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Zukunft auch für sozial Benachteiligte? | Über die Verteilungswirkungen der geplanten Maßnahmen zur Erreichung des Nulldefizits auf die Arbeitnehmer

»Es zahlt sich aus für Österreich« ist der Slogan, mit dem die Regierung die Vorteile des Nulldefizits verkaufen will. Mit »Österreich« kann natürlich viel gemeint sein. Landläufig müsste eigentlich davon ausgegangen werden, dass damit in erster Linie die österreichische Bevölkerung gemeint ist und als deren größte Gruppe die unselbständig Erwerbstätigen. So genau möchte es der Finanzminister vielleicht doch nicht wissen, denn dann müsste er wohl zugeben, dass sein neuester Vermarktungsslogan vielleicht gar nicht stimmt.

Verteilungswirkungen sind nicht leicht zu quantifizieren, besonders wenn es so eine unzureichende Datenlage wie in Österreich gibt. Da es bis heute aufgrund der schlechten Erfassung der selbständigen Einkommen keine seriösen Untersuchungen zum Thema Verteilungswirkungen des öffentlichen Haushalts auf Selbständige bzw. Landwirte gibt, konnte die Unternehmensseite hier nicht miteinbezogen werden. In diesem Artikel wird der Versuch unternommen, die Auswirkungen der errechneten Belastungspakete auf untere, mittlere und obere Einkommensgruppen von Arbeitnehmern einzuschätzen.

Umverteilung durch Staatsausgaben

Dies geschieht folgendermaßen: Erst wird die Summe aller Arbeitnehmerhaushalte (einschließlich Pensionisten) errechnet und dann durch drei dividiert. Dies wird dann zum Einkommen dieser Haushalte in Verhältnis gestellt. Die WIFO-Verteilungsstudie 19961) errechnete nach diesem Muster, dass das untere Drittel der Arbeitnehmerhaushalte nur 12 Prozent der Bruttoeinkommen erhält, das mittlere Drittel 28 Prozent und das obere Drittel 60 Prozent. Von den Staatsausgaben erhalten die unteren Einkommen aber 29 Prozent, die mittleren 31 Prozent und die oberen 40 Prozent, d. h., Umverteilung passiert in Österreich hauptsächlich über Ausgaben, im Besonderen über soziale Transfers. Soziale Transfers sind beispielsweise die Gelder aus der Arbeitslosenversicherung, die Notstandshilfe, das Karenzgeld und die Familienbeihilfe.

Ausgabenseitiges Sparen muss also sehr umsichtig erfolgen, um nicht die sozial Schwachen besonders zu treffen. Genau das Gegenteil hat aber die Regierung bei ihren so genannten »Maßnahmen zur Erhöhung der sozialen Treffsicherheit« gemacht!

Verbrauchsteuern belasten kleine Einkommen!

Auf der Einnahmenseite, das heißt auf der Steuer- und Abgabenseite, gibt es in Österreich wenig Umverteilung. Die oberen Einkommen zahlen zwar 70 Prozent der Lohnsteuern, aber dies wird zum Gutteil dadurch wettgemacht, dass die unteren und mittleren Einkommen bei der Umsatzsteuer, bei Verbrauchsteuern, Gebühren und Sozialversicherungsbeiträgen kräftig zur Kassa gebeten werden.

Die geringere Belastung der Besserverdiener mit letztgenannten Steuern hängt damit zusammen, dass einerseits bei den Sozialversicherungsbeiträgen der Beitrag nach oben hin begrenzt ist und andererseits die oberen Einkommen mehr Geld auf die Seite legen können und sich damit bei diesem Teil ihres Einkommens alle Steuern ersparen, die durch das Konsumieren anfallen. Bezieher unterer Einkommen müssen meist fast ihr ganzes Einkommen ausgeben, um ihre Lebenserhaltungskosten zu decken, deshalb treffen sie die Erhöhungen wie z. B. der Rezeptgebühren, der Autobahnvignetten oder der Energieabgabe, gemessen am Einkommen, ungleich mehr. Und genau diese negativen Wirkungen kommen bei den jetzigen Belastungspaketen zum Tragen.

Tabelle 1: Verteilungswirkungen der Erhöhung der Verbrauchsteuern und Gebühren für die Haushalte (Belastungspaket1)
Milliarden Schilling Unteres Dritte lin % d. Einkommens Mittleres Dritte lin % d. Einkommens Oberes Dritte lin % des Einkommens
Tabakabgabe 1,2 0,13 0,11 0,07
Elektrizitätsabgabe 3,2 0,45 0,29 0,18
Motorbezogene Versicherungssteuer 5,3 0,52 0,45 0,37
Umsatzsteuer1) 0,7 0,08 0,06 0,04
Autobahnvignette 1,5 0,20 0,13 0,09
Sonstige Gebühren 1,0 0,14 0,10 0,07
Insgesamt 13,0 1,55 1,15 0,80
Einkommen netto in Milliarden Schilling 1266,0 192,4 384,4 689,2
Belastung in % des Einkommens (gerundet) 1,0 1,6 1,1 0,8
Quelle: Marterbauer/Walterskirchen 1) Diese Erhöhung ergibt sich aus der Erhöhung der Tabaksteuer und der Energieabgabe.

