und der inoffiziellen Ökonomie zum Anliegen macht. Wie Christopher Lasch betont hat, ging die psychotherapeutisch inspirierte Attacke auf die Familie Hand in Hand mit dem Aufblühen jener Werbeaktivitäten der Nahrungsmittelindustrie,3) die die Leute von der Überlegenheit massenhaft vorgefertigter Speisen überzeugen sollten.

Wie dem auch sei - in Spiegelung der Rechten haben sich die Eliten nun dem Wahlspruch »Arbeitslose an die Arbeit!« verschrieben; im Jargon der Beschäftigungspolitiker des europäischen Establishments, das in Brüssel und in der OECD am Ruder ist, spricht man von »Aktivierung« und »Einschluss«: Arbeitslose sollen unter sanfter Nachhilfe dazu gebracht werden, sich an der großen Veranstaltung »offizielle Arbeitswelt« zu beteiligen. »Zu hohe« Arbeitslosenunterstützungen oder gar das voraussetzungslose allgemeine Grundeinkommen würden diesem Druck entgegenwirken; nicht nur neoliberale Ökonomen, sondern auch viele meinungsprägende Frauen sind daher gegen das Grundeinkommen und gegen alles, was den Eintritt in die offizielle Ökonomie »entmutigt«.

Die schwächeren Arbeitskräfte geraten so unter den Druck einer Arbeitsmarktpolitik, die sie dazu zwingt, ihnen wenig attraktiv erscheinende Arbeitsplatzangebote anzunehmen; ergänzt wird dies durch den Druck der Zuwanderung ausländischer Arbeitskräfte; diese ist sowohl von den Arbeitgebern als auch von den übrigen Angehörigen der Eliten erwünscht. Diese Arbeitskräfte spielen auch in Österreich die Rolle, die ihnen in ganz Europa zugedacht ist - jene Arbeiten zu verrichten, von denen sich die Einheimischen so weit wie möglich zurückgezogen haben, und dadurch auch einen Lohndruck im Niedriglohnsektor auszuüben; kein Wunder, dass man die dort Beschäftigten dann »aktivieren« muss. Die Zuwanderung von Menschen, die meist den harmlosen Plan verfolgen, sich irgendwie durchs Leben zu schlagen, und die nicht selten der Hölle auf Erden entronnen sind, ist daher doppelt instrumentalisiert, durch Arbeitgeber, die unter dem Applaus der Caritasdirektoren nach ausländischen Arbeitskräften verlangen.

3. Das zentrale Dilemma

Die Tatsachen des Arbeitsmarktes und der internationalen Wanderung werfen Probleme auf, die keine konsistente Politik mehr zulassen. So haben etwa die Grünen durch ihre - verdienstvolle - Forderung nach dem Grundeinkommen den Versuch unternommen, die Elitenfixierung ihrer Politik zu überwinden, doch erweist sich bei genauerer Betrachtung diese Forderung als Fremdkörper innerhalb des grünen politischen Programms. Stellt man die Frage, wie sie z. B. mit einer liberalen Zuwanderungspolitik vereinbar wäre, erntet man in den meisten Fällen nur ratloses Schweigen.

Die Grünen zählen zu jener Meinungskoalition, die der Zuwanderung ausländischer Arbeitskräfte positiv gegenübersteht. Zur ideologischen Untermauerung dieses Programmpunktes dient die Rhetorik des »Arbeitskräftemangels« (gemeinsam mit dem zugehörigen »Schmarotzer«-Mythos). »Arbeitskräftemangel« bedeutet im Allgemeinen nicht, dass keine Arbeitskräfte gefunden werden können, egal, welche Bedingungen man ihnen bietet. Der Ausdruck signalisiert lediglich, dass Arbeitskraft nicht zu dem Preis beschafft werden kann, den Arbeitgeber und Konsumenten zu zahlen bereit sind.4) Es gibt Unterbeschäftigte und Mitglieder der stillen Reserve, die bei adäquater Entlohnung sehr gerne arbeiten würden. Zusätzlich wäre es möglich, in die Ausbildung der schwächsten Arbeitsmarktteilnehmer zu investieren. Allerdings verfügen die Symbolwerker über eine Option, die sie wesentlich billiger zu stehen kommt:5) die Öffnung der Grenzen für Einwanderer, die mehr als bereit sind, persönliche Dienstleistungen um geringen Lohn zu erbringen. Sind die Zuwanderer bereits gut ausgebildet, umso besser - dann kann man sich auch den Schulungsaufwand für die ortsansässigen peripheren Arbeitskräfte ersparen.

In den USA sind es dann Stimmen wie jene des konservativen »American Enterprise Institute« oder des »Wall Street Journal«, die es begrüßen, wenn der »Arbeitskräftemangel« in einer Weise behoben wird, die gleichzeitig den Lohnauftrieb bei den persönlichen Dienstleistungen dämpft.

