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»Speed Kills« oder der Killer killt geschwind

Unsere Gesellschaft verändert sich rasant. »Speed Kills« lautet das Lieblingswort des ÖVP-Klubobmanns Andreas Khol, das er zum Slogan und zum Credo für die Arbeit der derzeitigen Bundesregierung gemacht hat. Wie so viele unglücklich gewählte und schiefe Wortbilder, die Assoziationen und Konnotationen auslösen, ist dieser Begriff zum »Aufhänger« und zum Synonym für einen veränderten Regierungsstil geworden.

»Speed Kills« ist zum Beispiel ein Slogan, den das Kuratorium für Verkehrssicherheit verwendet, wenn es um die Unfallstatistik und um die Prävention von Unfällen geht. Neben dem Alkohol ist es vor allem die Geschwindigkeit, die »tötet« oder schwere Unfälle verursacht. »Speed Kills«, Herr Khol, sie haben recht, zumindest was den Straßenverkehr betrifft.

Neben dem zu schnellen Autofahren ist »Speed« im Neudeutschen (aus den USA) übernommenen Sprachgebrauch aber auch eine Droge. Was (meist junge) Leute halt so »einwerfen«, sei es nun »Extasy« (neue Designerdroge), »Acid« (LSD) oder eben »Speed« (meist Amphetamin), eine aufputschende Droge, die aber sicher nicht gut tut (wenn sie nicht killt, verursacht sie auf Dauer ähnlich wie Extasy bleibende Hirnschäden). W. Schüssel hat hier A. Khol korrigiert und erklärt, »Speed« sei eine Droge, mit der zumindest er nichts zu tun haben wolle. Der ÖVP-Klubobmann könnte sich sein Lieblingswort aber auch direkt aus den »war rooms« der amerikanischen Spin-doktoren geholt haben. Die in die Gewalt verliebte US-amerikanische Gesellschaft bevorzugt martialische, kriegerische Begriffe. Im »Kriegszimmer« arbeitet eine bestimmte Sorte von Akademikern daran, die öffentliche Meinung in ihre eigene Richtung zu drehen. Bei diesem »herumdoktern« denkt man offensichtlich an ein Geschoß, dem man den richtigen Drall (»Spin«) gibt. Wenn die Spindoktoren wie moderne Hexenmeister richtig und schnell doktern, dann wird der politische Gegner »gekillt«. Aber das kann der christliche und katholische Andreas Khol doch auch nicht wollen, dass hier jemand umgebracht wird (ich habe ihn kürzlich im Wiener Stephansdom bei der Messe gesehen). Das wäre ja eines von jenen 10 Dingen, die wir wirklich nicht tun sollen.

Da wäre dann noch die Variante, wo es nur um die Geschwindigkeit geht. Hohes Tempo bringt politischen Erfolg. Da sind Gesetze, die im Eiltempo beschlossen werden, das heißt, der »Expertenbericht« zur »sozialen Treffsicherheit« wird vorgelegt und sozusagen über Nacht in umfassende Gesetze und Maßnahmen umgewandelt (»Experten« werden nur noch als Alibi oder Feigenblatt für unpopuläre Maßnahmen benutzt - im Zweifelsfall können die allein verantwortlichen Politiker immer auf sie zeigen und Verantwortung abwälzen und müssen nicht mehr für ihre Taten einstehen).

Von einem Begutachtungsverfahren bei Gesetzesentwürfen kann sowieso keine Rede sein, wenn für umfassende Gesetze keine 14 Tage und keine 8 Tage zur Verfügung stehen, sondern maximal ein Wochenende und manches Mal nicht einmal das, weil Gesetze mit bereits abgelaufener Begutachtungsfrist vorgelegt werden.

Der lächerliche Pfusch bei den Ambulanzgebühren oder die zum Himmel schreiende Ungerechtigkeit der Besteuerung von Unfallrenten wird jetzt trotz ihrer lauten Proteste den zugezogenen Experten angelastet - die schwarzblaue Mannschaft ist nicht bereit, Fehler einzugestehen und zu korrigieren und hält trotz nicht weniger kritischer Stimmen aus den eigenen Reihen völlig unbeirrt am einmal eingeschlagenen Kurs fest (Motto: »Wir irren uns nie und sind so gut wie unfehlbar«). Anträge der Opposition auf rückwirkende Aufhebung dieser »Invalidensteuer« wurden von der schwarzblauen Mehrheit im Parlament abgeschmettert - darunter auch dieselben Leute, die vorher öffentlich erklärt hatten, dass sie gegen diese auch von der Mehrheit der Bevölkerung als ungerecht empfundene Besteuerung der Opfer von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sind. Einmal dagegen, einmal dafür: das nennt man dann »Parteidisziplin«. Oder heißt das Opportunismus? In Wien stehen jetzt Landtagswahlen bevor. Vor dem Wahlvolk macht es sich da besser, dagegen zu sein. Im Hohen Haus? Na ja, da sind die Wähler schon weiter weg und das Fernsehen überträgt nicht das Abstimmungsverhalten jedes Einzelnen, obwohl gerade dort eine genauere Beobachtung starke Lernprozesse beim gemeinen Wahlvolk auslösen könnte.

Das einfache Parteimitglied aus Kärnten, Jörg Haider, hat kürzlich bei der »Pressestunde« im Fernsehen publikumswirksam die Befreiung der »sozial Schwachen« von dieser Steuer verlangt. Ob er sich wohl durchsetzen kann? Besteuert werden nämlich Normalverdiener, die im Zuge ihres Erwerbslebens dauerhaft verletzt wurden und deswegen eine Unfallrente beziehen. Manche Dinge sind eben komplizierter, als sie auf den ersten Blick aussehen, auch wenn hier die populistischen Vereinfacher am Werk sind. Die Besteuerung der Unfallrenten jener Kolleginnen und Kollegen, die zum Beispiel eine Hand, einen Fuß oder ein Auge verloren haben, ist keine soziale Frage, sondern eine Frage der Gerechtigkeit bzw. der Ungerechtigkeit. Dies wird in der Öffentlichkeit auch immer klarer erkannt, und deswegen auch der Aufruf des einfachen Parteimitglieds: Reine Ablenkungsmanöver, um gut dazustehen. »Meine Mannschaft hat das zwar im Parlament beschlossen, aber ich, seht her Leute, ich bin dagegen!«

In der Resolution des ÖGB-Bundesvorstandes heißt es lapidar: »Durch die neue Gesetzeslage liefern mehr als 110.000 Unfallrentner seit Jänner 2001 jährlich etwa 2 Milliarden Schilling dem Finanzminister zur Budgetsanierung ab. Um diese Ungerechtigkeiten zu beseitigen, bedarf es keiner neuen Expertenkommission. Es genügt, wenn der Nationalrat für die Abschaffung der Unfallrenten stimmt, wie dies schon immer gefordert wurde. Eine Härteklausel genügt nicht. Aus Sicht des ÖGB ist jeder Unfallrentner und jede Unfallrentnerin ein Härtefall.«

Die Schrotflinten mit der Aufschrift »soziale Treffsicherheit« sind auf uns alle gerichtet. Wird es uns gelingen, wenigstens die vom Schicksal besonders geschlagenen Kolleginnen und Kollegen vor den »Speedkillern«zu schützen?

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