Auswirkungen der Belastungspakete:

Belastungspaket 1

Die ersten budgetären Maßnahmen, die die neue Bundesregierung zu Beginn ihrer Amtszeit getroffen hat, waren vor allem Gebühren- und Abgabenerhöhungen: höhere Tabaksteuer, Verteuerung der Autobahnvignette, Erhöhung der motorbezogenen Versicherungssteuer, Gebührenerhöhung für den Reisepass usw.

Die Wirtschaftsforscher Marterbauer/Walterskirchen2) errechneten in einer Studie, dass durch die Anhebung dieser Steuern und Gebühren im ersten Belastungspaket das untere Einkommensdrittel einer doppelt so hohen Belastung ausgesetzt wird wie das oberste Drittel. Dieselbe Wirkung haben übrigens auch die Selbstbehalte in der Krankenversicherung. Aus der Tabelle 1 ist dies ersichtlich: Bezogen auf ihr Nettoeinkommen zahlen die unteren Einkommen dem Staat 1,6 Prozent, die oberen nur 0,8 Prozent!

Belastungspaket 2

1. Nicht ganzjährig Beschäftigten kann es passieren, dass sie gleich viermal zusätzlich zum Handkuss kommen!

Die Urlaubsaliquotierung und der Entfall des Postensuchtages wirken sich finanziell negativ für sie aus, genauso wie die Besteuerung der Urlaubs- und Kündigungsentschädigung und der verlängerte Durchrechnungszeitraum im Rahmen der Arbeitslosenversicherung. Nun haben aber gerade Arbeitnehmer in Branchen, wo Beschäftigungsunterbrechungen und -beendigungen besonders häufig sind, Einkommen, die 10 bis 15 Prozent unter dem Durchschnitt liegen.3) Das heißt, Personen in instabilen Beschäftigungsverhältnissen werden durch die Belastungspakete noch zusätzlich ausgesackelt!

2. Steuerliche Maßnahmen: Auch Einkommen unter 30.000 Schilling sind betroffen!

Mit der Kürzung der Absetzbeträge in der Lohnsteuer werden besonders kleine und mittlere Einkommen getroffen. Einerseits gibt es eine De-facto-Halbierung des Arbeitnehmer-Absetzbetrages. Damit der Arbeitnehmer-Absetzbetrag nicht um die Hälfte gekürzt wird, muss ein Arbeitnehmer mindestens 1000 E (= 13.706 Schilling) private Pensionsvorsorge im Jahr leisten. Es ist aber unwahrscheinlich, dass das untere Einkommensdrittel diese Maßnahme der privaten Pensionsvorsorge nützen wird können. Bei einem Einkommen ab 10.000 Schilling brutto verliert man damit über ein halbes Prozent des Nettoeinkommens im Monat.

Andererseits gibt es auch eine Kürzung des Allgemeinen Absetzbetrages und des Pensionistenabsetzbetrages. Dies schmerzt vor allem mittlere Lohneinkommen. Durch den Verlust des Pensionistenabsetzbetrages entsteht bei einer Bruttopension von 30.000 Schilling eine Mehrbelastung von 6600 Schilling. Bei Lohneinkommen macht die Kürzung des Allgemeinen Absetzbetrages bis über 3700 Schilling Entlastung der mittleren Einkommen aus der Einkommensteuer-Reform 2000 rückgängig. Dies vor allem bei Einkommen rund um 45.000 Schilling brutto. Mit 70.000 Schilling brutto beträgt die Belastung mit 1250 Schilling nur noch knapp ein Drittel davon.

Belastungspaket 3

Obwohl der Finanzminister behauptet, dass von den Maßnahmen, die er zur Erreichung des Nulldefizits vorgesehen hat, 75 Prozent der Bevölkerung nicht betroffen sein werden, ist er uns den Wahrheitsbeweis schuldig geblieben!

Soziale Treffsicherheit trifft die Einkommensschwachen!

Die so genannten Sparmaßnahmen im Rahmen der sozialen Treffsicherheit, insbesondere die Kürzung der Familienzuschläge, der Valorisierungsstopp und die Wartefrist in der Arbeitslosenversicherung sowie die Besteuerung der Unfallrenten, treffen alle Einkommensgruppen und sie treffen die unteren Einkommensgruppen besonders hart.

1999 hatte jeder zweite Bezieher einen Bezug von Arbeitslosengeld/Notstandshilfe unter dem Alleinstehendenrichtsatz (Ausgleichszulage, netto zirka 9100 Schilling). Bei den Notstandshilfebeziehern waren es gar geschätzte 75 Prozent!4). Dies zeigt, dass die Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung keineswegs überzogen sind und wie willkürlich diese Kürzungen vorgenommen wurden. Noch dazu weist die Arbeitslosenversicherung Überschüsse in Milliardenhöhe auf, die gebraucht werden, um das heroische Ziel des Nulldefizits zu erreichen.