Der Konflikt zwischen den Symbolanalytikern einerseits, den Routineproduzenten und den Angehörigen der Dienstleistungsklasse andrerseits, wird voraussichtlich von den Ersteren für sich entschieden werden. Es wird dies ein Sieg auf der ganzen Linie sein, denn sie werden das alte Kunststück der kapitalistischen Demagogen nachahmen, die stets die Leute glauben machen konnten, dass das, was für sie gut ist, für alle anderen gut ist, bzw. dass sie ihr Eigeninteresse in hochmoralischem Auftrag verfolgen. Bei der Vollführung dieses Kunststücks ist es nur nützlich, wenn man gleichzeitig die Kritik an der eigenen Position aus Leibeskräften denunziert. Wer sich der kuriosen Allianz aus Wirtschaftsinteressen und - meist sehr achtenswertem - humanitärem Engagement widersetzt, wird unverzüglich als »Populist« oder gar »Rassist« gebrandmarkt, als gehörte das Gesetz von Angebot und Nachfrage zum ideologischen Kernbestand der extremen Rechten. In derartigen bizarren Reaktionen zeigt sich ein Verfall der Standards der rationalen Argumentation, der auf Sicht auch die Interessen der Zuwanderer beeinträchtigen wird.

4. Das Ende der rationalen Diskussion?

In der Diskussion mit den meinungsbildenden Eliten - sofern sie sich überhaupt dazu herablassen, auf Widerspruch einzugehen - geht es meist weniger darum, wer die besseren Argumente hat, sondern darum, wer die edlere Gesinnung aufzuweisen hat, eine Frage, die darüber hinaus den Eliten schon von vornherein als beantwortet erscheint. Damit wird, ob dies nun beabsichtigt ist oder nicht, der Diskussion der relevanten empirischen Fragen vorgebeugt. Diese wäre allerdings wesentlich schwieriger als die leichtfertige Ehrenbeleidigung.

Am Beispiel der Migration zeigt sich das zentrale Dilemma der Politik unter den gegenwärtigen wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen - es ist unmöglich, eine »fortschrittliche« Politik zu machen, die es nicht zugleich versäumt, die Interessen der berühmten »kleinen Leute« ernst zu nehmen. Die Grünen und große Teile der SPÖ sind geschlossen im »fortschrittlichen« Lager zu finden. »Fortschrittlich« heißt dabei vor allem »kulturell liberal« und bedeutet ein Eintreten für die Rechte von Frauen, von Minderheiten, für den Umweltschutz, für »Pluralismus« usw. All das ist den Eliten lieb und wert, doch können die weniger Gebildeten damit meist weniger anfangen. Dies darf nicht ausschließlich als Rückständigkeit interpretiert werden, denn ganz offensichtlich haben z. B. die Frauen der Unterschicht vergleichsweise wenig Interesse an Kinderbetreuungsplätzen, daran, zur Annahme von Arbeit in den Putzkolonnen »aktiviert« zu werden, an moderner Kunst und an fast allen anderen Dingen, die den Eliten am Herzen liegen.

Auch die Gewerkschaft und die Arbeiterkammer sehen sich ihrem eigenen Dilemma gegenüber: Sie nehmen die Interessen der Insider des Arbeitmarktes wahr, unter anderem durch eine Hochlohnpolitik. Für die Schwächsten - und vor allem die in regelmäßiger Abfolge immer wieder von Arbeitslosigkeit Betroffenen - auf dem Arbeitsmarkt können sie immer weniger tun. Robert Reich verweist darauf, dass die Antwort auf die Spaltungstendenzen der US-amerikanischen Gesellschaft auf der Hand liegt; die Gewinner der neuen Konstellation müssten massiv zur Finanzierung von Bildung, Gesundheit und öffentlicher Infrastruktur für alle herangezogen werden.6) Es hapert lediglich an der Umsetzung dieses Rezepts, was angesichts der Macht (einschließlich der Definitionsmacht über die Wirklichkeit) der Eliten nicht weiter verwundern kann.

Am wenigsten befähigt zu einer derartigen Umverteilungspolitik erscheint eine Sozialdemokratie, die Teile ihrer elitären Anhängerschaft an die Grünen verloren hat und große Teile ihrer ursprünglichen Klientel an die Freiheitlichen. Was ihr bleibt, ist ein »Dritter Weg«, von dem immer deutlicher wird, dass er auf dem von Brüssel und der OECD inspirierten neoliberalen Elitenkonsens basiert. Damit stehen auch die humanitären Akteure, die sich für Zuwanderung stark machen und gleichzeitig den Neoliberalismus und die zunehmende »Kälte« unserer Gesellschaft kritisieren wollen, vor ihrem ureigenen Dilemma.

All das zeigt, dass unter den gegenwärtigen Umständen Politik nicht einfach sein kann, egal, ob sie nach Konsistenz, massenhaftem Zuspruch oder der Verwirklichung von hohen politischen Idealen strebt; auch die Tugend wird für Einzelpersonen nicht so einfach zu haben sein, wie es sich die »Kinder des Lichts« (Lasch) vorstellen.

Literatur

Gans, Herbert J. (1992): »Über die positiven Funktionen der unwürdigen Armen. Zur Bedeutung der >underclass< in den USA«, in: Armut im modernen Wohlfahrtsstaat, herausgegeben von Stephan Leibfried und Wolfgang Voges, Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, Sonderheft 32, S. 48-62.

Lasch, Christopher (1991): The True and Only Heaven. Progress and Its Critics. New York: Norton & Company.

Reich, Robert B. (1993): The Work of Nations. Preparing Ourselves for 21st-Century Capitalism. London: Simon & Schuster.

1) Für wertvolle Verbesserungsvorschläge danke ich Franz Heschl.

2) vgl. Gans 1992.

3) Lasch 1991, S. 518.

4) Reich 1993, S. 286.

5) Reich 1993, S. 287.

6) Reich 1993, S. 250.

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