Alle Arbeitnehmer werden zur Kassa gebeten

Die Fülle der Maßnahmen der Regierung trifft alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Eher mittlere und obere Einkommensschichten trifft die Einführung der Studiengebühren hart, ebenso die Erhöhung der Einheitswerte im Zuge des Erbschaft- und Schenkungsteuerrechts. Auch die Besteuerung von Substanzgewinnen von Investmentfonds wird Besserverdienende treffen, weil sich nur diese solche Wertpapiere leisten können. Diese Belastung wird aber durch die Abschaffung der Börsenumsatzsteuer deutlich gemildert. Insgesamt lässt sich zur Belastung oberer Einkommen sagen, dass auch diese spürbare finanzielle Nachteile haben, vom Volumen her - dies zeigt Tabelle 2 - sind diese Maßnahmen aber deutlich geringer als die Belastungen des unteren Einkommenssegmentes.

Resümee

Entgegen den Ankündigungen des Finanzministers zeigt sich, dass auch bei den geplanten Maßnahmen für 2001/2002 die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen mit kleineren Einkommen einen vergleichsweise überhöhten Beitrag leisten müssen. Summiert man die Belastungen für das untere Einkommensdrittel in der Tabelle 2, so sieht man, dass die geplanten Maßnahmen für 2001 etwa ein Gesamtvolumen von zirka 8,5 Milliarden Schilling annehmen, währenddessen die Maßnahmen, die insbesondere die Besserverdienenden treffen, ein Gesamtvolumen von zirka 3,3 Milliarden Schilling haben (siehe Tabelle 2).

Tabelle 2: Übersicht über die Verteilungswirkungen der geplanten Maßnahmen auf Arbeitnehmer 2000-2002

Maßnahmen in Milliarden Schilling1) Unteres Einkommensdrittel

Mittleres Einkommensdrittel

Oberes Einkommensdrittel
Belastungen: 2001 2002 Belastung
Belastungspaket 2000:
Verbrauchsteuern, Gebührenerhöhung, Autobahnvignette 9,7 9,7 **
Selbstbehalte in der Krankenversicherung 1,0 1,0 **
Urlaubsaliquotierung, Postensuchtag 3,3 3,3 * *
Belastungspakete 2001/2002:
Besteuerung der Urlaubs- und Kündigungsentschädigung 4,0 4,5 ** *
Kürzung allgemeiner Absetzbetrag 2,0 2,2 ** *
Halbierung Arbeitnehmer-Absetzbetrag 1,6 1,8 * **
Erbschaft- und Schenkungsteuer 0,3 0,6 * *
Abzugssteuer für Vortragende 0,5 0,6 *
Kürzung beitragsfreie Mitversicherung 0,7 0,7
Besteuerung Unfallrenten 1,2 1,3 ** *
Kürzung Familienzuschläge 0,4 0,4 **
Krankenversicherung für Zusatzpensionen 0,3 0,3 **
Neuregelung der Wartefrist 0,8 0,8 ** *
Abschaffung Valorisierung und Einsparung Weiterbildungsgeld in der Arbeitslosenversicherung 0,5 0,5 * *
Studiengebühren 0,8 1,6 **
Besteuerung Substanzgewinn Investmentfonds 0,4 0,4 **
Entlastungen: 2001 2002 Entlastung
Abschaffung Börsenumsatzsteuer 0,2 0,2 **
Prämie Pensionsvorsorge 0,0 0,8 * *
Ausweitung Karenzgeld 0,0 4,4 ** *
Quelle: AK Wien
1) Berechnungen AK Wien
Erklärung: ** = Diese Maßnahme belastet/bevorzugt insbesondere dieses Einkommensdrittel
* = Diese Maßnahme belastet/bevorzugt dieses Einkommensdrittel

Wenn die Regierung also meint, es werde sich für Österreich auszahlen, das Nulldefizit zu erreichen, dann hat sie dabei sicherlich nicht die viel zitierten »kleinen Leute« im Auge gehabt. Inwiefern sollen sich denn massive Belastungen für Einkommensschwache auch nur irgendwie rechnen? Egal, ob beabsichtigt oder nicht, der überhastete Weg zum Nulldefizit untergräbt die Verteilungspolitik und stellt zunehmend die Frage, wie ernst die viel zitierte »soziale Gerechtigkeit« in diesem Lande noch genommen wird!

1) Guger et al. (WIFO): Umverteilung durch öffentliche Haushalte in Österreich, Wien 1996

2) Walterskirchen/Marterbauer: Verteilungseffekte des Regierungsprogramms, Wirtschaft und Gesellschaft, 2/ 2000

3) Siehe A&W 11/00, Seite 10, Interview mit Rudolf Kaske »Wenn es im Geldbörsel spürbar wird«

4) Berechnungen: AK Wien. Anmerkung: 1999 betrug die Ausgleichszulage 8112 Schilling (14-mal) bzw. 9464 Schilling (Jahreszwölftel). Davon wurden 3,75 Prozent Krankenversicherungsbeiträge abgezogen.

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(C) AK und ÖGB

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